Leitsatz (amtlich)

1. Der bei Einstellung des Gewerbebetriebs erklärte Wille des Steuerpflichtigen, Forderungen nicht in das Privatvermögen zu überführen, ist steuerlich unbeachtlich, wenn mit einer betrieblichen Verwertung oder mit der Übernahme in das Privatvermögen in absehbarer Zeit nicht zu rechnen ist.

2. Bei Betriebseinstellung zum gewillkürten Betriebsvermögen gehörende Forderungen werden nicht schon dadurch Privatvermögen, daß keine Gewinnermittlung mehr vorgenommen wird.

2. Eine Forderungsabschreibung kann auch nach der Betriebseinstellung nachgeholt werden, solange das spätere Geltendmachen des Ausfalls nicht willkürlich ist.

 

Normenkette

EStG § 4 Abs. 1, §§ 5, 6 Abs. 1 Nr. 2

 

Tatbestand

Streitig ist, ob der Verlust mehrerer Forderungen als nachträgliche (negative) gewerbliche Einkünfte zu berücksichtigen ist.

Der Kläger und Revisionskläger (Steuerpflichtiger) betrieb seit 1949 in H. einen Großhandel mit Lederwaren und Textilien. Außerdem war er zu 50 v. H. an der Lederhandschuhfabrik M. GmbH (GmbH) in X beteiligt.

Am 31. März 1958 gab der Steuerpflichtige, der seinen Gewinn durch Betriebsvermögensvergleich ermittelte, die Einzelfirma auf. In der "Auflösungsbilanz" auf diesen Zeitpunkt wies er unter dem Umlaufvermögen ein "Darlehen an M." von 30 000 DM und ein "Verrechnungskonto M" von 7 006,07 DM aus. Das Darlehen teilte sich in ein der GmbH gegebenes Darlehen von 20 000 DM und in ein dem Mitgesellschafter und Geschäftsführer der GmbH, M., persönlich gewährtes Darlehen von 10 000 DM auf. Beide Darlehen waren seit Jahren in den Bilanzen der Einzelfirma geführt worden, dagegen nicht der GmbH-Anteil.

Durch den Tod des Mitgesellschafters M. im Mai 1960 wurden die finanziellen Schwierigkeiten der GmbH, unter denen diese schon seit Jahren litt, weiten Kreisen bekannt. Der Konkurs der GmbH konnte nur dadurch abgewendet werden, daß diese von ihrer Hauptgläubigerin übernommen wurde. Durch Vertrag vom 10. Mai 1960 zwischen der Hauptgläubigerin und dem Steuerpflichtigen übertrug dieser seinen GmbH-Anteil gegen eine Abfindung von 10 000 DM und schied als Geschäftsführer aus. Gleichzeitig verzichtete der Steuerpflichtige auf alle Ansprüche gegen die GmbH, insbesondere auch auf die Rückzahlung des Darlehens von 20 000 DM. Das dem Mitgesellschafter M. gewährte Darlehen ist nach Angaben des Steuerpflichtigen nicht realisierbar.

In seiner Steuererklärung für 1960 machte der Steuerpflichtige den Forderungsausfall von 37 006 DM als Verlust aus Gewerbebetrieb und in der Erklärung für 1959 u. a. Steuerberatungskosten als Betriebsausgaben geltend. Beides lehnte der Beklagte und Revisionsbeklagte (FA) ab.

Einspruch und Berufung blieben erfolglos. Das FG führte im wesentlichen aus:

Der geltend gemachte Forderungsverlust könne bei den Veranlagungen für 1959 oder 1960 nicht berücksichtigt werden, weil die in den Bilanzen ausgewiesenen Forderungen mit Aufgabe des Betriebs am 31. März 1958 zwangsläufig Privatvermögen geworden seien. Zwar habe der Steuerpflichtige in seiner Auflösungsbilanz dem FA gegenüber erklärt, daß er (nur) das Anlagevermögen in sein Privatvermögen überführen werde. Entgegen dieser Erklärung seien aber auch die streitbefangenen Forderungen Privatvermögen geworden. Da diese Forderungen ihrer Art nach nicht eindeutig in den betrieblichen oder privaten Bereich fielen, hätten sie zum gewillkürten Betriebsvermögen gehört. Nach einer Betriebsaufgabe sei ihre Fortführung im Betriebsvermögen nur möglich, wenn auch der Gewinn weiterhin durch Vermögensvergleich ermittelt werde. Das sei hier nicht geschehen.

Die Steuerberatungskosten dürften nicht abgezogen werden, weil sie in keinem Zusammenhang mit der gewerblichen Tätigkeit gestanden hätten.

Mit der als Revision zu behandelnden Rechtsbeschwerde wird geltend gemacht, der Forderungsausfall müsse steuerlich berücksichtigt werden. Trotz Nichtausweises des GmbH-Anteils in den Bilanzen sei dieser notwendiges Betriebsvermögen geworden, wenn zwischen dem Einzelunternehmen und der Kapitalgesellschaft geschäftliche Beziehungen bestanden hätten. Entsprechendes müsse dann auch für die Forderungen gegen die GmbH, den Mitgesellschafter M. und das Verrechnungskonto gelten. Die zum Umlaufvermögen gehörenden Forderungen seien auch bei der Betriebsaufgabe nicht in das Privatvermögen überführt worden, da die Erklärung gegenüber dem FA sich nur auf das Anlagevermögen bezogen habe.

 

Entscheidungsgründe

Aus den Gründen:

Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und Zurückverweisung der Streitsache an das FG.

1. Forderungsverluste

Die steuerliche Berücksichtigung der geltend gemachten Forderungsverluste hängt davon ab, ob die Forderungen in den Streitjahren Betriebsvermögen des Steuerpflichtigen waren.

Zutreffend ist das FG für die Entscheidung dieser Frage von den Grundsätzen ausgegangen, wie sie in dem Urteil des BFH IV 107/63 U vom 12. März 1964 (BFH 79, 476, BStBl III 1964, 406) ausgesprochen wurden. Danach kann ein Steuerpflichtiger, der seine gewerbliche Tätigkeit einstellt, wählen, ob er sein bisheriges Betriebsvermögen veräußern oder in sein Privatvermögen überführen will. Diese Wahl muß er eindeutig und klar zum Ausdruck bringen. Geschieht das nicht, so ist in der Regel auch nach Einstellung der gewerblichen Tätigkeit das bisherige Betriebsvermögen solange als Betriebsvermögen anzusehen, als das rechtlich möglich ist, nämlich bis zum Zeitpunkt der tatsächlichen Verwertung oder der eindeutigen Übernahme in das Privatvermögen. Etwas anderes gilt, wenn mit einer betrieblichen Verwertung oder einer Übernahme in das Privatvermögen nicht mehr zu rechnen ist; dann ist der Wille des Steuerpflichtigen, Wirtschaftsgüter weiter als Betriebsvermögen zu behandeln, unbeachtlich.

Dem FG kann jedoch nicht gefolgt werden, wenn es die bei Einstellung der gewerblichen Tätigkeit des Steuerpflichtigen abgegebene Erklärung, nur die Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens in sein Privatvermögen zu übernehmen, bereits deshalb für unbeachtlich gehalten hat, weil die Forderungen gewillkürtes Betriebsvermögen gewesen seien und als solches ohne Vermögensvergleich nicht hätten fortgeführt werden können. Es ist zwar richtig, daß es bei der Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG kein gewillkürtes Betriebsvermögen geben kann (vgl. BFH-Urteil IV 158/61 S vom 13. März 1964, BFH 79, 605, BStBl III 1964, 455). Etwas anderes gilt aber, wenn der Steuerpflichtige zunächst gewillkürtes Betriebsvermögen in seiner Buchführung ausgewiesen hat und später weder eine Gewinnermittlung durch Vermögensvergleich noch eine Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG vornimmt. Dann muß der zum Ausdruck gebrachte Wille des Steuerpflichtigen, gewillkürtes Betriebsvermögen weiterzuführen, anerkannt werden. Denn ein Wechsel in der Gewinnermittlung findet nicht statt - der Gewinn ist nach den Regeln des Vermögensvergleichs zu schätzen - und der Umstand, daß der Gewinn nicht mehr auf Grund ordnungsmäßiger Buchführung ermittelt wird, läßt gewillkürtes Betriebsvermögen nicht zum Privatvermögen werden. Dieser im BFH-Urteil IV 221/65 vom 4. Oktober 1968 (BFH 93, 546, BStBl II 1969, 35) für den laufenden Gewerbebetrieb ausgesprochene Grundsatz hat nach Auffassung des Senats auch dann zu gelten, wenn der Steuerpflichtige bei Einstellung der gewerblichen Tätigkeit gewillkürtes Betriebsvermögen zurückbehält. Er kann dies auch ohne Vermögensvergleich weiterhin als Betriebsvermögen behandeln, es sei denn der Wille des Steuerpflichtigen wäre schon nach den eingangs angeführten Grundsätzen unbeachtlich.

Da das FG von anderen Erwägungen ausgegangen ist, war die Vorentscheidung aufzuheben. Die Sache ist jedoch mangels ausreichender tatsächlicher Feststellungen nicht entscheidungsreif.

Das FG wird bei seiner erneuten Entscheidung prüfen müssen, ob die Forderungen - und zwar getrennt für jede einzelne von ihnen - bei Einstellung der gewerblichen Tätigkeit zum Betriebsvermögen des Steuerpflichtigen gehörten. Dies kann bei der Darlehnsforderung gegen den ehemaligen Mitgesellschafter M. zweifelhaft sein. Wird festgestellt, daß dieses Darlehen allein aus persönlichen Gründen gegeben wurde, dann kann die Forderung schon deshalb nicht Betriebsvermögen gewesen sein; ihr Ausweis in den Bilanzen wäre unrichtig gewesen. Für die beiden anderen Forderungen kann von Bedeutung sein, ob sie aus rein betrieblicher Veranlassung gegeben wurden; sie wären dann notwendiges Betriebsvermögen gewesen.

Kommt das FG auf Grund seiner tatsächlichen Feststellungen zu dem Ergebnis, daß die oder einzelne Forderungen zum Betriebsvermögen gehörten, dann ist zu prüfen, ob diese Forderungen nicht schon bei der Betriebseinstellung wertlos waren. Hierfür kann nicht unbeachtet bleiben, daß der Steuerpflichtige seine Forderungen in einer "berichtigten Auflösungsbilanz" wertberichtigte. Bei Wertlosigkeit der Forderungen im Zeitpunkt der Betriebseinstellung und unter der Voraussetzung, daß die "berichtigte Auflösungsbilanz" sich bisher nicht steuerlich ausgewirkt hat, kann dem Steuerpflichtigen in entsprechender Anwendung des Grundsatzes vom Bilanzenzusammenhang ein Nachholen der Forderungsabschreibung nicht verwehrt werden, solange die verspätete Geltendmachung der Ausfälle nicht eindeutig willkürlich ist.

Ergeben die Feststellungen des FG, daß die Forderungen bei der Betriebseinstellung noch einen Wert hatten, dann ist darüber zu befinden, ob noch mit einer betrieblichen Verwertung zu rechnen war. Das kann bei Darlehnsforderungen nur angenommen werden, wenn daneben noch betriebliche Schulden als Betriebsvermögen zurückbehalten werden und zu erwarten ist, daß in absehbarer Zeit die Forderungen realisiert und mit ihrem Erlös die Schulden abgedeckt werden. Gibt es dafür keine Anhaltspunkte, ist auch nicht mit einer späteren Übernahme der Darlehnsforderungen in das Privatvermögen zu rechnen. Der Wille des Steuerpflichtigen, bei Betriebseinstellung diese Forderungen als Betriebsvermögen weiterzuführen, ist dann unbeachtlich. Die Forderungen sind bei der Betriebseinstellung als in das Privatvermögen übernommen anzusehen. Ein späterer Forderungsausfall ist kein gewerblicher Verlust.

2. Steuerberatungskosten

Die Vorentscheidung kann auch insoweit keinen Bestand haben, als sie den Abzug von Steuerberatungskosten mit der Begründung versagte, daß eine Tätigkeit des Steuerberaters bei der Lösung der Beziehungen zu der GmbH nur auf dem Gebiet des Privatvermögens gelegen habe. Es ist nicht auszuschließen, daß diese Annahme des FG von seiner Entscheidung über die steuerliche Berücksichtigung der Forderungsverluste beeinflußt wurde. Würde das FG bei einer erneuten Prüfung zu dem Ergebnis gelangen, daß die Steuerberatungskosten mit der Ermittlung nachträglicher gewerblicher Einkünfte zusammenhingen, dann müßten die Aufwendungen insoweit als Betriebsausgaben anerkannt werden (vgl. BFH-Urteil IV 151/64 U vom 18. November 1965, BFH 84, 519, BStBl III 1966, 190, mit Nachweisen).

 

Fundstellen

Haufe-Index 425960

BStBl II 1972, 936

BFHE 1972, 528

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