Entscheidungsstichwort (Thema)

Übernommene Erschließungskosten als Anschaffungskosten eines Erbbaurechts

 

Leitsatz (amtlich)

Verpflichtet sich ein Erbbauberechtigter, das Erbbaurecht an einem --von ihm noch zu erschließenden-- Grundstück gegen Zahlung eines festen Quadratmeterpreises zu übertragen, so stellen diese Aufwendungen des Erwerbers Anschaffungskosten des Erbbaurechts dar.

 

Normenkette

EStG § 7 Abs. 1, § 9 Abs. 1 S. 3; HGB § 255 Abs. 1 S. 1

 

Tatbestand

Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) erwarben mit notariell beurkundetem Vertrag vom 22. Mai 1986 von einem Wohnungsunternehmen das seit dem Jahre 1980 bestehende Erbbaurecht an einem unbebauten Grundstück. Sie verpflichteten sich gegenüber dem Wohnungsunternehmen, das Grundstück innerhalb von zwei Jahren mit einem Wohnhaus nebst Garage zu bebauen. Das Wohnungsunternehmen, das sich gegenüber der Gemeinde zur Erschließung des betreffenden Bebauungsplangebietes verpflichtet hatte, übernahm diese Verpflichtung auch gegenüber den Klägern. Diese hatten nach dem Vertrag folgende "Gegenleistung" zu erbringen: Zum einen übernahmen sie ab Besitzübergabe die Verpflichtung zur Zahlung des Erbbauzinses an den Grundstückseigentümer. Zum anderen verpflichteten sie sich, "für die Übertragung des Erbbaurechts nebst Durchführung der Erschließung einen Betrag von 142 DM pro qm des Erbbaugrundstückes zu zahlen"; bei dem auf den Quadratmeter bezogenen Erschließungskostenbetrag sollte es sich um einen "Festpreis" handeln, so daß auch bei einer Veränderung des gesamten Aufwandes für die von dem Wohnungsunternehmen vorzunehmende Erschließung weder das Wohnungsunternehmen eine Erhöhung noch die Kläger eine Minderung des Erschließungskostenbetrages verlangen konnten.

Im Rahmen des Einspruchsverfahrens, das sich gegen einen auf geschätzten Besteuerungsgrundlagen beruhenden Einkommensteuerbescheid für das Jahr 1986 (Streitjahr) richtete, machten die Kläger bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung aus diesem, mit einem seit 1988 bezugsfertigen Einfamilienhaus bebauten Grundstück einen Werbungskostenüberschuß in Höhe von 120 452 DM geltend, wovon 113 245 DM auf Erschließungskosten entfielen. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) berücksichtigte von den Erschließungskosten einen Betrag von 111 541 DM, rechnete ihn den Anschaffungskosten des Erbbaurechts zu und ließ hierauf eine Absetzung für Abnutzung (AfA) in Höhe von 626,02 DM als Werbungskosten zum Abzug zu.

Die hiergegen gerichtete Klage hatte Erfolg. Das Finanzgericht (FG) wertete die von den Klägern an das Wohnungsunternehmen entrichteten Erschließungskosten entgegen dem Wortlaut des "Erbbaurechtskaufvertrages" nicht als Entgelt für das übertragene Erbbaurecht, sondern lediglich als eine Erstattung der vom bisherigen Erbbauberechtigten erbrachten Leistungen, die mit der Nutzung des Erbbaurechtsgrundstücks im Zusammenhang stünden. Als maßgebend für seine Beurteilung erachtete das FG den Umstand, daß die (übernommenen) Erschließungskosten die alleinige Gegenleistung für die Übertragung des Erbbaurechts an dem unbebauten Grundstück darstellten.

Mit der Revision rügt das FA Verletzung des § 9 Abs.1 Satz 3 Nr.7 i.V.m. § 7 Abs.1 des Einkommensteuergesetzes (EStG). Unter Bezugnahme auf das Schreiben des Bundesministers der Finanzen (BMF) vom 16. Dezember 1991 IV B - S 2253 - 67/91 (BStBl I 1991, 1011) vertritt es die Auffassung, Erschließungskosten, die ein Erbbauberechtigter an die Gemeinde zahle, stellten nicht eine Leistung im Rahmen der Ausübung des Nutzungsrechts, sondern Anschaffungskosten des Nutzungsrechtes selbst dar. Diese Betrachtung habe auch zu gelten, wenn --wie im Streitfall-- ein Erwerber des Erbbaurechts dem vorherigen Erbbauberechtigten die Erschließungskosten erstatte.

Das FA beantragt,

unter Aufhebung der Vorentscheidung die Klage abzuweisen.

Die Kläger beantragen,

die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und Abweisung der Klage (§ 126 Abs.3 Nr.1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).

Die Beurteilung der strittigen Erschließungskosten als sofort abziehbare Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung durch das FG verletzt § 9 Abs 1 Satz 3 Nr.7 i.V.m. § 7 Abs.1 EStG.

1. Die Frage nach der einkommensteuerrechtlichen Behandlung der vom Erbbauberechtigten übernommenen Erschließungskosten ist in der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) unterschiedlich beurteilt worden:

Ursprünglich sind --im Zusammenhang mit den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung-- solche Erschließungskosten zu den Anschaffungskosten des Erbbauberechtigten für das Erbbaurecht gerechnet worden, die --wie andere einmalige Aufwendungen für den Erwerb eines Erbbaurechts (z.B. Notariats-, Vermessungs- und Gerichtskosten - vgl. BFH-Urteil vom 31. Januar 1964 VI 252/62 U, BFHE 78, 487, BStBl III 1964, 187, oder auch Grunderwerbsteuer und Maklerprovision - vgl. BFH-Urteil vom 4. Juni 1991 IX R 136/87, BFHE 165, 349, BStBl II 1992, 70)-- im Wege der AfA auf die Laufzeit des Erbbaurechts zu verteilen sind (BFH-Urteil vom 22. Februar 1967 VI 295/65, BFHE 88, 285, BStBl III 1967, 417). Demgegenüber wird bei bilanzierenden Erbbauberechtigten in der Übernahme der Erschließungskosten ein zusätzliches Entgelt für die Nutzungsüberlassung des Grundstücks durch den Erbbauverpflichteten gesehen, das in der Bilanz des Erbbauberechtigten als aktiver, in derjenigen des Erbbauverpflichteten als passiver Rechnungsabgrenzungsposten auszuweisen und jeweils auf die Dauer des Erbbaurechts zu verteilen ist (BFH-Urteile vom 20. November 1980 IV R 126/78, BFHE 132, 418, BStBl II 1981, 398; vom 17. April 1985 I R 132/81, BFHE 144, 213, BStBl II 1985, 617; vom 8. Dezember 1988 IV R 33/87, BFHE 155, 532, BStBl II 1989, 407; vom 19. Oktober 1993 VIII R 87/91, zur Veröffentlichung bestimmt). Nach dieser Rechtsprechung ist es gleichgültig, ob der Erbbauberechtigte die Erschließungskosten unmittelbar trägt oder sie dem Grundstückseigentümer erstattet (BFH-Urteil in BFHE 155, 532, BStBl II 1989, 407).

Der erkennende Senat hat es hingegen bislang ausdrücklich offengelassen, inwieweit die zu den Gewinneinkünften entwickelten Grundsätze auf die Erzielung von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung übertragbar sind (Senatsurteil vom 21. November 1989 IX R 170/85, BFHE 159, 72, BStBl II 1990, 310); die Anwendung der für die bilanzierenden Erbbauberechtigten geltenden Rechtsprechung im Bereich der Überschußeinkünfte sei deshalb zweifelhaft, weil bei den Überschußeinkünften nicht die Möglichkeit bestehe, ein Nutzungsentgelt auf die Laufzeit des Nutzungsrechts zu verteilen (Senatsurteil vom 23. April 1991 IX R 86/89, BFHE 164, 275, BStBl II 1991, 712).

2. Im Streitfall kann die Frage der einkommensteuerrechtlichen Behandlung der vom Erbbauberechtigten gegenüber dem Grundstückseigentümer übernommenen Erschließungskosten offenbleiben; denn die strittigen Erschließungskosten sind bereits aus anderen Gründen als Anschaffungskosten des von den Klägern erworbenen Erbbaurechts an dem unbebauten Grundstück anzusehen.

Gemäß § 255 Abs.1 Satz 1 des Handelsgesetzbuches (HGB) sind Anschaffungskosten die Aufwendungen, die geleistet werden, um einen Vermögensgegenstand zu erwerben und ihn in einen betriebsbereiten Zustand zu versetzen, soweit sie dem Vermögensgegenstand einzeln zugeordnet werden können. Bei dem von den Klägern an das Wohnungsunternehmen gezahlten "Festpreis" von 142 DM/qm handelt es sich entgegen der Ansicht des FG nicht lediglich um ein zusätzliches Nutzungsentgelt, sondern um Aufwendungen zum Erwerb des Erbbaurechts.

a) Das FG geht in seiner Entscheidung selbst davon aus, daß die Kläger ein "Entgelt", einen "Kaufpreis" für den Erwerb des Nutzungsrechts gezahlt haben. Es hat die Aufwendungen nur deshalb nicht als Anschaffungskosten beurteilt, weil die Erschließungskosten der alleinige Bestandteil der Gegenleistung der Kläger waren. Dies hält einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand; denn übernommene Erschließungskosten können durchaus das alleinige Entgelt für die Übertragung eines Erbbaurechts darstellen, wenn --wie im Streitfall-- Gegenstand des Kaufvertrags das Erbbaurecht an einem erschlossenen bzw. noch vom Veräußerer zu erschließenden Grundstück ist (vgl. BFH-Urteil vom 16. November 1977 II R 111/72, BFHE 121, 208, BStBl II 1977, 327).

b) Aufgrund der vom FG getroffenen Feststellungen ergibt sich, daß die Kläger den an das Wohnungsunternehmen gezahlten Betrag für die Übertragung des Erbbaurechts an dem erschlossenen Grundstück geleistet haben.

Den Klägern ist das Erbbaurecht nicht von dem Grundstückseigentümer eingeräumt worden. Vielmehr haben sie es von dem Wohnungsunternehmen --als zwischenzeitlichem Erbbauberechtigten-- erworben. Dieses hatte sich verpflichtet, den Klägern das Erbbaurecht an einem erschlossenen Grundstück zu übertragen. Als Gegenleistung hatten die Kläger einen "Festpreis" von 142 DM pro qm des Erbbaurechtsgrundstücks an das Wohnungsunternehmen zu zahlen. Die Kläger hatten sich in dem "Erbbaurechtskaufvertrag" zudem ausdrücklich verpflichtet, den Festpreis "für die Übertragung des Erbbaurechts nebst Durchführung der Erschließung" zu zahlen. Der Wortlaut der vertraglichen Vereinbarungen ist insoweit eindeutig.

Bei dieser Sachlage scheidet ein Zusammenhang zwischen den von den Klägern übernommenen Erschließungskosten und dem zu dem Grundstückseigentümer bestehenden Nutzungsverhältnis aus, so daß auch die Erschließungskosten nicht als zusätzliches Nutzungsentgelt beurteilt werden können. Auch kann nicht davon ausgegangen werden, daß die Kläger dem Wohnungsunternehmen lediglich die von diesem aufgewendeten Kosten der Erschließung zu erstatten hatten; hiergegen spricht, daß die Kläger einen festgelegten Betrag pro qm des Grundstücks zu zahlen hatten und das Wohnungsunternehmen nach dem eindeutigen Wortlaut des Erbbaurechtskaufvertrags vom 22. Mai 1986 (§ 4, 2.) das Risiko hinsichtlich der tatsächlichen Höhe der Erschließungskosten trug.

Etwas anderes ergibt sich --entgegen der Ansicht der Kläger-- auch nicht aus dem Umstand, daß sie sich in dem Erbbaurechtskaufvertrag zugleich zur Zahlung des laufenden Erbbauzinses an den Grundstückseigentümer verpflichtet haben; denn mit der Pflicht zur Zahlung eines Erbbauzinses i.S. von § 9 der Erbbaurechtsverordnung haben sie lediglich die --bis dahin dem Wohnungsunternehmen obliegende-- Gegenleistung für die Einräumung des Erbbaurechts an dem ursprünglich unerschlossenen Grundstück übernommen.

3. Hiernach ist die Vorentscheidung aufzuheben. Die Sache ist spruchreif. Die Klage ist nach den vorstehenden Ausführungen abzuweisen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 64885

BFH/NV 1994, 26

BStBl II 1994, 292

BFHE 173, 61

BFHE 1994, 61

BB 1994, 419

BB 1994, 419 (L)

DB 1994, 456-457 (LT)

DStZ 1994, 218-219 (KT)

HFR 1994, 259-260 (LT)

StE 1994, 107 (K)

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