Leitsatz (amtlich)

1. Die Vereinbarung der Verlängerung eines Erbbaurechts ist kein Rechtsgeschäft i. S. des § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG.

2. Durch die Vereinbarung der Verlängerung des Erbbaurechts entsteht jedoch in Bayern eine zusätzliche Grunderwerbsteuer auf den Rechtsvorgang der Bestellung des Erbbaurechts insoweit, als wegen der Verlängerung des Erbbaurechts eine zusätzliche Gegenleistung vereinbart wird. Dies gilt auch dann, wenn das FA davon abgesehen hat, die Bestellung des Erbbaurechts der Grunderwerbsteuer zu unterwerfen.

2. In den Ländern, in denen der Erbbauzins zur Gegenleistung gehört, ist der Kapitalwert der auf die Verlängerungszeit entfallenden Erbbauzinsen auf den Zeitpunkt der Vereinbarung der Verlängerung des Erbbaurechts abzuzinsen. Dies gilt auch in Bayern.

2. § 11 Abs. 2 Nr. 2 Halbsatz 2 GrEStG war jedenfalls vor dem Inkrafttreten des GrEStEigWoG vom 11. Juli 1977 nicht verfassungswidrig.

 

Normenkette

GrEStG § 1 Abs. 1 Nr. 1, § 2 Abs. 2 Nr. 1, § 11 Abs. 2 Nrn. 1-2

 

Verfahrensgang

FG München

 

Tatbestand

Der Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) war durch notariell beurkundeten Vertrag vom 30. September 1968 ein Erbbaurecht an einem unbebauten Grundstück eingeräumt worden. Vereinbart worden war ein Erbbauzins von jährlich ... DM, der monatlich im voraus zahlbar war. Schuldrechtlich wurde außerdem vereinbart, daß sich der Erbbauzins auf Antrag eines Vertragsteils in demselben Verhältnis erhöhen sollte, wie sich der Preisindex gegenüber dem Tage des Vertragsabschlusses erhöhte oder verminderte. Eine Anpassung sollte jedoch nur bei einer Änderung des Indexes um mindestens 10 Punkte und erstmals frühestens nach fünf Jahren, in der Folgezeit frühestens nach drei Jahren und einer erneuten Änderung um 10 Punkte möglich sein.

Das Erbbaurecht sollte nach 21 Jahren am 31. Dezember 1989 enden. Die Klägerin war jedoch berechtigt, die Verlängerung des Erbbaurechts um weitere 10 Jahre zu den gleichen Bedingungen zu verlangen. Dieses Recht wurde durch Vormerkung gesichert.

Die Klägerin verlangte mit eingeschriebenem Brief vom 10. November 1975 die Verlängerung des Erbbaurechts. Die Vertragsparteien vereinbarten demgemäß durch notariell beurkundeten Nachtrag vom 11. November 1975, daß das Erbbaurecht bei gleichbleibenden Vertragsbedingungen erst nach 31 Jahren zum 31. Dezember 1999 enden solle.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) unterwarf die Verlängerung des Erbbaurechts durch Bescheid vom 15. Januar 1976 der Grunderwerbsteuer in Höhe von 32 600,40 DM. Das FA berechnete die Gegenleistung von 465 720 DM aus dem Jahresbetrag des Erbbauzinses von 60 000 DM, auf den es unter Berücksichtigung einer Laufzeit von 10 Jahren einen Vervielfältiger von 7,762 anwandte (vgl. hierzu die gleichlautenden Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder vom 2. April 1975, BStBl I, 508, 511). Nach erfolglosem Einspruch machte die Klägerin mit ihrer Klage geltend, die Verlängerung des Erbbaurechts unterliege nicht der Grunderwerbsteuer; im übrigen verletze die Regelung des § 11 Abs. 2 Nr. 2 Satz 2 Halbsatz 2 des Grunderwerbsteuergesetzes in der in Bayern geltenden Fassung (GrEStG) den Gleichheitssatz. Außerdem sei der kapitalisierte Erbbauzins nicht richtig berechnet worden. Der Verlängerungszeitraum beginne erst mit dem 1. Januar 1990. Der Kapitalwert des Erbbauzinses, wie ihn das FA berechnet habe, müsse deshalb auf den Tag der Vereinbarung der Verlängerung des Erbbaurechts abgezinst werden. Der Kapitalwert betrage deshalb abgerundet 220 000 DM.

Die Klägerin hat die ersatzlose Aufhebung des Steuerbescheids beantragt.

Das Finanzgericht (FG) hat die Klage abgewiesen.

Die Verlängerung eines Erbbaurechts stehe grunderwerbsteuerrechtlich der Neubestellung eines erloschenen Erbbaurechts gleich. Mit der Verlängerung des Erbbaurechts über den Ablaufzeitpunkt hinaus werde die eigentumsähnliche Herrschaft des Erbbauberechtigten an der Grundstücksfläche neu begründet.

Die Grunderwerbsteuerfestsetzung sei auch der Höhe nach nicht zu beanstanden. Nach der bayerischen Sonderregelung in § 11 Abs. 4 GrEStG seien unverzinsliche Schulden mit dem Nennbetrag anzusetzen.

Die Klägerin hat Revision eingelegt und ihren Klagantrag weiterverfolgt.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision der Klägerin führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

Durch die Verlängerung des Erbbaurechts wird keiner der Tatbestände des § 1 GrEStG verwirklicht. Es entsteht aber nachträglich wegen des für die Zeit der Verlängerung des Erbbaurechts vereinbarten Erbbauzinses eine zusätzliche Grunderwerbsteuer auf den im Jahre 1968 durch die Vereinbarung über die Bestellung des Erbbaurechts verwirklichten Erwerbsvorgang. Für die Berechnung dieser Steuer reichen allerdings die Feststellungen des FG nicht aus.

1. Daß die Verlängerung eines Erbbaurechtsvertrags kein Erwerbsvorgang i. S. des § 1 i. V. m. § 2 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG ist, ergeben die folgenden Überlegungen:

Nach § 2 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG steht ein Erbbaurecht einem Grundstück gleich. Hieraus folgt, daß der Kauf eines bestehenden Erbbaurechts gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG der Grunderwerbsteuer unterliegt. Der Grunderwerbsteuer unterliegt aber auch die Vereinbarung über die Verpflichtung zur Bestellung eines Erbbaurechts (vgl. das Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 28.. November 1967 II R 37/66, BFHE 91, 191, BStBl II 1968, 223, ständige Rechtsprechung, vgl. z. B. das Urteil vom 12. Juli 1979 II R 56/75, BFHE 128, 409, BStBl II 1979, 686), die vorzeitige Aufhebung eines Erbbaurechts (Urteil vom 5. Dezember 1979 II R 122/76, BFHE 129, 223, BStBl II 1980, 136) und die Übertragung des Erbbaurechts aufgrund Heimfalles (Urteil vom 23. September 1969 II 113/64, BFHE 97, 394, BStBl II 1970, 130).

Für die Verlängerung des Erbbaurechts kann dies nicht gelten. Diese Vereinbarung ist nicht einem Rechtsgeschäft vergleichbar, das den Anspruch auf Übereignung des Grundstücks begründet. Wird das Erbbaurecht verlängert, so bleibt das ursprüngliche Erbbaurecht bestehen. Es verändert sich lediglich seinem Inhalt nach. Soweit eine Inhaltsänderung nicht vereinbart wird, bleiben die bisher vereinbarten Bedingungen wirksam. Insbesondere bleiben die Belastungen des Erbbaurechts bestehen. Der Fall der Verlängerung eines Erbbaurechts unterscheidet sich somit erheblich von dem Fall des Erlöschens eines Erbbaurechts durch Zeitablauf und der Neubestellung eines Erbbaurechts für den bisherigen Erbbauberechtigten. In diesem Falle endet das Erbbaurecht. Es ist im Grundbuch wegen Unrichtigkeit des Grundbuches zu löschen. Damit gehen auch die auf dem Erbbaurecht liegenden dinglichen Rechte unter (vgl. hierzu Ingenstau, Kommentar zum Erbbaurecht, 5. Aufl., § 27 Rdnr. 1). Durch die Neubestellung entsteht ein neues Erbbaurecht.

2. Auch wenn die Vereinbarung der Verlängerung des Erbbaurechts danach kein Erwerbsvorgang i. S. des Grunderwerbsteuerrechts ist, so führt die Vereinbarung der Verlängerung des Erbbaurechts gleichwohl zur Entstehung einer (zusätzlichen) Grunderwerbsteuer auf den ursprünglichen Erwerbsvorgang insoweit, als bei Verlängerung des Erbbaurechts eine Gegenleistung vereinbart worden ist. Nach § 11 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG gehören zur Gegenleistung für den Erwerbsvorgang auch Leistungen, die der Erwerber neben der ursprünglich vereinbarten Gegenleistung zusätzlich gewährt. Als eine solche zusätzliche Gegenleistung ist im vorliegenden Fall der für die Verlängerungszeit vereinbarte Erbbauzins anzusehen, weil in Bayern die Erbbauzinsen zur Gegenleistung gehören (vgl. § 11 Abs. 2 Nr. 2 Satz 2 Halbsatz 2 GrEStG). Hieran ändert auch der Umstand nichts, daß die zusätzlichen Erbbauzinsen erst Jahre nach der Bestellung des Erbbaurechts anläßlich der Verlängerung des Erbbaurechts vereinbart worden sind. § 11 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG erfaßt die nachträglich vereinbarten Leistungen, weil zusätzliche Leistungen, die bereits im Erwerbszeitpunkt vereinbart worden sind, bereits aufgrund des § 11 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG erfaßt werden (vgl. Boruttau/Egly/Sigloch, Grunderwerbsteuergesetz, Kommentar, 11. Aufl., § 11 Tz. 320).

Im vorliegenden Fall fehlt es auch nicht an dem erforderlichen rechtlichen Zusammenhang (vgl. Boruttau/Egly/Sigloch, a. a. O., Tz. 321 b) der Vereinbarung des Erbbauzinses für die Verlängerungszeit mit dem seinerzeitigen Erwerb des Erbbaurechts. Die Klägerin hat das Erbbaurecht aufgrund der seinerzeitigen Bestellung des Erbbaurechts inne. Durch die Verlängerung des Erbbaurechts werden die bei der Bestellung des Erbbaurechts vereinbarten Bedingungen hinsichtlich der Dauer des Erbbaurechts und der Dauer der Zahlung der Erbbauzinsen geändert. Damit ist der rechtliche Zusammenhang mit dem ursprünglichen Erwerbsvorgang gewahrt. Der vorliegende Fall liegt deshalb anders, als der Fall eines Verzichts des Wiederkaufberechtigten auf die Ausübung des Wiederkaufsrechts (vgl. hierzu das BFH-Urteil vom 12. Dezember 1979 II R 15/76, BFHE 129, 280 BStBl II 1980, 162).

3. Der Erfassung der zusätzlichen Gegenleistung gemäß § 11 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG steht nicht entgegen, daß das FA seinerzeit bei Bestellung des Erbbaurechts keinen Steuerbescheid erlassen hat. Dies ändert nichts daran, daß die Vereinbarung über die Bestellung des Erbbaurechts vom 30. September 1968 der Grunderwerbsteuer unterlag und daß deshalb gemäß § 11 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG im Jahre 1975 eine zusätzliche Grunderwerbsteuer entstehen konnte.

4. Der Senat vermag nicht der Auffassung der Klägerin zu folgen, daß die Einbeziehung des Erbbauzinses in die Gegenleistung durch § 11 Abs. 2 Nr. 2 GrEStG verfassungswidrig sei.

Diese Aussage gilt jedenfalls für die Zeit vor dem Inkrafttreten des Gesetzes zur Grunderwerbsteuerbefreiung beim Erwerb von Einfamilienhäusern, Zweifamilienhäusern und Eigentumswohnungen vom 11. Juli 1977 (vgl. zur Rechtslage nach dem Inkrafttreten dieses Gesetzes Brych, Betriebs-Berater 1982, 184). Es sind keine Gesichtspunkte ersichtlich, wonach das Land Bayern mit der Einfügung des Halbsatzes 2 in den § 11 Abs. 2 Nr. 2 Satz 2 GrEStG eine willkürliche und damit sachlich nicht gerechtfertigte verfassungswidrige Regelung getroffen hätte. Eine andere Frage ist es, welche Konsequenzen sich in verfassungsrechtlicher Hinsicht daraus ergeben, daß Bayern nicht wie Baden-Württemberg den § 2 Abs. 1 Satz 2 GrEStG dahin ergänzt hat, daß das Recht auf den Erbbauzins nicht zu den Grundstücken gerechnet wird, sondern sich mit der Anfügung des Abs. 6 an den § 1 GrEStG begnügt hat (vgl. hierzu Boruttau/Egly/Sigloch, a. a..O., § 2 Tz. 20e bis 20g).

5. Für die Ermittlung des Kapitalwerts der Erbbauzinsen auf die Zeit der Verlängerung des Erbbaurechts ist von den Verhältnissen im Zeitpunkt der Vereinbarung der Verlängerung auszugehen. Das bedeutet, daß der Kapitalwert der Erbbauzinsen für die Zeit vom 1. Januar 1990 bis 31. Dezember 1999 auf den 11. November 1975 abzuzinsen ist. § 11 Abs. 4 GrEStG steht dem nicht entgegen (vgl. hierzu § 11 Abs. 4 Satz 1 Halbsatz 2 GrEStG und das Urteil des Senats vom 1. Juli 1981 II R 72/78, BFHE 133, 462, BStBl II 1981, 685).

6. Das angefochtene Urteil unterliegt danach der Aufhebung. Der Senat ist nicht in der Lage, die Steuer selbst zu berechnen. Für die Kapitalisierung des Erbbauzinses auf die Verlängerungszeit ist von dem Erbbauzins auszugehen, wie er im Zeitpunkt der Vereinbarung der Verlängerung zu zahlen war. Erhöhungen, die aufgrund der Wertsicherungsklausel in der Zwischenzeit bereits eingetreten waren, sind dabei zu berücksichtigen. § 11 Abs. 4 Satz 2 GrEStG findet insoweit keine Anwendung. Wenn dort bestimmt ist, daß Wertsicherungsklauseln außer Betracht bleiben, so kann dies nur insoweit Bedeutung haben, als sich Wertsicherungsklauseln in der Zukunft auswirken.

 

Fundstellen

Haufe-Index 74344

BStBl II 1982, 625

BFHE 1983, 146

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