Leitsatz (amtlich)

Aufwendungen eines bereits im Beruf stehenden Steuerpflichtigen für den Besuch eines Lehrganges können nicht als Fortbildungskosten zu den Werbungskosten gerechnet werden, wenn der Lehrgang lediglich die Erweiterung der Allgemeinbildung zum Ziel hat. Es kommt daher nicht darauf an, ob der Lehrgang in der Absicht besucht wird, den Anforderungen des ausgeübten Berufes zu genügen und die Voraussetzungen des § 6 Abs. 1 Nr. 1 StBerG für die Zulassung zur Steuerbevollmächtigtenprüfung zu schaffen.

 

Normenkette

EStG § 9 Abs. 1

 

Tatbestand

Der Kläger war im Streitjahr 1966 als Gehilfe im wirtschafts- und steuerberatenden Beruf bei einer Steuerbevollmächtigten tätig; er hatte seine Lehrzeit mit der Gehilfenprüfung abgeschlossen. Im Jahre 1966 besuchte er einen Vorbereitungskursus zur Erlangung der Realschulreife (mittlere Reife) bei der Volkshochschule. Die hierdurch entstandenen Kosten in Höhe von 1 302,30 DM machte er im Lohnsteuer-Jahresausgleich als Werbungskosten (Fortbildungskosten) bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit geltend. Das FA lehnte die Anerkennung als Werbungskosten ab. Mit der deshalb erhobenen Klage machte der Kläger geltend: Er habe den Vorbereitungskurs in der Absicht besucht, die nötigen Voraussetzungen für die Zulassung zur Steuerbevollmächtigtenprüfung zu erlangen und den hohen Anforderungen seines ausgeübten Berufes und seiner damaligen Stellung zu genügen. Er wolle auch nach bestandener Steuerbevollmächtigtenprüfung als Arbeitnehmer in einem Steuerberatungsbüro tätig bleiben. Das FG wies die Klage mit folgender Begründung ab: Die Aufwendungen für den Vorbereitungskurs seien Ausbildungskosten, die nicht zu den nach § 9 EStG abziehbaren Werbungskosten gerechnet werden könnten. Zwischen der Berufstätigkeit des Klägers und der Teilnahme an dem Vorbereitungskurs habe kein unmittelbarer Zusammenhang bestanden, weil das in dem Kursus vermittelte Wissen die Tätigkeit des Klägers als Gehilfe im wirtschaftsund steuerberatenden Beruf nicht unmittelbar gefördert habe. Der Kläger habe vielmehr durch die Teilnahme an dem Kursus ein Allgemeinwissen erlangt, das Voraussetzung für eine weitere Ausbildung sein könne. Habe nämlich der Kläger die mittlere Reife erlangt, so könne er, falls auch die sonstigen Voraussetzungen des § 6 StBerG gegeben seien, sich zur Prüfung als Steuerbevollmächtigter bewerben. Darüber hinaus erlange er andere Möglichkeiten einer weiteren Ausbildung, die in keinem Zusammenhang zur Tätigkeit als Gehilfe im wirtschaftsund steuerberatenden Beruf stünden. Die Kosten der Ausbildung für einen Beruf gehörten zu den einkommensteuerlich nicht berücksichtigungsfähigen Kosten der privaten Lebensführung im Sinne des § 12 Abs. 1 EStG. Dasselbe gelte nach dem Urteil des BFH VI R 262/66 vom 4. August 1967 (BFH 90, 21, BStBl III 1967, 774) von Aufwendungen, die ein bereits im Berufsleben stehender Steuerpflichtiger mache, um seine Lebensstellung durch einen Berufswechsel zu verbessern. Der Gehilfe im wirtschafts- und steuerberatenden Beruf und der Steuerbevollmächtigte stellten nach Ansicht des Gerichts zwei verschiedene Berufe dar.

Mit der vom FG zugelassenen Revision rügt der Kläger die Verletzung des § 9 Abs. 1 EStG. Er macht im wesentlichen geltend: Die nicht näher begründete Auffassung des FG, die Berufe des Gehilfen im wirtschaftsund steuerberatenden Beruf und des Steuerbevollmächtigten seien verschieden, sei unvereinbar mit der Definition des Berufswechsels im BFH-Urteil VI R 262/66 vom 4. August 1967 (a. a. O.), wonach es darauf ankomme, ob der Zugang zu einem Beruf durch besondere Voraussetzungen, vor allem durch die Notwendigkeit eines längeren Schulbesuchs und des Erwerbs von Prüfungszeugnissen erschwert werde. Für die Zulassung zur Steuerbevollmächtigtenprüfung gebe es nach § 6 StBerG keine erschwerten Voraussetzungen im Sinne des Urteils VI 262/66 vom 4. August 1967. Es werde zwar im § 6 Abs. 1 Nr. 1 StBerG zunächst der Besitz des Zeugnisses der mittleren Reife verlangt, jedoch letztlich für ausreichend erklärt, daß sich der Bewerber auf irgendeine Weise Kenntnisse verschafft habe, die der mittleren Reife entsprechen. Außerdem lasse der § 6 Abs. 2 Nr. 2 StBerG auch diese Voraussetzung bei ehemaligen Bediensteten der Finanzverwaltung entfallen, die während einer bestimmten Zeit eine gewisse Tätigkeit im Steuerwesen ausgeübt haben. Für den Gehilfen in wirtschafts- und steuerberatenden Berufen gebe es schlechthin keine andere nächsthöhere Fortbildungsstufe als die des Steuerbevollmächtigten. Der BFH habe durch die Urteile VI R 25/67 vom 7. August 1967 (BFH 90, 32, BStBl III 1967, 778) und VI R 135/67 vom 18. August 1967 (BFH 90, 40, BStBl III 1967, 792) in den vergleichbaren Fällen der Habilitation des wissenschaftlichen Hochschulassistenten und der Vorbereitung eines Verwaltungsangestellten auf die Inspektorenprüfung jeweils einen Berufswechsel verneint und ausgesprochen, daß es sich um eine natürliche Steigerung der bisherigen Tätigkeit bzw. um ein Aufsteigen im eingeschlagenen Beruf handle.

Eine engstirnige Abgrenzung des Begriffs der Berufsfortbildung verbiete sich schon deshalb, weil der Gesetzgeber durch das StÄndG 1968 nunmehr sogar die Berufsausbildung in gewissem Umfange steuerlich begünstigt habe. Es komme hinzu, daß der BFH bereits in zahlreichen Urteilen festgestellt habe, es liege auch im öffentlichen Interesse, das Streben nach Verbesserung der beruflichen Leistungen zu fördern und deshalb den Begriff der "Fortbildungskosten" nicht zu eng zu fassen (z. B. in den Urteilen VI 249/62 U vom 15. März 1963, BFH 76, 818, BStBl III 1963, 298, und VI 45/63 U vom 28. Juni 1963, BFH 77, 313, BStBl III 1963, 433).

Der Kläger hat beantragt, das FG-Urteil und die Einspruchsentscheidung aufzuheben und das FA zu verurteilen, die geltend gemachten Aufwendungen als Werbungskosten zu berücksichtigen. Das FA hat beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen. Der Kläger hat gebeten, zunächst durch Vorbescheid zu entscheiden.

 

Entscheidungsgründe

Aus den Gründen:

Die Revision ist nicht begründet.

Werbungskosten sind nach § 9 EStG 1965 Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung der Einnahmen. Diese Zweckbestimmung umfaßt auch die Verbesserung der Leistungen im ausgeübten Beruf, nicht jedoch die Erlangung der Allgemeinbildung und der sonstigen für die Berufsausübung erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten. Deshalb gehören zu den Werbungskosten zwar auch solche Aufwendungen, die als "Fortbildungskosten" die Leistungen im ausgeübten Beruf verbessern sollen, in der Regel aber nicht Kosten des Besuchs allgemeinbildender Schulen (BFH-Entscheidung IV R 119/66 vom 20. Februar 1969, BFH 95, 433, BStBl II 1969, 433).

Der vom Kläger besuchte Vorbereitungskurs bei der Volkshochschule war einer allgemeinbildenden Schule gleichzustellen, weil die durch ihn erstrebte Realschulreife (mittlere Reife) lediglich im Rahmen der Allgemeinbildung lag und der Kurs eine auf den ausgeübten Beruf des Klägers abgestellte fachliche Weiterbildung nicht zum Gegenstand hatte. Darin liegt der maßgebende Unterschied zu dem vom BFH im Urteil IV R 119/66 vom 20. Februar 1969 (a. a. O.) entschiedenen Fall, daß die im Büro eines Steuerberaters als Bilanzbuchhalterin beschäftigte Mitarbeiterin eine Steuerfachschule besucht. Es ist nicht gerechtfertigt, die Aufwendungen des Klägers für den Vorbereitungskurs etwas deshalb ausnahmsweise als Fortbildungskosten zu behandeln, weil der Kläger wie jene Mitarbeiterin bereits seine Berufsausbildung abgeschlossen hatte und der Vorbereitungskurs wie der von der Mitarbeiterin besuchte Steuerfachunterricht geeignet war, die Voraussetzungen für die Ablegung der Steuerbevollmächtigtenprüfung zu schaffen (vgl. § 6 Abs. 1 Nr. 1 StBerG). Denn im Falle der Mitarbeiterin rechtfertigte sich die Anerkennung der Kosten für den Besuch der Steuerfachschule als Aufwendungen zur Verbesserung der Leistungen im ausgeübten Beruf (Fortbildungskosten) nur aus der Tatsache, daß der Besuch der Fachschule sie in ihrer bisherigen Eigenschaft als Mitarbeiterin im Büro eines Steuerberaters in bezug auf ihre Fachkenntnisse und auf ihr berufliches Fortkommen fördern konnte; es war insoweit unerheblich, ob sie beabsichtigte, die Steuerbevollmächtigtenprüfung abzulegen. Auch in den vom Kläger erwähnten Fällen der Habilitation des wissenschaftlichen Assistenten und der Vorbereitung des Verwaltungsangestellten auf die Inspektorenprüfung (BFH-Entscheidungen VI R 25/67 vom 7. August 1967 und VI R 135/67 vom 18. August 1967, a. a. O.) war für die Anerkennung der Aufwendungen als Fortbildungskosten nur der Umstand maßgebend, daß durch die Habilitation bzw. die Vorbereitung auf die Inspektorenprüfung fachliche Kenntnisse erworben wurden, die der bereits ausgeübten Tätigkeit als Assistent bzw. als Verwaltungsangestellter zugute kamen. Im Unterschied zu diesen Vergleichsfällen hat der Kläger durch den Vorbereitungskurs eine fachliche Förderung in seiner bisherigen beruflichen Stellung nicht erfahren.

Aufwendungen eines bereits im Beruf stehenden Steuerpflichtigen für den Besuch eines Lehrganges können also nicht als Fortbildungskosten zu den Werbungskosten gerechnet werden, wenn - wie im vorliegenden Falle - der Lehrgang lediglich die Erweiterung der Allgemeinbildung zum Ziele hat. Es kommt daher nicht darauf an, ob der Lehrgang in der Absicht besucht wird, den Anforderungen des ausgeübten Berufes zu genügen und die Voraussetzungen des § 6 Abs. 1 Nr. 1 StBerG für die Zulassung zur Steuerbevollmächtigtenprüfung zu erfüllen, und ob der Übergang von der Tätigkeit des Gehilfen im wirtschafts- und steuerberatenden Beruf zur Tätigkeit als angestellter Steuerbevollmächtigter einen Wechsel in der Berufs- oder Erwerbsart darstellt.

Der Umstand, daß der Gesetzgeber durch das StÄndG 1968 nunmehr auch die Ausbildungskosten steuerlich begünstigt hat, gibt entgegen der Auffassung des Klägers keinen Anlaß, den Begriff der Berufsfortbildungskosten weiter auszulegen. Denn der Gesetzgeber hat die Berufsausbildungskosten als Sonderausgaben begünstigt (§ 10 Abs. 1 Nr. 9 EStG) und dadurch bekundet, daß er sie weiterhin dem Wesen nach als Kosten der privaten Lebenshaltung, nicht aber als beruflich veranlaßte Aufwendungen (Werbungskosten) ansieht.

 

Fundstellen

Haufe-Index 69578

BStBl II 1971, 762

BFHE 1972, 50

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