Entscheidungsstichwort (Thema)

Touristisch ausgeprägte Auslandsinformationsreise bei ehrenamtlichem Nebenzweck

 

Leitsatz (amtlich)

Fertigt ein Lehrer im Anschluß an eine Auslandsreise für seine Gewerkschaft unentgeltlich eine Broschüre der beruflichen Allgemeinbildung, so sind die Reiseaufwendungen jedenfalls dann keine Werbungskosten, wenn der Schwerpunkt der Reise allgemein- touristischen Zwecken diente.

 

Orientierungssatz

Ausführungen und BFH-Rechtsprechung zu folgenden Themenkreisen: Abzug von sog. gemischten Aufwendungen, Abzug von Aufwendungen für Auslandsgruppenreisen zu Informationszwecken und zu Reisen, denen ein offensichtlicher und unmittelbarer beruflicher Anlaß zugrunde gelegen hat, Werbungskostenabzug bei ehrenamtlicher Tätigkeit für einen Berufsverband.

 

Normenkette

EStG § 9 Abs. 1 S. 1, § 12 Nr. 1

 

Verfahrensgang

FG Köln (Entscheidung vom 13.12.1989; Aktenzeichen 1 K 1753/87)

 

Tatbestand

I. Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) ist Gymnasiallehrer mit den Fächern Deutsch und Sport. Im Streitjahr 1985 nahm er in den Osterferien an einer 11-tägigen Studienreise nach Moskau und Tbilissi teil. Organisiert wurde die Reise von der "A e.V.". Teilnehmer der Reise waren 25 Lehrer sowie ein Förster. Im Anschluß an die Reise hat der Kläger gemeinsam mit einem anderen Autor eine vom DGB herausgegebene Broschüre verfaßt, in der u.a. Erlebnisse der Studienreise wiedergegeben werden. Honorareinnahmen aus der Schrift, die beim DGB unentgeltlich bezogen werden kann, hat der Kläger nicht erhalten. Nach Angaben des Klägers dient sie der Reisevorbereitung von Lehrergruppen, die ähnliche Bildungsreisen in die Sowjetunion durchführen, sowie als Unterrichtsmaterial für Lehrerkollegen mit den Fächern Erdkunde und Erziehungswissenschaften.

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) erkannte die als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Tätigkeit geltend gemachten Reisekosten in Höhe von 2 014 DM (1 200 DM Teilnahmegebühr und 11 Tage x 74 DM Verpflegungsmehraufwand) nicht an.

Das Finanzgericht (FG) gab der Klage mit den in den Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1990, 299 veröffentlichten Gründen statt.

Hiergegen richtet sich die vom FG wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassene Revision des FA, das die Verletzung von § 9 und § 12 des Einkommensteuergesetzes (EStG) rügt. Fehl gehe die Ansicht des FG, daß bereits jede beliebige Art der Unterstützung eines Berufsverbandes zwecks Förderung der solidarischen Gemeinschaft zu Werbungskosten führe. Es handele sich bei der Buchveröffentlichung nicht um einen Teil der politischen und gesellschaftspolitischen, auf gewerkschaftliche Ziele und Zwecke gerichteten Bildungsarbeit, sondern um eine außerhalb des gewerkschaftlichen Rahmens betriebene allgemeinbildende Bildungsarbeit. Wenn überhaupt, könne nur diejenige Bildungsarbeit zu einem objektiven mittelbaren Zusammenhang der Aufwendungen mit der Berufstätigkeit führen, die den Mitgliedern der Gewerkschaft für einen evtl. Arbeitskampf Grundbegriffe vom politisch und wirtschaftlich Machbaren vermittele. Allgemeinbildende Themen könnten nicht über die Verbindung mit gewerkschaftlicher Tätigkeit zu einem Mittel des Strebens nach Verbesserung der Arbeitsbedingungen umgedeutet werden. Das Reiseprogramm sei nicht auf die beruflichen Belange der Teilnehmer zugeschnitten gewesen. Fehle ein unmittelbarer beruflicher Anlaß der Reise, müßten die für die berufliche und private Veranlassung sprechenden Kriterien gegeneinander abgewogen werden. Dies habe das FG unterlassen. Nach dem Programm der Reise sei die Befriedigung privater Interessen, wie z.B. Erholung, Bildung und Erweiterung des allgemeinen Gesichtskreises nicht nahezu ausgeschlossen. Stadtrundfahrten, Museumsbesuche, Besichtigungen und ein Ausflug in die Berge nähmen den überwiegenden Teil der Reisezeit in Anspruch.

Das FA beantragt, das FG-Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

II. Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Abweisung der Klage, weil das FG die Aufwendungen für die Auslandsreise zu Unrecht als Werbungskosten gemäß § 9 Abs.1 Satz 1 EStG berücksichtigt hat.

1. Werbungskosten sind Aufwendungen, die durch den Beruf veranlaßt sind (§ 9 Abs.1 Satz 1 EStG). Nicht abziehbar sind Aufwendungen für die Lebensführung, die die wirtschaftliche Stellung des Steuerpflichtigen mit sich bringt, auch wenn sie zur Förderung des Berufs oder der Tätigkeit des Steuerpflichtigen erfolgen (§ 12 Nr.1 EStG). Diese Vorschrift verbietet zur Wahrung der steuerlichen Gerechtigkeit den Abzug von sog. "gemischten" Aufwendungen, die sowohl der allgemeinen Lebensführung als auch dem Beruf dienen. Eine Ausnahme gilt nach der Rechtsprechung des Großen Senats lediglich dann, wenn die berufliche Veranlassung bei weitem überwiegt und das Hineinspielen der allgemeinen Lebensführung nur von untergeordneter Bedeutung ist (Beschlüsse des Großen Senats vom 19.Oktober 1970 GrS 2/70, BFHE 100, 309, BStBl II 1971, 17, und vom 27.November 1978 GrS 8/77, BFHE 126, 533, BStBl II 1979, 213). Für den Abzug von Aufwendungen für eine Auslandsgruppenreise ist nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) maßgebend, ob die Aufwendungen durch die besonderen beruflichen Bedürfnisse des Steuerpflichtigen veranlaßt sind und die Befriedigung privater Interessen wie z.B. Erholung, Bildung und Erweiterung des allgemeinen Gesichtskreises nach Anlaß der Reise, dem vorgesehenen Programm und der tatsächlichen Durchführung nahezu ausgeschlossen ist (BFH-Beschluß in BFHE 126, 533, BStBl II 1979, 213). Hierbei kommt es auf eine Würdigung und Gewichtung aller Umstände des Einzelfalles an. Reisen, denen ein offensichtlicher und unmittelbarer beruflicher Anlaß zugrunde gelegen hat, wie etwa das Aufsuchen eines Geschäftsfreundes (Beschluß in BFHE 126, 533, BStBl II 1979, 213), das Schreiben eines wissenschaftlichen Buches oder die Durchführung eines Forschungsauftrags bei einem Geographen (BFH-Urteile vom 23.Oktober 1981 VI R 71/78, BFHE 134, 325, BStBl II 1982, 69, und vom 27.März 1991 VI R 51/88, BFHE 164, 75, BStBl II 1991, 75), oder das Halten eines Fachvortrages auf einem Fachärztekongreß, können selbst dann als Betriebsausgaben oder Werbungskosten anzuerkennen sein, wenn die zwischen den einzelnen Vortragsveranstaltungen liegende Zeit auch für private Unternehmungen genutzt werden kann (BFH- Urteil vom 12.April 1979 IV R 106/77, BFHE 127, 533, BStBl II 1979, 513). Jedoch darf auch hier die Verfolgung privater Reiseinteressen nicht den Schwerpunkt der Reise bilden. Fehlt indes ein offensichtlicher und unmittelbarer beruflicher Anlaß wie insbesondere bei einer Auslandsreise zu Informationszwecken, so sind die Aufwendungen nur anzuerkennen, wenn die Reise auf die besonderen beruflichen Bedürfnisse des Steuerpflichtigen zugeschnitten ist und ein allgemein-touristisches Interesse nur von untergeordneter Bedeutung ist (Beschluß in BFHE 126, 533, BStBl II 1979, 213).

2. Bei Anwendung dieser Grundsätze scheitert der Abzug der Reiseaufwendungen, selbst wenn man von der Möglichkeit des Werbungskostenabzuges bei ehrenamtlicher Tätigkeit für einen Berufsverband ausgehen würde, jedenfalls an der erheblichen privaten Mitveranlassung.

a) Das FG ist zunächst zu Recht davon ausgegangen, daß für die UdSSR-Reise des Klägers kein offensichtlicher und unmittelbarer beruflicher Anlaß bestand. Der Kläger unterrichtet Deutsch und Sport. Ein unmittelbares dienstliches Bedürfnis, sich Kenntnisse über das russische Ausbildungswesen zu verschaffen, ist nicht erkennbar. Auch die Anfertigung der Broschüre vermag keinen konkreten Bezug zwischen der Auslandsreise und dem Beruf des Klägers zu begründen. Denn der Kläger hat kein Schulbuch verfaßt, das er seiner eigenen Unterrichtsgestaltung für die tägliche Arbeit im Fach Deutsch oder Sport zugrunde legen konnte. Daß das Buch gelegentlich von anderen Lehrkräften in den Fächern Erziehungswissenschaften und Erdkunde verwandt worden sein soll, läßt die Reise noch nicht als offensichtlich und unmittelbar durch den Beruf des Klägers veranlaßt erscheinen. Zweck der Reise war es auch nicht, aufgrund der gewonnenen Auslandserfahrungen ein marktgängiges Buch zu erstellen, um hiermit Einkünfte aus schriftstellerischer Tätigkeit (§ 18 EStG) zu erzielen. Denn die Broschüre kann unentgeltlich von einem Verein zur Förderung der politischen Bildung bezogen werden, so daß es schon an der Einkunftserzielungsabsicht fehlt.

b) Die Abziehbarkeit der Reiseaufwendungen als Werbungskosten ergibt sich auch nicht aufgrund des vom FG hervorgehobenen Gesichtspunktes, daß der Kläger durch die Anfertigung der Broschüre seinen Berufsverband unterstützt hat. Ob und ggf. unter welchen Voraussetzungen bei ehrenamtlicher Tätigkeit für einen Berufsverband ein Werbungskostenabzug zuzulassen ist oder ob derartige Aufwendungen an Organisationen des politischen Vorfeldes nicht aus verfassungsrechtlichen Gründen vom Werbungskostenabzug auszuschließen sind (vgl. Senatsurteil vom 2.Oktober 1992 VI R 11/90, BFHE 169, 185, BStBl II 1993, 53 --Wirtschaftsjunioren--), kann dahinstehen. Denn nicht alles, was einem Berufsverband nützt, kann als Werbungskosten oder Betriebsausgaben abgezogen werden, falls das Abzugsverbot für gemischte Aufwendungen (§ 12 EStG) eingreift. Der IV.Senat hat mit Urteil vom 18.Oktober 1990 IV R 72/89 (BFHE 162, 316, BStBl II 1991, 92) für den Fall des Herausgebers eines Englisch-Lehrbuchs bei einer Reise durch England und die USA entschieden, daß das Sammeln von Material allgemeinbildenden Inhalts nur dann zum Betriebsausgabenabzug führt, wenn die Reisetage wie Arbeitstage mit beruflicher Tätigkeit ausgefüllt sind. Dies muß erst recht gelten, wenn auf einer Auslandsreise Informationen allgemeinbildender Natur gesammelt werden für ein Buch, das nicht für die Verwendung im Hauptberuf bestimmt ist, sondern lediglich im Rahmen einer ehrenamtlichen Nebentätigkeit für einen Berufsverband Verwendung findet.

c) Diese Voraussetzungen für den Werbungskostenabzug sind im Streitfall nicht gegeben. Der Kläger hat für die Anfertigung seiner Broschüre Informationen der berufsbezogenen Allgemeinbildung gesammelt, ohne daß die Reisetage wie Arbeitstage mit beruflicher Tätigkeit ausgefüllt waren. Vielmehr bildeten die allgemeintouristischen Elemente den Schwerpunkt der Auslandsreise, denn ca. 2/3 der gesamten nutzbaren Reisezeit von sieben Tagen (11 Tage abzüglich 4 Reisetage) dienten touristischen oder allgemeinbildenden Zwecken. Als "buchbezogene" Veranstaltungen, die mit dem Bildungswesen der UdSSR in Zusammenhang standen, können lediglich vier Halbtage angesehen werden, während die übrige nutzbare Reisezeit (10 Halbtage) mit Stadtrundfahrten in Moskau und Tbilissi, dem Besuch des Museums der Künste, des ethnographischen Museums, des Pantheons der Schriftsteller und des Stalinparks ausgefüllt waren sowie mit einem Ausflug in die Berge verbracht wurden. Weitere Reisezeit stand "zur freien Verfügung". Gegen die nahezu ausschließlich berufliche Veranlassung der Reise spricht zudem, daß der Kläger nach Fertigstellung der Schrift in den Osterferien des Folgejahres erneut eine Reise mit demselben Reiseziel und vergleichbarem Programm durchgeführt hat. Wegen der ganz erheblichen privaten Mitveranlassung war somit ein Werbungskostenabzug der Reiseaufwendungen wegen des Abzugsverbots gemischter Aufwendungen (§ 12 EStG) ausgeschlossen. Da das FG von anderen Rechtsgrundsätzen ausgegangen ist, war sein Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 64613

BFH/NV 1993, 47

BStBl II 1993, 559

BFHE 171, 206

BFHE 1994, 206

BB 1993, 1208 (L)

DStR 1993, 1100 (KT)

DStZ 1993, 441 (KT)

HFR 1993, 440 (LT)

StE 1993, 326 (K)

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