Entscheidungsstichwort (Thema)

Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Läßt sich ein Arbeitgeber, der wegen nicht richtiger Einbehaltung von Lohnsteuer vom Finanzamt in Anspruch genommen worden ist, vom Arbeitnehmer die nachgezahlte Lohnsteuer nicht ersetzen, so liegt darin in der Regel die Zuwendung von Arbeitslohn.

Eine Inanspruchnahme des Arbeitgebers als Haftender für nicht einbehaltene Lohnsteuer kann aber unbillig sein, wenn die Lohnsteuer wegen des Vorteils einzubehalten gewesen wäre, der dem Arbeitnehmer durch den Verzicht des Arbeitgebers auf Erstattung von Lohnsteuer zugeflossen ist.

 

Normenkette

EStG § 19 Abs. 1, § 38 Abs. 3, § 38/4; LStDV § 46

 

Tatbestand

Strittig ist, ob und in welcher Höhe drei Arbeitnehmern der Bfin. Lohn zugeflossen ist, auf den die Bfin. als Arbeitgeberin Lohnsteuer hätte einbehalten und abführen müssen. Die Bfin. hat ihren Arbeitnehmern im Jahre 1951 Jubiläumsgeschenke gewährt, die sie nur zum Teil der Lohnsteuer unterworfen hat. Sie hat auf Grund eines rechtskräftigen finanzgerichtlichen Urteils im Jahre 1956 die Lohnsteuer nachzahlen müssen, weil die Voraussetzungen für die Steuerfreiheit von Jubiläumsgeschenken nicht vorgelegen haben. Die nachzuzahlende Lohnsteuer ist auf der Grundlage von Bruttolohn berechnet worden. Bei der Lohnsteuerprüfung im Februar 1959 ist festgestellt worden, daß die Bfin. im Juni 1956 die drei Arbeitnehmer, die zu dieser Zeit bei ihr noch beschäftigt waren und seinerzeit ein Jubiläumsgeschenk erhalten hatten, zur Erstattung der für sie verauslagten Lohnsteuer aufgefordert, dann aber weiter nichts unternommen hat, nachdem sie von zwei Arbeitnehmern eine ablehnende und von dem dritten Arbeitnehmer überhaupt keine Antwort erhalten hatte.

Das Finanzamt sah darin, daß die Bfin. sich mit den Antworten der Arbeitnehmer zufriedengegeben, diese also nicht in Anspruch genommen hatte, eine übernahme der verauslagten Lohnsteuer durch die Bfin. und zog die Bfin. als Haftende zu der auf die übernommenen Beträge entfallenden Lohnsteuer heran, wobei es die übernommenen Beträge als Nettolohn behandelte. Die Sprungberufung blieb ohne Erfolg.

Mit ihrer Rb. wehrt sich die Bfin. in erster Linie gegen die Heranziehung überhaupt, hilfsweise aber auch dagegen, daß Nettolohn angenommen wurde. Sie trägt vor: Es möge richtig sein, daß, wenn ein Arbeitgeber die von dem Arbeitnehmer geschuldete Lohnsteuer übernehme oder auf die Erstattung der für den Arbeitnehmer verauslagten Lohnsteuer verzichte, ein Zufluß von Arbeitslohn vorliege. Von einer solchen übernahme oder von einem derartigen Verzicht könne in ihrem Fall aber keine Rede sein. Sie habe sich weder zu einer übernahme verpflichtet noch einen Verzicht erklärt. Daß sie ihre Ansprüche gegen die drei Arbeitnehmer nicht weiter verfolgt habe, liege einmal daran, daß diese Ansprüche nach der Praxis des Arbeitsgerichts zweifelhaft seien, und zum anderen daran, daß sie es sich nicht leisten könne, die Arbeitnehmer zu verärgern, die eine Inanspruchnahme nach so langer Zeit als unbillig empfinden würden. Daß sie von Zwangsmaßnahmen gegen die Arbeitnehmer absehe, ändere aber nichts daran, daß das Schuldverhältnis nach wie vor bestehe. Von einem Zufluß von Arbeitslohn in Gestalt von ihr übernommener Lohnsteuerbeträge könne keine Rede sein. Wenn überhaupt, dann sei aber nur Brutto- und nicht Nettolohn zugeflossen.

 

Entscheidungsgründe

Die Rb. muß zur Aufhebung der Vorentscheidung führen.

Mit dem Finanzgericht ist zwar festzustellen, daß die Bfin. den drei Arbeitnehmern durch die nachentrichteten Lohnsteuerbeträge Arbeitslohn gewährt hat. Zu Unrecht aber hat das Finanzgericht angenommen, daß es sich hierbei um einen Nettolohn handle.

Nach § 19 Abs. 1 EStG rechnen zu den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit nicht bloß die Gehälter und Löhne, sondern "alle Vorteile, die für eine Beschäftigung im öffentlichen oder privaten Dienst gewährt werden". Schuldner der auf die Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit nach § 38 Abs. 1 EStG einzubehaltenden Lohnsteuer ist nach § 38 Abs. 3 Satz 1 EStG der Arbeitnehmer, wenn auch Lohnsteuer normalerweise nicht von ihm entrichtet, sondern vom Arbeitgeber einbehalten und an das Finanzamt abgeführt wird. übernimmt der Arbeitgeber die Lohnsteuer, so liegt hierin die Gewährung eines Vorteils, mag die übernahme nun von vornherein oder wie im Streitfall nachträglich ausgesprochen worden sein.

Wenn die Bfin. geltend macht, daß sie auf Ersatz der von ihr entrichteten (nachgezahlten) Lohnsteuer nicht verzichtet habe, so steht das, wie bereits das Finanzgericht zutreffend ausgeführt hat, mit ihrem tatsächlichen Verhalten in Widerspruch. Es ist, um eine entsprechende Vorteilszuwendung an den Arbeitnehmer anzunehmen, nicht erforderlich, daß auf die Erstattung der Lohnsteuer ausdrücklich verzichtet wird. Es genügt, daß der Arbeitgeber durch sein Verhalten zu erkennen gibt, daß er gegen den Arbeitnehmer keine Erstattungsansprüche zu erheben gewillt ist. Auf einen derartigen Willen der Bfin. hat das Finanzgericht hier zu Recht aus der Tatsache geschlossen, daß die Bfin. sich mit den ablehnenden Antworten zweier Arbeitnehmer und mit der Nichtbeantwortung durch den dritten Arbeitnehmer begnügt hat. Auch die Gründe, aus denen dies geschehen ist, stehen, wie bereits das Finanzgericht ausgeführt hat, der Annahme eines Verzichts und damit einer Vorteilszuwendung nicht entgegen. Es kann hier dahingestellt bleiben, ob der Verzicht auf eine wegen schlechter Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Arbeitnehmers wertlose Erstattungsforderung keine Vorteilszuwendung bedeutet und also anders zu behandeln wäre als die Bezahlung einer Lohnsteuer durch den Arbeitgeber, die das Finanzamt unmittelbar von jenem Arbeitnehmer angefordert hätte. Jedenfalls ändern Gründe, wie sie hier von der Bfin. geltend gemacht worden sind (Zweifelhaftigkeit der Prozeßlage, Erhaltung des Arbeitsfriedens), nichts an der Tatsache, daß den hier in Betracht kommenden Arbeitnehmern dadurch ein Vorteil zugewandt worden ist, daß sie die auf einen Teil ihres Arbeitslohnes entfallende Lohnsteuer, deren Schuldner sie sind, nicht zu tragen brauchen.

Wie der Senat in dem Urteil VI 89/60 U vom 10. Februar 1961 (BStBl 1961 III S. 139) ausgeführt hat, kann in dem Verzicht des Arbeitgebers auf Erstattung der von ihm entrichteten Lohnsteuer durch den Arbeitnehmer aber grundsätzlich nur die Zuwendung eines Vorteils in Höhe der zu entrichtenden Lohnsteuer gesehen werden, nicht dagegen die Zuwendung eines Vorteils in Höhe der zu entrichtenden Steuer und der wiederum hierauf zu entrichtenden Steuer und so fort (also "Bruttozuwendung" statt "Nettozuwendung"). Die Ausführungen des Finanzgerichts geben dem Senat keinen Anlaß, von seiner Entscheidung abzuweichen, auf deren Gründe zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen wird.

Das angefochtene Urteil, das den Grundsätzen jener Entscheidung nicht entspricht, war danach aufzuheben. Die nicht spruchreife Sache war an das Finanzgericht zur nochmaligen Entscheidung zurückzuverweisen. Bei dieser ist zu beachten: Liegt eine Vorteilszuwendung durch Verzicht auf den Erstattungsanspruch vor, so unterliegt auch diese Zuwendung, weil es sich um zusätzlichen Arbeitslohn handelt, grundsätzlich wieder der Lohnsteuer. Wie bereits in dem Urteil VI 89/60 U a. a. O. ausgeführt, ist also auch auf diese Zuwendung Lohnsteuer einzubehalten. Tut der Arbeitgeber dies nicht und ist demgemäß seine Inanspruchnahme als Haftender zu prüfen, so ist im Rahmen der hierbei erforderlichen Abwägung der Interessen des Steuergläubigers und des Arbeitgebers (ß 2 des Steueranpassungsgesetzes) auch den Gründen Rechnung zu tragen, aus denen sich die ursprüngliche Lohnsteuernachforderung und der Erstattungsverzicht ergeben haben. Wenn die Lohnsteuernachforderung nicht auf einer schuldhaften Verletzung der Einbehaltungs- und Abführungspflicht beruht, wird die besondere Zwangslage, vor die sich der Arbeitgeber sowohl bei der Prüfung der Frage, ob er sich wegen der von ihm entrichteten Lohnsteuer an den Arbeitnehmer halten solle oder nicht, als auch im Fall des Verzichts bei der Einbehaltung der nunmehr angefallenen weiteren Lohnsteuer gestellt sieht, eine Inanspruchnahme des Arbeitgebers in vielen Fällen als unbillig erscheinen lassen. Dies wird insbesondere dann der Fall sein, wenn der Zugriff auf die Arbeitnehmer selbst wegen deren geringer Zahl wie im Streitfall ohne weiteres möglich ist. Im vorliegenden Fall ist diese Frage - zweckmäßig unter Hinzuziehung der betroffenen Arbeitnehmer - zu prüfen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 410071

BStBl III 1961, 285

BFHE 1962, 45

BFHE 73, 45

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