Entscheidungsstichwort (Thema)

Steuererstattung - Angabe eines falschen Kontos

 

Leitsatz (NV)

Der Steuerpflichtige trägt die Verlustgefahr für einen Erstattungsbetrag, den das FA im beleglosen Datenträgeraustauschverfahren auf ein Konto überwiesen hat, das vom Steuerpflichtigen in der Steuererklärung als das seine bezeichnet worden ist, aber einer anderen Person zusteht.

 

Normenkette

AO 1977 § 37 Abs. 2, § 47; BGB § 270 Abs. 3

 

Tatbestand

Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) gab in dem Formular Antrag auf Lohnsteuer-Jahresausgleich / Einkommensteuerklärung, in dem sie erklärte, sie rechne mit einer Einkommensteuererstattung, als Bankverbindung ein Konto beim Postgiroamt mit ihrem Namen als Kontoinhaber an. Inhaber des angegebenen Kontos war aber eine andere Person. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) veranlaßte nach Durchführung der Einkommensteuerveranlagung die Überweisung des Erstattungsbetrages im beleglosen Datenträgeraustauschverfahren (Magnetband-Clearing-Verfahren) auf das angegebene Konto. Das Postscheckamt unterrichtete die Klägerin davon, daß im beleglosen Datenträgeraustauschverfahren systembedingt nur nach der Kontonummer gebucht werden könne und die Empfängerangabe nicht geprüft werde. Eine Rückbuchung sei nicht möglich, weil der Inhaber des Kontos dieser widersprochen habe.

Das FA lehnte es ab, den Erstattungsbetrag (nochmals) an die Klägerin zu überweisen; der Einspruch blieb erfolglos. Auf die Klage der Klägerin hob das Finanzgericht (FG) den Abrechnungsbescheid und die Einspruchsentscheidung des FA auf und setzte den der Klägerin zu erstattenden Betrag auf . . . DM fest.

Das FG führte im wesentlichen aus, der Erstattungsanspruch der Klägerin sei nicht erloschen, da keine Gutschrift auf ihrem Konto erfolgt sei. Für eine schuldbefreiende Wirkung der Überweisung des FA wegen fehlerhafter Kontoangabe durch die Klägerin könnten die §§ 170 ff. des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) nicht herangezogen werden, weil sie rechtlich anders gelagerte Sachverhalte beträfen. Nach den Grundsätzen von Treu und Glauben müsse auch darauf abgestellt werden, welche Vorsorge der Zahlungsschuldner getroffen habe, um etwaigen Unrichtigkeiten bei der Angabe des Empfängerkontos zu begegnen. Diesem sei zuzumuten, nicht einen Überweisungsweg zu beschreiten, bei dem die Übereinstimmung der angegebenen Kontonummer mit dem Namen des Kontoinhabers nicht mehr geprüft werde. Rationalisierungsmaßnahmen dürften nicht zu Lasten des Zahlungsempfängers gehen.

Mit der vom FG zugelassenen Revision macht das FA geltend, das FG habe bei seiner Entscheidung den Sphärengedanken nicht ausreichend berücksichtigt. Da die Fehlbuchung wegen fehlerhafter Kontenbenennung in die Sphäre der Klägerin falle, habe sie im Rahmen des von ihr gesetzten Rechtsscheins für die eingetretenen Folgen einzustehen.

Die Klägerin beruft sich auf die Vorentscheidung und meint, eine Haftung des Zahlungsempfängers aufgrund veranlaßten Rechtsscheins erfordere nach Treu und Glauben mehr als die nur einmalige versehentlich unrichtige Angabe einer Kontonummer.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des FA ist begründet.

Der erkennende Senat hat im Urteil vom 10. November 1987 VII R 171/84 (BFHE 151, 123, BStBl II 1988, 41) entschieden, daß der Steuerpflichtige - abweichend von dem Regelfall, wonach den Schuldner die Verlustgefahr bei der Geldübermittlung trifft (§ 270 Abs. 1 BGB) - die Gefahr des Verlustes für einen Steuererstattungsbetrag trägt, den das FA auf ein Konto überwiesen hat, das vom Steuerpflichtigen in der Steuererklärung als das seine bezeichnet, in Wirklichkeit aber von der Bank einer anderen Person zugeteilt worden ist. Der dem Urteil zugrunde liegende Sachverhalt betrifft - ebenso wie der Streitfall - eine Überweisung im beleglosen Datenträgeraustauschverfahren, bei dem nur nach der angegebenen Kontonummer gebucht und die Namensabweichung von Zahlungsempfänger und Konteninhaber nicht festgestellt worden war. Der Senat ist in dem genannten Urteil davon ausgegangen, daß der Zahlungsverkehr durch beleglosen Datenträgeraustausch ein übliches Überweisungsverfahren darstellt. Das muß auch für den Streitfall gelten, in dem das FA drei Jahre später als im Urteilsfall von diesem Verfahren Gebrauch gemacht hat. Dem FA kann deshalb - entgegen der Vorentscheidung - nicht zum Vorwurf gemacht werden, daß es für die Erstattung an die Klägerin diesen Überweisungsweg gewählt hat (vgl. auch Oberlandesgericht Köln, Urteil vom 8. Mai 1990 22 U 299/89, Neue Juristische Wochenschrift 1990, 2261, 2262).

In der vorstehend zitierten Entscheidung des Senats ist die Gefahrtragung für die Geldüberweisung durch den Gläubiger (Zahlungsempfänger), der dem FA ein ihm nicht zustehendes Konto benannt hat, nicht nur - wie für den Streitfall vom FG abgelehnt - mit dem Hinweis auf die Regelung für eine ähnliche Interessenlage bei der Vollmacht (§ 170 BGB) begründet worden, sondern auch mit dem Grundsatz von Treu und Glauben, der im Steuerschuldverhältnis zu beachten ist, und der ausdrücklichen Regelung der Geldübermittlungsgefahr in § 270 Abs. 3 BGB bei Gefahrerhöhung aus der Sphäre des Gläubigers. Der Senat hat daraus hergeleitet, daß es unangemessen wäre, den Schuldner für Gefahren haften zu lassen, die der Gläubiger durch ein allein seiner Sphäre zuzurechnendes Verhalten - hier die Angabe eines falschen Erstattungskontos - erst geschaffen hat. Er hält an dieser Rechtsauffassung fest und verweist zur näheren Begründung auf sein Urteil in BFHE 151, 123, BStBl II 1988, 41, 43.

Da die Vorentscheidung auf einer anderen Rechtsansicht beruht, war sie aufzuheben. Die Sache ist spruchreif (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). Auch im Streitfall ist das FA mit der Überweisung auf das von der Klägerin angegebene Konto von seiner Zahlungsverpflichtung frei geworden (§ 36 Abs. 4 Satz 2 des Einkommensteuergesetzes, § 47 der Abgabenordnung - AO 1977 -). Die Klage gegen den der Klägerin erteilten Abrechnungsbescheid und die Einspruchsentscheidung war deshalb abzuweisen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 418023

BFH/NV 1992, 505

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