Leitsatz (amtlich)

Verpachtet im Rahmen einer Betriebsaufspaltung die Besitz-Personengesellschaft der Betriebs-Kapitalgesellschaft nicht ihren Betrieb, sondern allein die Räumlichkeiten, in denen er geführt wurde, unter Übertragung des Umlaufvermögens und des Vertriebs unter Zurückbehaltung des Grundvermögens und des Inventars, so liegt im entgeltlichen Erwerb des Betriebsvermögens (Anlage- und Umlaufvermögens) einer von der Betriebs-Kapitalgesellschaft gegründeten Zweigniederlassung der Erwerb eines lebenden Unternehmens. Der Fall ist dem mit Urtell vom 31. März 1971 I R 111/69 (BFHE 102, 73, BStBl II 1971, 536) entschiedenen nicht vergleichbar.

 

Normenkette

EStG § 6 Abs. 1 Nr. 2

 

Tatbestand

Streitig ist die steuerrechtlich zutreffende Behandlung einer Abschreibung in Höhe von 250 000 DM, die der Kläger und Revisionskläger (Kläger) aus Anlaß der Rückgängigmachung einer Betriebsaufspaltung im Streitjahr (1965) vorgenommen hat.

Der Kläger, der sein Unternehmen zunächst in der Form eines Einzelhandelsgeschäfts betrieben hatte, hatte mit Wirkung vom 1. Januar 1951 eine Betriebs-GmbH ausgegründet und dieser das Umlaufvermögen seines Unternehmens sowie den Vertrieb übertragen. Die Tätigkeit des Einzelhandelsunternehmens war von diesem Zeitpunkt ab auf die Verwaltung des Grundvermögens und des Inventars beschränkt. Unter dem 25. Januar 1951 hätte der Kläger, der zugleich Alleingesellschafter der GmbH war, mit der GmbH einen (durch Nachträge vom 13. März 1952 und 12. Januar 1960 ergänzten) Pachtvertrag geschlossen, mit dem er der GmbH die bisher von seinem Einzelhandelsunternehmen genutzten - teils im Eigentum des Klägers stehenden, teils angemieteten - Räumlichkeiten gegen Zahlung eines Pachtzinses überließ; der Vertrag erstreckte sich auch auf Räumlichkeiten, die der Kläger erst später zu Eigentum erwerben oder anmieten würde.

Anfangs des Jahres 1961 hatte der Kläger dem zuständigen Landesfinanzministerium mitgeteilt, daß er fortan den Vertrieb wieder auf sein Einzelhandelsunternehmen zurückübertragen wolle und um Erteilung einer verbindlichen Auskunft gebeten, daß im Zusammenhang mit der Rückübertragung der Ansatz eines Geschäftswerts nicht in Betracht komme. Das Ministerium hatte demgegenüber die Ansicht vertreten, daß bei der im Jahre 1953 in K gegründeten Zweigniederlassung der GmbH ein Geschäftswert erarbeitet worden sei, der am Geschäft selbst und nicht am Geschäftsgrundstück hänge und mit rund 250 000 DM anzunehmen sei. Dem hatte der Kläger zugestimmt. Nachdem zum 1. April 1961 das Pachtverhältnis zwischen dem Einzelhandelsunternehmen des Klägers und der GmbH gelöst worden war, wurde am 21. September 1961 zwischen ihnen ein Kaufvertrag geschlossen, mit dem die GmbH der Einzelfirma die ihr Unternehmen bildenden Wirtschaftsgüter (Aktiva, Passiva, Kundenorganisation mit allen Unterlagen, Geschäftsbücher, Werbematerial usw.) zum Preise von 1 974 715,72 DM überließ; unter diesen Wirtschaftsgütern war auch die Kundenorganisation mit 250 000 DM aufgeführt.

Mit Vertrag vom 5. Dezember 1961 brachte der Kläger mit Wirkung vom 1. Januar 1962 sein Einzelhandelsunternehmen in die T-GmbH & Co. KG ein, deren einziger Kommanditist er war. Da die Komplementär-GmbH (die frühere Vertriebs-GmbH) nach dem Vertrag weder am Gewinn noch am Verlust der KG beteiligt war, wurde die KG steuerrechtlich als Einzelunternehmen des Klägers behandelt. In ihrer Bilanz zum 31. Dezember 1965 schrieb die KG den bisher unter den Aktiven geführten Geschäftswert von 250 000 DM unter Hinweis auf § 153 Abs. 5 AktG 1965 gewinnmindernd auf 0 DM ab. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (FA) erkannte die Abschreibung nicht an.

Einspruch und Klage blieben ohne Erfolg. Das FG führte aus:

Die Aufwendungen, die ein Kaufmann anläßlich des Erwerbs eines lebenden Unternehmens im ganzen für den Geschäftswert dieses Unternehmens gemacht habe, seien in der Regel nicht gewinnmindernd abschreibungsfähig (§ 6 Abs. 1 Nr. 2 EStG; Urteil des BFH vom 5. August 1970 I R 180/66, BFHE 100, 89, BStBl II 1970, 804). Der seinerzeit zwischen dem Kläger und der GmbH abgeschlossene Kaufvertrag vom 21. September 1961 besage ausdrücklich, daß die GmbH dem Kläger die von ihr entwickelte Kundenorganisation mit allen dazugehörigen Unterlagen, Geschäftsbüchern, Werbematerial usw. übertrage und der Kaufpreis hierfür 250 000 DM ausmache. Er lasse mithin nichts dafür erkennen, daß der Kläger - wie er jetzt vortrage - die streitigen 250 000 DM nicht für den Geschäftswert des erworbenen Unternehmens der GmbH aufgewendet habe. Der Kläger habe auch in seinen Verhandlungen mit der Finanzverwaltung anerkannt, daß die GmbH in K diesen Geschäftswert erarbeitet habe. An dieses Anerkenntnis sei der Kläger nach Treu und Glauben gebunden. Er könne sich nicht darauf berufen, daß er sich damals über die tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse geirrt habe und den streitigen Betrag entgegen dem Wortlaut des Vertrages als Entschädigung für die vorzeitige Auflösung des Pachtverhältnisses oder als Ausgleich dafür gezahlt habe, daß die GmbH den der Einzelfirma zuzurechnenden Geschäftswert vermehrt habe, ohne davon einen über das Ende des Pachtverhältnisses hinausreichenden Vorteil zu haben. Selbst wenn die nunmehrige Einlassung des Klägers zutreffe, wäre der durch eine derartige Abstandszahlung erlangte Vorteil bei der Einzelfirma zu aktivieren gewesen. Da der Kläger und die GmbH den Pachtvertrag im Zeitpunkt der vorzeitigen Auflösung des Pachtverhältnisses frühestens zum 31. Dezember 1962 hätten kündigen können, hätte die Einzelfirma eine Abstandszahlung bereits innerhalb des Zeitraums bis zum 31. Dezember 1962 in gleichmäßigen Beträgen abschreiben müssen (Beschluß des BFH vom 2. März 1970 GrS 1/69, BFHE 98, 360, BStBl II 1970, 382).

Gegen diese Entscheidung richtet sich die form- und fristgerecht eingelegte Revision des Klägers mit dem Antrag, unter Aufhebung der Vorentscheidung und der Einspruchsentscheidung die Einkommensteuer 1965 aus einem um 250 000 DM niedrigeren Einkommen zuzüglich ersparter Gewerbesteuer festzusetzen. Zur Begründung läßt er vortragen:

Der Kläger habe der im Wege der Bargründung errichteten GmbH seinerzeit sein in der Form eines Einzelhandelsgeschäfts betriebenes Unternehmen verpachtet. Daß Gegenstand des Vertrages nicht nur das zum Vermögen der Einzelfirma gehörige Anlagevermögen gewesen sei, ergebe sich - wenn auch nicht aus dem Vertragswortlaut - so doch aus der Pachtzinsabrede, nach der der Pachtzins wie bei einer Unternehmensverpachtung nach dem Umsatz der Pächterin bemessen worden sei. Sei aber der GmbH das Unternehmen nur verpachtet gewesen, dann habe es die Einzelfirma bei Aufhebung des Pachtvertrages weder erwerben noch zurückerwerben können. Daß das Umlaufvermögen des verpachteten Unternehmens von der Einzelfirma des Klägers erworben worden sei, ändere daran nichts. Die von der GmbH in K begründete Zweigniederlassung bedeute lediglich eine Erweiterung des gepachteten Unternehmens, die sich wirtschaftlich nicht von einer Erweiterung des gepachteten Unternehmens durch die Umsatzsteigerung des Einzelhandelsgeschäfts (der Verpächterin) in H unterscheide.

Demgemäß könne im Streitfalle auch nicht von dem Erwerb eines lebenden Unternehmens im ganzen durch den Kläger die Rede sein und der Erwerb eines Firmenoder Geschäftswerts aus Rechtsgründen nicht angenommen werden. Infolgedessen spiele es auch keine Rolle, welche Vereinbarungen die Vertragschließenden bezüglich der Kaufpreisaufteilung getroffen hätten, zumal es sich hier bei dem Kaufpreis für einen "Geschäftswert" lediglich um eine steuerrechtlich unbeachtliche falsa demonstratio handele.

Der Kläger könne auch nicht nach Treu und Glauben an die mit dem zuständigen Landesfinanzministerium getroffene Absprache gebunden gehalten werden; sie habe sich nicht auf die Behandlung dieser 250 000 DM bei der KG (dem Kläger) bezogen und sei allenfalls dahin zu verstehen, daß das Ministerium die gewinnmindernde Abschreibung dieses Betrages zugelassen habe. Die vom Ministerium vertretene Auffassung - daß bei Rückgabe eines gepachteten Unternehmens an den Verpächter dem Pächter eine Entschädigung für den während der Pachtzeit geschaffenen oder vermehrten Geschäftswert zu zahlen sei - sei durch das BFH-Urteil vom 31. März 1971 I R 111/69 (BFHE 102, 73, BStBl II 1971, 536) überholt. Der Kläger habe seinerzeit das Ministerium von der Richtigkeit seiner Auffassung nicht überzeugen können und deshalb die getroffene Abrede eingehen müssen, wenn er nicht das Risiko der Annahme einer der Höhe nach unbezifferbaren verdeckten Gewinnausschüttung hätte eingehen wollen.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist nicht begründet.

1. Wie der Kläger mit Schriftsatz vom 4. März 1961 dem zuständigen Landesfinanzministerium vorgetragen und auch in seiner Klageschrift vom 9. Februar 1970 wiederholt hat, wurde die GmbH zum 1. Januar 1951 im Wege der Betriebsaufspaltung ausgegründet. Der Kläger übertrug der neu gegründeten GmbH das Umlaufvermögen seines bisherigen Einzelhandelsunternehmens; Grundvermögen und Inventar verblieben bei der Einzelfirma, die nur noch als Besitzunternehmen fungierte. Wenn das FG für seine Entscheidung von diesem Sachvortrag ausgegangen ist, so ist das nicht zu beanstanden. Dem nunmehrigen - die Revisionsbegründung tragenden - Vortrag, daß mit dem Pachtvertrag zum 25. Januar 1951 der GmbH - entgegen dem Wortlaut des Vertrages - das vom Kläger als Einzelhandelsgeschäft betriebene Unternehmen verpachtet worden sei, kann nicht gefolgt werden.

Das Gericht entscheidet nach § 96 Abs. 1 FGO nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. Das gilt vor allem hinsichtlich der Feststellung des Sachverhalts als Tatbestand. Soweit es dabei seine Überzeugung von der Richtigkeit bestimmter Tatsachen aufgrund Auslegung von Verträgen und Willenserklärungen des Klägers gewonnen hat, ist der BFH an seine Feststellungen gebunden, sofern nicht mit Bezug auf diesen Tatbestand form- und fristgerecht begründete Revisionsrügen erhoben werden (§ 118 Abs. 2 FGO). Wenn der Kläger mit Schriftsatz vom 2. Juli 1973 ausführt, er sei bisher stets davon ausgegangen, daß die Finanzverwaltung den Pachtvertrag als einen Unternehmenspachtvertrag und nicht als einen Raumpachtvertrag angesehen habe, so sind seine Ausführungen sowohl als Vorbringen neuer Tatsachen als auch als Rüge unzutreffender Tatbestandsfeststellung (insoweit wegen Fristablaufs: § 120 FGO) für das Revisionsgericht unbeachtlich.

2. Das FG hat die Regeln, die für die Auslegung von Verträgen und Willenserklärungen zu beachten sind (vgl. BFH-Urteil vom 5. Dezember 1973 I R 72/72, BFHE 111, 469, BStBl II 1974, 342), nicht verletzt.

a) Wie der erkennende Senat mit Urteil I R 111/69 entschieden hat, liegt im Falle der Rückgängigmachung einer Betriebsaufspaltung und Aufhebung des ihrer Durchführung dienenden Pachtverhältnisses in der Rückübertragung des Geschäftswerts auf das Besitzunternehmen eine verdeckte Gewinnausschüttung nicht vor, wenn dieses seinerzeit dem Betriebsunternehmen den Geschäftswert des aufgespaltenen Unternehmens zusammen mit der Überlassung anderen Anlagevermögens unentgeltlich übertragen hatte. Dies gilt auch dann, wenn das Betriebsunternehmen den Geschäftswert zwischenzeitlich vermehrt hat. Ob in einem solchen Falle ein Anspruch des Betriebsunternehmens auf Wertausgleich besteht, konnte dahinstehen, da das Besitzunternehmen dem Betriebsunternehmen einen wertausgleich in Höhe von 600 000 DM gezahlt hatte.

Anders als in jenem Falle hatte der Kläger der GmbH im Jahre 1951 nicht auch "das gesamte unbewegliche und bewegliche Anlagevermögen", sondern nur das Umlaufvermögen und den Vertrieb übertragen. Es kann deshalb im Streitfalle nicht gesagt werden, daß er angesichts der Vorschriften des § 133 Nr. 5 und des § 131 Abs. 4 Satz 1 AktG (1937) der Vertriebs-GmbH durch den Pachtvertrag mit dem Anlagevermögen "die wesentlichen Grundlagen des Betriebes und damit den Betrieb selbst einschließlich des Geschäftswerts" zur Nutzung überlassen habe. Das BFH-Urteil I R 111/69 ist deshalb auf den vorliegenden Streitfall nicht anwendbar.

b) Entgegen der in der Revisionsbegründungsschrift vorgetragenen Auffassung des Klägers hatte der Kläger der GmbH auch im Pachtvertrag vom 25. Januar 1951 nicht sein bis dahin in der Form des Einzelhandelsgeschäfts betriebenes Unternehmen verpachtet, sondern Räumlichkeiten "zum Betrieb eines Kaufhauses ...". Daß als Pachtzins ein bestimmter Anteil (3 v. H.) vom Umsatz vereinbart wurde, zwingt nicht zu einer vom Wortlaut des Vertrages abweichenden Auslegung dahin, daß eine Unternehmungsverpachtung beabsichtigt und gegeben gewesen sei. Besonders deutlich wird dies in Ansehung des Kaufvertrages vom 21. September 1961, der sich nicht allein auf das Umlaufvermögen der GmbH erstreckt, sondern auch ihr Anlagevermögen zum Gegenstand hat.

c) Der Kläger muß sich, was den zur Beurteilung stehenden Sachverhalt betrifft, auch an den von ihm selbst dem Ministerium gegenüber im Schriftsatz vom 4. März 1961 geschilderten Geschehensablauf gebunden halten lassen, nach dem keine Betriebsverpachtung, sondern eine Betriebsaufspaltung beabsichtigt und gegeben war; mit Vertrag vom 21. September 1961 wurde - wie nach der Darstellung im Schriftsatz vom 4. März 1961 beabsichtigt - das Anlage- und das Umlaufvermögen der GmbH "herausgekauft", so daß die GmbH als reine Vermögensverwaltungsgesellschaft verblieb. Im Schriftsatz vom 10. August 1961 wurde sodann - als das Ergebnis der zwischenzeitlich geführten Verhandlungen - um verbindliche Auskunft nachgesucht, daß dieser Herauskauf anerkannt, als Geschäftswert ein Betrag von 250 000 DM zugrunde gelegt und seine Zahlung bei Rückausschüttung durch die GmbH im Rahmen der Dividende für das Jahr 1961 als berücksichtigungsfähige Ausschüttung nach § 19 Abs. 3 KStG anerkannt werde. Dem hat das Ministerium mit Erlaß vom 2. September 1971 zugestimmt. Wenn demgegenüber die Zahlung der streitigen 250 000 DM im Vertrag vom 21. September 1961 als Kaufpreis für die Kundenorganisation der GmbH bezeichnet worden ist, so muß es angesichts des Vortrags des Klägers gegenüber dem Ministerium und dessen Zustimmung zu der vorgeschlagenen Regelung bei ihrer Zugehörigkeit zum Geschäftswert verbleiben (vgl. BFH-Urteile vom 2. Februar 1972 I R 96/70, BFHE 104, 442, BStBl II 1972, 381; vom 18. Juli 1972 VIII R 16/68, BFHE 106, 432, BStBl II 1972, 884, und vom 14. Februar 1973 I R 89/71, BFHE 109, 222, BStBl II 1973, 580). Ist somit die Zahlung für einen Geschäftswert erfolgt, so kommt im Streitfall eine Abschreibung auf 0 DM nicht in Betracht.

 

Fundstellen

Haufe-Index 71227

BStBl II 1975, 204

BFHE 1975, 553

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