Entscheidungsstichwort (Thema)

Bilanzierung von Wechseldiskontgeschäften - keine Aktivierung aufschiebend bedingter Forderungen - abschließende Regelung über Rechnungsabgrenzungsposten

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die im Rahmen eines typischen Wechseldiskontgeschäfts durch eine Bank erworbenen Wechsel und Forderungen sind mit den Anschaffungskosten zu aktivieren.

2. Der (zeitanteilige) Diskont gehört nicht zu den (nachträglichen) Anschaffungskosten.

3. Bilanzsteuerrechtliche Vorschriften erlauben nicht, den auf die Zeit zwischen Erwerb des Wechsels und Bilanzstichtag rechnerisch entfallenden Diskont in der Steuerbilanz anzusetzen.

4. Ob für Geschäftsjahre, die nach dem 31. Dezember 1992 beginnen, etwas anderes gilt, bleibt offen.

5. Aufschiebend bedingte Forderungen sind grundsätzlich nicht zu aktivieren.

 

Orientierungssatz

Die steuerliche Regelung der Rechnungsabgrenzungsposten (§ 5 Abs. 4 bzw. Abs. 5 EStG) sieht eine bilanzielle Korrektur von Ausgaben und Einnahmen nur insoweit vor, als sie der Zeit nach dem Bilanzstichtag zuzuordnen sind. Sie entspricht insoweit der Rechtslage zum AktG 1965. Sie ist abschließend und geht als steuerliche Sondernorm einer abweichenden Interpretation handelsrechtlicher Vorschriften vor. Sie kann daher weder druch einer Art. 18 Satz 1 der Bilanzrichtlinie entsprechende Norm noch durch allgemeine betriebswirtschaftliche Grundsätze zur periodengerechten Erfolgsrechnung erweitert werden.

 

Normenkette

KStG 1977 § 8 Abs. 1; EStG § 5 Abs. 1, § 6 Abs. 1 Nr. 2, § 20 Abs. 1 Nr. 8; HGB § 253; EStG § 5 Abs. 4-5; EWGRL 660/78 Art. 31; HGB § 255 Abs. 1, § 252 Abs. 1 Nrn. 3-4; BGB § 158 Abs. 1

 

Verfahrensgang

FG Baden-Württemberg (Gerichtsbescheid vom 27.05.1994; Aktenzeichen 6 K 185/91)

 

Tatbestand

I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist ein Kreditinstitut, das Wechseldiskontgeschäfte gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 3, § 19 Abs. 1 Nr. 2 des Gesetzes über das Kreditwesen (KWG) nach folgendem Muster abschließt:

Der Bankkunde stellt einen Kreditantrag bei der Klägerin. Ergibt die Überprüfung der Kreditwürdigkeit des Kunden ein positives Ergebnis, so wird diesem ein "Warenwechsel-Diskontkredit" für den Ankauf bundesbankfähiger Wechsel in bestimmter Höhe zugesagt. In der Diskontzusage wird festgelegt, bis zu welchem Gesamtbetrag die Klägerin bereit ist, vom Kreditnehmer eingereichte Wechsel zu diskontieren. Nach Einreichung des Wechsels schreibt die Klägerin dem Kunden im Rahmen der Diskontzusage jeweils den Nennbetrag des eingereichten Wechsels abzüglich Zinsen (Diskont) gut. Die vom Kunden zugleich zu zahlenden Spesen und Nebenkosten sind nach den Feststellungen des Finanzgerichts (FG) vergleichsweise unbedeutend. Die diskontierten Wechsel reicht die Klägerin entweder zum Zweck der Rediskontierung bei der Deutschen Bundesbank ein oder legt sie bei Fälligkeit dem Wechselbezogenen zur Zahlung vor. Die Klägerin darf nach Abschn. 42 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen die diskontierten Wechsel bereits vor Verfall dem Kunden zurückbelasten, wenn von ihr eingeholte Auskünfte über den Wechselverpflichteten nicht zu ihrer Zufriedenheit ausfallen, wenn Akzepte eines Wechselverpflichteten zu Protest gehen, wenn in den Verhältnissen der Wechselverpflichteten eine wesentliche Verschlechterung eintritt oder die Deutsche Bundesbank rediskontierte Wechsel zurückgibt u.a. Die Zurückbelastung ist ferner zulässig, wenn der Wechsel ohne grobes Verschulden der Klägerin nicht zurückgegeben werden kann. In allen Fällen der Zurückbelastung verbleiben der Klägerin die wechselrechtlichen Ansprüche gegen den Kunden und jeden anderen Wechselverpflichteten bis zur Abdeckung eines etwa vorhandenen Schuldsaldos. Bei Diskontierung gehen zugleich die dem Wechsel oder seinem Erwerb durch den Kunden zugrundeliegenden Forderungen sowie alle bestehenden und künftigen Rechte aus dem betreffenden Geschäft auf die Klägerin über (Abschn. 44 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen).

Die Klägerin bilanzierte bis zum 31. Dezember 1983 die diskontierten Wechsel mit den Ankaufskosten zuzüglich des bis zum jeweiligen Stichtag zeitanteilig aufgelaufenen Diskonts. Ab 31. Dezember 1984 und ebenso zum Bilanzstichtag des Streitjahres 1988 beurteilte die Klägerin das Wechseldiskontgeschäft entsprechend der herrschenden Meinung im Zivilrecht als Kaufvertrag und setzte die Wechsel in der Bilanz nur noch mit den Anschaffungskosten an. Den Ertrag aus dem Diskont realisierte sie bei Wechseleinlösung oder Rediskontierung, ohne im letzteren Fall die Marge passiv abzugrenzen. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) beurteilte das Wechseldiskontgeschäft hingegen wirtschaftlich als Kreditgeschäft mit der Folge, daß er den Diskont als Ertrag sowie die Rediskontierungskosten als Aufwand aus einem darlehensähnlichen Geschäft beurteilte und auf die Zeit von Hereinnahme des Wechsels bis zur Fälligkeit verteilte.

Einspruch und Klage, mit denen die Klägerin geltend machte, daß das Wechseldiskontgeschäft wahlweise wie ein Kauf- oder ein Darlehensvertrag bilanziert werden dürfe, hatten keinen Erfolg (das Urteil des FG ist in Entscheidungen der Finanzgerichte --EFG-- 1995, 110 abgedruckt).

Die Klägerin rügt mit ihrer Revision insbesondere Verletzung des Realisationsprinzips, der §§ 340c Abs. 1 und 340e Abs. 2 Satz 1 des Handelsgesetzbuches (HGB) und unrichtige Übertragung der für das Disagio, Damnum, Zerobonds, Schuldverschreibungen u.a. von der Rechtsprechung entwickelten Rechtsgrundsätze. Sie beantragt, das Urteil des FG aufzuheben, den Körperschaftsteuerbescheid 1988 und den Bescheid über die gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen nach § 47 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) zum 31. Dezember 1988, jeweils in der Gestalt der Einspruchsentscheidungen mit der Maßgabe zu ändern, daß in der Steuerbilanz zum 31. Dezember 1988 vermindert werden der Bilanzposten Wechsel um . . . DM und als Folgewirkung die Gewerbesteuerrückstellung um . . . DM und die Körperschaftsteuerrückstellung um . . . DM, so daß sich eine Gewinnminderung von . . . DM und eine Verminderung des zu versteuernden Einkommens von . . . DM ergeben. Die Tarifbelastung sei um . . . DM und das verwendbare Eigenkapital EK 56 um . . . DM niedriger festzustellen.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

II. Die Revision ist begründet. Auf die Revision der Klägerin ist das Urteil des FG aufzuheben und der Klage stattzugeben (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).

Gemäß § 8 Abs. 1 KStG i.V.m. § 4 Abs. 1, § 5 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) ist der zu versteuernde Gewinn der Unterschiedsbetrag zwischen dem Betriebsvermögen am Schluß des Wirtschaftsjahres und dem Betriebsvermögen am Schluß des vorangegangenen Wirtschaftsjahres, vermehrt um den Wert der Entnahmen und vermindert um den Wert der Einlagen. Der Gewinn wird danach durch eine Vermögensbestandsrechnung (Vergleich aktiver und passiver Bilanzansätze) nach grundsätzlich statischen Bilanzierungsgrundsätzen ermittelt (vgl. z.B. Schmidt/ Heinicke, Einkommensteuergesetz, 13. Aufl., § 4 Anm. 3). Jede Gewinnerhöhung oder -minderung muß sich danach in einer Erhöhung oder Minderung eines Bilanzansatzes ausdrücken.

Die Frage, ob und welche Bilanzpositionen in welcher Höhe durch ein Wechseldiskontgeschäft berührt werden, beantwortet sich unter Berücksichtigung des Gegenstandes des Wechseldiskontgeschäfts und seines jeweiligen Erfüllungsstandes ausschließlich nach den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung und steuerlichen Bewertungsnormen. Die zivilrechtliche Qualifikation des Wechseldiskontgeschäfts (vgl. z.B. Urteil des Bundesgerichtshofs --BGH-- vom 13. April 1972 II ZR 107/70, BGHZ 59, 197; Baumbach/Duden/Hopt, Handelsgesetzbuch, 27. Aufl., Bankgeschäfte VI, Anm. 1; Canaris, Handelsgesetzbuch, Großkommentar, Bankvertragsrecht, 1981, Rdnr.1531 ff.) spielt dabei insoweit eine Rolle, als sie Aussage über Bestand und Höhe von Forderungen macht. Ohne Auswirkung auf die steuerliche Gewinnermittlung sind jedoch die Vorschriften des KWG (vgl. insbesondere § 19 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 i.V.m. §§ 13 bis 18 KWG), weil diese rein bankaufsichtliche Ziele verfolgen und aus der bankaufsichtlichen Qualifizierung des Wechseldiskontgeschäfts als Kreditgeschäft noch nicht das Bestehen einer Darlehensforderung folgt. Ebensowenig tangiert § 20 Abs. 1 Nr. 8 EStG, der Diskontbeträge zu den Einkünften aus Kapitalvermögen zählt, die nach § 20 Abs. 3 EStG vorrangige bilanzielle Behandlung von diskontierten Wechseln im Betriebsvermögen (vgl. z.B. Dötsch in Kirchhof/Söhn, Einkommensteuergesetz, § 20 Q 3).

Nach den für den Senat mangels Verfahrensrügen bindenden Feststellungen des FG (§ 118 Abs. 2 FGO) wird das Wechseldiskontgeschäft im Betrieb der Klägerin entsprechend den typischen Wechseldiskontgeschäften abgewickelt (vgl. hierzu z.B. Baumbach/Hefermehl, Wechselgesetz und Scheckgesetz, 16. Aufl., Art. 11 Anhang Rdnr.13; Canaris, a.a.O., Rdnr.1522): Auf Antrag sagt die Klägerin dem Bankkunden zu, bis zu einem bestimmten Betrag eingereichte Wechsel zu diskontieren (sog. Diskontzusage). Den im Rahmen dieser Zusage jeweils eingereichten und noch nicht fälligen Wechsel schreibt die Klägerin in Höhe der Wechselsumme abzüglich des Diskonts (und hier unbeachtlicher Nebenkosten) dem Kunden gut. Da der gutgeschriebene Betrag vom Wechselverpflichteten (in der Regel vom Bezogenen; vgl. z.B. Eichwald in Obst/Hintner, Geld-, Bank- und Börsenwesen, 39. Aufl., S.431) zurückzuzahlen ist, kann --wirtschaftlich betrachtet-- von einem kreditähnlichen Rechtsgeschäft gesprochen werden. Durch das Wechseldiskontgeschäft können bei der diskontierenden Bank theoretisch --und alternativ-- folgende Bilanzpositionen angesprochen sein:

1. Der Wechsel als Wertpapier (vgl. z.B. Sarx/Pankow,

Beck'scher Bilanzkommentar, 2. Aufl., § 247 HGB Rdnr.126)

2. Forderungen

- gegen die Wechselverpflichteten

- gegen die Kunden des Wechseleinreichers

- gegen den Bankkunden aus Kreditgeschäft

3. Rechnungsabgrenzungsposten

Nach dem jedenfalls zum 31. Dezember 1988 geltenden Bilanzrecht führt unter Beachtung des Grundsatzes der Einzelbewertung (§ 252 Abs. 1 Nr. 3 HGB) keine der bezeichneten Alternativen zu einer Gewinnerhöhung bei der Klägerin in Höhe des zeitanteilig und rechnerisch auf die Zeit zwischen dem Erwerb des Wechsels und dem Bilanzstichtag entfallenden Diskonts.

Zu 1.: Der Wechsel ist gemäß § 5 Abs. 1, § 6 Abs. 1 Nr. 2 EStG höchstens mit den Anschaffungskosten zu aktivieren. Anschaffungskosten sind gemäß § 255 Abs. 1 HGB die Aufwendungen, die geleistet werden, um einen Vermögensgegenstand zu erwerben und ihn in einen betriebsbereiten Zustand zu versetzen. Zu den Anschaffungskosten gehören auch Nebenkosten und die nachträglichen Anschaffungskosten. Die Anschaffungskosten für den Wechsel entsprechen der Wechselsumme abzüglich des vollen Diskonts (vgl. z.B. Birck/Meyer, Die Bankbilanz, 3. Aufl., V 297).

Der rechnerisch auf die Zeit bis zum Bilanzstichtag entfallende Anteil am Diskontabzug stellt keine nachträglichen Anschaffungskosten i.S. des § 255 Abs. 1 Satz 2 HGB dar (anderer Ansicht Rodin, Disagio, Diskont und Damnum im Einkommensteuerrecht, S.27). Nachträgliche Anschaffungskosten sind Aufwendungen, die in einem unmittelbaren wirtschaftlichen Zusammenhang mit der Anschaffung stehen, insbesondere zwangsläufig im Gefolge der Anschaffung anfallen und zu einer Erhöhung des Werts des Wirtschaftsguts führen (vgl. z.B. Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 6. Juli 1989 IV R 27/87, BFHE 157, 554, BStBl II 1990, 126 m.w.N.). Sie setzen, wie die ursprünglichen Anschaffungskosten, einen tatsächlichen Aufwand des Erwerbers voraus (vgl. hierzu Werndl in Kirchhof/Söhn, Einkommensteuergesetz, § 6 B 104; Schmidt/Glanegger, Einkommensteuergesetz, 13. Aufl., § 6 Anm. 26). Aufwand entsteht beim Bilanzierenden durch Minderung eines Aktiv- oder Erhöhung eines Passivpostens. Der Erwerb des Wechsels hat aber nach der Anschaffung keinen derartigen Aufwand veranlaßt, sondern allenfalls Finanzierungskosten, die nicht zu den Anschaffungskosten gehören (vgl. BFH-Urteil vom 13. Oktober 1983 IV R 160/78, BFHE 139, 273, BStBl II 1984, 101; Werndl in Kirchhof/Söhn, a.a.O., § 6 B 73; Schmidt/Glanegger, a.a.O., § 6 Anm. 34). Auch der Hinweis auf die im Bilanzsteuerrecht anzuwendende wirtschaftliche Betrachtungsweise (so Rodin, a.a.O., S.27) läßt für den Wechselinhaber bis zur Fälligkeit des Wechsels keinen Anschaffungsaufwand entstehen. Insbesondere stellt die Klägerin --auch wirtschaftlich betrachtet-- dem Bankkunden den anteiligen Diskontbetrag nicht zusätzlich als verzinsliches Darlehen zur Verfügung. Der Wechseleinreicher erhält als "Darlehen" nur den gutgeschriebenen Betrag, d.h. bei einer Wechselsumme von 100, einem Diskontsatz von 4 % und einer Laufzeit von drei Monaten: 99 (vgl. z.B. Birck/Meyer, a.a.O., V 297).

Die Wertsteigerung, die der Wechsel durch zeitliches Näherrücken an den Fälligkeitstag erfährt, erlaubt keinen über die Anschaffungskosten hinausgehenden Ansatz. Teilwertsteigerungen, die die Anschaffungskosten übersteigen, bleiben gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 3 zweiter Halbsatz EStG steuerlich unberücksichtigt (im Ergebnis ebenso BFH-Urteil vom 6. November 1962 I 294/61 U, BFHE 76, 20, BStBl III 1963, 9).

Zu 2. a): Mit dem Wechsel erwirbt die Klägerin Forderungen gegen die Wechselverpflichteten (vgl. Art. 1 Nr. 3, Art. 21, 9, 15 des Wechselgesetzes --WG--). Ferner erhält die Klägerin im Zusammenhang mit dem Wechseldiskontgeschäft zugleich die dem Wechsel oder seinem Erwerb durch den Kunden zugrundeliegenden Forderungen (vgl. Abschn. 44 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen). Diese Forderungen sind jedoch ebenfalls gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 2 EStG i.V.m. § 255 Abs. 1 HGB mit den Anschaffungskosten zu bewerten. Da die Klägerin den Wechsel, die daraus resultierenden Forderungen und die Forderungen aus den Grundgeschäften gegen die diskontierte Wechselsumme erwarb, gilt das zu 1. Gesagte entsprechend. Die Klägerin erwarb bestehende Forderungen gegen Zahlung eines bestimmten Betrages. Mit diesem Betrag sind die Forderungen zu aktivieren. Insoweit gilt nichts anderes als für eine gewöhnliche Forderungszession (vgl. BFH-Urteil vom 23. April 1975 I R 236/72, BFHE 116, 16, BStBl II 1975, 875; Schmidt/Glanegger, a.a.O., § 6 Anm. 86; Werndl in Kirchhof/Söhn, a.a.O., § 6 B 568; Pankow/Schmidt/ Wendt, Beck'scher Bilanzkommentar, § 255 HGB Rdnr.250).

Diese Beurteilung deckt sich mit § 340e Abs. 2 HGB i.d.F. des Bankbilanzrichtliniengesetzes vom 30. November 1990 (BGBl I 1990, 2570). Danach dürfen Kreditinstitute abweichend von § 253 Abs. 1 Satz 1 HGB Forderungen mit ihrem Nennbetrag ansetzen, soweit der Unterschiedsbetrag zwischen Nennbetrag und Auszahlungsbetrag oder den Anschaffungskosten Zinscharakter hat. Damit wird deutlich, daß der Unterschiedsbetrag grundsätzlich nicht in die Anschaffungskosten i.S. des § 253 Abs. 1 i.V.m. § 255 Abs. 1 HGB einer zedierten Forderung eingeht. Es kann dahingestellt bleiben, welche Auswirkung der erweiterte Anschaffungskostenansatz i.S. des § 340e Abs. 2 HGB auf den Anschaffungskostenbegriff des § 6 Abs. 1 Nrn.1 und 2 EStG und damit auf die Steuerbilanz hat. Die Vorschriften des Bankbilanzrichtliniengesetzes sind erstmals auf das nach dem 31. Dezember 1992 beginnende Geschäftsjahr anzuwenden. Für Geschäftsjahre, die vor dem 1. Januar 1993 beginnen, gelten die Vorschriften über den Jahresabschluß in der am 1. Januar 1986 geltenden Fassung (Art. 30 Abs. 1, 3 des Bankbilanzrichtliniengesetzes).

b) Ungeklärt bleiben kann, ob für den Anspruch gegen den Wechseleinreicher als Aussteller oder Indossanten etwas anderes gilt, weil dieser nicht im strengen Sinn durch Zession erworben wurde, sondern ggf. originär entstand (vgl. hierzu z.B. Pankow/Schmidt/Wendt, a.a.O., § 255 HGB Rdnr.251; Schmidt/ Weber-Grellet, a.a.O., § 5 Anm. 31 "Forderungen"). Die Forderung gegen den Wechseleinreicher aus dem Wechsel ist aufschiebend bedingt (vgl. z.B. Eichwald, a.a.O., S.432). Aufschiebend bedingte Ansprüche sind nicht zu aktivieren (vgl. § 1 Abs. 1, § 4 des Bewertungsgesetzes --BewG--; Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz mit Nebengesetzen, Kommentar, § 5 EStG Anm. 2200 "Forderungen").

Das Wesen des Wechseldiskontgeschäfts besteht darin, daß der Wechselgeber den Wechsel an die Bank indossiert und die Bank als Gegenleistung den vereinbarten Betrag unter Berücksichtigung des Diskontsatzes gutschreibt. Damit sind die beiderseitigen Verpflichtungen aus ordnungsgemäß abgewickelten Wechseldiskontgeschäften --und nur um solche geht es hier-- erfüllt (vgl. auch BFH-Urteil vom 3. Februar 1961 VI 52/60 U, BFHE 72, 432, BStBl III 1961, 159). Dem entspricht die herrschende zivilrechtliche Auffassung, die im typischen Wechseldiskontgeschäft einen Kaufvertrag sieht (vgl. z.B. BGH-Entscheidung in BGHZ 59, 197, 200 m.w.N.; Baumbach/Hefermehl, a.a.O., Anhang 11 Rdnr.15; Eichwald, a.a.O.; Westermann, Münchener Kommentar; Bürgerliches Gesetzbuch, Vor § 433 Rdnr.30; Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, 54. Aufl., Einf. Vor § 607, Rdnr.23; kritisch Canaris, a.a.O., Rdnr.1532). Der Wechsel wird weder erfüllungshalber noch an Erfüllungs Statt (§ 364 BGB) hingegeben (vgl. Canaris, a.a.O., Rdnr.1532; Baumbach/ Hefermehl, a.a.O., Anhang 11 Rdnr.15). Es können allenfalls --um den zeitanteiligen Diskont erhöhte (vgl. Nr. 42 Abs. 2 Satz 2 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen)-- Rückgriffsansprüche bei Zurückbelastung entstehen. Die Zurückbelastung ist aber aufschiebend bedingt (negative Auskunft über den Wechselverpflichteten, zu Protest gegangene Akzepte, Ablehnung der Rediskontierung durch die Bundesbank; keine Bezahlung bei Vorlegung des Wechsels durch den Bezogenen; unverschuldeter Verfall durch die Bank; vgl. Nr. 42 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen; BGH in BGHZ 59, 200). In dieser Weise aufschiebend bedingte Forderungen entstehen erst mit dem Eintritt der Bedingung (vgl. § 158 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches --BGB--). Zwar kann im bilanzsteuerlichen Sinn eine Forderung auch dann aktiviert werden, wenn sie wirtschaftlich entstanden ist. Hierfür ist allerdings Voraussetzung, daß die für ihre Entstehung wesentlichen wirtschaftlichen Ursachen im abgelaufenen Geschäftsjahr gesetzt wurden und der Kaufmann mit der künftigen zivilrechtlichen Entstehung des Anspruchs fest rechnen kann (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 17. September 1992 I R 24/92, BFH/NV 1994, 578 m.w.N.). Bei einer echten aufschiebenden Bedingung, deren Wesen geradezu in der Ungewißheit des Bedingungseintritts besteht (vgl. Palandt, a.a.O., Einf. Vor § 158 Rdnr.1), sind, solange diese Ungewißheit besteht, die Voraussetzungen für eine Aktivierung künftig entstehender Ansprüche mithin nicht erfüllt.

c) Aus den gleichen Gründen kann auch zum Bilanzstichtag (noch) keine Forderung gegen den Wechseleinreicher aus "Kreditgeschäft" auf Rückzahlung des gutgeschriebenen Betrags zuzüglich anteiligen Diskonts aktiviert werden. Die Klägerin hat nach Einreichung des Wechsels und Gutschrift des diskontierten Betrags entsprechend dem Wesen des Wechseldiskontgeschäfts nur aufschiebend bedingte Ansprüche gegen den Wechseleinreicher.

Für den Ansatz einer Forderung oder des Wechsels in Höhe der Wechselsumme und eines passiven Rechnungsabgrenzungspostens ist daher beim Wechseldiskontgeschäft kein Raum. Die Rechtssituation ist nicht vergleichbar mit der eines Disagios, weil dort die Bank eine unbedingte Forderung auf Rückzahlung des vollen Betrags hat. Solange noch kein bilanzieller Aufwand oder Ertrag vorliegt, kann auch auf die Ausführungen der Entscheidungen des BFH im Urteil vom 17. April 1962 I 180/61 U (BFHE 75, 104, BStBl III 1962, 307) und im Urteil vom 31. Juli 1967 I 234/64 (BFHE 90, 132, BStBl II 1968, 7) nicht zurückgegriffen werden.

Das FA kann sich bei einem Wechseldiskontgeschäft nicht zu seinen Gunsten auf die von der Rechtsprechung zu Dauerschuldverhältnissen entwickelten Grundsätze zur zeitanteiligen Gewinnauswirkung berufen (vgl. insbesondere BFH-Urteil vom 20. Mai 1992 X R 49/89, BFHE 168, 182, BStBl II 1992, 904; Budde/Geißler, Beck'scher Bilanzkommentar, § 252 HGB Rdnr.47). Dabei kann der Senat offenlassen, ob das europarechtlich ausschließlich als Ausdruck vorsichtiger Bewertung Verstandene (vgl. Art. 31 Abs. 1 Buchst. c Sätze 1 und 2 aa der Bilanzrichtlinie, Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften L 222 vom 14. August 1978 S.11) und in § 252 Abs. 1 Nr. 4 HGB als Bewertungsgrundsatz transformierte Realisationsprinzip eine Aktivierung entgegen Art. 39 i.V.m. Art. 35 Abs. 2 der Bilanzrichtlinie bzw. §§ 253, 255 HGB ermöglichen kann und damit steuerlich zu einer Aktivierungspflicht führt (Beschluß des Großen Senats vom 3. Februar 1969 GrS 2/68, BFHE 95, 31, BStBl II 1969, 291). Im Rahmen des Wechseldiskontgeschäfts jedenfalls werden von der Bank keine vergleichbaren Vorleistungen pro rata temporis erbracht. Wie bereits dargestellt, ist das Diskontgeschäft ordnungsgemäß und typischerweise abgewickelt mit der Übertragung des Wechsels und der Gutschrift des abgezinsten Betrags. Auf die Grundsätze zu Dauerschuldverhältnissen kann daher nicht zurückgegriffen werden.

Zu 3.: Für eine aktive Rechnungsabgrenzung ist steuerlich kein Raum.

Gemäß § 5 Abs. 4 Nr. 1 EStG in der im Streitjahr geltenden Fassung (heute § 5 Abs. 5 Nr. 1 EStG) sind als aktive Rechnungsabgrenzungsposten nur anzusetzen auf der Aktivseite Ausgaben vor dem Bilanzstichtag, soweit sie Aufwand für eine bestimmte Zeit nach diesem Tag darstellen. Die steuerliche Regelung sieht eine bilanzielle Korrektur von Ausgaben und Einnahmen nur insoweit vor, als sie der Zeit nach dem Bilanzstichtag zuzuordnen sind. Sie entspricht insoweit der Rechtslage zum Aktiengesetz 1965, das den Ansatz antizipativer Abgrenzungsposten im Interesse einer statischen Bilanzauffassung ausdrücklich ablehnte (vgl. Gesetzesbegründung, BTDrucks IV/171 zu §§ 145, 146; BFH-Urteile vom 23. November 1978 IV R 20/75, BFHE 126, 448, BStBl II 1979, 143; vom 20. Januar 1993 I R 115/91, BFHE 170, 234, BStBl II 1993, 373; Bauer in Kirchhof/Söhn, a.a.O., § 5 F 43). Sie ist abschließend (vgl.: "nur") und geht als steuerliche Sondernorm einer abweichenden Interpretation handelsrechtlicher Vorschriften (vgl. Kempermann in Kirchhof/Söhn, a.a.O., § 5 B 85) vor. Sie kann daher auch weder durch eine Art. 18 Satz 1 der Bilanzrichtlinie entsprechende Norm noch durch allgemeine betriebswirtschaftliche Grundsätze zur periodengerechten Erfolgsrechnung erweitert werden.

Der Senat schließt sich damit im Ergebnis der Auffassung des Hessischen FG (Urteil vom 27. März 1987 IV 962/82, EFG 1987, 522; Schmidt/Weber-Grellet, a.a.O., § 5 Anm. 51 b und Schreiber in Blümich, Einkommensteuergesetz, § 5 Rdnr.698) an. Die in der Literatur vertretene Gegenauffassung, wonach der Wechseldiskont passiv abzugrenzen sei (vgl. Bauer in Kirchhof/Söhn, a.a.O., § 5 F 315; Herrmann/Heuer/Raupach, a.a.O., § 5 EStG Anm. 2000 "Wechseldiskont"), unterstellt die Aktivierung des Wechsels in Höhe der Wechselsummen, ohne dies anhand der Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung und insbesondere des § 255 Abs. 1 HGB zu überprüfen (zweifelnd zu dieser Begründung auch Birck/Meyer, a.a.O., V 298).

Der Senat verkennt nicht, daß die Klägerin zum Stichtag tatsächlich um den zeitanteiligen Diskont "reicher" und damit im steuerlichen Sinn leistungsfähiger ist, weil sie ihre Forderungen --wenn auch ggf. auf unterschiedlichen Wegen-- realisieren wird. Die durch Zeitablauf eingetretene Wertsteigerung muß jedoch bis zu ihrer Realisierung steuerlich außer Betracht bleiben (§ 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 3 EStG).

 

Fundstellen

Haufe-Index 65628

BFH/NV 1995, 68

BStBl II 1995, 594

BFHE 177, 444

BFHE 1996, 444

BB 1995, 1530

BB 1995, 1550-1533 (LT)

DB 1995, 1541-1543 (LT)

DStZ 1995, 658-659 (KT)

HFR 1995, 571-573 (LT)

StE 1995, 464 (K)

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