Leitsatz (amtlich)

1. Der Nutzungswert eines im Ausland belegenen eigengenutzten Einfamilienhauses ist gemäß § 21 Abs.2 EStG durch Gegenüberstellung des zu schätzenden Rohmietwerts und der nachgewiesenen Werbungskosten zu ermitteln.

2. Die Verwaltungsanweisung in Abschn.161a Abs.2 Satz 3 EStR, wonach der Nutzungswert in der Regel eine angemessene Verzinsung (mindestens 3 v.H.) des aufgewendeten Kapitals nicht unterschreiten darf, ist mit § 21 Abs.2 EStG nicht vereinbar.

 

Orientierungssatz

1. Die unterschiedliche Ermittlung der Einkünfte aus eigengenutzten Einfamilienhäusern entsprechend ihrer Belegenheit im Inland oder im Ausland verstößt nicht gegen den Gleichheitssatz.

2. Wird ein Einfamilienhaus nur an den Wochenenden und in der Ferienzeit genutzt, so ist eine Eigennutzung nicht nur für die Zeit der tatsächlichen Nutzung anzunehmen, sondern für den ganzen Zeitraum, in dem das Haus dem Steuerpflichtigen zur jederzeitigen Nutzung zur Verfügung steht (vgl. BFH-Urteil vom 22.1.1980 VIII R 134/78).

3. Die Einkünfte eines unbeschränkt Steuerpflichtigen aus einem in Großbritannien belegenen Einfamilienhaus sind nach Art. XII i.V.m. Art. XVIII DBA-Großbritannien steuerfrei. Für die Bundesrepublik Deutschland besteht ein Progressionsvorbehalt. Zur Errechnung des auf die inländischen Einkünfte anzuwendenden Steuersatzes sind die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung des in Großbritannien belegenen Einfamilienhauses in das Gesamteinkommen einzubeziehen. Die Ermittlung dieser Einkünfte ist nach innerstaatlichem Recht vorzunehmen (vgl. BFH-Urteil vom 11.7.1979 I R 149/76).

 

Normenkette

EStG 1977 § 21 Abs. 2, §§ 21a, 32b; EStR Abschn. 161a Abs. 2 S. 3; DBA GBR Art. XII; DBA GBR Art. XVIII Abs. 2 Buchst. A; GG Art. 3

 

Verfahrensgang

FG Köln (Entscheidung vom 05.10.1983; Aktenzeichen I (X) 353/80 E)

 

Tatbestand

Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger), die ihren Wohnsitz im Inland haben, sind Eigentümer eines Einfamilienhauses in Großbritannien. Mit dem Einspruch gegen den aufgrund ihrer Steuererklärung ergangenen Einkommensteuerbescheid 1977 machten die Kläger geltend, daß für die Berechnung des Einkommensteuersatzes der Verlust aus ihrem Einfamilienhaus in Großbritannien zu berücksichtigen sei. Der Einspruch hatte keinen Erfolg.

Im Klageverfahren trugen die Kläger vor, daß ihr Haus bis April 1977 vermietet gewesen sei und sie es im übrigen anläßlich von Wochenendfahrten und während der Ferienzeit bewohnt hätten. Die tatsächlich erzielte Miete, die der erzielbaren Marktmiete entspreche, habe monatlich 125 Pfund betragen. Das entspreche 6 060 DM jährlich. Diesem Betrag ständen Werbungskosten von 8 268,55 DM gegenüber. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) ging unter Berufung auf Abschn.161a Abs.2 der Einkommensteuer-Richtlinien 1975 (EStR) von einem Nutzungswert von 2 894 DM (= 3 v.H. des eingesetzten Kapitals) aus. Das Finanzgericht (FG) holte über den Bundesminister der Finanzen (BMF) eine Auskunft der britischen Finanzbehörden über die erzielbare ortsübliche mittlere Miete (Marktmiete) ein. Nach der Auskunft der "Inland Revenue Policy Division" betrug sie 125 Pfund monatlich.

Das FG gab der Klage mit der in den Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1984, 234 veröffentlichten Entscheidung statt. Es führte aus, die Voraussetzungen der Anwendung des Progressionsvorbehalts (§ 32b des Einkommensteuergesetzes 1977 --EStG--) lägen vor. Die Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung seien für das in Großbritannien belegene Einfamilienhaus mit jährlich 6 060 DM anzusetzen. Für die Zeit der Fremdnutzung hätten die Kläger 125 Pfund monatlich erhalten. Für die Zeit der Eigennutzung entspreche dieser Betrag der Marktmiete, die sich aus der Auskunft der "Inland Revenue Policy Division" ergebe. Für die Anwendung anderer Methoden der Schätzung des Nutzungswerts nach § 21 Abs.2 EStG sei danach kein Raum (Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 11.Oktober 1977 VIII R 20/75, BFHE 123, 347, BStBl II 1977, 860). Nach Abzug der unstreitigen Werbungskosten von 8 268,55 DM ergebe sich ein Verlust von 2 208,55 DM. Die Verwaltungsanweisung in Abschn.161a Abs.2 Satz 3 EStR, wonach bei im Ausland belegenen eigengenutzten Wohnungen der Nutzungswert 3 v.H. des eingesetzten Kapitals nicht unterschreiten dürfe, entbehre der gesetzlichen Grundlage.

Mit der vom FG zugelassenen Revision rügt das FA Verletzung der §§ 21 Abs.2 und 8 Abs.2 EStG. Es führt aus, zwar gelte § 21a EStG nicht für im Ausland belegenen Grundbesitz. Da die Ermittlung des Nutzungswerts nach § 21 Abs.2 EStG jedoch rechtlich und tatsächlich eine Schätzung darstelle, bei der § 8 Abs.2 EStG sinngemäß angewendet werde (vgl. Urteil des BFH vom 17.Oktober 1969 VI R 17/67, BFHE 97, 117, BStBl II 1970, 60), sei die Nutzungswertermittlung des § 21a EStG auch bei im Ausland belegenen selbstgenutzten Einfamilienhäusern anzuwenden. Eine unterschiedliche Behandlung nur aufgrund der Belegenheit verstoße gegen den Grundsatz der Gleichmäßigkeit der Besteuerung. Daß § 21a EStG wegen des Rückgriffs auf die Einheitswertfeststellung nur für inländische Gebäude direkt Gültigkeit habe, lasse die grundsätzliche Aussage unberührt. Es fehle insoweit nicht an einer Rechtsgrundlage, sondern nur an einer ausdrücklichen Erfassung ausländischer Einfamilienhäuser. Rechtsgrundlage für die in Abschn.161a Abs.2 Satz 3 EStR enthaltene Regelung bleibe § 21 Abs.2 EStG.

Das FA beantragt, das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Kläger beantragen, die Revision zurückzuweisen.

Sie verweisen auf das Urteil des BFH vom 22.Januar 1980 VIII R 134/78 (BFHE 130, 261, BStBl II 1980, 447). Ein Verstoß gegen den Grundsatz der Gleichmäßigkeit der Besteuerung liege schon deshalb nicht vor, da es sich aufgrund der Belegenheit der Objekte nicht um gleiche, sondern um unterschiedliche Tatbestände handele.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des FA ist nicht begründet.

Das FG hat ohne Rechtsfehler den Nutzungswert des in Großbritannien belegenen eigengenutzten Einfamilienhauses der Kläger durch Gegenüberstellung der Marktmiete und der Werbungskosten ermittelt und den Werbungskostenüberschuß bei der Berechnung des Steuersatzes berücksichtigt.

1. Nach § 32b EStG ist bei unbeschränkt Steuerpflichtigen, bei denen nach einem Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung aus einem ausländischen Vertragsstaat stammende Einkünfte steuerfrei bleiben, auf das nach § 32a Abs.1 EStG zu versteuernde Einkommen der Steuersatz anzuwenden, der sich ergibt, wenn die ausländischen Einkünfte, ausgenommen die darin enthaltenen außerordentlichen Einkünfte, bei der Berechnung der Einkommensteuer einbezogen werden. Die Einkünfte der Kläger aus dem in Großbritannien belegenen Einfamilienhaus sind nach Art.XII des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Vereinigten Königreich Großbritannien und Nordirland zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und zur Verhinderung der Steuerverkürzung vom 26.November 1964 --DBA-Großbritannien-- (BGBl II 1966, 358, 367, BStBl I 1966, 729, 738) i.V.m. Art.XVIII Abs.2 a i.d.F. des Gesetzes zu dem Revisionsprotokoll vom 23.März 1970 zu diesem Abkommen (BStBl I 1971, 139) steuerfrei, weil die Besteuerung der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung von in Großbritannien belegenem Grundbesitz Großbritannien zugewiesen ist. Für die Bundesrepublik Deutschland besteht ein Progressionsvorbehalt. Zur Errechnung des auf die inländischen Einkünfte der Kläger anzuwendenden Steuersatzes sind die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung des in Großbritannien belegenen Einfamilienhauses in das Gesamteinkommen einzubeziehen. Die Ermittlung dieser Einkünfte ist nach innerstaatlichem Recht vorzunehmen (BFH-Urteil vom 11.Juli 1979 I R 149/76, BFHE 128, 248).

2. Der gemäß § 21 Abs.2 EStG einkommensteuerpflichtige Nutzungswert der Wohnung im eigenen Haus ist nach ständiger Rechtsprechung (vgl. BFH-Urteile vom 13.Dezember 1983 VIII R 17/82, BFHE 140, 234, BStBl II 1984, 368, und vom 23.Oktober 1984 IX R 48/80, BFHE 143, 313, BStBl II 1985, 453), soweit nicht § 21a EStG eingreift, durch Gegenüberstellung des zu schätzenden Rohmietwerts und der nachgewiesenen Werbungskosten zu errechnen. Da das Haus der Kläger in Großbritannien nicht im Einheitswertverfahren seiner Art nach als Einfamilienhaus bewertet worden ist (vgl. § 21a Abs.1 Satz 1 EStG), kommt § 21a EStG nicht zur Anwendung (BFHE 130, 261, BStBl II 1980, 447).

Entgegen der Auffassung des FA ist eine pauschale Schätzung der Einkünfte in Anlehnung an die Regelung des § 21a EStG mit 3 v.H. des aufgewendeten Kapitals nicht zulässig. Für die Verwaltungsanweisung in Abschn.161a Abs.2 Satz 3 EStR fehlt eine gesetzliche Grundlage. Der nach § 21 Abs.2 EStG anzusetzende Nutzungswert der Wohnung im eigenen Haus braucht nicht positiv zu sein. Beim Ansatz des Nutzungswerts der Wohnung im eigenen Haus handelt es sich um eine gedachte Mieteinnahme; der Eigenwohner wird so behandelt, als ob er die Wohnung an sich selbst vermietet hätte (ständige Rechtsprechung, vgl. BFHE 140, 234, BStBl II 1984, 368). Das kann dazu führen, daß ein negativer Nutzungswert entsteht, wenn die Werbungskosten der Wohnung deren Rohmietwert übersteigen. Dies gilt auch für eigengenutzte im Ausland belegene Einfamilienhäuser, obgleich sich nach § 21a EStG als Nutzungswert eigengenutzter im Inland belegener Einfamilienhäuser grundsätzlich --ausgenommen beim Ansatz erhöhter Absetzungen (§ 21a Abs.3 Nr.2 EStG)-- kein Werbungskostenüberschuß ergeben kann.

Der Gleichheitssatz (Art.3 des Grundgesetzes --GG--) gebietet keine einkommensteuerrechtliche Gleichbehandlung von im Ausland mit im Inland belegenen eigengenutzten Einfamilienhäusern. Für die unterschiedliche Behandlung sprechen einleuchtende sachliche Gründe, die sich aus der Belegenheit des Einfamilienhauses im Ausland ergeben. Ein dem Einheitswert vergleichbarer Wert läßt sich für ein im Ausland belegenes Einfamilienhaus nicht feststellen. Ausgangspunkt für die Erfassung und Bemessung des Nutzungswerts des eigengenutzten Einfamilienhauses war ursprünglich der Gedanke der Kapitalnutzung. Als Nutzungswert der Wohnung im eigenen Einfamilienhaus sollte danach der Betrag angesetzt werden, bei dem unter Berücksichtigung des regelmäßigen Aufwands, auf längere Sicht gesehen, für den Inhaber noch eine angemessene Verzinsung des in dem Haus angelegten Kapitals bleibt. Dabei wurde der Einfachheit halber als angelegtes Kapital der Einheitswert angesehen (vgl. Runderlaß des Reichsministers der Finanzen vom 26.Januar 1937, RStBl 1937, 161). Mittlerweile sind durch die Entwicklung der Grundstücks- und Baupreise im Inland Einheitswert und angelegtes Kapital keine vergleichbaren Größen mehr. Das im Ausland eingesetzte Kapital ist ebensowenig eine dem Einheitswert entsprechende Bezugsgröße. Die unterschiedliche Ermittlung der Einkünfte aus eigengenutzten Einfamilienhäusern entsprechend ihrer Belegenheit im Inland oder im Ausland begegnet danach keinen verfassungsrechtlichen Bedenken; denn die Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers endet erst dort, wo die gleiche oder ungleiche Behandlung der geregelten Sachverhalte nicht mehr mit einer am Gerechtigkeitsgedanken orientierten Betrachtungsweise vereinbar ist. Der Gesetzgeber braucht im Einzelfall nicht jeweils die zweckmäßigste, vernünftigste oder gerechteste Lösung gefunden zu haben (Beschluß des Bundesverfassungsgerichts vom 12.Oktober 1978 2 BvR 154/74, BVerfGE 49, 343, 360).

Die Ermittlung der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung durch das FG ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Es hat für die Zeit der Fremdvermietung nach § 21 Abs.1 EStG die vereinnahmte Miete und für die Zeit der Eigennutzung entsprechend den zu § 21 Abs.2 EStG entwickelten Rechtsgrundsätzen als Rohmietwert die ermittelte Marktmiete zugrunde gelegt (vgl. Urteile in BFHE 123, 347, BStBl II 1977, 860, und in BFHE 140, 234, BStBl II 1984, 368). Zutreffend hat es eine Eigennutzung nicht nur für die Zeit der tatsächlichen Nutzung angenommen, sondern für den ganzen Zeitraum nach Beendigung der Fremdvermietung, in dem das Haus den Klägern zur jederzeitigen Nutzung zur Verfügung stand (vgl. Urteil in BFHE 130, 261, BStBl II 1980, 447). Was die Höhe der vom FG ermittelten Marktmiete und der Werbungskosten betrifft, so ist der Senat an diese Feststellungen nach § 118 Abs.2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) gebunden.

 

Fundstellen

Haufe-Index 60878

BStBl II 1986, 287

BFHE 145, 331

BFHE 1986, 331

BB 1986, 858-859 (ST)

DB 1986, 1157-1158 (ST)

DStZ, Beihefter zu Nr 15-16/1986 (ST)

HFR 1986, 296-297 (ST)

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