Leitsatz (amtlich)

Zuschüsse eines Arbeitgebers zu den Kosten für die Unterbringung der Kinder seiner Arbeitnehmerinnen in einem betriebsfremden Kindergarten sind steuerpflichtiger Arbeitslohn.

 

Normenkette

EStG 1975 § 19 Abs. 1

 

Tatbestand

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) zahlte aufgrund einer Betriebsvereinbarung in den Streitjahren 1976 bis 1980 für die Kinder von vier Arbeitnehmerinnen Zuschüsse für Kindergartenplätze. Diese Zuschüsse überwies sie unmittelbar an die betriebsfremden Kindergärten. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) sah diese Zuschüsse als steuerpflichtigen Arbeitslohn an und nahm die Klägerin durch Haftungsbescheid auf Zahlung einer Lohnsteuer in Höhe von 2 167,50 DM in Anspruch. Dabei hatte das FA die Steuerbeträge auf Wunsch der Klägerin individuell auf Nettobasis errechnet.

Das Finanzgericht (FG) wies die nach erfolglosem Vorverfahren erhobene Klage mit der folgenden Begründung ab: Die Zuschußzahlungen der Klägerin an die betriebsfremden Kindergärten hätten als Lohnzahlungen zugunsten der betreffenden Arbeitnehmerinnen der Lohnsteuer unterlegen. Der zugeflossene geldwerte Vorteil für die Arbeitnehmerinnen habe darin bestanden, daß diese in Höhe des von der Klägerin gezahlten Zuschusses von einer Forderung der Kindergärten frei geworden seien. Anders als in dem die steuerliche Behandlung unentgeltlicher Vorsorgeuntersuchungen für leitende Angestellte betreffenden Fall (Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 17.September 1982 VI R 75/79, BFHE 137, 13, BStBl II 1983, 39) könne nicht festgestellt werden, daß die Klägerin die Kindergartenzuschüsse in ihrem ganz überwiegend eigenbetrieblichen Interesse gezahlt habe. Das Interesse der Arbeitnehmerinnen an den Kindergartenzuschüssen sei dem von der Klägerin damit verfolgten Zweck, ihre Wettbewerbssituation auf dem Arbeitsmarkt zu verbessern, zumindest gleichzusetzen. Die Kindergartenzuschüsse seien auch nicht als sog. Annehmlichkeiten von der Lohnsteuer frei. Geldzuwendungen seien nach der Rechtsprechung des BFH regelmäßig steuerpflichtiger Arbeitslohn (Urteil vom 22.Oktober 1976 VI R 26/74, BFHE 120, 379, BStBl II 1977, 99, Ferngespräche-Fall). Die Klägerin könne sich auch nicht mit Erfolg auf das BFH-Urteil vom 26.April 1963 VI 291/62 U (BFHE 77, 35, BStBl III 1963, 329) berufen. Der BFH habe in seiner Entscheidung vom 19.September 1975 VI R 161/73 (BFHE 117, 58, BStBl II 1975, 888) klargestellt, daß es sich bei dem Urteil in BFHE 77, 35, BStBl III 1963, 329 um einen Ausnahmefall gehandelt habe und daß Zuschüsse an betriebsfremde Kindergärten lohnsteuerpflichtiger Arbeitslohn seien. Die nachgeforderte Lohnsteuer sei auch der Höhe nach nicht zu beanstanden. Das FA habe auf Wunsch der Klägerin einen Nettosteuersatz angewendet. Dies sei zutreffend, da davon auszugehen sei, daß die Klägerin die auf die Zuschußzahlungen entfallende Lohnsteuer übernommen habe; darin liege der Zufluß eines weiteren, ebenfalls der Lohnsteuer unterliegenden geldwerten Vorteils.

Mit der Revision begehrt die Klägerin weiterhin die Aufhebung des Haftungsbescheides. Zur Begründung trägt sie im wesentlichen vor: Sie habe die Kindergartenzuschüsse aus überwiegend eigenbetrieblichem Interesse geleistet. Die Lage auf dem Arbeitsmarkt habe die Kindergartenzuschüsse erforderlich gemacht; die Arbeitnehmerinnen seien faktisch gezwungen gewesen, ihre Kinder im Kindergarten unterzubringen, um für sie, die Klägerin, arbeiten zu können. Daher scheide auch eine objektive Bereicherung der Arbeitnehmerinnen aus. Die Zuschüsse seien ausschließlich den Arbeitnehmerinnen zugute gekommen, die den Arbeitsplatz nur dann zu übernehmen bereit gewesen seien, wenn sie ihr Kind in einem Kindergarten bei Übernahme zumindest eines Teils der Kosten durch den Arbeitgeber hätten unterbringen können. Im übrigen sei die im Urteil in BFHE 117, 58, BStBl II 1975, 888 enthaltene entscheidungserhebliche Unterscheidung nicht einleuchtend, wonach bei einer Unterbringung im betriebseigenen Kindergarten eine lohnsteuerfreie mittelbare Verbindung zum Arbeitsplatz bestehe, diese hingegen nicht gegeben sein solle, wenn die Kinder im betriebsfremden Kindergarten untergebracht seien. Unter dem Gesichtspunkt steuerlicher Gleichbehandlung dürfe ein Arbeitnehmer, der sein Kind kostenlos im Betriebskindergarten unterbringe nicht bessergestellt sein als ein Arbeitnehmer, der lediglich einen Zuschuß von seinem Arbeitgeber zu dem entstehenden Kindergartenbeitrag erhalte.

Das FA tritt der Revision mit den Gründen der Vorentscheidung entgegen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision der Klägerin ist unbegründet. FA und FG haben die Zuschüsse der Klägerin zu den Kosten der Kindergartenbetreuung der Kinder ihrer Arbeitnehmerinnen zutreffend als Arbeitslohn bewertet.

1. Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit sind nach § 19 Abs.1 Nr.1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) Gehälter, Löhne und andere Bezüge und Vorteile, die für eine Beschäftigung im öffentlichen oder privaten Dienst gewährt werden. "Für" eine Beschäftigung wird etwas gewährt, wenn es durch das individuelle Dienstverhältnis des Arbeitnehmers veranlaßt ist. Dabei muß sich die Leistung des Arbeitgebers im weitesten Sinne als Gegenleistung für das Zurverfügungstellen der individuellen Arbeitskraft des Arbeitnehmers erweisen. In Ausnahmefällen kann dies zu verneinen sein, wenn die den Vorteil bewirkenden Aufwendungen ganz überwiegend im eigenbetrieblichen Interesse des Arbeitgebers getätigt werden, so daß die Zuwendung nicht mit dem Ziel der Entlohnung gewährt und vom Arbeitnehmer auch nicht als Frucht seiner Dienstleistung aufgefaßt wird (vgl. das Urteil des Senats vom 21.Februar 1986 VI R 21/84, BFHE 146, 87, BStBl II 1986, 406, in welchem der Senat seine neuere Rechtsprechung zusammenfassend wiedergegeben hat).

2. Die von der Klägerin gewährten Zuschüsse zu den Kindergartenkosten ihrer Arbeitnehmerinnen erfüllen den Lohnbegriff des § 19 EStG. Es handelt sich um Zuwendungen, die durch das jeweilige individuelle Dienstverhältnis veranlaßt sind. Die Zuschüsse sind ein Teil der Gegenleistung, die die Klägerin ihren Arbeitnehmerinnen für deren Arbeitsleistung erbringt. Hierdurch ersparen die Arbeitnehmerinnen notwendige private Aufwendungen, die sie nicht als Werbungskosten geltend machen könnten.

Der Einwand der Klägerin, sie habe die Kindergartenzuschüsse in ganz überwiegend eigenbetrieblichem Interesse geleistet, greift nicht durch. Ebenso wie jede Lohnzahlung werden auch Zusatzzahlungen im eigenbetrieblichen Interesse geleistet. Allein dieses Arbeitgeberinteresse an einer Zuwendung nimmt dieser nicht den Lohncharakter. Bei den Fällen, in denen nach der Rechtsprechung des Senats ein ganz überwiegend eigenbetriebliches Interesse des Arbeitgebers den Lohncharakter einer Zuwendung ausschließen kann, handelt es sich um Fallgestaltungen, bei denen ein Vorteil der Belegschaft als Gesamtheit zugewendet wird (z.B. in Fällen der Betriebsveranstaltungen) oder bei denen der Vorteil dem Arbeitnehmer aufgedrängt wird, ohne daß dem Arbeitnehmer eine Wahl bei der Annahme des Vorteils bleibt und ohne daß der Vorteil eine Marktgängigkeit besitzt (z.B. Urteil in BFHE 137, 13, BStBl II 1983, 39, Vorsorgeuntersuchung leitender Angestellter; Urteil vom 20.September 1985 VI R 120/82, BFHE 144, 435, BStBl II 1985, 718, Erstattung von Beiträgen für die Mitgliedschaft in einem Industrieclub, wenn der Arbeitgeber --eine GmbH-- durch die Mitgliedschaft des Arbeitnehmers Zugang zu den Räumlichkeiten des Clubs für betriebliche Belange erhält).

Diese den Lohncharakter einer Zuwendung ausschließenden Voraussetzungen erfüllen die Kindergartenzuschüsse nicht (vgl. auch Offerhaus, zuletzt in Stolterfoht (Herausgeber), Grundlagen des Lohnsteuerrechts, Köln 1986, S.130; Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz mit Nebengesetzen, Kommentar, 19.Aufl., § 19 EStG Anm.400 "Kindergarten"; Schmidt/Drenseck, Einkommensteuergesetz, 5.Aufl., 1986, § 19 Anm.7 c, am Ende). Der Senat hält damit an seiner bisherigen Rechtsprechung fest, nach der die Zahlung von Zuschüssen an betriebsfremde Kindergärten als lohnsteuerpflichtiger Arbeitslohn zu qualifizieren ist (Urteil in BFHE 117, 58, BStBl II 1975, 888).

Auch der weitere Einwand der Klägerin, Zuschüsse an betriebsfremde Kindergärten müßten ebenso behandelt werden wie die Vorteile aus der Gestellung betriebseigener Kindergärten, kann ihrer Revision nicht zum Erfolg verhelfen. Zwar ist der Klägerin zuzugeben, daß manches für eine einheitliche steuerrechtliche Behandlung beider Fallgestaltungen sprechen mag. Der Senat hat aber hier den Fall des Zuschusses an betriebsfremde Kindergärten zu entscheiden, bei dem die Annahme von Arbeitslohn nicht zweifelhaft ist. Ob er an dem Ausspruch im BFH-Urteil vom 24.Januar 1975 VI R 242/71 (BFHE 114, 496, BStBl II 1975, 340) festhält, nach dem der Vorteil aus der kostenlosen Betreuung von Kindern der Arbeitnehmer in betriebseigenen Kindergärten kein Arbeitslohn ist, braucht nicht abschließend beurteilt zu werden.

3. Die Klägerin ist auch in zutreffender Höhe als Haftungsschuldnerin in Anspruch genommen worden. Das FG hat, was mit der Revision auch nicht gerügt wurde, für den Senat bindend festgestellt, daß die Klägerin die auf die Zuschußzahlungen entfallende Lohnsteuer für die begünstigten Arbeitnehmerinnen übernommen hat. In dieser Übernahme der Lohnsteuer ist ein weiterer, ebenfalls der Lohnsteuer unterliegender geldwerter Vorteil zu erblicken (BFH-Urteile vom 7.Dezember 1984 VI R 164/79, BFHE 142, 483, BStBl II 1985, 164, unter 5. der Entscheidungsgründe, und VI R 72/82, BFHE 142, 494, BStBl II 1985, 170, unter 2. b, bb der Entscheidungsgründe). Da die Klägerin von vornherein nicht die Absicht hatte, bei ihren Arbeitnehmerinnen Regreß zu nehmen, hatte das FA keine Veranlassung, seine Ermessenserwägungen, weshalb es die Klägerin und nicht die vier Arbeitnehmerinnen in Anspruch nimmt, im Haftungsbescheid anzugeben.

 

Fundstellen

Haufe-Index 61415

BStBl II 1986, 868

BFHE 147, 357

BFHE 1987, 357

DB 1986, 2312-2313

DStR 1986, 765-765 (L)

HFR 1986, 629-629 (ST)

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