Leitsatz (amtlich)

1) Aufwendungen für Prozeßkosten im Verfahren der Rückerstattung eines gewerblichen Betriebes als Betriebsausgaben.

2) Zur Frage des Verlustabzuges nach Rückerstattung.

 

Tatbestand

Die Beschwerdeführerin (Bfin.) ist eine OHG. Ihr Betrieb war im Jahre 1938 im Wege der Arisierung entzogen und ist den Eigentümern durch Entscheidung der Wiedergutmachungskammer vom 17. Juni 1949 in der Weise zurückerstattet worden, daß er mit Aktiven und Passiven nach dem Stande vom 1. Juli 1949 auf sie überging. Das Geschäftsjahr der OHG läuft seit jeher vom 1. Juli bis 30. Juni.

Streitig ist die Gewinnfeststellung für den Veranlagungszeitraum vom 1. Juli bis 31. Dezember 1949 (§ 16 des Veranlagungsgesetzes II/1948 und 1949 vom 23. März 1950).

Die Bfin. hat für ihr Wirtschaftsjahr 1949/50 einen Gewinn von 19 703 DM ausgewiesen. Das Finanzamt hat diesem einen als Betriebsausgabe nicht anerkannten Betrag von 8264,50 DM hinzugerechnet und den Gewinn für den Veranlagungszeitraum vom 1. Juli bis 31. Dezember 1949 mit 1/2 von 27 964 DM auf 13 984 DM festgestellt. Der Streit geht um die Hinzurechnung der 8264,50 DM.

Bei diesem Posten der Aufwandsrechnung handelt es sich um Kosten, die der Bfin. durch die Durchführung des Rückerstattungsverfahrens entstanden sind. Das Finanzamt hat den Abzug versagt, weil es sich um Aufwendungen zur Wiederherstellung des Vermögens und nicht des Einkommens handle, die Kosten auch vor dem Beginn des Veranlagungszeitraumes (1. Juli 1949) entstanden seien. Der Einspruch blieb erfolglos. Auch die Berufung hat zu einer Abänderung der Entscheidung nicht geführt.

 

Entscheidungsgründe

Die Rechtsbeschwerde (Rb.) ist begründet.

Betriebsausgaben sind die Aufwendungen, die durch den Betrieb veranlaßt sind (§ 4 Abs. 4 des Einkommensteuergesetzes--EStG). Die hier streitigen Aufwendungen werden von den früheren Eigentümern des Betriebes gemacht, um die Herrschaft über den zu Unrecht entzogenen Betrieb zurückzugewinnen. Wenn die Vorinstanzen unter Bezug auf die Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs hinsichtlich der Prozeßkosten in einem Erbschaftsstreit meinen, Betriebsausgaben kämen hier deswegen nicht in Frage, weil Gegenstand des Rückerstattungsverfahrens das entzogene Vermögen und nicht das Einkommen sei, so verkennen sie, daß bei der Rückerstattung die Lage rechtlich und wirtschaftlich anders geartet ist wie in einem Erbfall, wo ein Erbe um Betriebsvermögen des Erblassers kämpft. Daß formal die Gesellschafter und nicht die OHG das Rückerstattungsverfahren betreiben, spielt in diesem Zusammenhang keine Rolle. Ebenso kann die Anerkennung als Betriebsausgabe nicht deswegen versagt werden, weil die Aufwendungen vor der Wiederübernahme des Unternehmens gemacht worden sind. Schon der Reichsfinanzhof hat ausgesprochen, daß vor Eröffnung des Betriebes abzugsfähige Betriebsausgaben entstehen können (so die Entscheidung VI 37/38 vom 9. Februar 1938, Mrozeks Kartei zum Einkommensteuergesetz 1938/1939 Rechtsspr. 2). In dieser Entscheidung ist ausgeführt:

Betriebsausgaben sind alle Ausgaben, die durch den Betrieb veranlaßt sind. Dazu gehören auch solche Ausgaben, die vor Eröffnung, und zwar zum Zwecke der Eröffnung des Betriebes, durch vorbereitende Maßnahmen gemacht wurden. Es kommt dabei darauf an, daß zwischen den Unkosten und dem Betrieb ein unmittelbarer Zusammenhang besteht, und daß der die Unkosten verursachende Vorgang, vom Standpunkt des Betriebes aus betrachtet, sich als ein rein betrieblicher darstellt.

Dem schließt sich der erkennende Senat an. Danach bestehen keine grundsätzlichen Bedenken, Aufwendungen, die im Verfahren der Rückerstattung eines gewerblichen Betriebes vor der Wiederübernahme durch den Rückerstattungsberechtigten gemacht worden sind, als Betriebsausgaben anzuerkennen, sofern sie den Voraussetzungen des § 4 Abs. 4 EStG entsprechen. Bei der Prüfung kann an der besonderen Rechtslage, die die Rückerstattungsgesetze für die am Rückerstattungsverfahren Beteiligten geschaffen haben, nicht vorbeigegangen werden. Nach dem für die amerikanische Zone in Frage kommenden Gesetz der Militärregierung Nr. 59 in der Fassung des 6. Änderungsgesetzes, Amtsblatt der Alliierten Hohen Kommission Nr. 25 vom 30. Juni 1950 S. 467 -- in der britischen und französischen Zone ist die Rechtslage nicht anders --, wird im Falle der Rückerstattung der Berechtigte so angesehen, als wenn ihm der Betrieb niemals entzogen worden wäre, und zwar ohne Rücksicht darauf, ob die Rückerstattung auf Grund eines Beschlusses der Wiedergutmachungskammer oder auf Grund gütlicher Einigung erfolgt. Ihm stehen für den gesamten Zeitraum der Entziehung die Nutzungen zu, ihm werden die in diesem Zeitraum von dem Rückerstattungsverpflichteten auf den Gewinn entrichteten Steuern bei der Abrechnung endgültig belastet (Art. 15 Abs. 1, Art. 32 Abs. 2). Die gesetzliche Fiktion, der Rückerstattungsberechtigte sei während der vollen Dauer der Entziehung der Unternehmer geblieben, rechtfertigt es, die Aufwendungen, die er zwecks Durchführung des Rückerstattungsverfahrens gemacht hat, als Abwehrkosten aufzufassen, die der Beseitigung eines gewaltsamen Eingriffs in sein Herrschaftsrecht über den Betrieb dienen. Die Abzugsfähigkeit von Abwehrkosten als Betriebsausgaben ist von der Rechtsprechung seit jeher anerkannt worden.

Die Verweisung des Finanzgerichts auf Art. 91 des Gesetzes Nr. 59 geht fehl. Das Verbot, nachträglich den Rückerstattungsberechtigten zur Versteuerung von Gewinnen heranzuziehen, sowie die Befreiung von Steuern, die aus Anlaß der Rückerstattung entstehen, rechtfertigt es nicht, ihm in den Jahren, in denen die Besteuerung des Gewinnes ihm gegenüber durchzuführen ist, die nach dem Einkommensteuergesetz berechtigte Geltendmachung von Betriebsausgaben zu versagen.

Weil das Finanzgericht dies verkannt hat, muß Aufhebung erfolgen. Die Sache geht an das Finanzamt zurück. Dieses wird zu prüfen haben, inwieweit in dem geltend gemachten Betrage Aufwendungen enthalten sind, die nach dem Vorstehenden als Betriebsausgaben anerkannt werden müssen. Dabei wird noch folgendes zu untersuchen sein:

Der Betrieb ist ab 1. Juli 1949 von der Bfin. übernommen. Da das Rückerstattungsgesetz die Rückerstattung so behandelt, als sei der Betrieb nicht entzogen worden, und da die Ertragsteuern auch der Vergangenheit -- vgl. das Gutachten des Obersten Finanzgerichtshofs I D 2/50, Amtsblatt des Bayer. Staatsministeriums der Finanzen (Bay. FMBl.) S. 549 -- im Endergebnis den Rückerstattungsberechtigten treffen, der Betrieb also als auf seine Rechnung geführt gilt, ist es folgerichtig, ihm im Rahmen der Bestimmungen des Einkommensteuergesetzes die Vergünstigung des Verlustabzuges nicht zu versagen. Ob und in welchem Umfang hier vor der Wiederübernahme ein Verlust entstanden ist, hängt von der Art der Durchführung des Rückerstattungsverfahrens ab. Ist die Regelung in der Weise erfolgt, daß ein Verlust im Ergebnis zu Lasten der Bfin. gegangen ist, ohne beim Rückerstattungsverpflichteten berücksichtigt zu sein, und hat sie bei der Abrechnung für die aufgewendeten Verfahrenskosten von dem Rückerstattungsverpflichteten einen Ausgleich nicht erhalten, dann steht der Geltendmachung des im Jahre 1948 entstandenen Verlustes bei der Veranlagung 1949 nichts im Wege.

 

Fundstellen

Haufe-Index 407495

BStBl III 1952, 292

BFHE 1953, 760

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