Entscheidungsstichwort (Thema)

Verfahrensrecht/Abgabenordnung Einkommensteuer/Lohnsteuer/Kirchensteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Zur Bedeutung des § 218 Abs. 4 AO.

Wird im Rechtsmittelverfahren gegen einen einheitlichen Gewinnfeststellungsbescheid das Gehalt der mitarbeitenden Ehefrau eines Gesellschafters aus dem Gewinnanteil des Gesellschafters ausgeschieden, weil ein Arbeitsverhältnis der Ehefrau anerkannt wird, so ist das Gehalt der Ehefrau, wenn die gemeinsame Einkommensteuerveranlagung der Eheleute nach § 218 Abs. 4 AO berichtigt wird, als Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit anzusetzen.

Es verstößt gegen den Grundsatz von Treu und Glauben, wenn ein Steuerpflichtiger in zwei zusammenhängenden Steuerverfahren eine Tatsache verschieden behandelt wissen will, je nachdem, wie es für ihn günstiger ist.

 

Normenkette

AO § 94 Abs. 1 Nr. 2, § 218 Abs. 4; StAnpG § 4 Abs. 3 Ziff. 2

 

Tatbestand

Der Bf. war in den Streitjahren 1958 bis 1960 Gesellschafter einer OHG; seine Ehefrau war bei derselben Firma Buchhalterin. Das Finanzamt verneinte in den einheitlichen Gewinnfeststellungsbescheiden ein Arbeitsverhältnis der Ehefrau und rechnete in den Einkommensteuerbescheiden 1958 bis 1960 das Gehalt der Ehefrau den Einkünften des Bf. aus Gewerbebetrieb zu. Nachdem das Finanzgericht in dem Rechtsmittelverfahren gegen die einheitlichen Gewinnfeststellungsbescheide ein Arbeitsverhältnis zwischen der Firma und der Ehefrau des Bf. anerkannt hatte, berichtigte das Finanzamt gemäß § 218 Abs. 4 AO die Einkommensteuerbescheide des Bf. für die Jahre 1958 bis 1960, indem es die Einkünfte des Bf. aus Gewerbebetrieb um das Gehalt der Ehefrau kürzte, das Gehalt aber abzüglich eines Werbungskostenpauschbetrags von 564 DM und für 1960 zusätzlich um einen Weihnachtsfreibetrag von 100 DM als Einkünfte der Ehefrau aus nichtselbständiger Arbeit ansetzte.

Der Einspruch und die Berufung des Bf. hatten keinen Erfolg, soweit sich der Bf. gegen die Berücksichtigung des Arbeitseinkommens seiner Ehefrau gewandt hatte. Während das Finanzamt in seiner Einspruchsentscheidung diese änderung auf § 4 Abs. 3 Ziff. 2 StAnpG gestützt hatte, rechtfertigte das Finanzgericht den Ansatz des Gehalts der Ehefrau aus § 218 Abs. 4 AO.

Mit der Rb. rügt der Bf. unrichtige Anwendung bestehenden Rechts. Er trägt vor, der nachträgliche Ansatz des Gehalts der Ehefrau bei seiner Einkommensteuerveranlagung entbehre der gesetzlichen Grundlage. Nach § 218 Abs. 4 AO habe das Finanzamt nur seine gewerblichen Einkünfte in den Einkommensteuerbescheiden ändern dürfen. Die Berücksichtigung des Gehalts seiner Frau bedeute eine Wiederaufrollung des gesamten Steuerfalls. Das sei aber nach dem Urteil des Bundesfinanzhofs VI 78/63 S vom 3. Juli 1964 (BStBl 1964 III S. 566, Slg. Bd. 80 S. 257) unzulässig.

 

Entscheidungsgründe

Die Rb. kann keinen Erfolg haben.

Das Finanzgericht hat zu Recht den Ansatz des Gehalts der Ehefrau auf § 218 Abs. 4 AO gestützt. Sind die in Feststellungsbescheiden enthaltenen Feststellungen durch eine Rechtsmittelentscheidung geändert worden, so müssen die Einkommensteuerbescheide, die auf den bisherigen Feststellungsbescheiden beruhen, von Amts wegen durch neue Bescheide ersetzt werden, die den änderungen Rechnung tragen.

Es ist dem Bf. zuzugeben, daß bei der Berichtigung eines unanfechtbaren Steuerbescheids nach § 218 Abs. 4 AO grundsätzlich nicht der ganze Steuerfall wiederaufgerollt wird und daß es deshalb nicht möglich ist, auch andere änderungen, die in dem Feststellungsbescheid keine Grundlage haben, durch die Berichtigung des Einkommensteuerbescheids zu berücksichtigen, wie z. B. in den Urteilen des Senats VI 23/62 U vom 12. Juli 1963 (BStBl 1963 III S 471, Slg. Bd. 77 S. 416) und VI 78/63 S (a. a. O.) dargelegt ist.

Der Ansatz des Gehalts der Ehefrau beruht jedoch - entgegen der Ansicht des Bf. - nicht auf der vollständigen Wiederaufrollung seiner Einkommensteuerveranlagung. Wenn die Finanzämter nach § 218 Abs. 4 AO den geänderten Gewinnfeststellungsbescheiden Rechnung zu tragen haben, so erschöpft sich das nicht in der Pflicht, nur diese geänderten Feststellungen in die rechtskräftigen Einkommensteuerbescheide zu übernehmen. Hätte der Gesetzgeber nur eine derart beschränkte änderung anordnen wollen, so hätte er das sicherlich nicht mit dem Ausdruck "Rechnung tragen" umschrieben. Das Wort "Rechnung tragen" in § 218 Abs. 4 AO bedeutet, daß das Finanzamt in den auf dem geänderten Bescheid beruhenden Bescheid alle Folgerungen aus der geänderten Feststellung ziehen muß, selbst wenn sich dies auf andere Einkunftsarten auswirkt (vgl. dazu z. B. das Urteil des Senats VI 67/60 U vom 17. März 1961, BStBl 1961 III S. 427, Slg. Bd. 73 S. 441). Der Ansatz des Arbeitslohns der Ehefrau in den berichtigten Einkommensteuerbescheiden 1958 bis 1960 ist eine unmittelbare Folge, die das Finanzamt aus den berichtigten einheitlichen Gewinnfeststellungsbescheiden ziehen mußte. Wenn die Einkünfte des Bf. aus Gewerbebetrieb bei der einheitlichen Gewinnfeststellung durch das rechtskräftige Urteil des Finanzgerichts um das Gehalt der Ehefrau herabgesetzt wurden, so führte dies dazu, daß das Gehalt nunmehr als Betriebsausgabe beim Bf. einerseits und als Arbeitslohn bei der Ehefrau des Bf. andererseits anzusetzen war.

Das Gehalt der Ehefrau hätte das Finanzgericht im übrigen auch nach § 94 Abs. 1 Ziff. 2 AO berücksichtigen können. Nach dieser Bestimmung können Einkommensteuerbescheide von der Behörde, die sie erlassen hat, mit Zustimmung des Steuerpflichtigen bis zur Einlegung der Rb. jederzeit geändert werden. Der Bf. hat zwar in die änderung seiner Einkommensteuerbescheide nicht ausdrücklich eingewilligt. Er würde aber gegen den Grundsatz von Treu und Glauben verstoßen, wenn er seine Zustimmung versagte. Da er über die OHG, an der er zu 50 v. H. beteiligt war, gerade für die steuerliche Anerkennung des Arbeitsverhältnisses seiner Ehefrau im einheitlichen Gewinnfeststellungsverfahren gestritten hatte, würde er sich mit seinem eigenen Verhalten in Widerspruch setzen, wenn er dem Finanzamt entgegenträte, das aus dem Anerkenntnis des Arbeitsverhältnisses für die Einkommensteuerveranlagung des Bf. und seiner Ehefrau nur die zwangsläufige Folgerung zieht (vgl. dazu z. B. das Urteil des Bundesfinanzhofs VI 310/60 U vom 7. Dezember 1962 - BStBl 1963 III S. 162, Slg. Bd. 76 S. 446 -).

Das Gehalt der Ehefrau konnte allerdings nicht, wie das Finanzamt meint, nach § 4 Abs. 3 Ziff. 2 StAnpG berücksichtigt werden. Denn diese Vorschrift geht der speziellen Norm des § 218 Abs. 4 AO nach (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs VI 67/60 U a. a. O.). Zu der Frage, ob § 4 Abs. 3 Ziff. 2 StAnpG überhaupt in Fällen dieser Art anwendbar wäre, braucht der Senat nicht Stellung zu nehmen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 411872

BStBl III 1966, 131

BFHE 1966, 365

BFHE 84, 365

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