Entscheidungsstichwort (Thema)

Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Verlangt ein Arbeitnehmer, der aus nicht zwingenden Gründen einen doppelten Haushalt führt, nach den Grundsätzen der Entscheidung des Senats VI 135/56 U vom 23. August 1957 (BStBl 1957 III S. 361) behandelt zu werden, so können die Kosten des doppelten Haushalts nur bis zu der Höhe berücksichtigt werden, wie sie bei täglicher Heimfahrt mit den üblichen öffentlichen Verkehrsmitteln entstehen würden. Die Kosten, die bei Benutzung eines Personenkraftwagens für die tägliche Heimfahrt im Rahmen von § 20 Abs. 2 Ziff. 2 LStDV 1955 angesetzt werden könnten, sind dann nicht maßgebend.

 

Normenkette

EStG § 9/4; LStDV § 20 Abs. 2 Ziff. 2; EStG § 9/1/4; EStG § 9/1/5

 

Tatbestand

Der Beschwerdeführer (Bf.) wohnt seit 1927 mit seiner Ehefrau und einem im Jahre 1935 geborenen Sohn im eigenen Haus in V. Er arbeitet seit 1951 als kaufmännischer Angestellter in G., das 52 km von V. entfernt liegt. Er hat am Arbeitsort ein möbliertes Zimmer; am Wochenende fährt er mit dem eigenen Personenkraftwagen zu seiner Familie. Er verlangt, den Mehraufwand für Unterkunft und Verpflegung am Arbeitsort sowie die Kosten der wöchentlichen Familienheimfahrt als Werbungskosten zu berücksichtigen. Vom Arbeitgeber erhält er keine Trennungsentschädigung. Für die Jahre 1951 - 1954 einschließlich hatte das Finanzamt den Anträgen entsprochen. Für das Streitjahr 1955 lehnte es den Antrag ab, weil der Bf. aus persönlichen Gründen die Wohnung in V. beibehalte und eine Wohnung in G. nicht erstrebe; der Umzug von V. nach G. sei ihm zuzumuten. Der Einspruch blieb erfolglos. Das Finanzgericht wies die Berufung als unbegründet zurück.

 

Entscheidungsgründe

Die Rechtsbeschwerde führt zur Aufhebung der Vorentscheidung.

Ohne Rechtsverstoß konnte das Finanzgericht zu der Feststellung kommen, daß der Bf. nicht zwangsläufig die Wohnung in V. beibehalte, und daß ihm ein Umzug zuzumuten sei. Der Bf. will, wie er zugibt, das eigene Haus nicht aufgeben. Nach seinem Vortrag erstrebt er eine Beschäftigung in oder um V., wo er früher auch gearbeitet habe. Infolge der wirtschaftlichen Entwicklung bestehe dort zur Zeit keine Arbeitsmöglichkeit; nur aus diesem Grunde habe er die Beschäftigung in G. vorerst übernommen.

Wie der Senat in der ebenfalls zur Veröffentlichung freigegebenen Entscheidung VI 135/56 U1) vom gleichen Tag entschieden hat, können Kosten der hier streitigen Art als Werbungskosten berücksichtigt werden, wenn und soweit sie zwangsläufig durch das Arbeitsverhältnis veranlaßt sind. Die Vorinstanzen gehen davon aus, daß der Bf. bei entsprechenden Bemühungen in den Jahren seit 1951 in G. oder Umgebung eine angemessene Familienwohnung hätte finden können. Streitig ist nur, ob unter den obwaltenden Umständen dem Bf. ein Umzug zugemutet werden kann. Dem Bf. könnte die Aufgabe der Wohnung im eigenen Haus nicht zugemutet werden, wenn er nur vorübergehend in G. beschäftigt wäre und Aussicht hätte, in absehbarer Zeit in V. oder Umgebung wieder eine Beschäftigung zu finden. Es ist nicht rechtsirrig, wenn die Vorinstanzen, nachdem der Bf. bereits über vier Jahre in G. beschäftigt war und mit einer änderung ernsthaft nicht rechnen konnte, einen Umzug für zumutbar hielten. Der Bf. wollte verständlicherweise die persönliche Annehmlichkeit und die wirtschaftlichen Vorteile, die mit dem Wohnen im eigenen Haus verbunden sind, nicht aufgeben. Erwägungen dieser Art liegen aber auf dem Gebiet privater Lebenshaltung. Das gleiche gilt von der Tatsache, daß, wie der Bf. behauptet, bei einem Umzug die Lehrlingsausbildung des Sohnes beeinträchtigt würde. Wie in der Entscheidung VI 135/56 U ausgeführt ist, müssen bei einem Umzug Schwierigkeiten in der Ausbildung der Kinder, sofern sie im Einzelfall nicht das übliche Maß überschreiten, in Kauf genommen werden.

Wie in der Entscheidung VI 135/56 U ausgeführt ist, sind aber, wenn ein Arbeitnehmer aus nicht zwingenden Gründen einen doppelten Haushalt führt, die dadurch entstehenden Mehrkosten bis zur Höhe als Werbungskosten anzuerkennen, wie sie bei täglicher Heimkehr als Fahrkosten berücksichtigt werden könnten. Da der Bf. nicht aus zwingenden persönlichen Gründen mehr als 40 km von der Arbeitsstätte entfernt wohnt, können höchstens die Kosten berücksichtigt werden, die bei täglicher Heimfahrt für eine Entfernung von 40 km entstehen würden (ß 20 Abs. 2 Ziff. 2 der Lohnsteuer-Durchführungsverordnung - LStDV - 1955).

Der Bf. besitzt einen eigenen Personenkraftwagen, den er für die wöchentliche Heimfahrt benutzt. Will der Bf. nach den Grundsätzen der Entscheidung VI 135/56 U die Kosten des doppelten Haushalts bis zur Höhe der Kosten einer täglichen Heimfahrt als Werbungskosten ansehen, so sind nicht die Kraftfahrzeugkosten maßgebend, die bei täglicher Heimfahrt nach § 20 Abs. 2 Ziff. 2 LStDV 1955 anerkannt werden könnten, Kraftfahrzeugkosten können nur berücksichtigt werden, wenn der Arbeitnehmer tatsächlich für die Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte ein Kraftfahrzeug benutzt. Der Bf. benutzt das Kraftfahrzeug aber nur für die wöchentliche Heimfahrt. Es steht ihm frei, die dadurch entstehenden Kosten im Rahmen von § 20 Abs. 2 Ziff. 2 LStDV geltend zu machen. In diesem Fall sind aber die Grundsätze der Entscheidung VI 135/56 U auf ihn nicht anzuwenden. Denn wer Kosten für die Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte geltend macht, kann nicht daneben noch Kosten dafür ansetzen, daß er aus persönlichen Gründen zeitweise nicht vom Arbeitsort nach Hause fährt.

Will der Bf. dagegen seinen Fall nach den Grundsätzen der Entscheidung VI 135/56 U behandelt wissen, so können die Kosten des doppelten Haushalts nur bis zu der Höhe als Werbungskosten angesetzt werden, wie sie bei täglicher Heimfahrt mit den üblichen öffentlichen Verkehrsmitteln entstehen würden. Es widerspräche dem Grundsatz gleichmäßiger Besteuerung, die Höhe der berücksichtigungsfähigen Kosten des doppelten Haushalts davon abhängig zu machen, ob der Arbeitnehmer ein Kraftfahrzeug hat, das er aber nicht zur täglichen Heimfahrt benutzt.

Die Vorentscheidung und die Einspruchsentscheidung des Finanzamts werden wegen unrichtiger Anwendung von § 9 des Einkommensteuergesetzes 1955 (ß 20 LStDV 1955) aufgehoben. Die nicht spruchreife Sache wird an das Finanzamt zurückverwiesen. Dieses hat den Bf. zu einer Erklärung zu veranlassen, ob er die tatsächlich durch Benutzung des Personenkraftwagens entstandenen Kosten der Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte im Rahmen von § 20 Abs. 2 Ziff. 2 LStDV 1955 angesetzt haben oder ob er nach den Grundsätzen der Entscheidung VI 135/56 U behandelt werden will. Dementsprechend sind dann die weiteren tatsächlichen Feststellungen zu treffen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 408852

BStBl III 1957, 362

BFHE 1958, 342

BFHE 65, 342

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