Entscheidungsstichwort (Thema)

(Gewinnrealisierung bei Grundstücksverkauf mit Rücktrittsrecht des Käufers - Rückstellung für ungewisse Verbindlichkeiten bei drohender Ausübung des Rücktrittsrechts - Gewinnrealisierung bei Veräußerung eines Wirtschaftsguts)

 

Leitsatz (amtlich)

1. Gewinnrealisierung ist bei Übertragung des wirtschaftlichen Eigentums an einem Grundstück auch anzunehmen, wenn der Käufer am Bilanzstichtag des Veräußerungsjahres noch das Recht hat, unter bestimmten Voraussetzungen vom Kaufvertrag zurückzutreten.

2. Der drohenden Ausübung des Rücktrittsrechts ist ggf. durch Bildung einer Rückstellung Rechnung zu tragen.

 

Orientierungssatz

1. Zur Bewertung der ungewissen Verbindlichkeit.

2. Der Gewinn aus der Veräußerung eines Wirtschaftsguts ist im allgemeinen realisiert, wenn der Veräußerer dem Erwerber das Eigentum an der Sache übertragen hat. Dabei kommt es auf den Zeitpunkt des Übergangs des wirtschaftlichen Eigentums an. Wirtschaftliches Eigentum geht beim Verkauf einer Sache regelmäßig über, wenn der Verkäufer dem Käufer die Sache zu Eigenbesitz übergibt und Gefahr, Lasten und Nutzen der Sache auf den Käufer übergegangen sind.

 

Normenkette

EStG § 5 Abs. 1; HGB § 249 Abs. 1 S. 1; AO 1977 § 39

 

Tatbestand

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist eine GmbH & Co. KG, aus der Einkünfte aus Gewerbebetrieb erzielt werden, welche durch Betriebsvermögensvergleich nach § 5 des Einkommensteuergesetzes (EStG) ermittelt werden. Im Streitjahr (1983) veräußerte die Klägerin ein ihr gehörendes Mietwohngrundstück zum Preis von 840 000 DM. Besitz, Nutzungen, Lasten und Gefahren des Grundstücks gingen noch im Jahre 1983, in dem auch der Kaufpreis gezahlt wurde, auf die beiden Erwerber über. Die Umschreibung des Eigentums im Grundbuch erfolgte am 13. Februar 1984.

Die Erwerber teilten den erworbenen Grundbesitz in Wohnungs- und Teileigentumsrechte auf. Beabsichtigt war, diese Rechte zu veräußern. In Zusammenhang hiermit waren im Kaufvertrag folgende Rücktrittsrechte der Käufer vereinbart:

"Der Verkäufer verpflichtet sich, dem Käufer eine Finanzierung des vollen Kaufpreises zu marktüblichen Konditionen zu beschaffen. Sollte dies nicht bis zum 29. April 1983 der Fall sein, so ist der Käufer zum Rücktritt vom heutigen Kaufvertrag berechtigt; alle bis dahin angefallenen Notar- und Gerichtskosten gehen in diesem Fall zu Lasten des Verkäufers.

Der Käufer ist weiterhin zum Rücktritt vom Kaufvertrag berechtigt, falls er das Kaufobjekt - ganz oder teilweise (soweit er es in Wohnungseigentum aufgeteilt hat) nicht an Dritte verkauft hat bis zum 31. 12. 1983. Im Fall der Bildung von Wohnungseigentum entspricht der zurückzuzahlende Kaufpreis dem Verhältnis der Miteigentumsanteile zum heutigen Kaufpreis."

Am 28. November 1984 schlossen die Vertragsparteien einen notariell beurkundeten Vertrag über die "Rückabwicklung" des Kaufvertrags ab. Danach war mit Schreiben vom 24. Oktober 1984 seitens der Käufer der Rücktritt vom Kaufvertrag vom 16. März 1983 erklärt worden. Im Zuge der Rückabwicklung übernahm die Klägerin die in Höhe des Kaufpreises aufgenommene Darlehensverpflichtung der Käufer nebst Zinsen und sonstigen Nebenleistungen vom 1. Januar 1985 an. Die bis zum 31. Dezember 1984 angefallenen Zinsen hatten die Käufer zu tragen. Bis zu diesem Zeitpunkt standen den Käufern auch die Mieteinnahmen zu. Der Besitz am Grundstück ging vertragsgemäß am 1. Januar 1985 wieder auf die Klägerin über.

Bei der Gewinnermittlung für das Streitjahr wies die Klägerin das Grundstück weiterhin als ihr Betriebsvermögen aus; eine Veräußerung des Grundstücks wurde nicht angenommen.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) folgte dem zunächst in den unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gemäß § 164 Abs.1 der Abgabenordnung (AO 1977) ergangenen Bescheiden über die Gewinnfeststellung und den Gewerbesteuermeßbetrag. Nach einer Betriebsprüfung bei der Klägerin nahm das FA jedoch an, das Grundstück sei aufgrund des Vertrags vom 16. März 1983 veräußert worden. Das FA errechnete einen Veräußerungsgewinn in Höhe von 366 561,85 DM. Es ergingen ein gemäß § 164 Abs.2 AO 1977 entsprechend geänderter Gewinnfeststellungsbescheid vom 5. Januar 1988 und ein entsprechend geänderter Gewerbesteuermeßbescheid vom 14. März 1988. Dabei wurde die sich aus dem angenommenen Veräußerungsvorgang ergebende höhere Gewerbesteuerbelastung berücksichtigt.

Die gegen die Änderungsbescheide eingelegten Einsprüche blieben ohne Erfolg. In der Einspruchsentscheidung vom 12. Juli 1989 vertrat das FA die Auffassung, bei der Rücktrittsklausel handele es sich um eine auflösende Bedingung i.S. des § 158 Abs.2 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB), die die Wirkung des Kaufvertrags erst mit dem Zeitpunkt des Eintritts der Bedingung enden lasse. Aus diesem Grunde komme auch eine Rückstellung nicht in Betracht.

Das Finanzgericht (FG) wies die Klage als unbegründet ab. Das FG war der Auffassung, durch den Kaufvertrag vom 16. März 1983 sei es zur Gewinnrealisierung im Streitjahr gekommen. Die Rücktrittsvereinbarung ändere daran nichts. Der Rücktritt habe keine Rückwirkung, was sich auch aus den Vereinbarungen im Rückabwicklungsvertrag ergebe. Im Streitfall seien auch die Voraussetzungen für die Bildung einer Rückstellung zum 31. Dezember 1983 nicht gegeben gewesen.

Dagegen richtet sich die vom Senat wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache gemäß § 115 Abs.2 Nr.1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zugelassene Revision der Klägerin, mit der die Verletzung materiellen Rechts gerügt wird.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet; sie führt zur Aufhebung des FG-Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das FG (§ 126 Abs.3 Nr.2 FGO).

I. Der Gewinn aus der Veräußerung eines Wirtschaftsguts ist im allgemeinen realisiert, wenn der Veräußerer dem Erwerber das Eigentum an der Sache übertragen hat. Dabei kommt es auf den Zeitpunkt des Übergangs des wirtschaftlichen Eigentums an (vgl. § 39 AO 1977). Wirtschaftliches Eigentum geht beim Verkauf einer Sache regelmäßig über, wenn der Verkäufer dem Käufer die Sache zu Eigenbesitz übergibt und Gefahr, Lasten und Nutzen der Sache auf den Käufer übergegangen sind (vgl. Senatsurteil vom 7. November 1991 IV R 43/90, BFHE 166, 329, BStBl II 1992, 398). Ab diesem Zeitpunkt liegt die wirtschaftliche Verfügungsgewalt über die Sache beim Erwerber. Dies führt dazu, daß der Veräußerer die Sache in seiner Bilanz nicht mehr als ihm gehörig ausweisen darf. Statt dessen weist der Veräußerer die Forderung auf den vereinbarten Kaufpreis aus. Dadurch kommt es zur Gewinnrealisierung, da mit dem Ausweis der Kaufpreisforderung die stillen Reserven im Buchwert des veräußerten Gegenstandes aufgedeckt worden sind. Im Streitfall sind alle hiernach erforderlichen Voraussetzungen für die Gewinnrealisierung aus dem Grundstücksverkauf im Streitjahr erfüllt. Besitz, Nutzen und Lasten des Grundbesitzes sind, wie zwischen den Beteiligten unstreitig ist, im Jahre 1983 auf die Erwerber übergegangen. Der Umstand, daß die Umschreibung des Eigentums im Grundbuch erst im Jahre 1984 erfolgte, steht der Gewinnrealisierung nicht entgegen.

II. Hiervon ist grundsätzlich auch auszugehen, wenn beim Verkauf einer Sache dem Erwerber ein Rücktrittsrecht i.S. der §§ 346 ff. BGB eingeräumt wird und das Rücktrittsrecht zwar am Bilanzstichtag des Veräußerungsjahres noch besteht, aber noch nicht ausgeübt worden ist. Auch der Verkauf unter Rücktrittsvorbehalt führt grundsätzlich dazu, daß das wirtschaftliche Eigentum an dem Gegenstand auf den Erwerber übergeht. Angesichts des Übergangs des wirtschaftlichen Eigentums kann der Veräußerer auch in diesem Falle den veräußerten Gegenstand nicht mehr als ihm gehörig in seiner Bilanz ausweisen. Andererseits erlangt der Veräußerer wie beim Verkauf ohne Rücktrittsvorbehalt den vereinbarten Kaufpreis, so daß, wenn der Kaufpreis am Bilanzstichtag noch nicht gezahlt ist, eine entsprechende Kaufpreisforderung zu aktivieren ist. Der vereinbarte Rücktritt erlangt hiernach ertragsteuerrechtlich in Übereinstimmung mit dem bürgerlichen Recht Bedeutung grundsätzlich erst dann, wenn er durch eine entsprechende Erklärung des Käufers auch tatsächlich ausgeübt worden ist. Durch den Rücktritt wird das ursprünglich bestehende Vertragsverhältnis in ein Abwicklungsschuldverhältnis umgewandelt, das die Parteien verpflichtet, einander die empfangenen Leistungen zurückzugewähren (Janßen in Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, vor § 346 Rdnr.36). Im Streitfall wird dies auch in dem von den Parteien im Jahre 1984 abgeschlossenen "Rückabwicklungsvertrag" deutlich, in dem die Klägerin sich zur Rückzahlung des Kaufpreises und die Käuferin zur Rückübertragung der Grundstücke verpflichteten und vereinbart wurde, daß Besitz, Nutzen und Lasten mit dem 1. Januar 1985 übergingen.

III. Nach den tatsächlichen Feststellungen des FG kann im Streitfall indes nicht ausgeschlossen werden, daß die Klägerin in der Bilanz des Streitjahres eine Rückstellung für eine ungewisse Verbindlichkeit (§ 5 Abs.1 EStG i.V.m. § 249 Abs.1 Satz 1 des Handelsgesetzbuches --HGB--) bilden und damit den Gewinn aus der Grundstücksveräußerung neutralisieren mußte. Bestand am Bilanzstichtag eine überwiegende Wahrscheinlichkeit, daß der Käufer sein Rücktrittsrecht ausüben werde, mußte die Klägerin der sich so ergebenden ungewissen Verbindlichkeit, den Kaufpreis zurückzuzahlen, durch Bildung einer Rückstellung Rechnung tragen (Knobbe-Keuk, Bilanz- und Unternehmenssteuerrecht, 9.Aufl. 1993, § 6 I 2 c, m.w.N.). Bei der Bewertung der ungewissen Verbindlichkeit wäre allerdings zu berücksichtigen, daß die Klägerin im Rahmen der Rückabwicklung des Vertrags auch das Eigentum am Grundbesitz wiedererlangte. Dem wäre in der Weise Rechnung zu tragen, daß die zu passivierende Verbindlichkeit zur Rückzahlung des Kaufpreises um den Buchwert zu kürzen wäre, den der Grundbesitz im Zeitpunkt der Veräußerung im Jahre 1983 bei der Klägerin hatte. Die Notwendigkeit einer solchen Saldierung entspricht den Grundsätzen, die in der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) zur Saldierung einer ungewissen Verbindlichkeit mit einem Rückgriffsanspruch gegen einen Dritten entwickelt worden sind (vgl. dazu BFH-Urteile vom 17. Februar 1993 X R 60/89, BFHE 170, 397, BStBl II 1993, 437; vom 3. August 1993 VIII R 37/92, BFHE 174, 31, BStBl II 1994, 444; vom 8. Februar 1995 I R 72/94, BFHE 176, 575, BStBl II 1995, 412). Die Kürzung der Rückzahlungsverpflichtung um den Buchwert des Grundbesitzes im Veräußerungszeitpunkt bewirkt im Ergebnis, daß die im Vorjahr eingetretene Gewinnrealisierung wieder rückgängig gemacht wird. Da dies dem rechtlichen und wirtschaftlichen Gehalt des durch den Rücktritt begründeten Abwicklungsschuldverhältnisses entspricht, wäre es nicht gerechtfertigt, den Anspruch des Verkäufers mit dem Betrag anzusetzen, der als Kaufpreis vereinbart worden war. Denn dann bliebe es im Ergebnis bei der Gewinnrealisierung, obwohl das Rechtsgeschäft, das zu ihr geführt hat, in vollem Umfang rückgängig gemacht wurde.

Anhaltspunkte dafür, daß bereits am 31. Dezember 1983 mit einer Ausübung des Rücktrittsrechts durch die Erwerber ernstlich zu rechnen war, ergeben sich aus dem FG-Urteil und den vom FG in Bezug genommenen Akten und Verträgen, insbesondere daraus, daß die Käufer ihre Absicht, die aus der Aufteilung in Wohnungseigentum gewonnenen Eigentumswohnungen umgehend zu veräußern, offenbar nicht realisieren konnten und eine anderweitige Nutzung des Grundbesitzes wohl nicht erwogen.

IV. Die Sache ist hiernach nicht entscheidungsreif. Das FG wird in einer erneuten Verhandlung Feststellungen darüber nachzuholen haben, ob am Bilanzstichtag 1983 eine überwiegende Wahrscheinlichkeit dafür bestand, daß die Käufer ihr Rücktrittsrecht ausüben würden. Ist das der Fall, muß zum 31. Dezember 1983 gewinnmindernd eine Rückstellung für eine ungewisse Verbindlichkeit in Höhe des angenommenen Veräußerungsgewinns gebildet werden. Das angefochtene Urteil wird hiernach aufgehoben. Die Sache wird an das FG zurückverwiesen (§ 126 Abs.3 Nr.2 FGO).

 

Fundstellen

Haufe-Index 66044

BFH/NV 1996, 202

BStBl II 1997, 382

BFHE 180, 57

BFHE 1997, 57

BB 1996, 1267

BB 1996, 1267-1268 (Leitsatz und Gründe)

DB 1996, 1448-1449 (Leitsatz und Gründe)

DStR 1996, 916-917 (Kurzwiedergabe)

DStZ 1996, 464-465 (Kurzwiedergabe)

HFR 1996, 570-571 (Leitsatz)

StE 1996, 390 (Kurzwiedergabe)

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