Entscheidungsstichwort (Thema)

Verspätungszuschlag gegen Kapitalgesellschaft oder ihren Geschäftsführer - Begründung einer Prüfungsanordnung bei routinemäßigen Außenprüfungen

 

Leitsatz (amtlich)

Ob ein Verspätungszuschlag gegen die Kapitalgesellschaft oder gegen ihren für die fristgemäße Abgabe der Steuererklärung verantwortlichen gesetzlichen Vertreter festgesetzt wird, muß die Finanzbehörde nach pflichtgemäßem Ermessen entscheiden. Eine Festsetzung gegen den gesetzlichen Vertreter statt gegen die Kapitalgesellschaft kommt nur in Ausnahmefällen in Betracht. Die Inanspruchnahme der Kapitalgesellschaft statt ihres gesetzlichen Vertreters bedarf im Regelfall keiner Begründung.

 

Orientierungssatz

Bei routinemäßigen Außenprüfungen genügt zur Begründung der Prüfungsanordnung regelmäßig der Hinweis auf die zugrunde liegende gesetzliche Vorschrift. Denn § 193 Abs. 1 AO 1977 geht davon aus, daß die Heranziehung der dort genannten Steuerpflichtigen zu einer routinemäßigen Außenprüfung in der Regel ermessensgerecht ist, es sei denn, daß Anhaltspunkte für ein sachwidriges oder willkürliches Verhalten der Finanzbehörden vorliegen (vgl. BFH-Rechtsprechung).

 

Normenkette

AO 1977 § 121 Abs. 1, §§ 152, 5, 193 Abs. 1, § 196

 

Verfahrensgang

FG Rheinland-Pfalz (Entscheidung vom 27.06.1988; Aktenzeichen 5 K 1/88)

 

Tatbestand

I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), eine GmbH i.L., gab die Umsatzsteuererklärung für 1984 nicht innerhalb der bis 31.Dezember 1985 verlängerten Frist ab. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) setzte in dem darauf erlassenen Schätzungsbescheid gegen die Klägerin einen Verspätungszuschlag in Höhe von 100 DM fest. Aufgrund der erst im Klageverfahren abgegebenen Steuererklärung setzte das FA die Umsatzsteuer für 1984 auf 13 066 DM (Abschlußzahlung 1 044,36 DM) und den Verspätungszuschlag auf 85 DM herab. Die Beschwerde gegen den Verspätungszuschlag blieb erfolglos. Die Oberfinanzdirektion (OFD) führte in der Beschwerdeentscheidung eingehend aus, daß der Verspätungszuschlag nach § 152 der Abgabenordnung (AO 1977) dem Grunde und der Höhe nach zu Recht festgesetzt worden sei. Sie begründete nicht ausdrücklich, weshalb der Verspätungszuschlag gegen die Klägerin und nicht gegen ihren Geschäftsführer festgesetzt wurde.

Die Klage war ebenfalls erfolglos. Das Finanzgericht (FG) gelangte in dem in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1988, 610 abgedruckten Urteil zu dem Ergebnis, daß ein Verspätungszuschlag auch gegen eine GmbH festgesetzt werden könne und daß im Streitfall die Voraussetzungen für die Festsetzung des Verspätungszuschlags erfüllt gewesen seien.

Mit der Revision rügt die Klägerin eine Verletzung des § 152 AO 1977 mit der Begründung, gegen eine GmbH dürfe kein Verspätungszuschlag festgesetzt werden.

Die Klägerin beantragt, die Vorentscheidung, die Beschwerdeentscheidung und den Bescheid über die Festsetzung des Verspätungszuschlags aufzuheben.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

II. Die Revision ist unbegründet (§ 126 Abs.2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).

Der Verwaltungsakt über die Festsetzung des Verspätungszuschlags in der Gestalt der Beschwerdeentscheidung ist rechtmäßig. Die tatbestandlichen Voraussetzungen für die Festsetzung eines Verspätungszuschlags (§ 152 Abs.1 AO 1977) liegen vor. Hierüber besteht kein Streit.

Die Festsetzung des Verspätungszuschlags gegen die Klägerin ist weder aus Rechtsgründen unzulässig noch ist sie ermessensfehlerhaft.

Ein Verspätungszuschlag kann auch gegen eine Kapitalgesellschaft festgesetzt werden (Urteile des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 12.Dezember 1990 I R 92/88, BFHE 163, 299, BStBl II 1991, 384; vom 18.April 1991 IV R 127/89, BFHE 164, 185).

Liegen die gesetzlichen Voraussetzungen für die Festsetzung eines Verspätungszuschlags gegen eine Kapitalgesellschaft vor (§ 152 Abs.1 AO 1977), ist Ermessen (§ 5 AO 1977) in dreifacher Beziehung auszuüben. Zunächst ist darüber zu befinden, ob überhaupt ein Verspätungszuschlag festgesetzt werden soll (Entschließungsermessen). Sodann ist zu entscheiden, ob die Kapitalgesellschaft oder ihr gesetzlicher Vertreter in Anspruch genommen werden soll (Auswahlermessen). Schließlich ist unter Berücksichtigung der in § 152 Abs.2 Satz 2 AO 1977 genannten Kriterien und unter Beachtung der absoluten Obergrenzen des § 152 Abs.2 Satz 1 AO 1977 die Höhe des Verspätungszuschlags zu bestimmen. Die gerichtliche Überprüfung dieser Ermessensentscheidungen beschränkt sich nach § 102 FGO darauf, ob die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder ob von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist.

Die Festsetzung des Verspätungszuschlags gegen die Klägerin ist nach Grund und Höhe ermessensfehlerfrei. Es bedurfte keiner ausdrücklichen Begründung dafür, daß der Verspätungszuschlag gegen die Klägerin und nicht gegen deren Geschäftsführer festgesetzt wurde. Es ist sachgerecht, den Verspätungszuschlag grundsätzlich gegen die Kapitalgesellschaft als die Steuerschuldnerin und Verpflichtete zur Abgabe der Umsatzsteuererklärung (§ 18 Abs.3 des Umsatzsteuergesetzes --UStG-- 1980) festzusetzen. Nur in besonderen Ausnahmefällen kommt eine Festsetzung gegen den gesetzlichen Vertreter statt gegen die Kapitalgesellschaft in Betracht (BFHE 163, 299, BStBl II 1991, 384). Daß ein solcher Ausnahmefall nicht vorliegt, braucht nicht begründet zu werden, es sei denn, daß hierfür konkrete Umstände sprechen.

Die Begrenzung der Pflicht der Finanzbehörden, die Ermessensentscheidung insoweit zu begründen, beruht auf den gleichen Erwägungen, aus denen sich die Einschränkung der Pflicht zur Begründung von Prüfungsanordnungen, die routinemäßige Außenprüfungen betreffen, ergibt. Bei diesen genügt nach ständiger Rechtsprechung des BFH zur Begründung der Prüfungsanordnung regelmäßig der Hinweis auf die zugrunde liegende gesetzliche Vorschrift. Denn § 193 Abs.1 AO 1977 geht davon aus, daß die Heranziehung der dort genannten Steuerpflichtigen zu einer routinemäßigen Außenprüfung in der Regel ermessensgerecht ist, es sei denn, daß Anhaltspunkte für ein sachwidriges oder willkürliches Verhalten der Finanzbehörden vorliegen (vgl. z.B. BFH-Urteile vom 2.September 1988 III R 280/84, BFHE 154, 425, BStBl II 1989, 4; vom 30.Juni 1989 III R 8/88, BFH/NV 1990, 273). In derartigen Fällen ist eine schriftliche Begründung der Ermessensausübung entbehrlich, weil sie zum Verständnis des Verwaltungsakts nicht erforderlich ist (§ 121 Abs.1 AO 1977; vgl. hierzu BFH-Urteil vom 10.Februar 1983 IV R 104/79, BFHE 137, 404, BStBl II 1983, 286). Zudem ist der Verspätungszuschlag nach den einschlägigen Verwaltungsvorschriften regelmäßig gegen die Kapitalgesellschaft und nicht gegen deren gesetzlichen Vertreter festzusetzen (Verfügung der OFD Bremen vom 1.September 1977 S 0323 - St 242, Steuererlasse in Karteiform, Abgabenordnung, § 152 Nr.2; neuerdings auch Anwendungserlaß zur AO --AEAO--, Zu § 152 Nr.1, BStBl I 1987, 664, 694; vgl. hierzu BFH-Urteil vom 18.April 1991 IV R 127/89).

Im Streitfall bedurfte die Festsetzung des Verspätungszuschlags gegen die Klägerin statt gegen ihren Geschäftsführer keiner Begründung. Die Klägerin hat keine Umstände vorgetragen, die für eine Inanspruchnahme ihres Geschäftsführers an ihrer Stelle sprechen würden; solche Umstände sind auch nicht erkennbar.

 

Fundstellen

Haufe-Index 63734

BFH/NV 1992, 1

BStBl II 1992, 3

BFHE 165, 163

BFHE 1992, 163

BB 1992, 205

BB 1992, 205 (LT)

DB 1992, 124 (L)

DStR 1991, 1590 (KT)

DStZ 1992, 61 (KT)

HFR 1992, 97 (LT)

StE 1991, 415 (K)

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