Entscheidungsstichwort (Thema)

Einkommensteuer/Lohnsteuer/Kirchensteuer Doppelbesteuerungsabkommen

 

Leitsatz (amtlich)

Die Abfindung, die der ausscheidende, in der Bundesrepublik wohnende Gesellschafter einer schweizerischen Kollektivgesellschaft mit Sitz und Betriebstätte in der Schweiz erhält, darf nach Art. 3 Abs. 1 und 4 DBAS in Deutschland nicht besteuert werden.

Ist die Höhe der Abfindung durch den Gewinn bestimmt, den die Gesellschaft nach dem Ausscheiden des Gesellschafters durch die Veräußerung eines zum Gesellschaftsvermögen gehörenden, in der Bundesrepublik belegenen Grundstücks erzielt hat, so kommt eine Besteuerung des Veräußerungsgewinns nach Art. 2 DBAS schon deshalb nicht in Betracht, weil das Grundstück im Zeitpunkt der Veräußerung dem Gesellschafter nicht mehr zugerechnet werden kann.

 

Normenkette

EStG §§ 16, 15; DBA CHE Art. 2-3, 7; EStG § 16 Abs. 1 Nr. 2, § 15 Nr. 2

 

Tatbestand

Der Revisionskläger (Steuerpflichtige - Stpfl. -) war bis zum Jahre 1947 an einer schweizerischen Kollektivgesellschaft mit Sitz in X (Schweiz) beteiligt. Zum Betriebsvermögen dieser Gesellschaft gehörte auch ein Ruinengrundstück in Y (Bundesrepublik). Am 22. Oktober 1947 erklärte der Stpfl. auf Verlangen seiner Mitgesellschafter den Austritt aus der Gesellschaft. Die übrigen Gesellschafter setzten die Gesellschaft fort. Das Kapitalkonto des Stpfl. wies zum Schluß des Jahres 1947 einen Sollsaldo von 39.949,89 sfr aus. Es wurde nach den Angaben des Stpfl. als laufendes Konto weitergeführt und schloß am 31. Dezember 1948 mit einem Sollsaldo von 57.043,81 sfr. Weitere Buchungen während des Jahres 1949, insbesondere drei überweisungen aus der Beendigung von drei überseeischen Beteiligungen, führten schließlich zu einem Habensaldo von 1.835,77 sfr. Dieser Betrag wurde dem Stpfl. im Jahre 1952 ausbezahlt.

Im Jahre 1954 verkaufte die schweizerische Gesellschaft das Grundstück in Y, das mit 30.000 sfr zu Buch stand, zum Preis von 102.000 sfr. Die Veräußerungskosten betrugen 2.000 sfr. 40 % des Veräußerungsgewinns von 70.000 sfr = 28.000 sfr, umgerechnet in 28.000 DM, zahlte die schweizerische Gesellschaft an den Stpfl., der diesen Betrag in sein Einzelunternehmen einlegte.

Der Revisionsbeklagte (Finanzamt - FA -), der die Veranlagung des Stpfl. zur Einkommensteuer für 1954 zunächst im vollen Umfang vorläufig durchgeführt hatte, zog durch endgültigen Berichtigungsbescheid den Betrag von 28.000 sfr zum Kurs von 0,96 DM mit 26.880 DM zur Einkommensteuer heran, wandte jedoch den ermäßigten Steuersatz nach § 34 EStG an, da es sich um nachträgliche Einkünfte aus Gewerbebetrieb nach § 24 Ziff. 2 EStG handle.

Die Sprungberufung wurde als unbegründet zurückgewiesen, der Steuerbescheid außerdem zum Nachteil des Stpfl. geändert.

Das Finanzgericht (FG) hat den Betrag von 28.000 DM - nicht 26.880 DM, daher die Verböserung -, den der Stpfl. von der schweizerischen Gesellschaft erhalten hat, als nachträgliche gewerbliche Einkünfte aus seiner ehemaligen Beteiligung an dieser Gesellschaft angesehen (§ 24 Ziff. 2 EStG). Es hat ausgeführt, für die Besteuerung dieser Einkünfte sei nach Art. 7 des Abkommens zwischen dem Deutschen Reiche und der Schweizerischen Eidgenossenschaft zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der direkten Steuern und der Erbschaftsteuern (DBAS) vom 15. Juli 1931 RGBl 1934 II S. 38, RStBl 1934 S. 199) das FA des Wohnsitzes des Stpfl. in Deutschland zuständig. Denn die Anwendung des Art. 3 DBAS, der für die Besteuerung gewerblicher Einkünfte an den Ort der Betriebstätte anknüpft, setze voraus, daß eine Beteiligung des Stpfl. als Mitunternehmer gemäß § 15 Ziff. 2 EStG an der Schweizer Firma noch bestehe, was im Streitjahr nicht mehr der Fall gewesen sei.

Mit der Rb. (Revision) hält der Stpfl. seine Meinung aufrecht, daß die Besteuerung der Einnahmen von 28.000 DM nach dem DBAS ausgeschlossen sei.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Der Betrag von 28.000 DM, der dem Stpfl. im Streitjahr zugeflossen ist, zählt zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb, da er bei der Veräußerung des Anteils des Stpfl. an der schweizerischen Kollektivgesellschaft erzielt wurde (§ 16 Abs. 1 Ziff. 2, § 15 Ziff. 2 EStG). Der Stpfl. ist im Jahre 1947 aus der Gesellschaft, die der deutschen offenen Handelsgesellschaft entspricht (vgl. Art. 552 ff. des Schweizerischen Obligationenrechts - OR -) und daher als Mitunternehmerschaft im Sinne des § 15 Ziff. 2 EStG anzusehen ist, ausgeschieden. Darin liegt nach deutschem Steuerrecht die Veräußerung seines Anteils an die übrigen Gesellschafter, die die Gesellschaft nach Art. 576 OR fortgesetzt haben. Der dem ausscheidenden Gesellschafter zukommende Betrag wird nach Art. 580 OR durch übereinkunft der Gesellschaft oder, wenn keine Einigung erzielt wird, durch Richterspruch festgesetzt. Im Streitfall hatte der Stpfl. im Zeitpunkt seines Ausscheidens ein negatives Kapitalkonto, das im Jahre 1948 noch weiter anstieg. Erst später ergab sich ein Guthaben, das dem Stpfl. im Jahre 1952 ausbezahlt wurde. Dieser Vorgang läßt darauf schließen, daß die Mitgesellschafter den negativen Stand des Kapitalkontos des Stpfl. für die Zwecke der Ermittlung des ihm zukommenden Betrags nach Art. 580 OR nicht als endgültig ansahen oder es jedenfalls als unbillig empfanden, den Stpfl. auf der Grundlage des negativen Kapitalkontos im Zeitpunkt des Ausscheidens abzufinden. Dabei wird insbesondere die Erwartung der Gesellschaft, daß aus ihren ausländischen Beteiligungen doch noch Werte verwirklicht werden könnten, eine Rolle gespielt haben, wie denn auch tatsächlich die Veränderung des Kapitalkontos des Stpfl. von einem Soll- in einen Habensaldo im wesentlichen auf überweisungen aus derartigen Beteiligungen zurückzuführen ist. ähnliche überlegungen haben nach der überzeugung des Senats dazu geführt, daß die früheren Mitgesellschafter dem Stpfl. nach dem Verkauf des Grundstücks in Y den Betrag von 28.000 DM ausgezahlt haben. Dies ergibt sich auch aus dem Schreiben der Gesellschaft vom 2. September 1954, in dem die Vergütung eines Anteils von 40 % an dem Veräußerungsgewinn damit begründet wurde, daß der Stpfl. auch an der Abschreibung des Grundstücks teilgenommen habe. In dem Betrag von 28.000 DM ist daher eine nachträgliche Erhöhung der an den Stpfl. zu zahlenden Abfindung über den Buchwert seines Kapitalanteils hinaus zu erblicken, die in Art. 580 OR ihre Grundlage hat. Somit stellt dieser Betrag einen gewerblichen Veräußerungsgewinn nach § 16 Abs. 1 Ziff. 2, Abs. 2, § 15 Ziff. 2 EStG dar. Daß die Zahlung der 28.000 DM, wie es in dem Schreiben der Gesellschaft vom 2. September 1954 heißt, "laut damals getroffener Vereinbarung" erfolgte, steht dieser rechtlichen Beurteilung nicht entgegen.

Der Veräußerungsgewinn nach § 16 Abs. 1 Ziff. 2, Abs. 2, § 15 Ziff. 2 EStG darf nach Art. 3 Abs. 1 und 4 DBAS in Deutschland nicht besteuert werden, da sich die Betriebstätte der Gesellschaft, die dem Stpfl. als Mitunternehmer zuzurechnen ist (Urteil des BFH I 153/61 S vom 29. Januar 1964, BStBl 1964 III S. 165, Slg. Bd. 78 S. 428), in der Schweiz befindet. Nach Art. 3 Abs. 1 DBAS werden Betriebe von Handel, Industrie und Gewerbe jeder Art sowie Einkünfte daraus nur in dem Staat besteuert, in dessen Gebiet das Unternehmen seine Betriebstätte hat. Art. 3 Abs. 4 DBAS stellt Beteiligungen an einem gesellschaftlichen Unternehmen - mit Ausnahme von Kuxen, Aktien, Anteilscheinen und sonstigen Wertpapieren - den Betrieben im Sinne des Abs. 1 gleich. Mangels weiterer Sonderbestimmungen des DBAS bestimmt sich nach innerstaatlichem Recht, im Streitfall also nach deutschem Recht, welche Einkünfte als Einkünfte aus Gewerbebetrieb zu beurteilen sind (Urteile des RFH VI A 432/37 vom 28. Juli 1937, RStBl 1938 S. 851; I 42/38 vom 30. November 1938, RStBl 1939 S. 544; BFH-Urteile I 112/57 S vom 20. Januar 1959, BStBl 1959, III S. 133, Slg. Bd. 68 S. 340; VI 338/63 U vom 5. Februar 1965, BStBl 1965 III S. 258, Slg. Bd. 82 S. 29). § 16 Abs. 1 Ziff. 2 EStG stellt klar, daß auch der Gewinn, der bei der Veräußerung eines Anteils eines Gesellschafters entsteht, zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb gehört. Damit ist der Betrag von 28.000 DM der Besteuerung in Deutschland entzogen.

Art. 3 Abs. 5 DBAS, der im Streitjahr noch galt (Abschnitt I Ziff. 4, Abschn. IV Abs. 2 des Zusatzprotokolls zum DBAS vom 9. September 1957, BGBl 1959 II S. 183, BStBl 1959 I S. 151), greift nicht ein, da der Betrag von 28.000 DM, wie das FG zutreffend festgestellt hat, kein Entgelt für eine Tätigkeit des Stpfl. in der Betriebstätte der Gesellschaft darstellt.

Aber auch Art. 2 DBAS in Verbindung mit den Bestimmungen des Schlußprotokolls zu Art. 2 und zu Art. 2 und 10 (Besteuerung des unbeweglichen Vermögens und der Einkünfte aus unbeweglichem Vermögen im Staat der Belegenheit) gestattet es nicht, den Betrag von 28.000 DM in Deutschland zu besteuern. Denn das Grundstück in Y - und damit auch die Veräußerung dieses Grundstücks - kann dem Stpfl. nicht mehr zugerechnet werden, weil dieser im Zeitpunkt der Veräußerung längst aus der Gesellschaft ausgeschieden war. Für ihn führte der Veräußerungsgewinn der Gesellschaft nur mittelbar auf dem Weg über die Erhöhung seines Abfindungsbetrags zu einer Einnahme. Der Betrag von 28.000 DM ist für ihn kein Gewinn aus der Veräußerung eines Grundstücks, sondern, wie oben dargelegt ist, Gewinn aus der Veräußerung seines Anteils an der schweizerischen Gesellschaft an die übrigen Gesellschafter.

Der Betrag von 28.000 DM scheidet somit bei der Berechnung des Einkommens des Stpfl. aus (§ 9 Ziff. 2 des Steueranpassungsgesetzes). Der Progressionsvorbehalt galt im Streitjahr noch nicht (Abschn. II Ziff. 14, Abschn. IV Abs. 3 des Zusatzprotokolls zum DBAS vom 9. September 1957, a. a. O.).

 

Fundstellen

Haufe-Index 412094

BStBl III 1966, 465

BFHE 1966, 460

BFHE 85, 460

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