Entscheidungsstichwort (Thema)

Ermäßigter Steuersatz für Geschäftsprüfungen eines Vereins bei seinen Mitgliedskörperschaften nach der Änderung des § 12 Abs. 2 Nr. 6 UStG 1967/1973 im Jahre 1975

 

Leitsatz (NV)

Eine überörtliche Prüfungseinrichtung für Körperschaften des öffentlichen Rechts kann für Umsätze durch Hilfe im betrieblichen Buchführungs- und Rechnungswesen seit der Änderung des § 12 Abs. 2 Nr. 6 UStG 1967/1973 durch das Dritte Gesetz zur Änderung des Steuerberatungsgesetzes vom 24. Juni 1975 den ermäßigten Steuersatz beanspruchen.

 

Normenkette

UStG 1967/1973 § 12 Abs. 2 Nr. 6 i.d.F. des Dritten Gesetzes zur Änderung des Steuerberatungsgesetzes vom 24. Juni 1975

 

Tatbestand

Dem Kläger und Revisionskläger (Kläger), einem eingetragenen Verein, gehören ärztliche Organisationen, die Körperschaften des öffentlichen Rechts oder Vereinigungen von solchen Körperschaften sind, als Mitglieder an. Entsprechend seiner Satzung führt der Kläger gegen Erstattung der dadurch entstehenden Kosten gesetzlich nach § 368m Abs. 1 Nr. 5 der Reichsversicherungsordnung (RVO) regelmäßig vorgeschriebene, aber auch außerordentliche Prüfungen bei seinen Mitgliedern, darüber hinaus auf Antrag auch bei anderen ärztlichen Organisationen, durch. Streitig ist, ob der Kläger für diese Leistungen den ermäßigten Steuersatz nach § 12 Abs. 2 Nr. 6 Buchst. a oder b des Umsatzsteuergesetzes 1973 (UStG 1973) beanspruchen kann.

Die Prüfungen des Klägers erstrecken sich auf den gesamten Geschäftsbetrieb der geprüften Organisation. Sie werden durch vom Kläger beauftragte Wirtschaftsprüfer durchgeführt. Diese ziehen bei der Prüfung die Jahresabschlüsse, die Buchführung, den Geschäftsbericht, soweit er den Jahresabschluß erläutert, und sämtliche den Geschäftsbetrieb betreffende Unterlagen heran. Die geprüften Organisationen sind zur Vorlage dieser Unterlagen und zur Auskunftserteilung verpflichtet. Der von Weisungen der geprüften Organisation unabhängige Wirtschaftsprüfer fertigt einen Bericht über die Prüfung an, unterzeichnet und siegelt ihn. Der Kläger legt diesen Bericht als Ergebnis seiner Prüfung den vertretungsberechtigten Organen der geprüften Organisation vor. Auf Antrag hat er sich darüber hinaus zu allen Fragen des Geschäftsbetriebes gutachtlich oder beratend zu äußern. Der Kläger berechnet seine Leistungen nach einheitlichen Sätzen.

Die beantragte Anwendung des ermäßigten Steuersatzes von 5,5 v.H. nach § 12 Abs. 2 Nr. 6 Buchst. a oder b UStG 1973 lehnte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) in dem angefochtenen Umsatzsteuerbescheid für 1975 und der dazu ergangenen Einspruchsentscheidung ab. Die dagegen erhobene Klage blieb erfolglos.

Mit der Revision rügt der Kläger unrichtige Anwendung des § 12 Abs. 2 Nr. 6 UStG 1973.

Er beantragt sinngemäß, das Urteil des Finanzgerichts (FG) vom 31. Januar 1979 V 1691/77 U aufzuheben und den Umsatzsteuerbescheid 1975 dahin zu ändern, daß die darin besteuerten Umsätze dem Steuersatz von 5,5 v.H. unterworfen werden.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen. Es hält die Vorentscheidung für zutreffend.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des Klägers ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

Entgegen der Beurteilung durch das FG ist davon auszugehen, daß die Leistungen des Klägers bei der Hilfe im betrieblichen Buchführungs- und Rechnungswesen seit dem Inkrafttreten der Änderung des § 12 Abs. 2 Nr. 6 Buchst. b UStG 1973 durch das Dritte Gesetz zur Änderung des Steuerberatungsgesetzes vom 24. Juni 1975 (BGBl I 1975, 1509, BStBl I 1975, 733) am 29. Juni 1975 (Art. 14 Abs. 1 des Dritten Gesetzes zur Änderung des Steuerberatungsgesetzes) dem ermäßigten Steuersatz unterliegen.

1. Der Kläger kann den ermäßigten Steuersatz für seine seit der Änderung des § 12 Abs. 2 Nr. 6 Buchst. b UStG 1973 durch das Dritte Gesetz zur Änderung des Steuerberatungsgesetzes mit Wirkung vom 29. Juni 1975 ausgeführten Umsätze durch Hilfe im betrieblichen Buchführungs- und Rechnungswesen beanspruchen.

Nach § 12 Abs. 2 Nr. 6 Buchst. b UStG 1973 in der Fassung durch das Dritte Gesetz zur Änderung des Steuerberatungsgesetzes wird der Steuersatz für die der freiberuflichen Tätigkeit entsprechenden Leistungen der in § 4 Nr. 3, 7, 8 und 11 des Steuerberatungsgesetzes (StBerG) genannten Unternehmer bei der Hilfe im betrieblichen Buchführungs- und Rechnungswesen auf 5,5 v.H. ermäßigt. Zu den in § 4 Nr. 3 StBerG genannten Unternehmern gehören neben Behörden und Körperschaften des öffentlichen Rechts auch ,,überörtliche Prüfungseinrichtungen für Körperschaften und Anstalten öffentlichen Rechts".

a) Der Kläger - ein Revisionsverband - ist ein eingetragener Verein, der nach seiner Satzung sowohl gesetzlich vorgeschriebene als auch außerordentliche Prüfungen bei seinen Mitgliedern, die Körperschaften des öffentlichen Rechts oder Vereinigungen von solchen Körperschaften sind, durchführt. Er erfüllt danach die Voraussetzungen für eine überörtliche Prüfungseinrichtung (vgl. dazu Gehre, Steuerberatungsgesetz, 1981, § 4 Anm. 5), weil er im Streitfall für die im Bereich eines Bundeslandes gebildeten kassenärztlichen Vereinigungen (§ 368k Abs. 1 RVO) und die kassenärztlichen Bundesvereinigungen (§ 368k Abs. 2 RVO) als Körperschaften des öffentlichen Rechts (§ 368k Abs. 3 RVO) tätig geworden ist.

b) Der Kläger leistete dabei auch im Rahmen seiner Zuständigkeit Hilfe im betrieblichen Buchführungs- und Rechnungswesen. Er führte im Rahmen seiner durch die Satzung bestimmten Zuständigkeit u.a. die in § 368m Abs. 1 Nr. 5 RVO für die kassenärztlichen Vereinigungen und die kassenärztlichen Bundesvereinigungen satzungsgemäß vorgeschriebene ,,jährliche Prüfung der Betriebs- und Rechnungsführung" durch. Diese Tätigkeit erfüllt die Voraussetzungen für die in § 12 Abs. 2 Nr. 6 Buchst. b UStG 1973 genannte Hilfe im betrieblichen Buchführungs- und Rechnungswesen. Als ,,Hilfe" im betrieblichen Buchführungs- und Rechnungswesen ist jede Unterstützung im Bereich der Buchführung und des Rechnungswesens zu verstehen. Dazu zählt nicht nur die Anfertigung, sondern auch die Prüfung (Revision) der angefertigten Buchführung und Rechnung. Die Hilfe im betrieblichen Buchführungs- und Rechnungswesen für einen überörtlichen Prüfungsverband braucht auch nicht mit einer Steuerberatung verbunden zu sein (so schon Erlaß des Bundesministers der Finanzen - BMF - vom 6. März 1968, BStBl I 1968, 415 unter 2 - 5 - zu § 12 Abs. 2 Nr. 6 Buchst. b UStG 1967 in der vor der Änderung durch das Dritte Gesetz zur Änderung des Steuerberatungsgesetzes vom 24. Juni 1975 geltenden Fassung).

Obwohl die kassenärztlichen Vereinigungen mit der Sicherstellung der kassenärztlichen Versorgung Aufgaben öffentlicher Verwaltung verfolgen (Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 4. November 1982 V R 4/77, BFHE 137, 197, BStBl II 1983, 156), verfügen sie über ein ,,betriebliches" Buchführungs- und Rechnungswesen i.S. von § 12 Abs. 2 Nr. 6 Buchst. b UStG 1973. Aus § 368m Abs. 1 Nr. 5 RVO ergibt sich, daß die kassenärztlichen Vereinigungen über die Betriebsführung Rechnung legen müssen. Ihr Rechnungswesen unterliegt u.a. den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung (vgl. dazu § 9 Abs. 1 der Sozialversicherungsrechnungsverordnung vom 3. August 1981, BGBl I 1981, 809, und die vorausgegangenen Verwaltungsvorschriften über das Rechnungswesen, Nachweise bei Schroeter in SGB-Sozialversicherungsgesetze, Kommentar, IV § 77 SGB Anm. 3). Die für die Auslegung von § 12 Abs. 2 Nr. 6 Buchst. b UStG 1973 i.d.F. vor der Änderung durch das Dritte Gesetz zur Änderung des Steuerberatungsgesetzes vertretene Auffassung, Leistungen für das Buchführungs- und Rechnungswesen im Hoheitsbereich der öffentlichen Hand seien nicht begünstigt (vgl. Plückebaum/Malitzky, Umsatzsteuergesetz, Kommentar, 10. Aufl., § 12 Abs. 2 Anm. 913; Hartmann/Metzenmacher, Umsatzsteuergesetz, Kommentar, 6. Aufl., § 12 Abs. 2 Anm. 43), kann für die Entscheidung des Streitfalls keine Bedeutung mehr haben, weil die geänderte Fassung des § 12 Abs. 2 Nr. 6 Buchst. b UStG 1973 eine solche Einschränkung nicht erkennen läßt.

c) Die Prüfungstätigkeit des Klägers ist allerdings nach § 12 Abs. 2 Nr. 6 Buchst. b UStG 1973 i.d.F. des Dritten Gesetzes zur Änderung des Steuerberatungsgesetzes nur begünstigt, soweit es sich um der freiberuflichen Tätigkeit entsprechende Leistungen handelt. Das sind Leistungen, die auch von einem Angehörigen der freien Berufe im Rahmen seiner freiberuflichen Tätigkeit erbracht werden könnten. Die Prüfungstätigkeit des Klägers erfüllt diese Anforderungen, weil sie auch von einem Wirtschaftsprüfer - einem Angehörigen eines freien Berufs i.S. von § 18 Abs. 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) - im Rahmen seiner Berufstätigkeit hätte erbracht werden können. Nach § 2 Abs. 1 der Wirtschaftsprüferordnung vom 24. Juli 1961 (BGBl I 1961, 1049) und der Wirtschaftsprüferordnung aufgrund des Gesetzes zur Änderung der Wirtschaftsprüferordnung vom 20. August 1975 (BGBl I 1975, 2258) - WPO - haben Wirtschaftsprüfer die berufliche Aufgabe, betriebswirtschaftliche Prüfungen durchzuführen (zum Berufsbild des Wirtschaftsprüfers: BFH-Urteile vom 4. Dezember 1980 V R 120/73, BFHE 132, 129, BStBl II 1981, 189; vom 2. Oktober 1986 V R 99/78, BFHE 148, 184, BStBl II 1987, 147). Sie dürfen für die wirtschaftliche Betriebsführung als Sachverständige auftreten (§ 2 Abs. 3 WPO), alle Tätigkeiten ausführen, die die Beratung und Wahrung fremder Interessen in wirtschaftlichen Angelegenheiten zum Gegenstand haben (§ 43 Abs. 4 Nr. 1 WPO), und darüber Prüfungsberichte erstatten (§ 43 Abs. 1 Satz 2 WPO). Dementsprechend können Wirtschaftsprüfer die von dem Kläger mit ihrer Hilfe durchgeführten Prüfungen bei kassenärztlichen Vereinigungen auch als Freiberufler - zum ermäßigten Steuersatz nach § 12 Abs. 2 Nr. 5 UStG 1973 (vgl. Urteil in BFHE 132, 129, BStBl II 1981, 189) - vornehmen, weil § 368m Abs. 1 Nr. 5 RVO es den kassenärztlichen Vereinigungen überläßt, ob sie sich zusammen einzelne Prüfungseinrichtungen schaffen oder auf Wirtschaftsprüfer oder Wirtschaftsprüfungsgesellschaften zurückgreifen (Heinemann/Liebold, Kassenarztrecht, 5. Auf., § 368m RVO Anm. C 650). Das auf einer anderen Rechtsauffassung beruhende Urteil des FG war aufzuheben.

2. Die Sache wird zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückverwiesen (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 FGO), weil keine Anhaltspunkte bestehen, in welchem Umfang der Kläger Umsätze durch Leistungen in Form von Hilfe im betrieblichen Buchführungs- und Rechnungswesen nach dem Inkrafttreten der Änderung des § 12 Abs. 2 Nr. 6 Buchst. b UStG 1967 ausgeführt und ob und in welchem Umfang er weitere nichtbegünstigte Umsätze bewirkt hat.

Soweit der Kläger die Steuerermäßigung für seine bis zum Inkrafttreten der Neuregelung des § 12 Abs. 2 Nr. 6 Buchst. b UStG 1973 durch das Dritte Gesetz zur Änderung des Steuerberatungsgesetzes durch Prüfungstätigkeit erbrachten Umsätze begehrt, hat die Revision keinen Erfolg. Das FG hat insoweit zutreffend ausgeführt, daß der Kläger die Voraussetzungen für die Anwendung des ermäßigten Steuersatzes nicht erfüllt. Zur Begründung verweist der Senat auf sein die Beteiligten betreffendes Urteil für die Jahre 1969 bis 1974 (V R 47/79) vom heutigen Tage.

 

Fundstellen

Haufe-Index 415191

BFH/NV 1988, 126

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