Leitsatz (amtlich)

1. Erhält jemand im Verstelgerungstermin den Zuschlag, weil der Meistbietende nach Schluß der Versteigerung erklärt, er habe für jenen geboten (§ 81 Abs. 3 ZVG), ist jener auch dann nicht Ersterwerber des bebauten Grundstücks, wenn das Wohngebäude von dem Versteigerungsschuldner errichtet worden ist.

2. Es kann jedoch im Einzelfall sachlich unbillig sein, die Steuer zu erheben, wenn der Meistbietende für den im Versteigerungstermin anwesenden Auftraggeber handeln wollte, dies aber erst nach Schluß der Versteigerung deutlich macht.

 

Normenkette

GrEStG Ba-Wü 1970 § 1 Abs. 1 Nr. 4; GrEStG Ba-Wü 1970 § 1 Abs. 2; GrEStG Ba-Wü 1970 § 6 Abs. 1 Nr. 10

 

Tatbestand

Am ... Dezember 1973 wurde durch das Amtsgericht M ein mit einem steuerbegünstigten Zweifamilienhaus bebautes Grundstück versteigert. Das von dem Versteigerungsschuldner errichtete Gebäude war am ... Juni 1970 bezugsfertig geworden. Nach dem Inhalt des Zuschlagsbeschlusses ist A Meistbietender geblieben. Nach dem Schluß der Versteigerung erklärte er bei der Anhörung über den Zuschlag, er habe nur namens und in Vollmacht für den Kläger und Revisionskläger (Kläger) geboten. Der während der Versteigerung anwesende Kläger bestätigte die Vollmacht und stimmte allen Erklärungen A's zu. Daraufhin erteilte das Amtsgericht dem Kläger den Zuschlag und bestimmte u. a. , daß auch der Meistbietende als Gesamtschuldner hafte.

Der Kläger beantragte, den Erwerb als Ersterwerb gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 10 des in Baden-Württemberg geltenden Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG 1970) von der Grunderwerbsteuer freizustellen. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) folgte diesem Antrag nicht, weil der Kläger das Grundstück nicht vom Bauherrn, sondern von dem Meistbietenden erworben habe. Es setzte gegen den Kläger eine Grunderwerbsteuer in Höhe von 13 300 DM fest.

Der Einspruch des Klägers blieb ohne Erfolg. Die auf Aufhebung des Steuerbescheides und der Einspruchsentscheidung gerichtete Klage ist vom Finanzgericht (FG) abgewiesen worden (vgl. Entscheidungen der Finanzgerichte 1979 S. 146 - EFG 1979, 146 -).

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des Klägers ist unbegründet. Sie ist deshalb zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

Der Grundstückserwerb des Klägers unterliegt der Grunderwerbsteuer. Er ist nicht gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 10 GrEStG 1970 von der Grunderwerbsteuer befreit.

1. Die Grunderwerbsteuer ist allerdings aus § 1 Abs. 2 GrEStG 1970 und nicht aus § 1 Abs. 1 Nr. 4 GrEStG 1970 entstanden, weil A bei Abgabe des Meistgebotes nicht deutlich gemacht hat, daß er für den Kläger geboten habe. Maßgebend für die Auslegung seiner Erklärungen ist das Versteigerungsprotokoll (vgl. § 80 des Zwangsversteigerungsgesetzes - ZVG -), das A als Meistbietenden ausweist. Mangels einer Protokollberichtigung, ändert die nach Abgabe des Meistgebotes zu Protokoll gegebene Erklärung des A, er habe namens und in Vollmacht des Klägers gehandelt, nichts an der Beweiskraft des Protokolls. Unter diesen Umständen ist grunderwerbsteuerrechtlich davon auszugehen, daß A bei Abgabe des Meistgebotes im eigenen Namen aber in verdeckter Vertretung für den Kläger gehandelt hat.

Aus dem Handeln des A für den Kläger in verdeckter Vertretung ergab sich seine Verpflichtung, dem Kläger die Rechte aus dem Meistgebot zu verschaffen. Dadurch erlangte der Kläger die Verwertungsmöglichkeit über das Grundstück i. S. des § 1 Abs. 2 GrEStG 1970 (vgl. hierzu Boruttau/Klein/Egly/Sigloch, Grunderwerbsteuergesetz, Kommentar, 10. Aufl., § 1 Tz. 128 g/h). Unter diesen Umständen kommt es nicht mehr auf die strittige Frage an, ob unter § 1 Abs. 1 Nr. 7 GrEStG 1970 neben der Abtretung des Meistgebotes (§ 81 Abs. 2 ZVG) auch die Erklärung des Meistbietenden i. S. des § 81 Abs. 3 ZVG fällt, daß er für einen anderen geboten habe (vgl. zu dieser Frage Boruttau/Klein/Egly/Sigloch, a. a. O., § 1 Tz. 128; Zeller, Zwangsversteigerungsgesetz, 10. Aufl., § 81 Anm. 3, anders noch die Vorauflagen).

2. Steuerfreiheit gem. § 6 Abs. 1 Nr. 10 GrEStG 1970 steht dem Kläger deshalb nicht zu, weil sein Erwerb bereits der zweite Erwerb des bebauten Grundstücks war. Grunderwerbsteuerrechtlich haben im Rahmen der Zwangsversteigerung im vorliegenden Falle zwei Erwerbsvorgänge stattgefunden, nämlich a) die Abgabe des Meistgebotes durch A und b) die Einräumung der Verwertungsmöglichkeit für den Kläger durch die Vereinbarung zwischen A und dem Kläger i. V. m. der Abgabe des Meistgebotes durch A. Ersterwerb i. S. des § 6 Abs. 1 Nr. 10 GrEStG 1970 konnte unter diesen Umständen nur die Abgabe des Meistgebotes sein; denn die Verschaffung der Verwertungsmöglichkeit für den Kläger setzte die Abgabe des Meistgebotes durch A voraus.

Der Senat hat allerdings unter bestimmten Voraussetzungen nach Rückgängigmachung eines Erwerbsvorganges einen weiteren Erwerb als Ersterwerb angesehen (vgl. z. B. die Urteile vom 22. Mai 1974 II R 71/68, BFHE 113, 127, BStBl II 1974, 687, vom 2. Oktober 1974 II R 69/73, BFHE 113, 575, BStBl II 1975, 151, und vom 12. Februar 1975 II R 135/71, BFHE 115, 282, BStBl II 1975, 455). Im vorliegenden Fall ist aber das Meistgebot des A nicht rückgängig gemacht worden. Vielmehr hat dieser die Rechte aus seinem Meistgebot auf den Kläger übergeleitet. Für den Senat besteht unter diesen Umständen keine Möglichkeit, den Zweiterwerb durch den Kläger als Ersterwerb anzusehen. Hierbei ist auch ohne Bedeutung, ob der als Ersterwerb zu zählende Erwerb im Einzelfall von der Steuer befreit ist oder nicht (vgl. hierzu das Urteil vom 9. Juli 1975 II R 6/69, BFHE 116, 192, BStBl II 1975, 743).

3. Die Erhebung der Grunderwerbsteuer kann aber sachlich unbillig sein. Der erkennende Senat hat sich mit der Frage der Unbilligkeit der Steuererhebung bei Abgabe eines Meistgebotes in verdeckter Stellvertretung bereits in seinem Urteil vom 7. November 1968 II 9/65 (BFHE 94, 85, BStBl II 1969, 41) befaßt. Er hat dort im Hinblick auf den Erwerb des Meistbietenden erklärt, daß es unbefriedigend sei, wenn ein Grundstückserwerb zur Steuer herangezogen werde, den der Meistbietende weder wirtschaftlich noch rechtlich gewollt habe und den er alsbald demjenigen weitergegeben habe, in dessen Namen er von Anfang an handeln wollte. Dieser Umstand lege es nahe, die Frage zu prüfen, ob nicht die von dem Meistbietenden geschuldete Grunderwerbsteuer zu erlassen sei, weil der Meistbietende das Meistgebot für sich überhaupt nicht gewollt habe. Liegt unter derartigen Umständen ein Erlaß der Steuer des Meistbietenden in diesen Fällen nahe, so kann auch die Erhebung der Steuer auf den Erwerb des Vertretenen unbillig sein. Hätte der Meistbietende, der nicht im eigenen Namen steigern wollte, das Vertretungsverhältnis von vornherein offengelegt, so wäre der Zweiterwerb ein Ersterwerb und deshalb steuerfrei gewesen. Unter diesen Umständen kann es billig sein, nicht nur dem Meistbietenden eine etwaige Grunderwerbsteuer zu erlassen, sondern auch demjenigen, für den der Meistbietende gehandelt hat, wenn bei richtigem Handeln dieser Erwerb als Ersterwerb steuerfrei gewesen wäre. Über die Billigkeitsfragen hat allerdings zunächst das FA zu entscheiden. Erst bei Ablehnung eines Antrages auf Erlaß und nach Überprüfung dieser Entscheidung in einem außergerichtlichen Rechtsbehelfsverfahren könnte der Klageweg beschritten werden.

4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 2 FGO. Der Senat hält es nicht für vertretbar, Gerichtskosten zu erheben (vgl. § 8 des Gerichtskostengesetzes). Der Kläger hatte bereits mit seinem Einspruchsschreiben geltend gemacht, daß eine unbillige Härte vorliege. Das FA ist auf diese Frage nicht eingegangen, weil es ständiger Verwaltungsübung entsprechen solle, über einen Antrag auf Erlaß der Steuer erst nach rechtskräftiger Erledigung des Rechtsbehelfsverfahrens zu entscheiden. Nach Sachlage aber wäre es zulässig und angesichts des Urteils BFHE 94, 85, BStBl II 1969, 41, naheliegend gewesen, im Rahmen des Einspruchsverfahrens auch die Frage eines Erlasses der Steuer wegen Sachunbilligkeit zu prüfen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 73562

BStBl II 1980, 523

BFHE 1980, 426

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