Entscheidungsstichwort (Thema)

Anforderungen an Einlegung und Begründung der Revision

 

Leitsatz (NV)

1. Zur ordnungsgemäßen Einlegung der Revision gehört nicht notwendigerweise die Angabe des Sachgegenstandes des angefochtenen Urteils.

2. Für die Revisionsbegründung im Rahmen einer Verfahrensrevision reicht die Wiederholung des erfolgreichen Vortrags aus der Nichtzulassungsbeschwerde aus.

3. Zur Verletzung des Anspruchs des FA auf rechtliches Gehör durch eine Überraschungsentscheidung des FG.

4. Bei der erneuten Aufforderung zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung nach rechtskräftiger Zurückweisung der gegen eine frühere Aufforderung erhobenen Einwendungen kann es sich lediglich um eine sog. wiederholende Verfügung handeln, die keine erneute Möglichkeit zur Rechtsbehelfseinlegung eröffnet. Handelt es sich hingegen um einen Zweitbescheid, wird ein neues Verfahren nach § 284 AO 1977 mit der Möglichkeit der erneuten Anfechtung eröffnet.

 

Normenkette

AO 1977 §§ 118, 284 Abs. 1; FGO § 96 Abs. 2, § 119 Nr. 3, § 120 Abs. 2

 

Tatbestand

Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) ist durch Verfügung des Beklagten und Revisionsklägers (Finanzamt -- FA --) vom 16. April 1991 zur Abgabe der eidesstatt lichen Versicherung nach § 284 der Abgabenordnung (AO 1977) aufgefordert worden, wobei auf eine gleichgerichtete Aufforderung vom 13. April 1988 Bezug genommen wurde. In der Anlage zu dieser früheren Aufforderung waren Steuerrückstände in Höhe von ... DM aufgeführt; diese haben sich in der Folge auf ... DM ermäßigt. Die Einwendungen des Klägers gegen diese frühere Aufforderung sind durch die Beschlüsse des Bundesfinanzhofs (BFH) vom ... (Nichtzulassungsbeschwerde) und vom ... (Revision) rechtskräftig zurückgewiesen worden.

Gegen die Ladungsverfügung vom 16. April 1991 erhob der Kläger neue Einwendungen. Diese blieben erfolglos. Die Klage des Klägers hatte Erfolg. Das Finanzgericht (FG) entschied, die Aufforderung des FA sei er messensfehlerhaft gewesen und daher auf zuheben. Die tragende Begründung lautet: "Abgesehen davon, daß die in der hier angefochtenen Anordnung zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung vom 16. April 1991 in Bezug genommene Schuldenaufstellung vom 13. April 1988, wie der Kläger zutreffend rügt, eine wesentliche Voraussetzung des § 284 Abs. 1 AO, nämlich die Feststellung der Fruchtlosigkeit vorhergehender Vollstrekungsversuche, auch nicht durch Ankreuzen der alternativ dort aufgeführten Möglichkeiten: (Kästchen) ist fruchtlos verlaufen, (Kästchen) erscheint aussichtslos, enthält, hätte die Aufforderung vom 16. April 1991 eine eigenständige, voll ausgefüllte und den Schuldenstand per 16. April 1991 wiedergebende Schuldenaufstellung enthalten müssen. Die unter Bezugnahme auf die gleichgerichtete Verfügung und Schuldenaufstellung vom 13. April 1988 ergangene Aufforderungsverfügung vom 16. April 1991 ist inhaltlich nicht hinreichend bestimmt und schon aus diesem Grund aufzuheben."

Mit der Revision rügt das FA ausschließlich Verfahrensmängel. Das FA trägt im wesentlichen vor, das FG habe bei seiner Entscheidungsfindung gegen den Inhalt der Akten (§ 96 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung -- FGO --) verstoßen. Es sei nämlich zu Unrecht davon ausgegangen, daß der Aufforderung vom 16. April 1991 keine eigenständige, den Schuldenstand dieses Tages wiedergebende Schuldenaufstellung beigefügt gewesen sei. Das Gegenteil ergebe sich sowohl aus dem Aufforderungsschreiben selbst, in dem hinsichtlich der Rückstände zweifach auf die beiliegende Anlage verwiesen werde, als auch aus der beigezogenen Gerichtsakte des zwischen den Beteiligten anhängig gewesenen Verfahrens ... , deren Bestandteil die besagte Schuldenaufstellung gewesen sei. Hätte das FG den gesamten Inhalt der Akten berücksichtigt, wäre die gerichtliche Würdigung, daß die Anlage gefehlt habe, unterblieben. Dann wäre auch die Feststellung der fehlenden hinreichenden Bestimmtheit der Aufforderung nicht erfolgt, und das Urteil des FG wäre anders ausgefallen.

Des weiteren rügt das FA ausdrücklich die Verletzung seines Rechts auf Gehör (§ 96 Abs. 2, § 119 Nr. 3 FGO). Die Frage des Fehlens der Schuldenaufstellung sei im gesamten Prozeßverlauf weder vom Kläger noch vom Gericht erwähnt worden, was sich aus den gewechselten Schriftsätzen und dem Protokoll der mündlichen Verhandlung ergebe. Der durch das Protokoll belegte Vortrag des wesentlichen Inhalts der Akten durch den Berichterstatter sei identisch mit dem Tat bestand des angefochtenen Urteils gewesen; aus den darin enthaltenen Formulierungen lasse sich kein Rückschluß auf das etwaige Fehlen der eigenständigen Schuldenaufstellung ziehen. Somit habe für das FA auch keine Veranlassung bestanden, hierzu Stellung zu nehmen; ein Verzicht auf das Recht auf Gehör könne also nicht angenommen werden. Das FG hätte auf das Fehlen der Aufstellung spätestens in der mündlichen Verhandlung hinweisen und hierzu rechtliches Gehör gewähren müssen. Dies habe es nicht getan, obwohl es sein Urteil entscheidungserheblich auf das Fehlen der Aufstellung gestützt habe. Wäre der Hinweis erfolgt, hätte der Vertreter des FA auf die sich bei den Gerichtsakten befindliche aktuelle Schuldenaufstellung hinweisen oder hätte noch in der mündlichen Verhandlung aus der mitgeführten Rechtsbehelfsakte ohne weiteres das Vorhandensein der Aufstellung belegen können. Dann wäre die Klage abgewiesen worden.

Das FA beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen, hilfsweise die Zurückverweisung der Sache an das FG.

Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Er hält die Revision in erster Linie für unzulässig, da in der Revisionsschrift die Bezeichnung des Streitgegenstandes fehle und das Aktenzeichen unzutreffend angegeben und erst auf der Geschäftsstelle des FG berichtigt worden sei. Außerdem genüge die Revisionsschrift auch deshalb nicht den Anforderungen, weil sie die verletzte Rechtsnorm nicht bezeichne und im wesentlichen den Inhalt der Nichtzulassungsbeschwerde wiederhole. Zudem lasse sie nicht erkennen, daß und weshalb das Urteil des FG unrichtig sei. Die gerügten Verfahrensfehler lägen schließlich auch gar nicht vor.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist zulässig und begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 FGO). Das Urteil der Vorinstanz verletzt den Anspruch des FA auf rechtliches Gehör, weil es entscheidungserheblich auf eine Tatsache gestützt ist, zu der sich das FA nicht hat äußern können (§ 96 Abs. 2, § 119 Nr. 3 FGO).

1. Die Revision ist zulässig. Entgegen der Auffassung des Klägers entspricht die Revision den Anforderungen des § 120 Abs. 2 FGO.

a) Gemäß § 120 Abs. 2 Satz 1 FGO muß die Revision das angefochtene Urteil an geben. Das geschieht regelmäßig durch Angabe des Gerichts, das die Entscheidung gefällt hat, des Urteilsdatums, des Aktenzeichens und der Sache, in der das Urteil ergangen ist (vgl. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 3. Aufl. 1993, § 120 Rz. 5, m. w. N.). Im Streitfall sind diese Voraus setzungen erfüllt. Die Revisionsschrift ist zutreffend an das Gericht gerichtet, das die angefochtene Entscheidung gefällt hat; im Betreff sind das Datum des Urteils und das Aktenzeichen angegeben. Dabei ist unschädlich, daß das Aktenzeichen bezüglich des Jahres des Eingangs beim FG vertippt ("/96" statt "/94") und handschriftlich zutreffend in "/94" korrigiert worden ist. Wann und durch wen diese Korrektur erfolgt ist, hat im Streitfall schon deshalb keine Bedeutung, weil das richtige Aktenzeichen nebst Datum des Urteils im nachfolgenden Text der Revisionsschrift wiederholt ist. Da zusätzlich auch die Beteiligten des erstinstanzlichen Verfahrens angegeben und namentlich bezeichnet sind, ist klar erkennbar, gegen welche Entscheidung sich der Revisionskläger wendet und daß in bezug auf dieses Begehren Irrtümer ausgeschlossen sind. Mehr verlangt der Zweck der Vorschrift nicht (vgl. BFH-Urteil vom 11. Dezember 1985 I R 31/84, BFHE 146, 196, BStBl II 1986, 474; Beschluß vom 24. Februar 1986 IX R 130/83, BFH/NV 1986, 542).

Demgegenüber ist das Fehlen der Angabe des Sachgegenstandes (also: "wegen Aufforderung zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung"), woran der Kläger Anstoß nimmt, unschädlich, weil im Streitfall eine Verwechslungsgefahr ersichtlich nicht bestand, da zwischen den Beteiligten an diesem Tag kein weiteres Urteil des FG zu einem anderen Streitgegenstand ergangen ist. Zudem konnte das FG den Streitgegenstand aufgrund aller anderen zutreffenden Angaben in der Revisionsschrift bis zum Ablauf der Revisionsfrist aus seinen Akten leicht entnehmen (vgl. dazu Senatsbeschluß vom 17. Januar 1989 VII R 48--49/86, BFH/NV 1989, 703).

b) Auch die Revisionsbegründung durch das FA entspricht den gesetzlichen Anforderungen (§ 120 Abs. 2 Satz 2 FGO). Sie enthält einen bestimmten Antrag, gibt mehrere Verfahrensvorschriften als verletzte Rechtsnormen an und bezeichnet, da ausschließlich Verfahrensmängel gerügt werden, die Tatsachen, die jeweils den Mangel ergeben.

Unerheblich ist, daß die Revisionsbegründung ihrem Inhalt nach weitgehend mit der im Rahmen der Nichtzulassungsbeschwerde gegebenen Begründung identisch ist. Wenn mit der Revision Verfahrensmängel gerügt werden, mit deren schlüssigem Vortrag in der vorgängigen Beschwerde bereits die Zulassung der Revision erstritten wurde, ist es nicht ungewöhnlich, daß die Re visionsbegründung sich in einer bloßen Wiederholung des bereits mit der Nicht zulassungsbeschwerde Vorgetragenen erschöpft, denn die formellen Anforderungen an die Rüge eines Verfahrensmangels im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde stimmen mit denen des § 120 Abs. 2 FGO für die Begründung einer Verfahrensrüge im Revisionsverfahren überein (vgl. Gräber/Ruban, a. a. O., § 115 Rz. 65). Aus diesem Grund läßt die Rechtsprechung des BFH sogar bloße Bezugnahmen der Revisionsbegründung auf die Ausführungen in der Nichtzulassungsbeschwerde und den Zulassungsbeschluß des BFH zu, wenn die Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde ihrem Inhalt nach zur Begründung der Revision wegen eines Verfahrensmangels genügt und der BFH im Zulassungsbeschluß das Vorliegen eines Verfahrensmangels bejaht hat (Senatsurteil vom 26. Mai 1992 VII R 26/91, BFH/NV 1993, 177, m. w. N.). Erst recht muß dann unter den bezeichneten Umständen auch die Wiederholung des erfolgreichen Vortrags aus der Nichtzulassungsbeschwerde in der Revisionsbegründung ausreichen.

Das FA hat zumindest die Rüge der Verletzung des rechtlichen Gehörs (§ 96 Abs. 2, § 119 Nr. 3 FGO), wie für die Zulässigkeit der Revision erforderlich, schlüssig erhoben. Es hat in der Revisionsbegründung substantiiert dargelegt, wozu es sich in erster Instanz nicht hat äußern können und was es bei ausreichender Gewährung vorgetragen hätte, um eine andere, ihm günstige Entscheidung des FG zu erreichen (vgl. Gräber/Ruban, a. a. O., § 119 Rz. 13, mit Hinweisen auf die ständige Rechtsprechung des BFH; BFH/NV 1993, 177). Es hat ferner, da die Gehörsrüge verzichtbar ist, ausreichend dargelegt, daß ein solcher Verzicht im Streitfall nicht angenommen werden könne, da es bis zum Schluß der mündlichen Verhandlung vor dem FG nicht erkennbar gewesen sei, daß das FG seine Entscheidung gerade auf das -- angebliche -- Fehlen der Schuldenaufstellung stützen würde; eine Rüge des Mangels in der Vorinstanz sei daher nicht möglich gewesen.

2. Die Revision des FA ist auch begründet, da die geltend gemachte Verletzung seines Anspruchs auf rechtliches Gehör tatsächlich erfolgt ist.

a) Das FG hat seine Entscheidung maßgeblich auf die von ihm angenommene Tatsache gestützt, daß der Aufforderung vom 16. April 1991 keine eigenständige Schuldenaufstellung neueren Datums als Anlage beigefügt gewesen sei. Indessen hatte das FA, wie vorgetragen, keine Möglichkeit, sich zu dieser vom FG angenommenen Tatsache zu äußern. Nach dem gesamten Prozeßverlauf war nicht abzusehen, daß das FG bei seiner Entscheidung maßgeblich auf das (nach Ansicht des FA vermeintliche) Fehlen der Anlage mit der Schuldenaufstellung abstellen würde. Dieser Gesichtspunkt ist im Verlaufe des Verfahrens von keiner Seite zur Sprache gebracht worden. Da auch der Kläger insoweit keinen Einwand erhoben hatte, brauchte das FA nicht von sich aus zur Frage einer aktualisierten Schuldenaufstellung Stellung zu beziehen.

Auch in der mündlichen Verhandlung ist die Frage der Schuldenaufstellung nicht erörtert worden. Aus dem Protokoll ergibt sich, daß Gegenstand der Erörterung im wesentlichen die Frage der hinreichenden Bestimmung des Streitgegenstandes durch den Kläger war. Im übrigen ist das Vorbringen des FA, weil es der Üblichkeit entspricht, glaubhaft, daß der protokollierte Vortrag des wesentlichen Inhalts der Akten durch den Vorsitzenden als Berichterstatter darin bestand, daß dieser den Tatbestand des späteren Urteils vortrug. Daraus -- insbesondere aus dem ersten Absatz des Tatbestands -- ergibt sich aber nicht, daß der Verfügung vom 16. April 1991 keine Schuldenaufstellung beigefügt war, so daß das FA weder Veranlassung hatte, etwas dazu zu sagen, noch durch sein Schweigen insoweit auf sein rechtliches Gehör verzichtet hätte.

Das Abstellen auf das Fehlen der Anlage durch das FG stellt daher für das FA eine Überraschungsentscheidung dar, die sein Recht auf Gehör verletzt (vgl. Gräber/von Groll, a. a. O., § 96 Rz. 31, mit Nachweisen aus der Rechtsprechung). Bestätigt wird dies durch den Vermerk im Protokoll, daß der Beklagte (Vertreter des FA) im Termin u. a. "die hier angefochtene Aufforderungsverfügung vom 16. April 1991 in Ablichtung" übergeben habe. Gerade die Über gabe dieses Schriftstücks hätte dem FG Veranlassung geben müssen, das FA auf das als entscheidungserheblich angesehene Fehlen der dieser Verfügung (vermeintlich) als Anlage beigegebenen Schuldenaufstellung hinzuweisen. Ein solcher Hinweis ist aber ausweislich des Protokolls unterblieben.

b) Die Verletzung des Rechts auf Gehör war auch ursächlich für die Entscheidung des FG. Das FA hat hierzu vorgebracht, es hätte das FG bei entsprechendem Hinweis noch im Termin auf die sich bei den Gerichtsakten befindliche aktuelle Schuldenaufstellung aufmerksam machen bzw. aus der mitgeführten Rechtsbehelfsakte ohne weiteres das Vorhandensein der Aufstellung als Anlage zur Aufforderung vom 16. April 1991 belegen können. Dann wäre die Klage abgewiesen worden. Es ist nicht auszuschließen, daß dieser Vortrag zutrifft und das FG infolgedessen tatsächlich zu einer für das FA günstigen Entscheidung gekommen wäre.

Die Ursächlichkeit entfällt auch nicht deswegen, worauf das FA mit Recht hinweist, daß das FG seine Entscheidung etwa auf einen weiteren tragenden Grund, nämlich auf das Fehlen der Feststellung der Fruchtlosigkeit vorhergehender Vollstreckungsversuche, gestützt hätte. Der entsprechenden (oben zitierten) Urteilspassage ist nicht zu entnehmen, daß dieser Gesichtspunkt für die Entscheidung mitursächlich gewesen sein könnte; es handelt sich eher um eine beiläufige Bemerkung ("abgesehen davon ... "), aus der das FG aber keine Rechtsfolge abgeleitet hat. Dafür sprechen neben der vagen und beiläufigen Ausdrucksweise "abgesehen davon, daß ... " die Aussage des FG, daß die Aufforderungsverfügung vom 16. April 1991 "inhaltlich nicht hinreichend bestimmt und schon aus diesem Grund aufzuheben" ist (nämlich wegen Fehlens der Anlage), das Fehlen jeglicher Begründung zu dem im Verlaufe des Verfahrens streitig gewordenen Punkt der Fruchtlosigkeit der Vollstreckung sowie insbesondere die Tatsache, daß das FG die Verwaltungsentscheidungen wegen Ermessensfehler aufgehoben hat (§ 102 FGO). Die Erfolglosigkeit der Vollstreckung ist aber eine Vollstreckungsvoraussetzung, nämlich eine besondere Voraussetzung des Offenbarungsverfahrens (vgl. Müller-Eiselt in Hübschmann/Hepp/Spitaler, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 10. Aufl., § 284 AO 1977 Rz. 18) und gehört damit zu den Tatbestandsvoraussetzungen des § 284 Abs. 1 AO 1977. Ein Verstoß hiergegen wäre kein Ermessensfehler.

c) Da mithin bereits die Rüge der Verletzung des rechtlichen Gehörs zum Erfolg der Revision führt, brauchte der Senat auf die weiteren vom FA geltend gemachten Verfahrensfehler nicht einzugehen.

3. Da die Vorentscheidung verfahrensfehlerhaft zustandegekommen ist, ist sie auf zuheben. Dem erkennenden Senat ist als Revisionsgericht im Streitfall eine Sachentscheidung verwehrt (zu möglichen, hier nicht vorliegenden Ausnahmen vgl. Gräber/Ruban, a. a. O., § 119 Rz. 14). Daher ist die Sache gemäß § 126 Abs. 3 Nr. 2 FGO zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen.

Zum weiteren Verfahren gibt der Senat dem FG folgende Hinweise: Im Streitfall hat der Senat bereits rechtskräftig entschieden, daß die Aufforderung des FA an den Kläger vom 13. April 1988, die eidesstattliche Versicherung abzugeben, rechtmäßig war. Da das FA den Kläger in der angefochtenen Verfügung vom 16. April 1991 unter Hinweis auf die kurz zuvor ergangene Entscheidung des Senats erneut zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung vorgeladen hat, könnte es naheliegend sein, daß es sich bei dieser erneuten Terminsladung nicht um die Einleitung eines neuen Verfahrens nach § 284 AO 1977, also nicht um einen anfechtbaren Verwaltungsakt (Zweitbescheid), sondern lediglich um eine sog. wiederholende Verfügung handelt, die keine Möglichkeit zu einer erneuten Rechtsbehelfseinlegung eröffnen würde und mit der Anfechtungsklage nicht mehr überprüfbar wäre (vgl. Senatsurteil vom 22. Juli 1986 VII R 10/82, BFHE 147, 117, 119, BStBl II 1986, 776; BFH-Urteil vom 12. Januar 1983 IV R 211/82, BFHE 137, 542, BStBl II 1983, 360). Der Senat weist hierzu auch auf das Urteil eines anderen Senats des FG vom 10. November 1995 12 K 2176/95 (Entscheidungen der Finanzgerichte 1996, 306) hin, das in einem ähnlich gelagerten Fall auf Unzulässigkeit der Klage erkannt hat (s. auch Müller-Eiselt in Hübschmann/Hepp/Spitaler, a. a. O., § 284 AO 1977 Rz. 51 a).

Obschon der Senat die Frage, ob es sich bei der angefochtenen Verfügung um einen anfechtbaren Verwaltungsakt handelt, grundsätzlich -- da dies eine Rechtsfrage ist -- selbst entscheiden könnte (Senatsurteil vom 7. August 1990 VII R 120/89, BFH/NV 1991, 569), hält er es im Streitfall für angemessen, die Entscheidung darüber dem FG zu überlassen, weil es sich dabei für die Beteiligten um einen neuen Gesichtspunkt handelt, der bislang weder im Verfahren vor dem FG noch im Revisionsverfahren vor dem BFH angesprochen worden ist. Zudem ist nicht auszuschließen, daß bei der Auslegung der angefochtenen Verfügung ggf. auch tatsächliche Umstände zu berücksichtigen sein werden, die sich aus dem nachfolgenden Verhalten des FA ergeben könnten, etwa aus dem vom FG angesprochenen Schreiben bzw. der Verfügung vom 4. Juni 1991, in dem das FA dem Kläger unter Beifügung einer Rechtsbehelfsbelehrung mitgeteilt hat, daß dieser mit seinen Einwendungen im jetzigen Stadium des Verfahrens nicht mehr gehört werden könne.

In diesem Zusammenhang weist der Senat weiter darauf hin, daß ein Bescheid nicht dadurch zum Verwaltungsakt wird, daß er die Form eines solchen hat und mit einer Rechtsbehelfsbelehrung versehen ist, denn allein die äußere Form kann einer Auslassung der Verwaltung nicht die Eigenschaft eines Verwaltungsaktes verleihen, wenn sie die Voraussetzungen des § 118 AO 1977 nicht erfüllt, ebensowenig wie eine unrichtige Rechtsmittelbelehrung zur Folge haben kann, daß ein unzulässiges Rechtsmittel als zulässig zu behandeln ist (Senatsurteil vom 17. Februar 1987 VII R 45/83, BFHE 149, 280, BStBl II 1987, 504).

Ergäbe die Prüfung, daß die angefochtene Verfügung lediglich als sog. wiederholende Verfügung anzusehen wäre, dann wäre die Klage des Klägers ungeachtet dessen, daß die Beschwerdeentscheidung der OFD förmlich und mit einer Rechtsbehelfsbe lehrung ergangen ist, als unzulässig ab zuweisen. Denn nach § 44 Abs. 2 FGO ist Gegenstand der Anfechtungsklage der ursprüngliche Verwaltungsakt in der Gestalt, die er durch die Entscheidung über den außergerichtlichen Rechtsbehelf gefunden hat. Liegt daher ursprünglich kein Verwaltungsakt vor, so kann allein aufgrund eines durchgeführten Vorverfahrens kein Verwaltungsakt angenommen werden.

Ergäbe die Prüfung indessen, daß es sich bei der Verfügung vom 16. April 1991, wie vom FG bisher angenommen, um einen sog. Zweitbescheid handelt, so hätte das FG bei der Beurteilung, welche Einwendungen der Kläger hiergegen vorbringen kann und mit welchen er ausgeschlossen ist, auch die Rechtskraftwirkung des zwischen den Beteiligten ergangenen Urteils hinsichtlich der Rechtmäßigkeit der Aufforderung vom 13. April 1988 zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung zu beachten (§ 110 Abs. 1 Nr. 1 FGO).

 

Fundstellen

Haufe-Index 422124

BFH/NV 1997, 542

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