Leitsatz (amtlich)

1. Für Streitigkeiten über die Gewährung von Ausgleichsbeträgen Wahrung ist der Finanzrechtsweg gegeben.

2. Die Bestimmung in der Bekanntmachung des Bundesministers für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten vom 18. Mai 1971, daß Ausgleichsbeträge Währung nur für Waren gewährt werden können, die ab 12. Mai 1971 der Versandzollstelle zur Ausfuhr angemeldet oder gestellt worden sind, hält sich im Rahmen der Ermächtigung des Art. 1 Abs. 1 der VO (EWG) 974/71.

 

Normenkette

EWGV 804/68 Art. 17; EWGV 1041/67 Art. 1; EWGV 648/73 Art. 7-8; EWGV 974/71 Art. 1, 7-8; EWGV 1463/73 Art. 6-7; AWG § 4 Abs. 2 Nr. 3, § 46 Abs. 3; VO AusfErst EWG 1968 § 9 Abs. 1 bis, Abs. 3; AWV § 9 Abs. 1-2, § 30 Abs. 1, Anlage E 3; Bek. Drittländer vom 18. Mai 1971 (BAnz Nr. 93, BZBl 1971, 494)

 

Tatbestand

Das Hauptzollamt – HZA – lehnte die von der Klägerin für die am 10. Mai 1971 bei der Versandzollstelle zur Ausfuhr nach Ungarn angemeldete und am 23. Mai 1971 ausgeführte Molke beantragte Zahlung von Ausgleichsbeträgen mit der Begründung ab, daß die hierfür maßgebende Bekanntmachung des Bundesministers für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten über die Gewährung von Ausgleichsbeträgen bei der Ausfuhr von landwirtschaftlichen Erzeugnissen nach dritten Ländern vom 18. Mai 1971 (Bundesanzeiger – BAnz – Nr. 93 vom 19. Mai 1971. Bundeszollblatt 1971 S. 494 – BZBl 1971, 494 –) – nachfolgend Bek. Drittländer – nur für Waren gelte, die ab 12. Mai 1971 der Versandzollstelle gestellt oder angemeldet worden seien.

Nach erfolglosem Einspruch hob das Finanzgericht (FG) den Ablehnungsbescheid des HZA und die Einspruchsentscheidung auf und verpflichtete das HZA zur Gewährung des von der Klägerin begehrten Ausgleichsbetrags.

Das FG führte aus, daß die Bek. Drittländer gemäß Art. 8 der Verordnung (EWG) Nr. 974/71 vom 12. Mai 1971 (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften (ABlEG – Nr. L 106/1 vom 12. Mai 1971, BZBl 1971, 550) – nachfolgend VO (EWG) 974/71 – nur für landwirtschaftliche Erzeugnisse angewandt werden könne, die ab 12. Mai 1971 ausgeführt worden seien. Die Ware habe erst am 23. Mai 1971 das Wirtschaftsgebiet verlassen. Dies sei der Ausfuhrtag nach § 4 Abs. 2 Nr. 3 des Außenwirtschaftsgesetzes (AWG). Diese Bestimmung sei mangels einer Regelung in der VO (EWG) 974/71 oder in der VO (EWG) 1013/71 vom 17. Mai 1971 (ABlEG Nr. L 110/8 vom 18. Mai 1971, BZBl 1971, 552) oder in der VO (EWG) 1014/71 vom 17. Mai 1971 (ABlEG Nr. L 110/10 vom 18. Mai 1971, BZBl 1971, 554) maßgebend, auf die in Abschn. I der Bekanntmachung des Bundesministers für Ernährung. Landwirtschaft und Forsten vom 18. Mai 1971 über die Gewährung von Ausgleichsbeträgen bei der Ausfuhr von landwirtschaftlichen Erzeugnissen nach Mitgliedstaaten – nachfolgend Bek. Mitgliedstaaten – (BAnz Nr. 93 vom 19. Mai 1971, BZBl 1971, 492) zum Begriff „Ausfuhr” verwiesen sei.

Der in Art. 1 der VO (EWG) 974/71 verwendete Begriff „Ausfuhr” werde in den Abschn. II bis V Bek. Drittländer nicht mehr erwähnt. Soweit in Abschn. III Abs. 4 vorgesehen sei, daß hinsichtlich der Ausgleichsbeträge die Bestimmungen angewendet werden, die an dem Tag gelten, an dem das Kontrollexemplar durch die Versandzollstelle erteilt wird, bedeute dies keine erkennbare Bezugnahme auf Art. 1 der VO (EWG) 1041/67 vom 21. Dezember 1967 (ABlEG Nr. L 314/9 vom 23. Dezember 1967). In Art. 1 der VO (EWG) 1041/67 fehle jede Bezugnahme auf das Kontrollexemplar. Nach Art. 5 Abs. 1 dieser Verordnung dienten Kontrollexemplare dem Nachweis darüber, daß bestimmte Erzeugnisse das geographische Gebiet der Gemeinschaft verlassen haben. Abschn. III Abs. 4 der Bek. Drittländer biete, auch für sich betrachtet, im Streitfall keine Handhabe dafür, den 10. Mai 1971 als Tag der Ausfuhr anzusehen. Dagegen spreche zunächst, daß die hier vorgesehene Regelung in auffälligem Widerspruch zu Abschn. I stehe. Darüber hinaus habe hier die Versandzollstelle der Klägerin kein Kontrollexemplar erteilt. Dazu habe vor da Freigabe der Wechselkurse und der damit verbundenen Inkraftsetzung der VO (EWG) 974/71 am 12. Mai 1971 auch kein Anlaß bestanden, weil die von der Klägerin ausgeführte Molke nicht erstattungsfähig gewesen sei. Nur in Abschn. III Abs. 1 der Bek. Drittländer i. V. m. Abs. 3 der Dienstanweisung zu den Bekanntmachungen über die Gewährung von Ausgleichsbeträgen bei der Ausfuhr von landwirtschaftlichen Erzeugnissen nach Mitgliedstaaten und dritten Ländern vom 19. Mai 1971 (BZBl 1971, 495) sei die Erteilung eines Kontrollexemplars auch für Waren vorgeschrieben worden, für die keine Ausfuhrerstattung gewährt werde. Erst seit der Veröffentlichung der Bek. Drittländer im BAnz Nr. 93 vom 19. Mai 1971 sei die Klägerin wegen der in Abschn. III Satz 1 vorgeschriebenen Anwendung der Verordnung Ausfuhrerstattung EWG vom 24. Januar 1968 – VO AusfErst EWG 1968 – (BAnz Nr. 18 vom 26. Januar 1968, BZBl 1968, 86) verpflichtet gewesen, Ausfuhrpartien unter Vorlage eines Kontrollexemplars der Versandzollstelle zu gestellen (§ 9 Abs. 3 dieser Verordnung). Das habe sie aber deshalb nicht tun können, weil die Gesamtpartie bereits am 10. Mai 1971 verladen und versandt worden sei. Da eine solche Entwicklung vorauszusehen gewesen sei, sei in Abschn. III Satz 3 der Bek. Drittländer bestimmt worden, daß hinsichtlich von Erzeugnissen, für die nach EWG-Verordnungen keine Erstattungen gewährt werden und für die, wie im Streitfall vor dem 20. Mai 1971 kein Kontrollexemplar erteilt worden sei, andere Beweisstücke zugelassen werden können. Vor der Veröffentlichung im BAnz vom 19. Mai 1971 sei weder der Klägerin noch dem HZA bekanntgewesen, ob Ausgleichsbeträge nach EWG-rechtlichen Durchführungsbestimmungen oder nationalen Ausführungsvorschriften gewährt oder für Molke Ausgleichsbeträge gezahlt würden.

Abschn. VI der Bek. Drittländer, nach dem diese für ab 12. Mai 1971 bei der Versandzollstelle zur Ausfuhrabfertigung gestellte oder angemeldete Ausfuhrwaren gelte, unterscheide nicht zwischen Waren, für die Ausfuhrerstattungen gewährt werden und solchen, für die Erstattungsbeträge nicht festgesetzt sind. Für nicht erstattungsfähige Waren hätten vor der Veröffentlichung der Bek. Drittländer im BAnz vom 19. Mai 1971 auf die Ausfuhr nur die Vorschriften des Außenwirtschaftsgesetzes (§ 4 Abs. 2 Nr. 3) angewandt werden können. Nach dem Wortlaut des Abschn. VI seien nur erstattungsfähige Waren von diesem Abschnitt erfaßt, für die auch schon vor dem Inkrafttreten der Bek. Drittländer die Versandzollstelle ein Kontrollexemplar habe erteilen müssen. Auf diese Waren sei schon im Hinblick auf die beantragte Ausfuhrerstattung Art. 1 der VO (EWG) 1041/67 anwendbar.

Mit der Revision macht das HZA geltend, daß es der Bundesregierung nach der Ermächtigung des Art. 1 der VO (EWG) 974/71 freigestanden habe, den Zeitpunkt zu bestimmen, von dem an von der Ermächtigung zur Zahlung der Ausgleichsbeträge Gebrauch gemacht werde. Dieser sei in Abschn. VI der Bek. Drittländer dahin bestimmt worden, daß diese nur für Waren gelte, die ab 12. Mai 1971 bei einer Versandzollstelle zur Ausfuhrabfertigung gestellt oder angemeldet worden seien. Dadurch hätten grenzferne und grenznahe Ausführer gleichbehandelt werden sollen. Da Abschn. VI für sich allein stehe, sei nur sein Wortlaut für die Frage maßgebend, ab wann in der Bundesrepublik Deutschland (Bundesrepublik) Ausgleichsbeträge zu zahlen seien. Er werde nicht durch die VO (EWG) 974/71 in dem Sinne ergänzt, daß über den von ihr gesetzten Rahmen hinaus auch nach dieser Verordnung noch Ausgleichsbeträge zu zahlen seien.

Selbst wenn man die Bek. Drittländer auf die vor dem 12. Mai 1971 der Versandzollstelle angemeldeten Waren nach dem Verfahren der Vorausanmeldung (§ 15 Abs. 1 der AußenwirtschaftsverordnungAWV –) für anwendbar halte, sei nach Abschn. III Abs. 4 Satz 1 der für die Anwendung der Rechtsvorschriften maßgebende Zeitpunkt der Tag, an dem das Kontrollexemplar durch die Versandzollstelle erteilt werde. Diese Erteilung erfolge im Zusammenhang mit der außenwirtschaftlichen Behandlung der Ausfuhrsendung (vgl. Abschn. III Satz 1 i. V. m. § 9 Abs. 1 bis 3 der VO AusfErst EWG 1968). Da vor dem 20. Mai 1971 keine Kontrollexemplare erteilt worden seien, könne das nur der Zeitpunkt der außenwirtschaftsrechtlichen Behandlung der Ausfuhrsendung durch die Versandzollstelle sein. Andernfalls würde es zu einer ungleichen Behandlung der erstattungsfähigen Waren, für die bis zu diesem Zeitpunkt Kontrollexemplare erteilt worden seien, und den nicht erstattungsfähigen Waren kommen. Zum anderen wäre sonst eine gleiche Behandlung grenzferner und grenznaher Ausführer nicht sichergestellt. Abschn. III Abs. 4 könne deshalb nur so verstanden werden, daß als maßgebender Zeitpunkt für die anzuwendenden Rechtsvorschriften der Tag gelte, an dem das Kontrollexemplar erteilt werde oder erteilt worden wäre, wenn die Verfahrensregelung zu diesem Zeitpunkt bereits bekannt gewesen wäre. Im Streitfall wäre spätestens im Zeitpunkt der Verladung der Waren, d. h. am 10. Mai 1971, ein Kontrollexemplar zu erteilen gewesen. An diesem Tag aber sei eine Währungsausgleichsregelung noch nicht in Kraft gewesen.

Die Klägerin führt aus, daß die Bundesrepublik dadurch, daß sie von der Ermächtigung der VO (EWG) 974/71 Gebrauch gemacht habe, verpflichtet gewesen sei, dieser Verordnung gemäß zu handeln, sowohl was den Termin des Inkrafttretens als auch was den Wortlaut und den Sinn der Verordnung betreffe. Die Bek. Drittländer, die nur die Durchführung der Verordnung nach Wortlaut, Sinn und Zeitpunkt zum Inhalt haben könne, dürfe an gleiche Tatbestände nicht unterschiedliche Maßstäbe anlegen. Das HZA behandle den Begriff „Ausfuhr”, der in der Verordnung stehe, in zwei gleichzeitigen Bekanntmachungen unterschiedlich; es unterscheide geographisch, indem es den Ausfuhrzeitpunkt bei der Ausfuhr nach Mitgliedsländern nach dem effektiven Verbringen und bei der Ausfuhr nach Drittländern nach der Anmeldung oder Gestellung bei der Versandzollstelle bestimme. Diese willkürlich unterschiedliche Interpretation habe der vom Gesetz Begünstigte nicht voraussehen können. Die Bek. Mitgliedstaaten zeige, daß die „Ausfuhr” i. S. des Außenwirtschaftsgesetzes habe zugrunde gelegt werden müssen. Der vom HZA eingeschlagene Weg führe zu einigen grotesken Ungerechtigkeiten:

  1. „Ware 1 (nach Drittland erstattungsfähig) wird am 11. Mai 1971 mit Kontrollexemplar versehen (Gestellung) zur Ausfuhr nach Drittland. Kein Ausgleichsbetrag (aber Erstattung).
  2. Ware 1 wird am 11. Mai 1971 nach Holland auf den Weg gebracht, geht (mit dem gleichen Zug) am 13. Mai 1971 über die holländische Grenze. Ausgleichsbetrag gewährt (keine Erstattung).
  3. Ware 2 (nicht erstattungsfähig) wird am 11. Mai 1971 auf den Weg nach Drittland gebracht, überschreitet die holländische Grenze am 13. Mai 1971 zur Verschiffung in Holland. Kein Ausgleichsbetrag.
  4. Ware 2 wird am 11. Mai 1971 auf den Weg nach Holland gebracht, geht (ebenfalls im gleichen Zug) am 13. Mai 1971 über die Grenze. Ausgleichsbetrag gewährt.”

Dies zeige auch, daß die vom HZA angeführte gleiche Behandlung grenznaher und grenzferner Ausführer in diesem Zusammenhang nicht zutreffe.

Zwar ergäben sich nach der Vorentscheidung unterschiedliche Ausfuhrzeitpunkte für Ausfuhren nach dritten Ländern. Das HZA mache aber mit dieser Feststellung die Ausnahme zur Regel. Generell sei nach der VO (EWG) 974/71 lediglich die „Ausfuhr” angesprochen und in der Bek. Mitgliedstaaten auch (richtig) nach dem Außenwirtschaftsgesetz definiert. Ausnahme sei, daß bei der Ausfuhr erstattungsfähiger Waren nach dritten Ländern ein zweiter Ausfuhrzeitpunkt bereits vorgegeben gewesen sei, der aus durchaus logischen Erwägungen für diese Waren habe übernommen werden sollen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Abweisung der Klage.

Das FG hat den Finanzrechtsweg wegen des engen Zusammenhangs zwischen der Gewährung von Ausfuhrerstattungen nach Art. 17 der VO (EWG) 804/68 des Rates vom 27. Juni 1968 über die gemeinsame Marktorganisation für Milch und Milcherzeugnisse (ABlEG Nr. L 148/13 vom 28. Juni 1968) und den nach Art. 1 der VO (EWG) 974/71 zu gewährenden Ausgleichsbeträgen Währung bei der Ausfuhr aufgrund von § 9 Abs. 1 Satz 1 des Durchführungsgesetzes EWG Milch und Milcherzeugnisse sowie Rindfleisch (DurchfG EWG-Milch/Rindfl) vom 19. Juli 1968 (BGBl I, 838, BZBl 1968, 802) i. V. m. § 33 Abs. 1 Nr. 4 FGO angenommen. Der erkennende Senat hält jedoch den Finanzrechtsweg schon nach § 33 Abs. 1 Nr. 1 FGO für gegeben, weil es sich bei dem Streit wegen bei der Ausfuhr zu gewährenden Ausgleichsbeträgen Währung um eine Abgabenangelegenheit i. S. des § 33 Abs. 2 FGO handelt. Zwar sind diese Beträge keine Steuern i. S. des § 1 AO. Sie bilden jedoch zusammen mit den aufgrund derselben Vorschrift des Art. 1 Abs. 1 der VO (EWG) 974/71 bei der Einfuhr und bei der Ausfuhr zu erhebenden sowie bei der Einfuhr zu gewährenden Ausgleichsbeträgen ein geschlossenes System von aus Währungsgründen getroffenen konjunkturpolitischen Maßnahmen, wie dies in der Benennung und insbesondere in der Präambel der VO (EWG) 974/71 zum Ausdruck kommt. Dieses Ausgleichssystem wird verfahrensmäßig und technisch dadurch verwirklicht, daß die Zollbehörden, also Bundesfinanzbehörden, aufgrund der einschlägigen EWG-Vorschriften und der dazu erlassenen nationalen Ausführungsvorschriften die Ausgleichsbeträge Währung zusammen mit den anderen bei der Einfuhr zu erhebenden Abgaben und bei der Ausfuhr zu gewährenden Abgaben und Erstattungen nach den nationalen abgabenrechtlichen Verfahrensbestimmungen erheben und gewähren. Damit ist ein enger Zusammenhang mit der Anwendung der abgabenrechtlichen Vorschriften durch die Finanzbehörden i. S. des § 33 Abs. 2 Satz 1 FGO gegeben.

Die im Streitfall angewendete Bek. Drittländer unterliegt, wie das FG zutreffend ausgeführt hat, der Auslegung und Prüfung durch die Gerichte wie eine Rechtsnorm, da ihre Bedeutung über eine bloße Anweisung für die Verwaltung hinausgeht und deren Ermessen mit Wirkung nach außen bindet (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs – BFH – vom 13. Januar 1976 VII R 40/73, BFHE 118, 492).

Mit dieser Bekanntmachung hat die Bundesrepublik von der in Art. 1 Abs. 1 der VO (EWG) 974/71 für die Mitgliedstaaten, die bei Handelsgeschäften für ihre Währung einen Wechselkurs außerhalb der international festgelegten Bandbreiten zuließen, erteilten Ermächtigung Gebraucht gemacht, bei der Ausfuhr Ausgleichsbeträge zu gewähren. Die Bek. Drittländer mußte sich demnach im Rahmen dieser Ermächtigung halten. Sie durfte gemäß Art. 8 der Verordnung erst ab 12. Mai 1971 angewendet werden. Da sich die Ermächtigung an die Mitgliedstaaten richtete (s. Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften – EGH – vom 24. Oktober 1973 Rs. 43/73, EGHE 1973, 1055), und die Verordnung nicht vorschrieb, daß die Mitgliedstaaten von dieser Ermächtigung bereits im Zeitpunkt der Freigabe des Wechselkurses Gebrauch machen mußten, stand es den Mitgliedstaaten frei, diesen Zeitpunkt selbst zu bestimmen. Dies ist durch Abschn. VI der Bek. Drittländer geschehen. Danach war die Gewährung von Ausgleichsbeträgen nur für solche Waren vorgesehen, die ab 12. Mai 1971 bei einer Versandzollstelle zur Ausfuhrabfertigung gestellt oder angemeldet worden sind. Damit ist in der Bekanntmachung ein Zeitpunkt gewählt worden, der in der Regel vor der eigentlichen Ausfuhr der Ware liegt, weil die Versandabfertigung vor der Ausfuhr erfolgen muß (§ 46 Abs. 3 AWG, § 9 Abs. 1 und 2 und § 15 AWV). Dem Gebot des Art. 8 der VO (EWG) 974/71 ist damit Genüge getan.

Nach diesem Zeitpunkt getätigte Ausfuhren konnten infolge dieser Regelung allerdings dann nicht in den Genuß der Ausgleichsbetragsregelung gelangen, wenn die betreffenden Waren vor dem 12. Mai 1971 der Versandzollstelle gestellt oder angemeldet worden waren. Die Wahl des Zeitpunktes des Inkrafttretens erscheint gleichwohl sachgerecht und nicht willkürlich, weil dadurch vermieden wird, daß grenzferne Ausführer schlechter oder besser als grenznahe gestellt werden, wie dies auch zur Rechtfertigung dieser Wahl vom HZA unter Hinweis auf ähnliche Ausfuhrbestimmungen in Art. 1 VO (EWG) 1041/67 und Art. 7 und 8 der VO (EWG) 648/73 vom 1. März 1973 (ABlEG Nr. L 64/1 vom 9. März 1973, BZBl 1973, 323) angeführt wird. Da die streitigen Waren vor dem 12. Mai 1971 zur Ausfuhrabfertigung bei der Versandzollstelle angemeldet worden waren, hat das HZA entgegen der Ansicht des FG zu Recht die Zahlung von Ausgleichsbeträgen abgelehnt.

Der Meinung des FG, Abschn. VI der Bek. Drittländer gelte nicht für nichterstattungsfähige Waren, weil für diese Waren im Zeitpunkt der Veröffentlichung der Bekanntmachung im BAnz vom 19. Mai 1971 das in Abschn. III Abs. 1 vorgesehene Kontrollexemplar nicht zu erteilen gewesen sei, kann nicht gefolgt werden. Das FG übersieht, daß Abschn. VI die Anwendbarkeit der Bestimmungen nicht von der Erteilung eines Kontrollexemplars abhängig macht, sondern allein von der Gestellung oder Anmeldung bei der Versandzollstelle. Das Kontrollexemplar nach Abschn. III und nach § 9 Abs. 1 bis 3 VO AusfErst EWG 1968 dient lediglich Beweiszwecken aufgrund einer Versandabfertigung. Dieser Nachweis konnte in der Übergangszeit nach Abschn. III Abs. 1 letzter Satz für nichterstattungsfähige Waren durch andere Beweisstücke erbracht werden. Demnach konnten auch schon ab 12. Mai 1971 für nichterstattungsfähige, zur Versandabfertigung angemeldete Waren Ausgleichsbeträge gewährt werden.

Auf die Frage, wann die Waren tatsächlich ausgeführt wurden oder als ausgeführt galten und was unter dem Begriff „Ausfuhr” in Art. 1 der VO (EWG) 974/71 zu verstehen ist, kommt es nicht an, weil die schon vor dem 12. Mai 1971 der Versandzollstelle angemeldeten streitigen Waren nach den vorstehenden Ausführungen von der Ausgleichsbetragsregelung ausgeschlossen sind. So betrifft der Hinweis des FG auf den in Klammerzusatz bei Abschn. I der Bek. Mitgliedstaaten befindlichen Hinweis auf § 4 Abs. 2 Nr. 3 AWG lediglich den Ausfuhrtatbestand als solchen. Die Regelung des Inkrafttretens der Bek. Drittländer würde allenfalls dann gegen den Gleichheitssatz und gegen Art. 7 der VO (EWG) 974/71 verstoßen, wenn für Ausfuhren nach Drittländern und nach Mitgliedstaaten verschiedene Zeitpunkte bestimmt worden wären. Dies ist aber nicht der Fall. Auch nach Abschn. XVII der Bek. Mitgliedstaaten gelten deren Bestimmungen für Waren, die ab 12. Mai 1971 bei der Versandzollstelle zur Ausfuhrabfertigung gestellt oder angemeldet worden sind. Auf die anderen Bestimmungen in den beiden Bekanntmachungen kommt es für den Streitfall nicht an. Anhaltspunkte dafür, daß diese wegen bestehender Unterschiede einzelner Bestimmungen im ganzen nichtig wären, sind nicht ersichtlich. Vielmehr erscheinen diese Unterschiede auch in den später ergangenen einschlägigen EWG-Verordnungen. So ist Tag der Ausfuhr nach Art. 7 und 8 Abs. 2 der VO (EWG) 648/73 und in Art. 6 Abs. 1 und Art. 7 Abs. 2 der VO (EWG) 1463/73 vom 30. Mai 1973 (ABlEG Nr. L 146/1 vom 4. Juni 1973, BZBl 1973, 648) bei Ausfuhren nach Drittländern der für die Erstattung maßgebende Zeitpunkt, aber bei Ausfuhren nach Mitgliedstaaten der Tag, an dem die Zollstelle die Willenserklärung annimmt, unter Inanspruchnahme eines Währungsausgleichsbetrags ein Gemeinschaftserzeugnis auszuführen.

In den von der Klägerin angeführten Beispielen ergibt sich nach der vorstehenden Beurteilung des Abschn. VI der Bek. Drittländer keine ungleiche Behandlung für Waren, je nachdem, ob sie nach einem Mitgliedstaat oder nach einem Drittland ausgeführt worden sind. Denn in jedem Fall kann die Ausgleichsbetragsregelung deshalb nicht angewendet werden, weil die Waren vor dem 12. Mai 1971 der Versandzollstelle zur Ausfuhrabfertigung angemeldet worden sind.

 

Fundstellen

Haufe-Index 510615

BFHE 1977, 234

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