Leitsatz (amtlich)

Der Senat hält an seiner Rechtsprechung fest, daß der Hersteller künstlicher Menschenaugen Gewerbetreibender ist (vgl. BFH-Urteile IV 361/54 vom 22. Dezember 1955 und IV 60/58 vom 20. Oktober 1960, StRK, Gewerbesteuergesetz, § 2 Abs. 1, Rechtssprüche 55 und 126).

 

Normenkette

EStG 1961 § 15 Nr. 1, § 18 Abs. 1 Nr. 1; GewStG 1961 § 2 Abs. 1

 

Tatbestand

Streitig ist, ob die Tätigkeit des Revisionsklägers (Steuerpflichtiger) als Hersteller künstlicher Menschenaugen steuerlich als eine freiberufliche oder als eine gewerbliche anzusehen ist.

Zur Herstellung der künstlichen Augen bezieht der Steuerpflichtige aus Glashütten Spezialgläser (Röhren), die durch ein Gasgebläse erhitzt und dann im Schmelzprozeß durch Drehen, Blasen usw. zu einer Kugelform verarbeitet werden. In diese Kugel zeichnet er durch Verschmelzen von bunten Glasstäben in Anpassung an das gesunde Auge Pupille, Iris sowie Blut- und Fettadern ein. Durch Abschmelzen der Kugel gibt der Steuerpflichtige nun der künstlichen Augenschale die für ein schmerzfreies Tragen erforderliche Form, die sich nach der Beschaffenheit der operierten Augenhöhle richtet.

Eine bestimmte Ausbildung oder Lehrzeit ist für den Beruf nicht vorgeschrieben. Zu seiner Ausübung bedarf es keiner öffentlich-rechtlichen Erlaubnis.

Gegen seine Heranziehung zur Gewerbesteuer macht der Steuerpflichtige geltend, daß seine Tätigkeit der eines Arztes (Zahnarztes) ähnlich sei.

Einspruch und Klage blieben erfolglos.

 

Entscheidungsgründe

Aus den Gründen:

Die Revision des Steuerpflichtigen ist unbegründet.

Der Steuerpflichtige hat keine Einkünfte aus freier Berufstätigkeit im Sinne des § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG gehabt. Eine solche könnte nur dann in Betracht kommen, wenn die in § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG nicht aufgeführte Tätigkeit des Steuerpflichtigen einem dort genannten Beruf ähnlich wäre oder eine wissenschaftliche Tätigkeit darstellte. Wäre die Ähnlichkeit zu bejahen, so ist es nicht erforderlich, daß es sich um eine wissenschaftliche Tätigkeit im eigentlichen Sinne handelt (BFH-Urteil IV 120/62 U vom 18. Juli 1963, BFH 77, 646, BStBl III 1963, 557). Der gesetzliche Katalog führt nicht nur Berufe auf, die eine akademische Ausbildung erfordern, setzt jedoch die im Katalog aufgeführte Vergleichstätigkeit eine akademische Ausbildung voraus, so muß grundsätzlich auch der ähnliche Beruf auf wissenschaftlicher Grundlage beruhen. Daß der ähnliche Beruf auf Grund einer entsprechenden Vorbildung ausgeübt wird, ist nicht erforderlich, sofern es sich um einen rechtlich nicht geschützten Beruf handelt, der auch ohne eine vorgeschriebene Berufsausbildung ausgeübt werden kann (BFH Urteil IV 54/61 U vom 12. Dezember 1963, BFH 78, 349, BStBl III 1964, 136).

Das FG hebt mit Recht hervor, daß die Arbeit des Steuerpflichtigen nicht der des Arztes oder Heilpraktikers im Katalog des § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG ähnlich ist. Die ärztliche Heiltätigkeit setzt das ernstliche Bemühen um die Feststellung des Krankheitszustandes und die Krankheitsursache des Patienten voraus (Diagnose, nach der sich die Behandlung richtet). Die eigentliche ärztliche Heiltätigkeit des für den Streitfall allein in Betracht kommenden Vergleichsberufes des Augenarztes ist mit der Entfernung des Auges durch den Augenchirurgen (Arzt) beendet. Die Würdigung der Vorinstanz, daß sich die Tätigkeitsgebiete des Augenarztes und des Augenkünstlers berühren, sich in wesentlichen Punkten aber nicht decken, und die auf dieser Feststellung beruhende Ausschließung einer Ähnlichkeit der Tätigkeit des Steuerpflichtigen mit der des Augenarztes sind daher nicht zu beanstanden. Der Auffassung, daß die Tätigkeit des Steuerpflichtigen nicht eine eigentlich heilbehandelnde ist, steht auch nicht entgegen, daß das künstliche Auge als ein Heilmittel anzusprechen ist. Dies kann als richtig unterstellt werden; doch führt dies nicht dazu, die Tätigkeit des Steuerpflichtigen als eine freiberufliche anzuerkennen. Die Herstellung und entgeltliche Abgabe eines Heilmittels geht über die freiberufliche Heiltätigkeit, wie sie der Arzt, Zahnarzt, Heilpraktiker oder Dentist ausübt, hinaus. Es ist darin eine gewerbliche Tätigkeit zu erblicken, wie dies z. B. auch bei Fußpflegern oder Bandagisten der Fall ist, die selbst verpaßte Fußeinlagen, Bruchbänder und dergleichen herstellen und verkaufen. Auch der Hinweis des Steuerpflichtigen auf die neuerdings zur steuerlichen Beurteilung der Tätigkeit eines Zahnpraktikers ergangene höchstrichterliche Rechtsprechung (BFH-Urteil I 415/62 U vom 19. Oktober 1965, BFH 83, 530, BStBl III 1965, 692) kann nicht zu einer anderen rechtlichen Beurteilung des vorliegenden Falles führen. Die Tätigkeit des Dentisten deckt sich mit der des Zahnpraktikers auf dem wichtigsten Teilgebiet der Zahnheilkunde, das sich auf die vorbereitenden Arbeiten für die Anfertigung von Zahnersatz und auf dessen Anpassen erstreckt. Auch die eigene Anfertigung des Zahnersatzes für die Patienten gehört zur Berufsausübung eines Dentisten, während dies für die Anfertigung künstlicher Menschenaugen durch den Augenarzt nicht der Fall ist. Im übrigen könnte sich der Steuerpflichtige auf die Ähnlichkeit mit dem Dentisten nur dann berufen, wenn er mit Zahnbehandlung und Anfertigung von Zahnersatz etwas zu tun hätte. Auch der Vergleich mit dem Zahnpraktikanten entfällt, weil dessen Beruf kein im Katalog des § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG aufgeführter Beruf ist.

Nach allem sieht der Senat keine Veranlassung, von seiner bisherigen Rechtsprechung zur steuerlichen Behandlung der Augenhersteller (Urteile IV 361/54 vom 22. Dezember 1955, IV 60/58 vom 20. Oktober 1960, StRK, Gewerbesteuergesetz, § 2 Abs. 1, Rechtssprüche 55 und 126) abzuweichen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 68125

BStBl II 1968, 662

BFHE 1968, 6

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