Entscheidungsstichwort (Thema)

Verlust des Rechts auf Richterablehnung durch rügelosen Antrag auf mündliche Verhandlung; hinreichende Konkretisierung der Geschäftsnummer bei Zustellung mit PZU

 

Leitsatz (NV)

  1. Auch der Antrag auf mündliche Verhandlung (§ 90a Abs. 2 Nr. 3 FGO) nach Ergehen eines Gerichtsbescheids ist ein Antrag i.S. des § 43 ZPO, der wegen der im Zeitpunkt der Antragstellung bekannten Umstände zu einem Verlust des Ablehnungsrechts führt, wenn diese Gründe nicht spätestens gleichzeitig mit der Antragstellung geltend gemacht werden.
  2. Eine erst nach Erlass des angefochtenen Urteils geltend gemachte Richterablehnung kommt grundsätzlich selbst dann nicht als Revisionsgrund i.S. des § 116 Abs. 1 Nr. 2 FGO in Betracht, wenn dem Betroffenen der Ablehnungsgrund erst nachträglich bekannt geworden ist.
  3. Durch eine Geschäftsnummer, die das finanzgerichtliche Aktenzeichen und den Zusatz "2 BE-Schreiben" sowie das Datum des jeweiligen Schreibens enthält, wird der Inhalt der mit der Post zugestellten Sendung grundsätzlich in einer den Anforderungen der § 3 Abs. 1 Satz 2 VwZG und § 195 ZPO genügenden Weise konkretisiert.
  4. Es ist in der Regel nicht ermessensfehlerhaft, wenn der Berichterstatter bei einer am 3. August eingegangenen Klage dem Prozessbevollmächtigten am 16. September desselben Jahres gemäß § 65 Abs. 2 Satz 2 FGO eine Ausschlussfrist von einem Monat ab Zustellung für die Bezeichnung des Gegenstandes des Klagebegehrens setzt.
 

Normenkette

FGO § 51 Abs. 1, §§ 53, 65, 90a Abs. 2 Nr. 3, § 116 Abs. 1 Nr. 2; ZPO §§ 42-43, 44 Abs. 3, §§ 46-47, 195; VwZG § 3 Abs. 1 S. 2

 

Tatbestand

Mit einem am 3. August 1998 beim Finanzgericht (FG) eingegangenen Schriftsatz erhob der Prozessbevollmächtigte der Kläger und Revisionskläger (Kläger) Anfechtungsklage wegen Einkommensteuer 1986 gemäß Bescheid vom 17. Februar 1994 in der Form der Einspruchsentscheidung vom 1. Juli 1998 mit der Ankündigung, Anträge, Klagebegründung und Vollmacht alsbald nachzureichen.

Mit Verfügung vom 18. August 1998 forderte die Geschäftsstelle des zuständigen Senats des FG den Prozessbevollmächtigten auf, bis zum 13. Oktober 1998 den Rechtsbehelf zu begründen und die Vollmachten im Original einzureichen.

Der zum Berichterstatter bestellte Richter (im Folgenden: Richter X) setzte mit zwei getrennten Verfügungen vom 4. September 1998 eine Ausschlussfrist von einem Monat ab Zustellung zur Einreichung der schriftlichen Prozessvollmachten und gemäß § 65 Abs. 2 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zur Bezeichnung des Gegenstandes des Klagebegehrens. Die Verfügung mit der Aufforderung zur Bezeichnung des Gegenstandes des Klagebegehrens enthält außerdem die Mitteilung, dass über die Zweckmäßigkeit einer Anordnung über das Ruhen des Verfahrens erst nach Vorlage der Klagebegründung entschieden werden könne.

Die beiden Verfügungen wurden in einem Briefumschlag unter der Geschäftsnummer "9 K 251/98 - 2 BE-Schreiben vom 04.09.1998" am 16. September 1998 zur Post gegeben und dem Prozessbevollmächtigten am 17. September 1998 mit Postzustellungsurkunde zugestellt.

Die Prozessvollmachten gingen am 18. September 1998 beim FG ein.

Mit Gerichtsbescheid vom 26. Oktober 1998 ―zugestellt am 29. Oktober 1998― wies das FG die Klage mit der Begründung als unzulässig ab, dass der Gegenstand des Klagebegehrens i.S. des § 65 Abs. 1 Satz 1 FGO nicht ausreichend bezeichnet worden sei.

Mit einem am 26. November 1998 beim FG eingegangenen Schriftsatz beantragten die Kläger mündliche Verhandlung und erklärten, sie wehrten sich gegen den Ansatz verdeckter Gewinnausschüttungen. Ein bestimmter Antrag sei von der Klärung der Rechtsfragen im Verfahren wegen der Körperschaftsteuer abhängig und erscheine daher zur Zeit noch wenig sinnvoll. Die Klage sei entgegen der Auffassung des Senats im Gerichtsbescheid nicht unzulässig. Die Verfügung des Berichterstatters vom 4. September 1998 könne keine Wirkung entfalten, da sie vor Ablauf der von der Geschäftsstelle bis zum 13. Oktober 1998 eingeräumten Frist ergangen sei. Außerdem genüge sie nicht den inhaltlichen Anforderungen, die an eine derartige Aufforderung zu stellen seien.

Der Vorsitzende verfügte am 27. November 1998 die Ladung zur mündlichen Verhandlung am 18. Dezember 1998. Die Ladungen wurden den Klägern persönlich und ihrem Prozessbevollmächtigten jeweils am 1. Dezember 1998 zugestellt. In einem Schriftsatz vom selben Tage ―eingegangen beim FG am 2. Dezember 1998― beantragten die Kläger, Richter X wegen Besorgnis der Befangenheit abzulehnen. Sie begründeten dies im Einzelnen wie folgt:

Bei demselben Senat des FG sei auch ihr Verfahren wegen Einkommensteuer für 1982 bis 1985 unter dem Aktenzeichen 9 K 206/98 anhängig. In diesem Verfahren hätten sie bereits mit Schriftsatz vom 3. August 1998 die schriftliche Prozessvollmacht vorgelegt, den Streitgegenstand dargestellt und erstmals den Antrag gestellt, das Ruhen des Verfahrens anzuordnen. Gleichwohl habe Richter X auch in diesem Verfahren mit Verfügungen vom 4. September 1998 Ausschlussfristen für die Vorlage der Vollmachten und die Bezeichnung des Klagebegehrens bestimmt. Richter X habe sie dadurch unter Druck zu setzen versucht, dass er die Vorlage einer bereits eingereichten Vollmachtsurkunde verlangt und die bereits erfolgte Bezeichnung des Klagebegehrens negiert habe.

Im vorliegenden Klageverfahren 9 K 251/98 habe Richter X sie dadurch unter Druck zu setzen versucht, dass er vor Ablauf der von der Geschäftsstelle gesetzten Fristen Ausschlussfristen gesetzt und dabei sogar eine mögliche nachträgliche Abkürzung der zuvor gesetzten Frist in Kauf genommen habe. Es werde als schikanöse Prozessführung angesehen und begründe die Besorgnis der Befangenheit, wenn ein Richter die Kläger dadurch unter Druck zu setzen versuche, dass er vor Ablauf früher bestimmter Fristen neue Fristen setze. Er habe die Besorgnis hervorgerufen, er wolle mit seinem Vorgehen die Prozesse "abwürgen", während über eine andere Klage, die bei demselben Senat seit drei Jahren anhängig sei, bisher nicht entschieden worden sei.

Das FG wies die Klage aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 29. Januar 1999 unter Mitwirkung des Richters X als unzulässig ab. Es entschied, dass durch die Verfügung des Berichterstatters vom 4. September 1998 die Ausschlussfrist für die Bezeichnung des Gegenstandes des Klagebegehrens wirksam in Lauf gesetzt worden sei. Die gemäß § 53 Abs. 1 FGO zuzustellende Verfügung sei wirksam nach den Vorschriften des Verwaltungszustellungsgesetzes (VwZG) zugestellt worden. Die Geschäftsnummer, mit der die Sendung gemäß § 3 Abs. 1 Satz 2 VwZG zu versehen sei, sei ordnungsgemäß gebildet worden. Es sei das Aktenzeichen des finanzgerichtlichen Verfahrens mit dem Zusatz "2 BE-Schreiben vom 04.09.1998" angegeben worden. Mit diesen Angaben habe der Inhalt der dem Prozessbevollmächtigten bekannt gegebenen Sendung einwandfrei identifiziert werden können.

Die Ausführungen der Kläger innerhalb der Ausschlussfrist hätten zur Bezeichnung des Gegenstandes des Klagebegehrens nicht ausgereicht, da ihnen nicht zu entnehmen gewesen sei, worin die Kläger die sie treffende Rechtsverletzung sähen und inwieweit der Verwaltungsakt rechtswidrig sei. Die Einspruchsentscheidung sei der Klageschrift nicht beigefügt gewesen.

Das Ablehnungsgesuch gegen den Richter X bleibe ohne Erfolg, da die Kläger ihr Ablehnungsrecht nach § 51 Abs. 1 Satz 1 FGO i.V.m. § 43 der Zivilprozeßordnung (ZPO) vor Einreichung des Ablehnungsgesuchs am 2. Dezember 1998 verloren hätten. Denn nach § 43 ZPO könne eine Partei einen Richter nicht mehr ablehnen, wenn sie sich bei ihm in die Verhandlung eingelassen oder Anträge gestellt habe, ohne den ihr bekannten Ablehnungsgrund geltend zu machen. Antrag in diesem Sinne sei nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) auch der Antrag auf mündliche Verhandlung (Beschluss vom 22. März 1994 X B 81/93, BFH/NV 1994, 498). Die Kläger hätten ihr Befangenheitsgesuch ausschließlich auf solche Tatsachen gestützt, die ihrem Prozessbevollmächtigten bereits in dem Zeitpunkt bekannt gewesen seien, als er den Antrag auf mündliche Verhandlung gestellt habe. Einer dienstlichen Äußerung des abgelehnten Richters gemäß § 51 Abs. 1 Satz 1 FGO i.V.m. § 44 Abs. 3 ZPO habe es nicht bedurft, weil das Gesuch offensichtlich unzulässig gewesen sei (vgl. BFH-Beschluss vom 10. Januar 1996 VII B 122/95, BFH/NV 1996, 489). Deshalb habe über das Ablehnungsgesuch auch nicht in einem gesonderten Beschluss entschieden werden müssen.

Die Kläger rügen mit der vom FG zugelassenen Revision eine nicht vorschriftsmäßige Besetzung des FG, Verletzung des § 65 FGO und des § 53 Abs. 1 und 2 FGO i.V.m. § 3 Abs. 1 Satz 2 VwZG sowie einen Verstoß gegen § 169 i.V.m. § 171 Abs. 4 Satz 4 der Abgabenordnung (AO 1977).

Sie tragen ergänzend zu ihrem bisherigen Vorbringen vor, inzwischen seien weitere Gründe bekannt geworden, die eine Ablehnung des Richters X wegen Besorgnis der Befangenheit rechtfertigten. Der nachträglich bekannt gewordene Ablehnungsgrund sei, dass Richter X als Berichterstatter in dem Verfahren 9 K 266/95 einen Erörterungstermin durchgeführt habe, gegen dessen Ende er erwähnt habe, dass der Leiter der Rechtsbehelfsstelle des Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt ―FA―) ihn seinerzeit angerufen und die Problematik dieses Falles mit ihm vor Erlass der Einspruchsentscheidung diskutiert habe. Zwar könne nicht dargetan werden, dass eine solche Beratung des zuständigen Finanzbeamten durch Richter X auch im konkreten Verfahren stattgefunden habe. Die Besorgnis der Befangenheit sei jedoch auch dann begründet, wenn außerhalb des konkreten Verfahrens liegende Umstände und Verhaltensweisen Zweifel an der Unparteilichkeit des Richters aufkommen ließen.

Die Kläger beantragen, die Vorentscheidung und die Einspruchsentscheidung vom 1. Juli 1998 aufzuheben.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision der Kläger ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 FGO). Das FG hat über das Ablehnungsgesuch gegen Richter X zu Recht unter Mitwirkung des abgelehnten Richters im Urteil entschieden und die Klage rechtsfehlerfrei als unzulässig abgewiesen.

1. Die Vorentscheidung ist nicht bereits deshalb fehlerhaft, weil an ihr der von den Klägern wegen der Besorgnis der Befangenheit (§ 51 Abs. 1 Satz 1 FGO i.V.m. § 42 ZPO) abgelehnte Richter X mitgewirkt hat und weil über das Ablehnungsgesuch in dem angefochtenen Urteil entschieden worden ist. Diese Vorgehensweise des FG war nicht verfahrensfehlerhaft, weil das FG zu Recht angenommen hat, dass das Ablehnungsgesuch offensichtlich unzulässig war.

a) Grundsätzlich hat das FG über ein Ablehnungsgesuch durch gesonderten, mit der Beschwerde anfechtbaren Beschluss ―ohne Mitwirkung der abgelehnten Richter― zu entscheiden (§ 51 Abs. 1 Satz 1 FGO i.V.m. §§ 46, 47 ZPO). Nach der Rechtsprechung bedarf es jedoch keines besonderen Beschlusses, wenn das Ablehnungsgesuch wegen Rechtsmissbräuchlichkeit oder auch aus anderen Gründen offensichtlich unzulässig ist (vgl. z.B. BFH-Beschlüsse in BFH/NV 1994, 498; vom 29. Mai 1996 III B 61/95, BFH/NV 1997, 38; vom 12. August 1997 VII B 73/97, BFH/NV 1998, 328, m.w.N.). In solchen Fällen kann das Gericht ―unter Mitwirkung der abgelehnten Richter und ohne Abgabe dienstlicher Äußerungen (vgl. § 44 Abs. 3 ZPO)― in den Urteilsgründen darlegen, dass es das Ablehnungsgesuch für unzulässig hält (BFH-Beschlüsse in BFH/NV 1994, 498; in BFH/NV 1997, 38; in BFH/NV 1998, 328). Wird über ein Ablehnungsgesuch zu Unrecht im Urteil und nicht in einem selbständigen Zwischenverfahren entschieden, liegt ein Verfahrensfehler vor, der entweder mit der Nichtzulassungsbeschwerde (vgl. BFH-Beschluss in BFH/NV 1994, 498) oder bei Zulassung der Revision durch das FG mit der Revision geltend zu machen ist.

b) Im Streitfall war das Ablehnungsgesuch offensichtlich unzulässig.

Ein Ablehnungsgesuch ist unzulässig, wenn der Beteiligte sein Ablehnungsrecht nach § 51 Abs. 1 Satz 1 FGO i.V.m. § 43 ZPO vor Einreichung des Gesuchs verloren hat. Nach § 43 ZPO kann eine Partei einen Richter wegen Besorgnis der Befangenheit nicht mehr ablehnen, wenn sie sich bei ihm in eine Verhandlung eingelassen oder Anträge gestellt hat, ohne den ihr bekannten Ablehnungsgrund geltend zu machen. Die Begriffe "in eine Verhandlung einlassen" und "Anträge gestellt" werden weit ausgelegt (BFH-Beschluss vom 21. Juli 1993 IX B 50/93, BFH/NV 1994, 50). "Anträge" sind ―auch schriftliche― Sachanträge und grundsätzlich auch Prozessanträge. Denn der Zweck des § 43 ZPO ist es, den Ablehnungsberechtigten zu veranlassen, sich sofort nach Kenntnis eines Befangenheitsgrundes zu entscheiden, ob er sich darauf berufen will oder nicht; ob ein Richter am Verfahren mitwirken darf, soll nicht in der Schwebe bleiben (BFH-Beschlüsse in BFH/NV 1994, 50; vom 12. März 1997 I B 117/96, BFH/NV 1997, 684). Deshalb hat der X. Senat des BFH zu Recht entschieden, dass auch der Antrag auf mündliche Verhandlung (§ 90a Abs. 2 Nr. 3 FGO) nach Ergehen eines Gerichtsbescheids (§ 90a Abs. 1 FGO) ein Antrag i.S. des § 43 ZPO ist, der zu einem Verlust des Ablehnungsrechts führt (BFH in BFH/NV 1994, 498).

Die Kläger haben keine einleuchtenden Gründe dafür mitgeteilt, weshalb bei einem Antrag auf mündliche Verhandlung (§ 90a Abs. 2 Nr. 3 FGO) auch solche Gründe für eine Richterablehnung, die bereits im Zeitpunkt der Antragstellung bekannt sind, nicht spätestens gleichzeitig mit der Antragstellung ―so der X. Senat in dem Beschluss in BFH/NV 1994, 498― mitgeteilt werden müssen. Sie berufen sich für ihre gegenteilige Auffassung zu Unrecht auf den Beschluss des Kammergerichts vom 16. Juni 1975 11 W 613/75 (Neue Juristische Wochenschrift ―NJW― 1975, 1842). Dieser Entscheidung liegt ein Sachverhalt zugrunde, der mit demjenigen des Streitfalles nicht vergleichbar ist. Das Kammergericht hatte über den Sachverhalt zu entscheiden, dass die Partei die Ablehnung erklärt und sich danach gleichwohl auf eine Verhandlung zur Sache eingelassen hatte, um dadurch einen anderenfalls drohenden Nachteil ―den Erlass eines Versäumnisurteils― zu vermeiden, weil der Richter trotz des Ablehnungsgesuchs in der Verhandlung zur Sache fortgefahren war. Dagegen haben die Kläger im Streitfall in Kenntnis der Umstände, die ihrer Meinung nach eine Befangenheit begründen, den Antrag auf mündliche Verhandlung gestellt, ohne zuvor oder zumindest gleichzeitig (vgl. dazu auch BFH-Beschluss vom 2. Februar 1995 VII B 182/94, BFH/NV 1995, 898, m.w.N.) in demselben Schriftsatz das Ablehnungsgesuch zu stellen.

2. Die Revision hat auch keinen Erfolg, soweit die Kläger zur Untermauerung ihres bereits in der ersten Instanz gestellten Ablehnungsgesuchs im Revisionsverfahren neue Tatsachen vorgetragen haben und soweit sie unter Hinweis auf diese Tatsachen ihr Ablehnungsgesuch im Revisionsverfahren vorsorglich wiederholt haben.

a) Die Kläger haben mit ihrem neuen Vorbringen, Richter X habe in einem anderen, sie nicht betreffenden Verfahren mit dem zuständigen Finanzbeamten vor Erlass der Einspruchsentscheidung ein Rechtsgespräch über den Inhalt der zu erlassenden Entscheidung geführt, einen Revisionsgrund i.S. des § 116 Abs. 1 Nr. 2 FGO nicht schlüssig dargetan. Denn die Vorschrift setzt voraus, dass bei der angefochtenen Entscheidung ein Richter mitgewirkt hat, der wegen Besorgnis der Befangenheit mit Erfolg abgelehnt war. Das Gesetz stellt nicht auf die bloße Möglichkeit der Ablehnung, sondern auf die Ablehnungserklärung und deren Erfolg ab.

b) Es entspricht auch der ständigen Rechtsprechung des BFH, dass eine erst nach Erlass des angefochtenen Urteils geltend gemachte Richterablehnung als Revisionsgrund i.S. des § 116 Abs. 1 Nr. 2 FGO selbst dann nicht in Betracht kommt, wenn dem Betroffenen der Ablehnungsgrund erst nachträglich bekannt geworden ist (vgl. BFH-Beschlüsse vom 17. Mai 1995 X R 55/94, BFHE 177, 344, BStBl II 1995, 604, m.w.N.; vom 17. Dezember 1996 IX R 1/95, BFH/NV 1997, 582). Der Senat kann im Streitfall offen lassen, ob Ablehnungsgründe, die erstmals im Revisionsverfahren vorgetragen werden, ausnahmsweise dann zu berücksichtigen sein können, wenn die Anwendung der von der ständigen Rechtsprechung aufgestellten Grundsätze zu unbilligen Ergebnissen führen würde (vgl. BFH-Beschluss vom 15. Dezember 1987 VIII R 132/86, BFH/NV 1988, 506). Denn dies trifft im Streitfall nicht zu.

Mit dem Vortrag, dass Richter X in einem Verfahren, das fremde Dritte betrifft, mit dem für den Erlass der Einspruchsentscheidung zuständigen Finanzbeamten vor Erlass der Einspruchsentscheidung ein Rechtsgespräch geführt und diesem gegenüber seine Rechtsansicht zu einer in jenem Verfahren zu entscheidenden Rechtsfrage geäußert hat, haben die Kläger keinen Grund geltend gemacht, der nach Maßgabe einer objektiven Betrachtung geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit (§ 51 Abs. 1 Satz 1 FGO i.V.m. § 42 Abs. 2 ZPO) des Richters X in ihrem eigenen Verfahren zu rechtfertigen. Das Verhalten eines Richters in einem bestimmten Verfahren lässt nicht ohne weiteres den Schluss zu, dass er sich in allen anderen Verfahren anderer Kläger, in denen er Berichterstatter ist, genauso verhalten hat. Vielmehr bedarf es dafür konkreter Anhaltspunkte. Ohne konkrete Hinweise kann nicht angenommen werden, dass Richter X im Streitfall vor Erlass der Einspruchsentscheidung deren Inhalt mit dem zuständigen Beamten besprochen und sich dadurch möglicherweise in einer im Streitfall entscheidungserheblichen Rechtsfrage in einer Weise festgelegt hat, die geeignet wäre, Zweifel an seiner Unparteilichkeit aufkommen zu lassen. Konkrete Tatsachen, die dafür sprechen könnten, dass Richter X im vorliegenden Verfahren den zuständigen Finanzbeamten vor Erlass der Einspruchsentscheidung rechtlich beraten hat, haben die Kläger nicht vorgetragen.

c) Auch der Umstand, dass das FG im Tatbestand des angefochtenen Urteils darauf hingewiesen hat, dass insgesamt 21 Klageverfahren der GmbH, deren Gesellschafter und Geschäftsführer der Kläger ist, bei ihm anhängig sind, ist kein Grund, der geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit des Richters X zu rechtfertigen. Die wahrheitsgemäße tatbestandliche Wiedergabe der Tatsache, dass sich der entscheidende Senat vor Erlass seines Urteils einen Überblick darüber verschafft hat, welche weiteren Verfahren bei ihm anhängig sind, die mit dem Streitfall möglicherweise einen Zusammenhang aufweisen könnten, deutet nicht auf eine unsachliche Einstellung des Richters X, sondern auf das Bestreben nach größtmöglicher Vollständigkeit des Tatbestands des Urteils hin.

3. Das FG hat zu Recht entschieden, dass die Klage unzulässig ist, weil die Kläger den Gegenstand ihres Klagebegehrens (§ 65 Abs. 1 Satz 1 FGO) nicht innerhalb der ihnen gesetzten Ausschlussfrist (§ 65 Abs. 2 Satz 2 FGO) bezeichnet haben.

a) Die vom Berichterstatter für die Bezeichnung des Gegenstandes des Klagebegehrens gesetzte Ausschlussfrist (§ 65 Abs. 2 Satz 2 FGO) war wirksam.

Die in den Akten befindliche Verfügung, durch die die Frist bestimmt wurde, war vom Richter unterschrieben (vgl. BFH-Urteil vom 26. August 1982 IV R 31/82, BFHE 136, 351, BStBl II 1983, 23) und enthielt den Text der Fristsetzung (BFH-Urteil vom 14. April 1983 V R 4/80, BFHE 138, 21, BStBl II 1983, 421). Die Verfügung ist entgegen der Auffassung der Kläger auch wirksam zugestellt worden. Eine richterliche Verfügung, durch die eine Ausschlussfrist gesetzt wird, ist gemäß § 53 Abs. 1 FGO zuzustellen; erst mit der ordnungsgemäßen Zustellung wird die betreffende Frist wirksam (vgl. BFH-Urteil vom 12. September 1995 IX R 72/94, BFHE 178, 546, BStBl II 1995, 898, m.w.N.). Nach § 53 Abs. 2 FGO erfolgt die Zustellung nach den Vorschriften des VwZG. Bei der Zustellung durch die Post mit Zustellungsurkunde ist gemäß § 3 Abs. 1 Satz 2 VwZG die Sendung u.a. mit einer Geschäftsnummer zu versehen. Gemäß § 3 Abs. 3 VwZG, § 195 ZPO muss die von dem Postbediensteten über die Zustellung zu fertigende Urkunde die Übergabe der ihrer Anschrift und ihrer Geschäftsnummer nach bezeichneten Sendung bezeugen. Da die Postzustellungsurkunde nicht die Übergabe des Schriftstücks selbst, sondern nur die Übergabe einer Sendung bezeugt, stellt die Angabe der Geschäftsnummer auf der Sendung sowie auf der Postzustellungsurkunde die einzige urkundliche Beziehung zwischen dieser und dem zuzustellenden Schriftstück her. Wegen der gebotenen Gewähr für die Nämlichkeit und den unveränderten Inhalt der Sendung muss die Geschäftsnummer die Identifizierung der zugestellten Sendung ermöglichen. Deshalb muss sie geeignet sein, den Verwaltungsakt, die Gerichtsentscheidung oder das sonstige Schriftstück, dessen Zustellung vorgenommen worden ist, zu konkretisieren (BFH-Urteile in BFHE 178, 546, BStBl II 1995, 898; vom 25. Oktober 1995 I R 16/95, BFHE 179, 202, BStBl II 1996, 301, m.w.N.; BFH-Beschluss vom 17. Juni 1998 X B 139/97, BFH/NV 1999, 187). Werden ―wie im Streitfall― mehrere Schriftstücke verschiedenen Inhalts in einem Briefumschlag zugestellt, dann muss sich aus der auf dem Briefumschlag angebrachten Geschäftsnummer ergeben, welchen Inhalt die Sendung hat; nur auf diese Weise kann der Adressat einer mehrere Schriftstücke umfassenden Sendung deren Vollständigkeit prüfen und ggf. den Beweis der Unrichtigkeit der in der Postzustellungsurkunde bezeugten Zustellung führen (BFH in BFHE 178, 546, BStBl II 1995, 898). Die bloße Angabe des finanzgerichtlichen Aktenzeichens reicht für die Identifizierung nicht aus (BFH in BFHE 178, 546, BStBl II 1995, 898). Eine hinreichende Konkretisierung liegt auch nicht vor, wenn der Empfänger aufgrund von Wahrscheinlichkeitserwägungen auf den Inhalt der Sendung schließen kann (BFH-Beschluss in BFH/NV 1999, 187). Häufig ist das Datum das einzige Mittel, das zur Konkretisierung zur Verfügung steht (BFH in BFHE 179, 202, BStBl II 1996, 301).

Durch die im Streitfall gebildete Geschäftsnummer "9 K 251/98" mit dem Zusatz "2 BE-Schreiben vom 04.09.1998" war der Inhalt der zugestellten Sendung hinreichend konkretisiert. Es war erkennbar, dass es sich um zwei Schreiben vom 4. September 1998 in dem finanzgerichtlichen Verfahren 9 K 251/98 handelte. Dies reicht für die Identifizierung auch dann aus, wenn dem Empfänger die innerhalb des Gerichts übliche Abkürzung "BE" für "Berichterstatter" nicht vertraut gewesen ist. Denn er konnte prüfen, ob sich in der Sendung zwei Schreiben mit dem aus der Geschäftsnummer ersichtlichen Datum und Aktenzeichen befunden haben. Dass der Begriff "Schreiben" ein Oberbegriff ist, der durch den Begriff der "Verfügung" weiter hätte eingeengt werden können, ändert nichts daran, dass die zugestellten Schriftstücke durch die gewählte Geschäftsnummer in einer Weise identifiziert werden konnten, die ggf. den Nachweis der Unrichtigkeit ermöglicht hätte. Auch ohne einen Hinweis auf den Inhalt des jeweiligen Schreibens war es dem Empfänger möglich, die Identität zwischen dem in der Geschäftsnummer angegebenen und dem tatsächlichen Inhalt der Sendung zu prüfen sowie die Sendung den beiden richtigen Vorgängen zuzuordnen. Eine eindeutige Zuordnung hätte nur dann scheitern können, wenn ein drittes Schreiben des Berichterstatters vom selben Tage an denselben Prozessbevollmächtigten in demselben Verfahren existierte. Das ist von den Klägern nicht vorgetragen worden und ausweislich der Akten auch nicht der Fall.

b) Die Ausschlussfrist war entgegen der Auffassung der Kläger auch nicht deshalb unwirksam, weil sie inhaltlich nicht hinreichend bestimmt gewesen wäre. Mit der Aufforderung, den Gegenstand des Klagebegehrens zu bezeichnen, hat Richter X den Gesetzeswortlaut des § 65 Abs. 1 Satz 1 FGO verwendet, der hinreichend deutlich macht, dass der Kläger für eine Sachentscheidung des Gerichts u.a. angeben muss, was er an der angefochtenen Entscheidung beanstandet. Jedenfalls dann, wenn sich ―wie im Streitfall― die Aufforderung an einen Wirtschaftsprüfer und Steuerberater richtet, kann der Richter davon ausgehen, dass der Gesetzeswortlaut keiner weiteren Erläuterung bedarf.

c) Die wirksam gesetzte Ausschlussfrist war auch nicht deshalb ermessensfehlerhaft und daher auch nicht rechtswidrig, weil sie zu einem Zeitpunkt in Lauf gesetzt worden ist, in dem die von der Geschäftsstelle gesetzte einfache Frist für die Einreichung der Begründung der Klage noch nicht abgelaufen war.

Nach § 65 Abs. 2 Satz 2 FGO "kann" der Vorsitzende oder Berichterstatter für die Ergänzung einer Klage, die nicht den Anforderungen des § 65 Abs. 1 Satz 1 FGO entspricht, eine Frist mit ausschließender Wirkung setzen. In der Literatur wird die Auffassung vertreten, dass es sogar geboten sei, ohne Vorschaltung einer einfachen Frist für die Ergänzung der Klage sogleich eine Frist mit ausschließender Wirkung zu setzen, weil man berücksichtigen müsse, dass die Klage unheilbar unzulässig wäre, wenn die Möglichkeit der Ergänzung nicht bestünde (vgl. Kühn/ Hofmann, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, 17. Aufl., § 65 FGO Anm. 4c; vgl. auch Gräber/von Groll, Finanzgerichtsordnung, 4. Aufl., § 65 Rz. 61). Die in § 65 Abs. 2 Satz 2 FGO vorgesehene Möglichkeit, dem Kläger zur Ergänzung der nach § 65 Abs. 1 Satz 1 FGO zwingend vorgeschriebenen Angaben eine Frist mit ausschließender Wirkung zu setzen, ist durch das FGO-Änderungsgesetz vom 21. Dezember 1992 (BGBl I 1992, 2109, BStBl I 1993, 90) eingefügt worden. Dies ist damit begründet worden, dass die einfache Fristsetzung vielfach unbeachtet bleibe, dies die sachgerechte Bearbeitung der Streitsache erheblich erschwere und dem Gericht eine Regelung an die Hand gegeben werden solle, mit der die bestehende Verpflichtung zur Vervollständigung des Klageinhalts wirksam durchgesetzt werden könne; unterlasse der Kläger die geforderten Angaben innerhalb der Frist, riskiere er die Abweisung der Klage als unzulässig; bei unverschuldeter Fristversäumung sei Wiedereinsetzung in den vorigen Stand möglich (vgl. BTDrucks 12/1061, S. 15). Der Gesetzgeber wollte damit dem FG ein Mittel einräumen, um bereits innerhalb kurzer Frist nach Klageerhebung Klarheit über das Vorliegen der Sachentscheidungsvoraussetzungen erlangen zu können (BFH-Beschluss vom 12. Februar 1999 III B 29/98, BFH/NV 1999, 1109).

Eingedenk dieses Zwecks der Ausschlussfrist hat Richter X im Streitfall von ihr nicht in ermessensfehlerhafter Weise Gebrauch gemacht. Der Prozessbevollmächtigte der Kläger hatte selbst in der am 3. August 1998 eingegangenen Klageschrift angekündigt, Anträge, Klagebegründung und Vollmacht "alsbald" nachzureichen. Wenn der Berichterstatter mit einem am 16. September 1998 zur Post gegebenen Schreiben von der Möglichkeit Gebrauch macht, eine Ausschlussfrist von einem Monat ab Zustellung für die Bezeichnung des Gegenstandes des Klagebegehrens zu setzen, um sich Klarheit über das Vorliegen der Sachentscheidungsvoraussetzungen zu verschaffen, kann dies nicht als unangemessen angesehen werden. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass die Geschäftsstelle am 18. August 1998 eine einfache Frist zum 13. Oktober 1998 dafür gesetzt hatte, den Rechtsbehelf zu begründen. Denn die einfache Frist war durch die Ausschlussfrist nicht verkürzt worden. Davon, dass die einfache Frist nicht verkürzt wurde, konnte der Richter X auch ausgehen. Denn das Schreiben, in dem er die Ausschlussfrist von einem Monat gesetzt hatte, war erst am 16. September 1998 zur Post gegeben worden, so dass die Ausschlussfrist mit Sicherheit nach dem 13. Oktober 1998 ablaufen würde. Außerdem dienten die Aufforderungen insoweit unterschiedlichen Zwecken, als lediglich die Bezeichnung des Gegenstandes des Klagebegehrens, nicht aber die Begründung der Klage zu den nach § 65 Abs. 1 Satz 1 FGO unverzichtbaren Sachentscheidungsvoraussetzungen gehört. Besondere Umstände dafür, dass die Frist von einem Monat für die Bezeichnung des Klagebegehrens ausnahmsweise zu kurz hätte sein können und dies für Richter X bei Erlass der Verfügung auch erkennbar gewesen sei, haben die Kläger nicht vorgetragen und sind auch aus den Akten nicht ersichtlich.

d) Das FG hat auch zutreffend entschieden, dass die Kläger den Gegenstand des Klagebegehrens nicht innerhalb der wirksam gesetzten Ausschlussfrist bezeichnet haben. Die mit der am 17. September 1998 vorgenommenen Zustellung in Lauf gesetzte Ausschlussfrist von einem Monat lief am 19. Oktober 1998 ab, weil der 17. Oktober 1998 auf einen Sonnabend fiel (vgl. § 54 Abs. 2 FGO i.V.m. § 222 Abs. 1 und 2 ZPO i.V.m. §§ 187 Abs. 1, 188 Abs. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs). Innerhalb dieser Frist haben die Kläger den Gegenstand ihres Klagebegehrens nicht bezeichnet. Denn ihrer Klageschrift vom 3. August 1998 war das Klagebegehren nicht zu entnehmen. Zwar ist richtig, dass das Klagebegehren je nach Lage des Einzelfalles unter bestimmten Voraussetzungen auch mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung aufzuheben, hinreichend bezeichnet sein kann. Die Klageschrift vom 3. August 1998 hat jedoch weder einen solchen noch irgend einen anderen Antrag enthalten. Der Klageschrift waren auch keine Anlagen beigefügt worden, durch deren Berücksichtigung oder Auslegung der Gegenstand des Klagebegehrens hätte erkannt werden können (vgl. zur als Anlage beigefügten Einspruchsentscheidung BFH-Urteil vom 27. Juni 1996 IV R 61/95, BFH/NV 1997, 232). Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Hinweis des Richters, dass über die Zweckmäßigkeit einer Anordnung des Ruhens des Verfahrens erst nach Vorlage der Klagebegründung entschieden werden könne. Dadurch hat er lediglich deutlich gemacht, dass die Zulässigkeit der Klage und damit u.a. auch die Bezeichnung des Gegenstandes des Klagebegehrens Voraussetzung für eine Entscheidung über das Ruhen des Verfahrens (§ 155 FGO i.V.m. § 251 ZPO) sei (vgl. auch BFH-Beschluss vom 23. November 1994 X B 170/93, BFH/NV 1995, 793).

Der Schriftsatz vom 26. November 1998, in dem die Kläger das Klagebegehren bezeichnet haben, ist erst nach Ablauf der Ausschlussfrist beim FG eingegangen. Gründe, die wegen der Fristversäumnis eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§ 56 FGO) rechtfertigen könnten, haben die Kläger nicht vorgetragen und sind auch nicht ersichtlich.

 

Fundstellen

Haufe-Index 426501

BFH/NV 2000, 1359

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