Entscheidungsstichwort (Thema)

Wesentlichkeit der Beteiligung an einer GmbH

 

Leitsatz (NV)

Die Wesentlichkeit einer Beteiligung im Sinne des §17 Abs. 1 EStG ist bei einer GmbH aus den Geschäftsanteilen zu berechnen. Dies gilt auch, wenn einer der Geschäftsanteile mit keinem Stimmrecht verbunden ist und an der Gewinnverteilung nur bis zu einem mit einem Darlehenszins vergleichbaren Höchstbetrag teilnimmt.

 

Normenkette

EStG § 17 Abs. 1; AO 1977 §§ 39, 42; GmbHG §§ 5, 14, 29, 47, 72

 

Verfahrensgang

Niedersächsisches FG

 

Tatbestand

Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) wurden im Streitjahr 1987 als Ehegatten zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Der Kläger erwarb im Jahr 1978 Geschäftsanteile der A-GmbH (GmbH I). Das Stammkapital der GmbH I betrug zu diesem Zeitpunkt 20 000 DM. Der Kläger erwarb zwei Anteile in Höhe von insgesamt 6 000 DM. Die weiteren Anteile erwarben die Gesellschafter W in Höhe von 8 000 DM und B in Höhe von 6 000 DM. Der Erwerb erfolgte unentgeltlich, da die Geschäftsanteile der GmbH wertlos waren. Ebenfalls unentgeltlich erwarben der Kläger, W und B im Verhältnis ihrer Beteiligungen Darlehen gegen die GmbH I.

Die GmbH I war Komplementärin der D- GmbH & Co. KG (KG). Die Kommanditbeteiligungen hielten der Kläger, W und B. Die Anteilsquoten betrugen wie bei der Beteiligung an der GmbH I 30 % für den Kläger, 40 % für W und 30 % für B. Die KG war Alleingesellschafterin der D-GmbH (GmbH II). Nach dem Erwerb der Anteile der GmbH I strukturierten der Kläger und die übrigen Gesellschafter die Firmen neu.

Zunächst wurde das Kapital der GmbH I um 1 Mio. DM erhöht. Den neuen Geschäftsanteil übernahm der Gesellschafter W. Die Einlage des neuen Stammkapitals erfolgte durch Abtretung einer dem W gegen die GmbH II zustehenden Forderung an die GmbH I. In die Satzung der GmbH I wurden folgende Bestimmungen aufgenommen:

-- Der Geschäftsanteil ist nicht mit einem Stimmrecht verbunden.

-- Der Geschäftsanteil nimmt am Jahresüberschuß der Gesellschaft nur in Höhe von 5 % seines Nennwerts jährlich teil. In Höhe dieses Betrages hat der Inhaber des Geschäftanteils einen Anspruch auf bevorzugte Gewinnausschüttung, wenn die GmbH eine Gewinnausschüttung beschließt.

-- Der Geschäftsanteil ist bei einer Liquidation der Gesellschaft höchstens mit dem Nennwert zu berücksichtigen, nimmt mithin an einem Liquidationsüberschuß nicht teil.

Im Anschluß hieran wurde die KG als selbständige Firma aufgelöst. Der Kläger, W und B brachten ihre Beteiligungen an der KG in die GmbH I ein, die die Geschäfte der KG fortführte und nunmehr alle Geschäftsanteile an der GmbH II hielt. Das Kapital der GmbH II wurde um 1 Mio. DM erhöht. Die Einlage des Stammkapitals wurde von der GmbH I erbracht, indem sie der GmbH II die von W abgetretene Forderung erließ.

Des weiteren wurde das Kapital der GmbH I um den Wert der eingebrachten KG-Anteile und weiterer Zuzahlungen in bar erhöht. Die Einlagen hatten der Kläger, W und B im Verhältnis der stimmberechtigten Beteiligungen (3:4:3) zu erbringen. Das Stammkapital entfiel nunmehr wie folgt auf die Gesellschafter:

Kläger 60 000 DM 5 %

W 80 000 DM

1 000 000 DM 90 %

B 60 000 DM 5 %

1 200 000 DM 100 %

Aufgrund der ungünstigen Geschäftsentwicklung verzichteten die Gesellschafter der GmbH I im Jahr 1987 auf Gesellschafterdarlehen. Der Erlaß erfolgte der Höhe nach im Verhältnis der stimmberechtigten Beteiligungen (3:4:3). Der Kläger und B verzichteten auf sämtliche von ihnen gewährten Darlehen, während weitere Darlehen des W bestehen blieben. Mit Vertrag vom 2. November 1987 veräußerte der Kläger seine Anteile an der GmbH I für einen Kaufpreis von 1 DM an einen neuen Gesellschafter. B veräußerte seine Anteile -- ebenfalls für 1 DM -- an W. W und der neue Gesellschafter verschmolzen die GmbH I und die GmbH II zu einer Gesellschaft, deren Stammkapital zunächst durch Zuführung neuen Kapitals herauf- und anschließend zum Ausgleich der früheren Verluste um 1,1 Mio. DM herabgesetzt wurde. Bei dieser Neuregelung entfielen in der Satzung die Sonderregelungen für den Anteil des W in Höhe von 1 Mio. DM.

Aufgrund der Veräußerung der Anteile an der GmbH I erklärte der Kläger einen Verlust aus gewerblichen Einkünften. Die Beteiligung am Stammkapital sei eine wesentliche Beteiligung i. S. des §17 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) gewesen. Dem folgte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt -- FA --) nicht. Einspruch und Klage blieben erfolglos (Entscheidungen der Finanzgerichte -- EFG -- 1996, 1032).

Mit der Revision machen die Kläger geltend, die Beteiligung von 5 % am Stammkapital sei eine wesentliche Beteiligung. Der Stammkapitalanteil des W in Höhe von 1 Mio. DM sei nicht mitzurechnen, so daß die tatsächliche Beteiligungsquote 30 % betrage. Die Kapitalerhöhung sei im Jahr 1978 nur auf Drängen der Banken erfolgt, um die hohe Verschuldung der GmbH I zu beseitigen. Eine Veränderung der Beteiligungsquoten an der GmbH I sei nicht beabsichtigt gewesen. Der Kapitalanteil sei aus diesem Grund wie ein partiarisches Darlehen ausgestaltet worden. Wirtschaftlich sei er als Fremdkapital anzusehen und -- wie eigene Geschäftsanteile einer GmbH -- der Beteiligungsquote der anderen Anteilsinhaber zuzurechnen. Die Stimmrechte des Klägers hätten unverändert 30 % betragen, ebenso seine Beteiligung am Gewinn und am Liquidationsüberschuß. Die gesellschaftsrechtliche Stellung sei durch den Anteil des W nicht geschmälert worden. Deshalb wachse der formal auf diesen Anteil entfallende Beteiligungsanteil wirtschaftlich den anderen Anteilen zu.

Die Kläger beantragen, das erstinstanzliche Urteil aufzuheben und die Einkommensteuer 1987 unter Berücksichtigung eines Veräußerungsverlustes in Höhe von ... DM herabzusetzen.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist nicht begründet. Sie war deshalb zurückzuweisen (§126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung -- FGO --). Die Beteiligung des Klägers an der GmbH I mit einem Geschäftsanteil von 5 % war keine wesentliche Beteiligung i. S. des §17 Abs. 1 EStG. Die über einem Viertel liegenden Stimmrechte sowie die Vereinbarungen zur Verteilung des Gewinns und des Liquidationserlöses führen zu keiner höheren Beteiligungsquote.

1. Zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb gehört auch der Gewinn oder Verlust aus der Veräußerung von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft, wenn der Veräußerer innerhalb der letzten fünf Jahre am Kapital der Gesellschaft wesentlich beteiligt war und die innerhalb eines Veranlagungszeitraums veräußerten Anteile 1 % des Kapitals der Gesellschaft übersteigen (§17 Abs. 1 Satz 1 EStG in der im Streitjahr geltenden Fassung -- EStG --). Eine Veräußerung ist in der Regel auch die Übertragung eines wertlosen GmbH-Anteils ohne Gegenleistung (Urteile des Bundesfinanzhofs -- BFH -- vom 5. März 1991 VIII R 163/86, BFHE 164, 50, BStBl II 1991, 630, und vom 18. August 1992 VIII R 13/90, BFHE 169, 90, BStBl II 1993, 34). Die wesentliche Beteiligung besteht bei einer GmbH darin, daß dem Steuerpflichtigen Anteile an einer GmbH oder ähnliche Beteiligungen oder Anwartschaften auf solche Beteiligungen in Höhe von mehr als einem Viertel zuzurechnen sind (§17 Abs. 1 Satz 2 und 3 EStG; jetzt Satz 3 und 4). Im Streitfall kommt nur eine Beteiligung des Klägers durch Anteile an der GmbH in Betracht.

Anteile an einer GmbH sind nach ständiger Rechtsprechung des BFH die Geschäftsanteile i. S. der §§5 und 14 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung -- GmbHG -- (vgl. BFH-Urteile vom 28. Juni 1978 I R 90/76, BFHE 125, 444, BStBl II 1978, 590; vom 19. Mai 1992 VIII R 16/88, BFHE 168, 170, BStBl II 1992, 902, m. w. N.; vom 10. November 1992 VIII R 40/89, BFHE 173, 17, BStBl II 1994, 222; vom 16. Mai 1995 VIII R 33/94, BFHE 178, 197, BStBl II 1995, 870). Nach §14 GmbHG bestimmt sich der Geschäftsanteil eines Gesellschafters nach dem Betrag der übernommenen Stammeinlage. Aus der Anbindung des §17 Abs. 1 EStG an diese zivilrechtliche Regelung folgt, daß sich steuerrechtlich die Höhe des Anteils an einer GmbH ebenfalls aus der übernommenen Stammeinlage errechnet. Nur Änderungen, die das Stammkapital betreffen, können somit die Höhe eines GmbH-Anteils beeinflussen. Aus diesem Grund hat der BFH entschieden, daß kapitalersetzende Darlehen oder typisch stille Beteiligungen die Höhe eines GmbH-Anteils nicht verändern können (BFH-Urteile in BFHE 168, 170, BStBl II 1992, 902; vom 28. Mai 1997 VIII R 25/96, BFHE 183, 407, BStBl II 1997, 724, und vom 29. Juli 1997 VIII R 80/94, BStBl II 1997, 727).

2. Von dispositiven Vorschriften des GmbHG abweichende Regelungen über das Stimmrecht und/oder über die Verteilung des Gewinns und/oder des Liquidationserlöses beeinflussen die Höhe einer Beteiligung i. S. des §17 Abs. 1 EStG nicht.

a) Die Einflußmöglichkeiten eines Gesellschafters auf eine Kapitalgesellschaft rechtfertigen es nicht, die Frage, ob eine wesentliche Beteiligung vorliegt, abweichend von den Geschäftsanteilen zu beurteilen. Stimmrechte oder auf sonstigen Gründen beruhende Machtpositionen können nicht die Beteiligungsquote eines einflußlosen oder einflußschwachen Beteiligten mindern und korrespondierend die Quote eines einflußstarken Gesellschafters erhöhen.

Der BFH hat schon bisher den Begriff der mittelbaren Beteiligung als Teil der wesentlichen Beteiligung i. S. des §17 Abs. 1 Satz 3 EStG als eine rein kapitalmäßige Beteiligung verstanden, d. h. unabhängig davon, ob und in welchem Maße der Anteilseigner die Kapitalgesellschaft, die die Beteiligung vermittelt, wirtschaftlich beherrscht (BFH-Urteile in BFHE 125, 444, BStBl II 1978, 590; vom 12. Juni 1980 IV R 128/77, BFHE 131, 49, BStBl II 1980, 646). Dementsprechend hat der BFH eine (unmittelbare) wesentliche Beteiligung auch dann angenommen, wenn der Veräußerer nur sehr kurzfristig zu mehr als einem Viertel an der Kapitalgesellschaft beteiligt war und deshalb in aller Regel keinen Einfluß auf die Gesellschaft ausüben konnte (vgl. z. B. BFH-Urteile vom 5. Oktober 1976 VIII R 38/72, BFHE 120, 471, BStBl II 1977, 198; in BFHE 178, 197, BStBl II 1995, 870). Es kann nichts anderes gelten, wenn die Einflußmöglichkeiten, die dem Gesellschafter nach dem GmbHG zustehen, aufgrund der Satzung eingeschränkt oder erweitert sind oder wenn in der Satzung vom GmbHG abweichende Regelungen über das Gewinnbezugsrecht und/oder die Verteilung des Liquidationserlöses getroffen werden. Die von der bisherigen Rechtsprechung angeführten Gründe für die Maßgeblichkeit der Beteiligung am Stammkapital gelten auch in diesen Fällen.

b) Der Wortlaut des §17 Abs. 1 EStG legt es nahe, den Begriff der wesentlichen Beteiligung allein kapitalmäßig zu bestimmen.

Die Vorschrift spricht in Satz 3 (Satz 4 des §17 Abs. 1 EStG n. F.) ausdrücklich von der Beteiligung " ... an der Gesellschaft" und in Satz 1 von der Beteiligung "am Kapital". Kapital ist nach den gesetzlichen Vorschriften des GmbHG und des Aktiengesetzes -- AktG -- (§5 Abs. 1 GmbHG; §§6 ff. AktG) das Stamm- bzw. Grundkapital der Gesellschaft, das mit einem festen Betrag in der Satzung auszuweisen ist. Es bezeichnet das durch die Einlagen der Gesellschafter aufzubringende Gesellschaftsvermögen. Der "Anteil an einer Kapitalgesellschaft" verkörpert deshalb den betragsmäßigen bestimmten (festen) Anteil am Stammkapital der Gesellschaft (so bereits Strutz, Kommentar zum Einkommensteuergesetz 1925, Bd. II, §30 Anm. 35; ebenso die ständige Rechtsprechung des BFH, vgl. Urteile in BFHE 125, 444, BStBl II 1978, 590; BFHE 131, 49, BStBl II 1980, 646; BFHE 168, 170, BStBl II 1992, 902; BFHE 178, 197, BStBl II 1995, 870). Der Gesetzgeber hat sich durch diese Rechtsprechung nicht zu einer Änderung des §17 Abs. 1 Satz 3 EStG (§17 Abs. 1 Satz 4 EStG n. F.) veranlaßt gesehen, obwohl §17 EStG hinsichtlich anderer Tatbestandsmerkmale in der Vergangenheit wiederholt geändert wurde.

c) Für dieses Gesetzesverständnis spricht auch der Zweck des §17 Abs. 1 EStG. Die Norm soll den aufgrund der Veräußerung des Geschäftsanteils eintretenden Zuwachs an finanzieller Leistungsfähigkeit erfassen (Senatsurteil in BFHE 178, 197, 202, BStBl II 1995, 870, m. w. N.). Der Zuwachs an Leistungsfähigkeit ist unabhängig davon besteuerungswürdig, ob er auf die Einflußnahme des Anteilseigners auf die Geschäfte der Kapitalgesellschaft beruht. Entscheidend für die Besteuerung des Veräußerungsgewinns sind vielmehr die Ansprüche des Gesellschafters auf Beteiligung an der Substanz (Urteil in BFHE 178, 197, 202, BStBl II 1995, 870, m. w. N.). Dem entspricht es, für die Wesentlichkeit der Beteiligung auf die Höhe des Anteils am Nennkapital abzustellen. Denn die Vermögensrechte des Anteilseigners (Gewinnrecht und Recht auf Liquidationserlös) bestimmen sich gemäß §§29 Abs. 3 und 72 GmbHG nach dem Nennbetrag seines Geschäftsanteils. Da im Regelfall die Gesellschafter der Kapitalgesellschaft im Verhältnis ihrer Geschäftsanteile am Vermögenszuwachs der Kapitalgesellschaft beteiligt sind, ist es sachgerecht, wenn §17 Abs. 1 EStG typisierend an die Höhe der nominellen Beteiligung am Stammkapital anknüpft.

d) Entgegen einer in der Literatur vertretenen Ansicht ist eine Ausnahme auch dann nicht gerechtfertigt, wenn einem Gesellschafter, der nominell zu weniger als einem Viertel am Kapital der Gesellschaft beteiligt ist, abweichend von §§29, 72 GmbHG durch die Satzung ein höherer Anteil am Gewinn und/oder am Liquidationserlös eingeräumt worden ist (ebenso: Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz, Kommentar, 21. Aufl., §17 EStG, Anm. 130; a. A. L. Schmidt, Einkommensteuergesetz, 16. Aufl., §17 Rz. 40; Hörger in Littmann/Bitz/Hellwig, Das Einkommensteuerrecht, 15. Aufl., §17 EStG Rz. 14; Blümich/Ebling, Kommentar zum Einkommensteuergesetz, Körperschaftsteuergesetz, Gewerbesteuergesetz, 15. Aufl., §17 EStG Rz. 85; offen gelassen im BFH- Urteil vom 27. Januar 1977 IV R 46/76, BFHE 122, 445, BStBl II 1977, 754).

Wie sich aus der Entstehungsgeschichte des §17 EStG ergibt, wollte der Gesetzgeber mit der Anknüpfung an das Grund- oder Stammkapital im Interesse der einfachen Handhabung der Vorschrift eine "feste Grenze" vorsehen, "ohne daß dem Ermessen der Verwaltungsbehörde noch ein weiterer Spielraum gelassen wird" (vgl. die Wiedergabe der amtlichen Begründung zu §30 EStG 1925 bei Strutz, a.a.O., S. 373). Diese Absicht des Gesetzgebers würde unterlaufen, wenn man das Tatbestandsmerkmal der Beteiligung am "Kapital" im Sinne einer Beteiligung am tatsächlichen Vermögen der Kapitalgesellschaft auslegen würde. Angesichts der Vielzahl denkbarer Satzungsregelungen über die Verteilung des Gewinns und des Liquidationserlöses könnte nur aufgrund einer Beurteilung aller individuellen Umstände des jeweiligen Einzelfalls entschieden werden, ob eine wesentliche Beteiligung anzunehmen ist. Dies würde die Belange der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit erheblich beeinträchtigen. Für die Beteiligten wäre -- wie der Streitfall zeigt -- nicht mehr in allen Fällen vorhersehbar, ob der Erlös aus der Veräußerung eines Geschäftsanteils nach §17 EStG einkommensteuerpflichtig ist. Nach der im Streitfall beschlossenen Satzung hängt die Höhe des Gewinnanteils des Klägers von der Höhe des jährlichen Gesamtgewinns ab. Die Höhe des Gewinnanteils kann folglich nur im Nachhinein für den jeweiligen Gewinnermittlungszeitraum festgestellt werden; Entsprechendes gilt für den Anteil am Liquidationserlös. Zweifelhaft ist ferner, nach welchen Kriterien die Höhe der Beteiligungsquote ermittelt werden soll, wenn aufgrund der Satzung die Anteile am Gewinn und am Liquidationserlös nach unterschiedlichen Maßstäben zu errechnen sind. Zu berücksichtigen ist schließlich, daß die Bestimmung der Wesentlichkeit einer Beteiligung nach Maßgabe von Satzungsbestimmungen zur Folge hätte, daß selbst eine Beteiligung von mehr als einem Viertel am Nennkapital nicht als wesentlich angesehen werden könnte, wenn der Gesellschafter nur einen Anteil am Gewinn und/oder Liquidationserlös von bis zu 25 % beanspruchen könnte.

3. Nach diesen Grundsätzen ist der Kläger durch seinen Geschäftsanteil von 5 % nicht wesentlich an der GmbH beteiligt. Der Geschäftsanteil des W in Höhe von 1 Mio. DM muß bei der Berechnung der Beteiligungshöhe in voller Höhe berücksichtigt werden.

a) Aus den über 25 % liegenden Stimmrechten des Klägers und der Vereinbarung zur Gewinnverteilung kann keine wesentliche Beteiligung abgeleitet werden. Gleiches gilt für die Satzungsregelung zur Verteilung des Liquidationserlöses.

b) Die Zurechnungsbestimmung des §39 der Abgabenordnung (AO 1977) berechtigt nicht zu einer von der Geschäftsanteilquote abweichenden Berechnung des Beteiligungswerts.

aa) Auch im Rahmen des §17 Abs. 1 EStG genügt eine nur formale zivilrechtliche Beteiligung an einer GmbH nicht, wenn nicht zugleich eine tatsächliche, d. h. wirtschaftlich wesentliche Beteiligung gegeben ist. Bei dieser Prüfung hatte der BFH bisher Sachverhalte zu beurteilen, in denen zu klären war, wem die sich aus Geschäftsanteilen ergebenden (ungeschmälerten) Rechte zuzurechnen waren (vgl. BFH-Urteile vom 18. September 1984 VIII R 119/81, BFHE 142, 130, BStBl II 1985, 55; vom 10. Juli 1991 VIII R 16/90, BFH/NV 1992, 223; vom 7. Juli 1992 VIII R 56/88, BFH/NV 1993, 25; vom 7. Juli 1992 VIII R 54/88, BFHE 169, 49, BStBl II 1993, 331; in BFHE 178, 197, BStBl II 1995, 870).

bb) Hält eine GmbH eigene Geschäftsanteile, so vermitteln diese Anteile nur formal einem Gesellschafter eine Beteiligung. Die Höhe der Beteiligung der übrigen Anteile ist nicht aus dem nominellen Stammkapital zu berechnen. Dieses ist vielmehr um den Wert der eigenen Anteile zu kürzen. Die eigenen Anteile werden nicht als Beteiligung berücksichtigt und die Beteiligungsquote der übrigen Anteile entsprechend erhöht. Dies beruht darauf, daß die mit den eigenen Anteilen verbundenen Rechte die Rechtsstellung der übrigen Anteilsinhaber nicht schmälern, diese also tatsächlich entsprechend höher beteiligt sind (vgl. BFH- Urteile vom 24. September 1970 IV R 138/69, BFHE 100, 448, BStBl II 1971, 89; vom 18. April 1989 VIII R 329/84, BFH/NV 1990, 27; Blümich/Ebling, a.a.O., §17 EStG Rz. 86). Entsprechend könnte ein Geschäftsanteil bei der Berechnung der Beteiligungshöhe dann nicht berücksichtigt werden, wenn er aufgrund von Satzungsregelungen die Rechte der übrigen Anteile nicht einschränken würde.

Schließt eine Satzung einen Geschäftsanteil vom Stimmrecht, Gewinnrecht und vom Recht auf den Liquidationserlös aus, kann der Anteilseigner grundsätzlich bereits zivilrechtlich nicht mehr als Gesellschafter angesehen werden (die Gesellschaftereigenschaft beiläufig verneinend: Urteil des Bundesgerichtshofs -- BGH -- vom 14. Juli 1954 II ZR 342/53, BGHZ 14, 264, 270; zustimmend Lutter/Hommelhoff, Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung, Kommentar, 14. Aufl., §14 Rz. 6; eine Gesellschaft ausnahmsweise bejahend, solange die Gesellschafterstellung trotz der fehlenden Rechte nicht sinnentleert ist: Baumbach/Hueck, Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung, Kommentar, 16. Aufl., §14 Rz. 14, und Scholz, Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung, Kommentar, 8. Aufl., §14 Rz. 33). Steuerrechtlich käme es in Betracht, eine Beteiligung eines Anteilsinhabers "am Kapital" bereits bei fehlender oder wertloser Beteiligung am Gewinn und Liquidationserlös zu verneinen.

cc) Im Streitfall kommt es indes hierauf nicht an. Der Geschäftsanteil des W in Höhe von 1 Mio. DM beteiligte seinen Inhaber nicht nur formal, sondern durch die bevorzugte Gewinnbeteiligung und die Beteiligung am Liquidationserlös bis zu 1 Mio. DM auch tatsächlich am Kapital der GmbH I. Insoweit schmälerte er die Rechte der übrigen Anteilsinhaber. Die maßgebliche Frage aber, ob ein solcher Geschäftsanteil bei der Berechnung der Beteiligungshöhe zu berücksichtigen ist, ist eine Frage der Auslegung des §17 Abs. 1 EStG. Hierzu macht §39 AO 1977 keine Aussage. Die Vorschrift betrifft nur die Zurechnung in persönlicher Hinsicht. Sie ist dagegen keine Grundlage zur Beurteilung der objektiven Seite der steuerrechtlichen Tatbestandsverwirklichung anderer Vorschriften (BFH- Urteil vom 4. Oktober 1990 X R 148/88, BFHE 162, 304, BStBl II 1992, 211).

c) Der Geschäftsanteil von W in Höhe von 1 Mio. DM kann auch nicht wie ein partiarisches Darlehen behandelt werden. Dem steht bereits die eindeutige zivilrechtliche Rechtsnatur entgegen. Zudem ergibt sich aus wirtschaftlicher Sicht nichts anderes. Die Beteiligung des Anteils am Verlust der GmbH ist mit dem Wesen eines partiarischen Darlehens nicht vereinbar (vgl. Kirchhof/Söhn, Einkommensteuergesetz, §20 Rz. F 51 und 65).

 

Fundstellen

Haufe-Index 66409

BFH/NV 1998, 691

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