Leitsatz (amtlich)

1. Zu den Voraussetzungen für die steuerliche Anerkennung eines häuslichen Arbeitszimmers gehört nicht, daß Art und Umfang der Tätigkeit des Steuerpflichtigen einen besonderen häuslichen Arbeitsraum erfordern.

2. Ein unzumutbares Eindringen in die Privatsphäre des Steuerpflichtigen liegt nicht vor, wenn dieser sich mit den Maßnahmen zur Aufklärung der tatsächlichen Nutzung des Raumes einverstanden erklärt hat.

3. Zur Schädlichkeit privater Mitbenutzung bei geringer beruflicher Nutzung.

 

Orientierungssatz

Die Anerkennung eines häuslichen Arbeitszimmers hängt nicht von einer bestimmten Nutzungsdauer ab, sondern davon, daß die --wenn auch u.U. relativ geringe-- berufliche Nutzung die private (weit) überwiegt. Zeiten, in denen der Raum ungenutzt bleibt, sprechen deshalb weder für noch gegen eine berufliche Nutzung. In Fällen dieser Art kann aber bereits eine geringe private Nutzung der Anerkennung als häusliches Arbeitszimmer entgegenstehen.

 

Normenkette

EStG § 9 Abs. 1 S. 1, § 12 Nr. 1; FGO § 76 Abs. 1, § 82; ZPO § 371

 

Tatbestand

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) ist Geschäftsführer einer größeren GmbH. Er bewohnte im Streitjahr 1971 mit seiner Ehefrau und seiner damals zweijährigen Tochter ein gemietetes Einfamilienhaus am Stadtrand einer Großstadt. Es handelte sich um einen Bungalow, dessen Gesamtwohnfläche 155 qm betrug. Die Fenster des Untergeschosses befanden sich etwa 1/2 m über der Erdoberfläche. Dort war ein vom Kläger als Arbeitszimmer bezeichneter Raum. Dieses Zimmer hatte eine Grundfläche von 35 qm und war mit einem Schreibtisch, einem Aktenschrank, einer Schreibtischlampe, zwei Bücherregalen, einem Teppich, zwei Sesseln, einer kleinen Couch und einem Rauchtisch ausgestattet. Für die privaten Wohnbedürfnisse standen der Familie ein Wohnzimmer, ein Eßzimmer, ein Schlafzimmer, ein Kinderzimmer, ein Gästezimmer sowie Küche, Bad, WC und ein Vorratsraum zur Verfügung.

Die auf das Arbeitszimmer entfallenden Aufwendungen machte der Kläger bei seiner Einkommensteuerveranlagung in Höhe von rund 4 000 DM als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit geltend. Er legte eine Bestätigung seiner Arbeitgeberin vor, wonach ein häusliches Arbeitszimmer für Gespräche mit Gesellschaftern und Geschäftsfreunden außerhalb der normalen Bürostunden erforderlich gewesen sei.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) lehnte die Berücksichtigung der streitigen Aufwendungen ab. Auch der Einspruch blieb erfolglos.

Mit der Klage machte der Kläger Aufwendungen für das Arbeitszimmer in Höhe von rund 5 000 DM geltend. Es handelte sich um anteilige Miete und Nebenkosten sowie Absetzung für Abnutzung (AfA) auf die Einrichtungsgegenstände.

Die Klage blieb erfolglos. Das Finanzgericht (FG) führte im wesentlichen aus: Bei einer unvermeidbar typisierenden Gesamtwürdigung der maßgeblichen Tatsachen nach der Lebenserfahrung könne nicht ausgeschlossen werden, daß das fragliche Zimmer in einem nicht unerheblichen Umfang privat genutzt worden sei. Es sei nicht zur Genüge dargetan, daß Art und Umfang der beruflichen Tätigkeit des Klägers ein häusliches Arbeitszimmer erfordert hätten. Die diesbezügliche Bestätigung der Arbeitgeberin sei nicht durch hinreichende konkrete Angaben über Anzahl und Zeit der in Bezug genommenen Unterredungen belegt. Nach der allgemeinen Lebenserfahrung könne auch nicht davon ausgegangen werden, daß in größerer Zahl Gespräche aus ausschließlich beruflichem Anlaß in einem Raum im Untergeschoß der am Stadtrand einer Großstadt gelegenen Wohnung stattgefunden hätten. Die Nutzung des Raumes für weitere berufliche Arbeiten außerhalb der Bürostunden sei nur innerhalb eines stark eingeschränkten zeitlichen Rahmens möglich gewesen. Der übrige Wohnraum habe zwar für die Wohnbedürfnisse der Familie ausgereicht. Doch sei der Umstand, daß dem Kläger von seinem Arbeitgeber ein Büroraum zur Verfügung gestellt worden sei, ein Indiz dafür, daß ein weiterer Arbeitsraum in nicht unerheblichem Maße privaten Zwecken gedient habe. Hinzu komme, daß tagsüber eine Nutzung dieses Zimmers durch andere Familienmitglieder möglich gewesen sei. Zwar sei die Einrichtung mit der vom Kläger angegebenen beruflichen Nutzung vereinbar. Doch gebe die Ausstattung mit einer Couch, zwei Sesseln und einem Rauchtisch diesem Zimmer den Charakter eines Wohnraumes und ermögliche eine private Nutzung. Auf eine solche deute auch die dortige Aufbewahrung allgemeiner Nachschlagewerke hin.

Mit der Revision rügt der Kläger die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Er führt im wesentlichen folgendes aus:

Maßgebend für die Beurteilung des Falles seien die Grundsätze, die der Bundesfinanzhof (BFH) im Urteil vom 21.Januar 1966 VI 92/64 (BFHE 85, 18, BStBl III 1966, 219) und im Beschluß vom 10.März 1970 VI 69/69 (BFHE 98, 462, BStBl II 1970, 458) aufgestellt habe. Dort sei der BFH von der früheren Rechtsprechung abgerückt, die den Gedanken der Typisierung mehr als vertretbar betont habe. Einer Typisierung hätte es auch hier nicht bedurft, wenn der Sachverhalt hinreichend ermittelt worden wäre. Das sei jedoch nicht geschehen. So habe er, der Kläger, mehrfach, u.a. mit Schreiben vom 9.Oktober 1972 und 2.Februar 1973 an das FA und vom 25.August 1975 an das FG, erfolglos eine Ortsbesichtigung angeboten. Die unterbliebene Sachverhaltsaufklärung könne nicht damit gerechtfertigt werden, daß tief in die Privatsphäre eindringende Ermittlungen im Hinblick auf die Bedeutung der Steuerfrage nicht gerechtfertigt seien; denn hier habe er selbst das Angebot zur Ortsbesichtigung gemacht, so daß von einem "Eindringen" keine Rede sein könne. Dem Urteil in BFHE 85, 18, BStBl III 1966, 219 entspreche es auch nicht, eine Ortsbesichtigung mit dem Hinweis zu unterlassen, sie habe keinen Sinn, weil die Beurteilung der beruflichen Nutzung nur durch eine Überwachung über einen längeren Zeitraum möglich sei. Entgegen den Ausführungen des FG handele es sich im vorliegenden Fall nicht um einen Raum einer einheitlichen Wohnung, sondern um einen vom Wohnbereich klar abgegrenzten Raum im Untergeschoß des Hauses, der ohne Betreten des Wohnbereichs habe erreicht werden können.

Im übrigen sei --wie bereits in der mündlichen Verhandlung vor dem FG vorgetragen-- die Notwendigkeit der Einrichtung und Unterhaltung eines häuslichen Arbeitszimmers aus folgenden Gründen gegeben gewesen:

1. Besprechungen mit Vertretern von 13 Gesellschaften, mit denen der Arbeitgeber organschaftlich verbunden sei. Diese Zusammenarbeit sei durch eine Reihe von ständigen Ausschüssen und ad hoc-Ausschüssen institutionalisiert.

2. Verhandlungen mit Vertretern der Schwestergesellschaften in Österreich und Italien, wobei dem Arbeitgeber des Klägers die Koordinierung der jeweiligen Geschäftstätigkeit obliege.

3. Verhandlungen mit Geschäftsfreunden.

4. Konzipieren von Schriftsätzen und Verträgen, eine Tätigkeit, die bei der durch die Art des Geschäftsbetriebs bedingten Vielzahl von öffentlich-rechtlichen und behördlichen Fragen von besonderer Bedeutung gewesen sei.

5. Aktenstudium, vor allem im Zusammenhang mit finanz- und personalpolitischen Entscheidungen der Gesellschaft.

6. Studium von Fachliteratur, wegen der internationalen Verflechtung des Arbeitgebers häufig in englischer und italienischer Sprache.

Man könne bezweifeln, ob eine Bestätigung des Arbeitgebers über die Notwendigkeit eines häuslichen Arbeitszimmers durch hinreichend konkrete Angaben über Anzahl und Zeit von Unterredungen mit Vertretern der Gesellschaften und Geschäftsfreunden, wie das FG dies vermißt habe, belegt sein müsse. Jedenfalls hätte das FG eine entsprechende Ergänzung der Bestätigung anfordern müssen, der entsprochen worden wäre. Im Hinblick auf seine Verhältnisse könne man aus der Beschränkung der Nutzung auf Abende und dienstfreie Stunden auch kaum ein Indiz für eine nicht unerheblich privaten Zwecken dienende Nutzung des streitigen Raumes herleiten. Dies gelte um so mehr, als er nicht einem strikten 8-Stunden-Arbeitstag unterliege. Wenn das FG schließlich auf die Aufbewahrung allgemeiner Nachschlagewerke hingewiesen habe, könne dem allenfalls nebensächliche Bedeutung zukommen. Soweit es sich dabei um Wörterbücher handele, sei ihre Verfügbarkeit wegen der erwähnten internationalen Verflechtung des Arbeitgebers sogar von besonderer Wichtigkeit gewesen.

Der Kläger beantragt, unter Aufhebung der Vorentscheidung und Abänderung des angefochtenen Einkommensteuerbescheids weitere Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit anzuerkennen.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG.

Die Vorinstanz ist zutreffend davon ausgegangen, daß Aufwendungen für das Wohnen zu den typischen Kosten der Lebensführung i.S. des § 12 Nr.1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) gehören, die auch dann nicht einkommensmindernd berücksichtigt werden dürfen, wenn sie der Steuerpflichtige zur Förderung seines Berufs oder seiner Tätigkeit macht, und daß deshalb Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer nur dann als Werbungskosten nach § 9 Abs.1 Satz 1 EStG anerkannt werden können, wenn eine Benutzung als Wohnraum so gut wie ausgeschlossen ist (BFH-Entscheidungen in BFHE 98, 462, BStBl II 1970, 458, und vom 18.Oktober 1983 VI R 180/82, BFHE 139, 518, BStBl II 1984, 110). Auch die Annahme, bei der Ermittlung der --in der Vergangenheit liegenden-- tatsächlichen Benutzung des Raumes sei eine gewisse Typisierung häufig nicht vermeidbar, ist grundsätzlich richtig (BFH-Urteil vom 28.Oktober 1964 IV 168/63 S, BFHE 81, 45, BStBl III 1965, 16).

Im einzelnen sind die Ausführungen des FG jedoch nicht frei von Rechtsfehlern.

Das FG hat zunächst den --von ihm angenommenen-- Umstand, daß Art und Umfang der Tätigkeit des Klägers keinen besonderen häuslichen Arbeitsraum erforderten, zu sehr in den Vordergrund gerückt. Tatsächlich ist die Notwendigkeit eines häuslichen Arbeitsraums keine Voraussetzung für die Anerkennung eines entsprechenden Werbungskostenabzugs. Diesem Umstand kommt vielmehr nur die Eigenschaft eines Beweisanzeichens zu, das im Rahmen der vom FG vorzunehmenden Gesamtwürdigung aller Umstände gegen eine ganz überwiegende berufliche Nutzung sprechen kann. Nach der Rechtsprechung des BFH (z.B. Urteil in BFHE 81, 45, BStBl III 1965, 16) hat das FG neben dem vorerwähnten Gesichtspunkt insbesondere weiter zu prüfen, ob der Familie für das Wohnbedürfnis genügend Raum zur Verfügung bleibt und deshalb eine gewisse Vermutung dafür spricht, daß der Arbeitsraum nicht privat genutzt wird; ob der Arbeitsraum von den Privaträumen getrennt liegt und deshalb eine private Nutzung nicht wahrscheinlich ist; ob der Arbeitsraum wie ein Privatraum eingerichtet ist und damit offenbar auch die private Benutzung ermöglicht und gefördert werden soll; ob die soziale und wirtschaftliche Stellung und die Größe der Familie für die Mitbenutzung des Arbeitsraumes sprechen.

Im Streitfall ist die Würdigung des FG nicht frei von Widersprüchen.

Was das Argument des FG betrifft, die berufliche Nutzung des streitigen Raumes sei wegen der festen Arbeitszeit des Klägers von vornherein zeitlich nur im beschränkten Umfang möglich gewesen, ist darauf hinzuweisen, daß die Anerkennung eines häuslichen Arbeitszimmers nicht von einer bestimmten Nutzungsdauer abhängt, sondern davon, daß die --wenn auch u.U. relativ geringe-- berufliche Nutzung die private (weit) überwiegt. Zeiten, in denen der Raum ungenutzt bleibt, sprechen deshalb weder für noch gegen eine berufliche Nutzung. Richtig ist allerdings, daß in Fällen dieser Art bereits eine geringe private Nutzung der Anerkennung als häusliches Arbeitszimmer entgegenstehen kann. Insoweit besteht also eine Wechselwirkung zwischen den beruflichen Nutzungszeiten und der Schädlichkeit privater Mitbenutzung derart, daß die private Mitbenutzung um so eher ins Gewicht fällt, je geringer die tatsächliche berufliche Nutzung ist.

Die Ausführungen, mit denen das FG die Annahme einer tatsächlichen privaten Mitbenutzung begründet hat, sind ebenfalls zu beanstanden. Daß auf eine private Mitbenutzung nicht aus der (möglicherweise) geringen beruflichen Nutzung des Raumes geschlossen werden konnte, ergibt sich bereits aus den vorstehenden Ausführungen. Die private Mitbenutzung konnte aber auch nicht aus der Möblierung des Zimmers gefolgert werden, da das FG selbst ausgeführt hat, die Möblierung sei mit der vom Kläger angegebenen beruflichen Benutzung vereinbar (vgl. im übrigen auch Beschluß in BFHE 98, 462, BStBl II 1970, 458). Wenn das FG ferner ausgeführt hat, daß die verbleibende Wohnfläche auch unter Berücksichtigung der gehobenen sozialen und wirtschaftlichen Stellung des Klägers für ihn und seine Familie voll ausgereicht habe, und die --nach den Umständen des Falles vermutlich eher gegen als für eine private Mitbenutzung sprechende-- Lage des Raumes in einem anderen Geschoß als dem, in dem die Wohnräume der Familie liegen, überhaupt nicht ersichtlich gewürdigt hat, so hätte eine private Mitbenutzung nicht angenommen werden können, ohne herauszustellen und mit den Beteiligten zu erörtern, worin diese überhaupt bestanden haben soll.

Nach alledem ist die Vorentscheidung aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen (§ 126 Abs.3 Nr.2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Bei der erneuten Verhandlung wird das FG, soweit dies noch möglich ist, die tatsächliche Nutzung des Raumes gemäß § 76 FGO mit den normalen Mitteln der Sachverhaltsaufklärung feststellen müssen. Ein unzumutbares Eindringen in die Privatsphäre des Klägers liegt darin schon deshalb nicht, weil der Kläger sich mit der Aufklärung der tatsächlichen Nutzung ausdrücklich einverstanden erklärt hat. Soweit Feststellungen wegen der eingetretenen Änderung der Wohnverhältnisse des Klägers nicht mehr möglich sein sollten, darf dies nicht zu Lasten des Klägers gehen, zumal dieser wiederholt die Durchführung einer Augenscheinseinnahme beantragt hatte.

Sollte das FG eine private Mitbenutzung feststellen, so kann die Frage, ob diese Mitbenutzung der steuerlichen Anerkennung des Raumes als häusliches Arbeitszimmer entgegensteht, nur beantwortet werden, wenn auch die tatsächliche berufliche Nutzung festgestellt ist. Denn nur durch eine Gegenüberstellung läßt sich erkennen, ob die berufliche Nutzung die private weit überwiegt.

 

Fundstellen

Haufe-Index 61071

BStBl II 1985, 467

BFHE 144, 31

BFHE 1986, 31

BB 1985, 1511-1512 (ST)

DB 1985, 1772-1773 (ST)

DStR 1985, 578-578 (S)

DStZ, Beihefter zu Nr 5/1986 (S)

HFR 1985, 458-459 (ST)

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