Entscheidungsstichwort (Thema)

Bewertung, Vermögen-, Erbschaft-, Schenkungsteuer, Grunderwerbsteuer, Kfz-Steuer, sonstige Verkehrsteuern

 

Leitsatz (amtlich)

Zur Bewertung bestehen gebliebener Rechte bei Berechnung der Gegenleistung im Sinn des § 9 Abs. 2 in Verbindung mit § 11 Abs. 1 Ziff. 4 GrEStG.

§ 1 des VBewG vom 16. Januar 1952 (BGBl I S. 22, BStBl 1952 I S. 35) ist auf die Berechnung nur der Grunderwerbsteuer von der Gegenleistung nur anwendbar, soweit die bezeichnete Vorschrift nach dem jeweils in Betracht kommenden Landesrecht auch für die Grunderwerbsteuer gilt. Soweit in dem Urteil des Senats II 260/52 S vom 11. Februar 1953 (Slg. Bd. 57 S. 274, BStBl 1953 III S. 108) eine abweichende Auffassung vertreten wurde, wird daran nicht mehr festgehalten.

 

Normenkette

BewG § 17/2, § 15/2; GrEStG § 9 Abs. 2, § 11 Abs. 1 Ziff. 4; VermBewG § 1

 

Tatbestand

Die Beschwerdeführerin (Bfin.) blieb am 4. März 1953 bei der Zwangsversteigerung eines Grundstücks die Meistbietende. Sie war Gläubigerin einer auf dem Grundstück eingetragenen Sicherungshypothek im Nennbetrag von 4.000 DM, valutiert nach dem Stande vom 1. Januar 1953 mit 3.304 DM. Das Grundstück, das 70,97 a groß ist und dessen Einheitswert 600 DM beträgt, wurde bereits am 5. Mai 1953 durch die Bfin. weiterveräußert.

Das Finanzgericht unterstellt, daß zwar die Steuerbegünstigung nach § 9 Abs. 1 des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG) gegeben ist, vertritt jedoch zugleich den Standpunkt, daß die Steuer mit Rücksicht auf die Weiterveräußerung nach § 9 Abs. 2 GrEStG nacherhoben werden muß, weil der Erwerber das Grundstück zu einem Entgelt weiterveräußert hat, das die beim Erwerbsvorgang angesetzte Gegenleistung übersteigt. Als Gegenleistung beim Erwerbsvorgang wurden angesetzt:

1. Bargebot ----------------------------------- 835 DM, 2. bestehen gebliebene Rechte ---------------- 3.475 DM, insgesamt ----- 4.310 DM.Als bestehen gebliebene Rechte kommen ein Nießbrauchrecht, bewertet vom Amtsgericht mit 75 DM, sowie ein Wohn- und Nießbrauchsrecht, bewertet vom Amtsgericht mit 3.400 DM, in Betracht. Der Aufwand der Bfin. für den ausgefallenen Teil des Rechts, das in Höhe von 623 DM durch das Meistgebot gedeckt war, nämlich 2.681 DM (3.304 DM - 623 DM), blieb bei der Berechnung der Gegenleistung unberücksichtigt (ß 9 Abs. 2 Satz 1 in Verbindung mit § 11 Abs. 1 Ziff. 4 Satz 2 GrEStG).

Soweit die Weiterveräußerung in Betracht kommt, wurden als Gegenleistung angesetzt:

1. Barzahlung --------------------------------- 1.750 DM, 2. Befreiung von den übernommenen Rechten ----- 3.475, insgesamt ---------- 5.225 DM.Die Steuer nach § 9 Abs. 2 GrEStG wurde unter Zugrundelegung einer Gegenleistung von 4.310 DM auf 301,70 DM festgesetzt. Einspruch und Berufung waren ohne Erfolg.

Mit der Rechtsbeschwerde (Rb.) macht die Bfin. geltend, sie habe bei der Weiterveräußerung des Grundstücks keinen Gewinn erzielt, sondern einen Verlust erlitten. Der Gewinn, den das Finanzgericht festgestellt habe, sei rein rechnerischer Art und entstehe lediglich, weil der ausgefallene Teil des Rechts nicht berücksichtigt wurde. Die Anrechnung des ausgefallenen Hypothekenbetrags bei der Berechnung der Gegenleistung sei vorgeschrieben, um Steuerumgehungen zu verhindern; insbesondere sei möglich, daß der, der ein Grundstück erwerben wolle, auf diesem Grundstück zunächst eine sehr hohe Hypothek eintragen lasse, das Grundstück alsdann zur Zwangsversteigerung bringe und im Zwangsversteigerungsverfahren lediglich mit einem geringen Betrag in seine Hypothek hineinbiete. Ohne die Vorschrift des § 11 Abs. 1 Ziff. 4 GrEStG über die Hinzurechnung des ausgefallenen eigenen Grundpfandrechts wäre in diesem Fall Grunderwerbsteuer nur nach dem abgegebenen Gebot zu entrichten. Andererseits sei es aber der Sinn des § 9 GrEStG, daß derjenige, der lediglich mitbiete, um seine Hypothek zu retten, von der Grunderwerbsteuer freigestellt werden solle. Diese Feststellung solle nur dann nicht eintreten, wenn sich der Erwerb des Grundstücks als ein gutes Geschäft für den Grundpfandgläubiger darstelle. Dagegen würde die Vorschrift des § 9 ihren Sinn verlieren, wenn eine Anrechnung des ausgefallenen Betrags dann nicht stattfinde. Durch § 9 GrEStG werde bezweckt, den Erwerber von der Grunderwerbsteuer freizustellen, wenn er das Grundstück nicht aus wirtschaftlichen Gründen erwirbt, sondern nur, um seine Hypothek zu retten. Man würde der Vorschrift des § 9 GrEStG Gewalt antun, wenn man die einengende Regelung im § II Abs. 1 Ziff. 4 Satz 2 auch hier anwendet.

 

Entscheidungsgründe

Die Rb. führt zur Zurückverweisung des Streitfalls an das Finanzamt.

Allerdings kann den Ausführungen der Bfin. nicht zugestimmt werden. Im § 9 Abs. 2 GrEStG wird bestimmt, unter welchen Voraussetzungen eine Nachversteuerung stattfinden muß. Dafür, was als Gegenleistung beim Erwerbsvorgang anzusehen ist, wird im § 9 Abs. 2 Satz 1 ausdrücklich auf § 11 Abs. 1 Ziff. 4 und 5 GrEStG hingewiesen. Im § 11 Abs. 1 Ziff. 4 Satz 2 GrEStG ist aber ausgesprochen, daß der durch das Meistgebot nicht gedeckte Anspruch des Meistbietenden nur insoweit hinzuzurechnen ist, als die Gesamtleistung den Wert des Grundstücks bei der Abgabe des Meistgebots nicht übersteigt. Soweit die Abtretung der Rechte aus dem Meistgebot in Betracht kommt, ist eine entsprechende Bestimmung im § 11 Abs. 1 Ziff. 5 GrEStG nicht vorhanden; deshalb ist eine dem § 11 Abs. 1 Ziff. 4 Satz 2 GrEStG entsprechende Vorschrift in den § 9 Abs. 2 Satz 2 GrEStG aufgenommen worden. Diese Gesetzesbestimmungen lassen eindeutig erkennen, daß der Gegenleistung beim Erwerbsvorgang die ausgefallenen Ansprüche des Erwerbers - wie im Streitfall - nicht hinzugerechnet werden durften. Wegen der Auslegung des § 9 Abs. 2 wird auch auf Absatz 12 der amtlichen Begründung zu § 9 GrEStG (Reichssteuerblatt - RStBl - 1940 S. 387, 403) hingewiesen. Wörtlich wird dort ausgeführt: "... Auch im Fall einer Nachversteuerung sind die ausgefallenen Rechte nur bis zur Höhe des Grundstückswerts zu berücksichtigen. Der Teil der ausgefallenen Forderung, der diese Grenze übersteigt, war praktisch zur Zeit der Zwangsversteigerung bereits verloren und mußte deshalb bei der Entscheidung darüber, was der Erwerber zum Erwerb des Grundstücks angewandt hat, außer Betracht bleiben."

Der Grundstückserwerber, der verhindern will, daß seine ausgefallenen Rechte, soweit sie über den Grundstückswert hinausgehen, bei der Berechnung der Gegenleistung unberücksichtigt bleiben, kann sich in Fällen der vorliegenden Art nur dadurch schützen, daß er seine Rechte in der Zwangsversteigerung bis zur Höhe des Vergleichsbetrags (ß 9 Abs. 1 Ziff. 2 GrEStG) ausbietet. Erscheint ihm dies nicht tunlich, will er sich insbesondere seine persönliche Forderung erhalten, so muß er in Kauf nehmen, daß das ausgefallene Recht der Gegenleistung nicht zugerechnet wird. Im § 11 Abs. 1 Ziff. 4 Satz 2 GrEStG wird in einem Klammerzusatz ausdrücklich auf § 12 GrEStG hingewiesen. Als Wert des Grundstücks ist somit der Einheitswert zugrunde zu legen.

Eine Nachprüfung der Vorentscheidung ergibt jedoch, daß diese nicht frei von Rechtsirrtum ist.

In der Vorentscheidung sind die bestehen gebliebenen Rechte mit 3.475 DM bewertet. Es sind dabei die Werte zugrunde gelegt worden, die das Amtsgericht im Zwangsversteigerungsverfahren angesetzt hat. Für die steuerliche Bewertung sind aber die Vorschriften des Bewertungsgesetzes (BewG) maßgebend (ß 1 BewG). Nach § 17 Abs. 2, BewG sind Nutzungen oder Leistungen, die nicht in Geld bestehen, mit den üblichen Mittelpreisen des Verbrauchsorts anzusetzen. Der Vervielfacher, der auf lebenslängliche Nutzungen und Leistungen anzuwenden ist, bestimmt sich nach § 16 Abs. 2 BewG. Maßgebend ist die vor Inkrafttreten des Abschn. I § 1 Ziff. 5 des Vermögensbewertungsgesetzes (VBewG) vom 16. Januar 1952 (Bundesgesetzblatt - BGBl - I S. 22, Bundessteuerblatt - BStBl - 1952 I S. 35) gültig gewesene Fassung. Soweit der Senat in dem Urteil II 260/52 S vom 11. Februar 1953 (Slg. Bd. 57 S. 274, BStBl 1953 III S. 108) einen abweichenden Standpunkt vertreten hat, wird daran nicht mehr festgehalten. Die bezeichnete Vorschrift des Vermögensbewertungsgesetzes ist, soweit die Grunderwerbsteuer in Betracht kommt, im Land Niedersachsen erst ab 3. März 1956 anwendbar; sie ist also auf den Streitfall nicht anzuwenden. Siehe das niedersächsische Gesetz über die übernahme bundesrechtlicher Vorschriften in das Abgabenrecht des Landes vom 21. Februar 1956 (Niedersächsisches Gesetz- und Verordnungsblatt 1956 S. 11).

Die Sache bedarf weiterer Aufklärung. Zugleich wird auf folgendes hingewiesen: Als Einheitswert ist ein Betrag von 600 DM zugrunde gelegt worden. Anscheinend ist das Grundstück als Teil eines land- und forstwirtschaftlichen Vermögens (§§ 28 f. BewG) mit dem Ertragswert bewertet worden. Möglich ist aber, daß es inzwischen Bauland geworden ist, so daß es vielleicht als unbebautes Grundstück (ß 53 BewG) bewertet werden müßte. Wie außerdem die Akten des Finanzamts, insbesondere ein Schreiben der Bfin. vom 1. Juni 1954, ergeben, sind gewisse Wertverbesserungen, insbesondere Fundamentierungsarbeiten, vorgenommen worden. Soweit keine Fortschreibung des Einheitswerts (ß 22 BewG) in Betracht kommt, müßte geprüft werden, ob nicht die Voraussetzungen für eine Stichtagbewertung (ß 12 Abs. 3 GrEStG) vorliegen. Nicht ausgeschlossen ist, daß auch bei einer Nachprüfung der neue Einheitswert (Stichtagwert) nicht über den Betrag hinausgeht, der in der angefochtenen Entscheidung als Gegenleistung beim Erwerbsvorgang angesetzt wurde. Die Sachlage ist aber unklar.

Die angefochtene Entscheidung und die Einspruchsentscheidung werden deshalb aufgehoben. Da der Streitfall nicht spruchreif ist, wird die Sache zur erneuten Entscheidung an das Finanzamt zurückverwiesen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 408524

BStBl III 1956, 286

BFHE 1957, 231

BFHE 63, 231

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