Entscheidungsstichwort (Thema)

Zerkleinern von Altasphalt und Altbeton als Füllmaterial für den Straßenbau kein verarbeitendes Gewerbe

 

Leitsatz (NV)

1. Zur Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriffs “verarbeitendes Gewerbe” sind mangels gesetzlicher Begriffsbestimmung die vom statistischen Bundesamt herausgegebenen Verzeichnisse der Wirtschaftszweige heranzuziehen.

2. Hält das Statistische Landes- oder Bundesamt die Einordnung eines Betriebes entsprechend dem jeweils gültigen Verzeichnis der Wirtschaftszweige nach dem Schwerpunkt seiner unternehmerischen Tätigkeit in einem bestimmten Wirtschaftszweig für zutreffend, so ist diese Einordnung nach ständiger Rechtsprechung des BFH von den Finanzämtern in aller Regel bei der Entscheidung über die Gewährung der Investitionszulage zu übernehmen, soweit sie nicht zu einem offensichtlich falschen Ergebnis führt.

3. Ein Betrieb, in dem durch das Zerkleinern von Altasphalt und Altbeton Endprodukte (Baustoffe) als Füllmaterial für den Straßenbau hergestellt werden, gehört nach der Klassifikation der Wirtschaftszweige, Ausgabe 2003 nicht zum verarbeitenden Gewerbe, da er die Voraussetzungen für die Zuordnung zu Abschnitt D, Unterklasse 37.20.5 “Recycling von sonstigen Altmaterialien und Reststoffen” nicht erfüllt.

 

Normenkette

InvZulG 1999 § 2 Abs. 2 S. 1 Nr. 1

 

Verfahrensgang

Sächsisches FG (Urteil vom 06.07.2006; Aktenzeichen 3 K 797/05)

 

Tatbestand

I. Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ist eine GmbH, die durch notariellen Vertrag vom 11. März 2004 gegründet wurde. Gegenstand ihres Unternehmens ist laut § 3 des Gesellschaftsvertrages das Brechen und Verarbeiten von Gesteinsbaustoffen, Asphalt und Beton sowie der Transport und Verkauf und der Handel mit Baustoffen. Die Klägerin bearbeitet Altasphalte aus dem Straßenbau und Altbeton insbesondere aus dem Hochbau. Sie erhält von ihren Auftraggebern ein bestimmtes Entgelt für die Zerkleinerung der genannten Stoffe, in der Regel nach dem Gewicht der Materialien. Die Auftraggeber legen das Material auf einem bestimmten Platz ab. Die Klägerin verbringt anschließend ihre Maschinen --insbesondere einen Brecher und die Siebanlage-- an diesen Platz und zerkleinert das Altmaterial in die von dem Auftraggeber gewünschte Größe. Sämtliches zerkleinertes Material verbleibt dann bei dem Auftraggeber, der darüber entscheidet, ob und in welchem Umfang er dies bei der Anlage neuer Straßen als Füllmaterial unter dem neuen Straßenbelag verwendet.

Im September und Oktober 2004 erwarb die Klägerin einen Lkw, einen Radlader, eine mobile Siebanlage und eine Brechanlage. Am 25. Januar 2005 beantragte sie beim Beklagten und Revisionskläger (Finanzamt --FA--) hierfür die Gewährung einer Investitionszulage von 27,5 % nach § 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1, Abs. 7 Nr. 3 des Investitionszulagengesetzes (InvZulG) 1999 in Höhe von … € unter Hinweis darauf, dass ihr Betrieb dem verarbeitenden Gewerbe zuzuordnen sei.

Auf eine Anfrage der Klägerin nach der statistischen Erfassung ihres Betriebes teilte das Statistische Bundesamt mit Schreiben vom 3. Februar 2005 mit, nach der Klassifikation der Wirtschaftszweige, Ausgabe 2003 (WZ 03), setze die Eingruppierung als verarbeitendes Gewerbe in Abteilung 37 "Recycling" voraus, dass Altmaterialien und Reststoffe zu Sekundärrohstoffen verarbeitet würden. Bei dem von der Klägerin zerkleinerten Straßenbruchmaterial, das als Füllstoff für den Unterboden von Straßen verwendet werde, handele es sich aber nicht um einen Sekundärrohstoff, sondern um ein Enderzeugnis, welches hauptsächlich Schotter, Splitt, Kies und Brechsande enthalte. Für statistische Zwecke würde diese Art von Stoffen der Unterklasse 14.21.0 "Gewinnung von Kies und Sand" zugeordnet.

Nach Durchführung einer betriebsnahen Veranlagung lehnte das FA die beantragte Investitionszulage für 2004 ab, da der Betrieb der Klägerin nicht zu dem verarbeitenden Gewerbe im Sinne der WZ 03 gehöre. Die Klägerin erhob gegen den Ablehnungsbescheid vom 6. April 2005 eine Sprungklage zum Finanzgericht (FG), der das FA zustimmte.

Das FG entschied durch Zwischenurteil nach § 99 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO), dem beide Beteiligten zugestimmt hatten, dass das Unternehmen der Klägerin investitionszulagenrechtlich dem verarbeitenden Gewerbe zuzuordnen sei. Die Einstufung des Betriebes der Klägerin durch das Statistische Bundesamt in Unterabschnitt CB "Erzbergbau, Gewinnung von Steinen und Erden, sonstiger Bergbau", Abteilung 14 "Gewinnung von Steinen und Erden, sonstiger Bergbau", Unterabteilung 14.21.0 "Gewinnung von Kies und Sand" sei offenkundig unzutreffend. Bei dem gesamten Unterabschnitt CB handele es sich um wirtschaftliche Tätigkeiten, die in der Gewinnung von bestimmten Rohstoffen aus der Natur bestünden. Die durch die Klägerin vorgenommene mechanische Zerkleinerung von Asphalt und Betonteilen aus dem Straßen- und Hochbau lasse sich jedoch nicht unter den so verstandenen Abschnitt CB fassen. Es fehle der Aspekt der Urproduktion, da der Ausgangsstoff der Tätigkeit ein künstlich hergestelltes Ausgangsmaterial sei. Ferner gewinne die Klägerin auch kein bestimmtes Mineral. Künstlich hergestellter Asphalt falle ebenfalls nicht unter die genannten Ausgangsstoffe. Die Tätigkeit der Klägerin sei vielmehr als "Recycling" der Abteilung 37 und damit dem verarbeitenden Gewerbe zuzuordnen.

Mit der Revision rügt das FA die Verletzung materiellen Rechts.

Das FA beantragt, das FG-Urteil aufzuheben.

Die Klägerin beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des FG-Zwischenurteils (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 FGO).

Zu Unrecht hat das FG den Betrieb der Klägerin dem verarbeitenden Gewerbe zugeordnet.

1. Nach § 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 InvZulG 1999 sind u.a. Wirtschaftsgüter investitionszulagenbegünstigt, die zu einem Betrieb des verarbeitenden Gewerbes gehören.

Zur Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriffs "verarbeitendes Gewerbe" zieht der Bundesfinanzhof (BFH) mangels gesetzlicher Begriffsbestimmung die vom Statistischen Bundesamt herausgegebenen Verzeichnisse der Wirtschaftszweige heran, in denen die Einschätzung der Wirtschaft über die Zuordnung von Tätigkeiten zu Wirtschaftsbereichen und Wirtschaftszweigen dokumentiert ist. Auch wenn die Verzeichnisse überwiegend statistischen Zwecken dienen, stellen sie eine Grundsystematik aller Wirtschaftszweige dar, bei der die Erkenntnisse fachlich kompetenter Gremien über die Gruppierungen wirtschaftlicher Institutionen verwertet worden sind (ständige Rechtsprechung, z.B. Senatsurteil vom 23. März 2005 III R 20/00, BFHE 209, 186, BStBl II 2005, 497, m.w.N.).

Hält das Statistische Landes- oder Bundesamt die Einordnung eines Betriebes entsprechend dem jeweils gültigen Verzeichnis der Wirtschaftszweige nach dem Schwerpunkt seiner unternehmerischen Tätigkeit in einem bestimmten Wirtschaftszweig für zutreffend, so ist diese Einordnung nach ständiger Rechtsprechung des BFH von den Finanzämtern in aller Regel bei der Entscheidung über die Gewährung der Investitionszulage zu übernehmen, soweit sie nicht zu einem offensichtlich falschen Ergebnis führt (Senatsurteil in BFHE 209, 186, BStBl II 2005, 497).

2. Die Beurteilung des Statistischen Bundesamtes, dass die Klägerin nicht dem Abschnitt D "verarbeitendes Gewerbe", Unterklasse 37.20.5 "Recycling von sonstigen Altmaterialien und Reststoffen" zuzuordnen ist, sondern unter den Abschnitt C "Bergbau und Gewinnung von Steinen und Erden", Unterklasse 14.21.0 "Gewinnung von Kies und Sand" fällt, ist nicht offenkundig unzutreffend.

Nach der WZ 03 umfasst die Unterklasse 37.20.5 "Recycling von sonstigen Altmaterialien und Reststoffen" unter anderem das "Zerkleinern, Reinigen und Sortieren von anderen Altmaterialien und Reststoffen, z.B. Abbruchmaterial zur Gewinnung von Sekundärrohstoffen". Sie umfasst nicht "die Herstellung von neuen Endprodukten aus (selbst oder nicht selbst hergestellten) Sekundärrohstoffen, z.B. Erzeugung von Baustoffen oder Runderneuern von Reifen; die Tätigkeit ist in die entsprechende Herstellungsklasse einzuordnen (s. 14 bis 36)".

Diese Voraussetzungen erfüllt die Klägerin mit ihrem Betrieb nicht, da sie durch das Zerkleinern von Altasphalt und Altbeton keine Sekundärrohstoffe herstellt, die zur Verarbeitung zu einem anderen Produkt bestimmt sind, sondern Endprodukte (Baustoffe), die als Füllmaterial beim Straßenbau verwendet werden.

Das Statistische Bundesamt hat deshalb mitgeteilt, dass das Unternehmen der Klägerin in die entsprechende Herstellungsklasse, nämlich die Unterklasse 14.21.0 "Gewinnung von Kies und Sand" einzuordnen sei. Nach der WZ 03 umfasst diese Unterklasse: "Gewinnung und Ausbaggern von Sanden und Kiesen aller Art" sowie "Brechen und Mahlen von Kiesen und Sanden". Die Tätigkeit der Klägerin, die im Zerkleinern von Altasphalt und Altbeton besteht, ist dem Brechen und Mahlen von Kiesen und Sanden vergleichbar.

Da die Erzeugung von Baustoffen aus Altmaterialien nach der WZ 03 in die "entsprechende Herstellungsklasse" einzuordnen ist, ist es unerheblich, dass für den Unterabschnitt CB "Erzbergbau, Gewinnung von Steinen und Erden, sonstiger Bergbau" --wie das FG meint-- die Gewinnung von Material aus Naturstein kennzeichnend sei.

Im Übrigen erfasst der Unterabschnitt CB "Erzbergbau, Gewinnung von Steinen und Erden, sonstiger Bergbau" nicht ausschließlich eine im Zusammenhang mit Naturstein ausgeübte Tätigkeit. Vielmehr fällt unter Abteilung 14 "Gewinnung von Steinen und Erden, sonstiger Bergbau" auch allgemein das "Mahlen von Steinen". Die Gewinnung von Natursteinen ist in Unterklasse 14.1, die auch das Brechen und Mahlen von Natursteinen aufführt (Unterklasse 14.11.2), gesondert erfasst.

3. Unerheblich ist, dass die Klägerin unter Geltung der Klassifikation der Wirtschaftszweige, Ausgabe 1993 (WZ 93) dem verarbeitenden Gewerbe zugeordnet worden war. Denn maßgebend ist das jeweils geltende Wirtschaftsverzeichnis (Senatsurteil in BFHE 209, 186, BStBl II 2005, 497). Nach der WZ 93 umfasste die Unterklasse 37.20.5 "Recycling von sonstigen Altmaterialien und Reststoffen" zwar ebenfalls nicht die "Herstellung von neuen Erzeugnissen aus Sekundärrohstoffen", so dass an sich das Zerkleinern von Altmaterial zur Verfüllung beim Straßenbau auch nach der alten Rechtslage nicht dem verarbeitenden Gewerbe zuzuordnen gewesen wäre. In der seit 2003 geltenden WZ 03 (vgl. Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom 6. Oktober 2003, BStBl I 2003, 556) ist nunmehr eindeutig zum Ausdruck gebracht worden, dass das Herstellen von Baustoffen aus Altmaterial nicht unter den Begriff des Recycling fällt. Eine Zuordnung des Betriebs der Klägerin zum verarbeitenden Gewerbe ist daher im Streitjahr 2004 nicht mehr möglich.

4. Die Kostenentscheidung bleibt dem Endurteil vorbehalten (BFH-Urteil vom 14. Mai 1976 III R 22/74, BFHE 119, 25, BStBl II 1976, 545).

 

Fundstellen

Haufe-Index 1720044

BFH/NV 2007, 1187

NWB 2008, 2044

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Haufe Steuer Office Excellence. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge