Entscheidungsstichwort (Thema)

Ausbildungsmehrbedarf eines auswärts untergebrachten Kindes

 

Leitsatz (NV)

Bei einem auswärts untergebrachten Kind können Miete und Verpflegungsmehraufwendungen nicht als ausbildungsbedingter Mehraufwand berücksichtigt werden, wenn es nicht außerhalb des Ausbildungsortes einen eigenen Hausstand unterhält.

 

Normenkette

EStG § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 5, § 9a S. 1 Nr. 3, § 22 Nr. 1, § 32 Abs. 4 S. 1 Nrn. 1, 2a, S. 3

 

Tatbestand

Der am 24. November 1977 geborene Sohn H der Klägerin und Revisionsbeklagten (Klägerin) war nach Beendigung seines Grundwehrdienstes von Mai bis September 1998 arbeitslos und erhielt in diesem Zeitraum 5 579 DM Arbeitslosenhilfe. Seit Oktober 1998 wurde er bei der X Akademie, einer staatlich anerkannten Berufsfachschule für Automatisierungs-, Daten- und Nachrichtentechnik in … zum Industrietechnologen ausgebildet. Während der zweijährigen Ausbildung erhielt er von der X-AG ein Stipendium, das im ersten Ausbildungsjahr 1 150 DM monatlich betrug. Vom Schulgeld von 200 DM monatlich hatte er 90 DM zu tragen. Der Beklagte und Revisionskläger (das Arbeitsamt ―Familienkasse―) lehnte den Antrag der Klägerin, ab Mai 1998 für H Kindergeld zu gewähren, mit Bescheid vom 4. Dezember 1998 ab.

Das Finanzgericht (FG) gab der Klage mit den in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2000, 1137 veröffentlichten Gründen statt. Es führte aus, die Anspruchsvoraussetzungen ab Mai 1998 hätten vorgelegen; insbesondere sei der anteilige Jahresgrenzbetrag von (8/12 von 12 360 DM =) 8 240 DM nicht überschritten worden. Bei den Bezügen sei das Arbeitslosengeld (5 579 DM) abzüglich der Kostenpauschale anzusetzen, wobei offen bleiben könne, ob der Jahresbetrag von 360 DM zeitanteilig zu kürzen sei. Ob das Stipendium von (3 x 1 150 DM =) 3 450 DM zu den nach § 32 Abs. 4 Satz 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) ohnehin nicht anzusetzenden Bezügen oder zu den nach § 22 Nr. 1 EStG steuerbaren Einnahmen gehöre, könne ebenfalls unentschieden bleiben. Denn wenn insofern Einkünfte vorlägen, wären die damit zusammenhängenden Aufwendungen gemäß § 9 Abs. 1 EStG abziehbar. Zu berücksichtigen wären Fahrtkosten (236 DM), Übernachtungskosten (3 x 590 DM = 1 770 DM) und Verpflegungsmehraufwendungen (60 Tage zu 46 DM = 2 760 DM). Sollten die Verpflegungsmehraufwendungen nicht anzuerkennen sein, weil anderenfalls die Werbungskosten die Einnahmen überstiegen, blieben allenfalls Einkünfte in Höhe von (3 450 DM ./. 1 770 DM Miete ./. 236 DM Fahrtkosten ./. 270 DM Schulgeld =) 1 174 DM übrig, zu denen Bezüge in Höhe von (5 579 DM ./. Kostenpauschale für 8 Monate 240 DM =) 5 339 DM hinzu kämen, wobei die Summe von (1 174 DM + 5 339 DM =) 6 513 DM den anteiligen Jahresgrenzbetrag (8 240 DM) ebenfalls unterschreite.

Die Familienkasse rügt mit der Revision die Verletzung von § 32 Abs. 4 EStG.

Sie beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Abweisung der Klage, weil die Einkünfte und Bezüge des Sohnes den im Streitfall maßgebenden anteiligen Jahresgrenzbetrag von 8 240 DM überschreiten.

1. Beim Sohn H haben von Mai bis September 1998 die Anspruchsvoraussetzungen des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 EStG und von Oktober bis Dezember 1998 die des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 a EStG vorgelegen. Nach den Feststellungen des FG hat H in dem danach maßgebenden Zeitraum von Mai bis Dezember 1998 hierauf entfallende Einnahmen in Höhe von (5 579 DM Arbeitslosenhilfe + 3 450 DM Stipendium =) 9 029 DM erzielt. Auch wenn ein von der Familienkasse erstmals im Revisionsverfahren erwähntes Entlassungsgeld von der Bundeswehr außer Ansatz bleibt (vgl. zu neuem Vorbringen Urteil des Bundesfinanzhofs ―BFH― vom 1. März 2000 VI R 32/99, BFH/NV 2000, 1083, Deutsches Steuerrecht ―DStR- 2000, 966), übersteigen die um ggf. noch abziehbare Beträge zu kürzenden Einnahmen von 9 029 DM den auf Mai bis Dezember 1998 entfallenden Jahresgrenzbetrag von (8/12 von 12 360 DM =) 8 240 DM.

2. Bei der Ermittlung der Einkünfte und Bezüge sind von den steuerpflichtigen Einnahmen die Erwerbsaufwendungen (jedenfalls aber ein hierfür vorgesehener Pauschbetrag) und von den Bezügen der Vereinfachungsbetrag von 360 DM abzuziehen, wobei dieser und der jeweilige Pauschbetrag ggf. zeitanteilig zu kürzen sind. Außerdem können die Einkünfte und Bezüge, die das Kind hat, um ausbildungsbedingte Mehraufwendungen gekürzt werden, sofern diese nicht bereits in den Erwerbsaufwendungen berücksichtigt worden sind (BFH-Urteile vom 14. November 2000 VI R 62/97, BFHE 193, 444, BStBl II 2001, 491; VI R 52/98, BFHE 193, 453, BStBl II 2001, 489, und VI R 128/00, BFHE 193, 457, BStBl II 2001, 495).

a) Ausbildungsbedingte Mehraufwendungen kommen nach den Feststellungen des FG nur für die Aufwendungen für Fahrten zwischen Wohnung und Ausbildungsstätte (236 DM) und das Schulgeld (270 DM) in Betracht. In diesem Zusammenhang regelmäßig nicht abziehbar sind Aufwendungen für erhöhten Lebensbedarf wegen einer auswärtigen Unterbringung des Auszubildenden (hier: Miete 1 170 DM und Verpflegungsmehraufwendungen 2 760 DM). Aufwendungen dieser Art sind typischerweise mit dem Jahresgrenzbetrag abgegolten, da in diesem Betrag der existenznotwendige Bedarf eines auswärtig untergebrachten Kindes hinreichende Berücksichtigung findet (BFH-Urteil vom 21. Juli 2000 VI R 153/99, BFHE 192, 316, BStBl II 2000, 566, unter II. 2. e). Feststellungen dazu, dass der Sohn abweichend vom Regelfall einen doppelten Haushalt i.S. von § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 EStG geführt hätte, der den Abzug diesbezüglicher Aufwendungen rechtfertigen könnte, sind vom FG nicht getroffen worden.

b) Bei den Feststellungen der zu berücksichtigenden Bezüge ist gemäß der Dienstanweisung zur Durchführung des Familienleistungsausgleichs nach dem X. Abschnitt des Einkommensteuergesetzes (DA-FamEStG) 63.4.2.3 Abs. 4 eine Kostenpauschale von 360 DM im Kalenderjahr abzuziehen. Dieser Betrag ist, wenn im Kalenderjahr auch außerhalb des Begünstigungszeitraums Bezüge erzielt worden sind (hier: bei Ableisten des Grundwehrdienstes), zeitanteilig aufzuteilen (DA-FamEStG 63.4.2.9 Abs. 2 Nr. 1). Vereinfachungsregeln wie die zur Kostenpauschale, die nicht im Gesetz selbst, sondern durch allgemeine Verwaltungsanweisungen angeordnet werden, sind so auszulegen, wie sie die Verwaltung verstanden wissen will und dementsprechend verfährt (BFH-Urteil vom 21. Oktober 1999 I R 68/98, BFH/NV 2000, 891, m.w.N.). Danach kam im Streitfall eine anteilige Kostenpauschale von 240 DM in Betracht, wenn neben der Arbeitslosenhilfe auch das Stipendium zu den Bezügen zählte, während 150 DM abzuziehen waren, wenn das Stipendium als Einnahme i.S. von § 22 Nr. 1 EStG zu erfassen war.

c) Der Senat kann offen lassen, ob das Stipendium als Bezug oder als Einnahme i.S. von § 22 Nr. 1 EStG einzuordnen ist. Sofern Letzteres der Fall wäre, kämen anstelle des Pauschbetrages von 200 DM (§ 9a Satz 1 Nr. 3 EStG) die höheren nachgewiesenen Aufwendungen für Fahrtkosten und Schulgeld (506 DM) zum Abzug. Danach wären neben der anteiligen Kostenpauschale zur Arbeitslosenhilfe (150 DM) Ausbildungsaufwendungen (506 DM) zu berücksichtigen. Die Einnahmen (9 029 DM) abzüglich anteiliger Kostenpauschale und Ausbildungsaufwendungen (656 DM) betragen 8 373 DM und liegen damit über dem anteiligen Jahresgrenzbetrag von 8 240 DM.

Sofern das Stipendium als Bezug einzuordnen wäre, würde die anteilige Kostenpauschale 240 DM betragen. Sofern die ausbildungsbedingten Mehraufwendungen (506 DM) nicht ―auch nicht anteilig― mit der Kostenpauschale zu verrechnen wären, was dahinstehen kann, würden die um (240 DM + 506 DM =) 746 DM gekürzten Einnahmen (9 029 DM ./. 746 DM =) 8 283 DM betragen und damit ebenfalls über 8 240 DM liegen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 642312

BFH/NV 2001, 1558

DStRE 2001, 1333

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