Leitsatz (amtlich)

Vertreibt ein inländisches Unternehmen seine Erzeugnisse auf Grund eines ihm gegen Entgelt eingeräumten Rechts im Ausland, liegt eine Verwertung dieses Rechts in einer inländischen Betriebstätte i. S. von § 49 Abs. 1 Nr. 6 EStG vor, sofern der Vertrieb nicht von einer ausländischen Betriebstätte des Unternehmens aus erfolgt.

 

Normenkette

EStG § 49 Abs. 1 Nrn. 2-3, 6, § 50a Abs. 4

 

Tatbestand

Die Klägerin und Revisionsbeklagte ist eine rechtsfähige Anstalt liechtensteinischen Rechts mit dem Sitz in Vaduz, die in der Bundesrepublik Deutschland (BRD) unstreitig weder eine Betriebstätte unterhält noch einen ständigen Vertreter bestellt hat. Zweck der Klägerin ist der Erwerb und die Verwertung von Patenten.

Unter dem 28. Februar 1962 schloß die Klägerin als Lizenzgeberin mit einer in der BRD domizilierenden Firma S als Lizenznehmerin einen Lizenzvertrag hinsichtlich verschiedener als Vertragsschutzrechte bezeichneter Patent- und Gebrauchsmusteranmeldungen für das Gebiet der BRD einschließlich Berlin (West). Da die Klägerin jedoch die beantragten Schutzrechte in der BRD nicht bekam und die überlassenen Rechte der Firma S von dritter Seite bestritten wurden, traf die Klägerin mit der Firma S, die inzwischen bereits 108 750 DM an die Klägerin gezahlt hat, unter dem 28. März 1963 eine Vereinbarung, nach der die Klägerin dieser gegen die einmalige Zahlung von 120 000 DM ihr know-how auf dem Gebiet dieser Vertragsschutzrechte überließ. Außerdem erteilte sie der Firma S eine ausschließliche Lizenz hinsichtlich verschiedener Vertragsschutzrechte für die Länder Dänemark und Norwegen gegen Zahlung von 220 000 DM.

Aus dem Vertragsverhältnis mit der Firma S flossen der Klägerin in den Jahren 1962 bis 1964 insgesamt 448 750 DM zu, von denen die Firma S gemäß § 50a Abs. 4 EStG 112 187 DM Kapitalertragsteuer einbehalten und an den Beklagten und Revisionskläger (das FA) abgeführt hat. Die Steuerabzugsbeträge wurden in der genannten Höhe durch Verfügungen vom 9. und 27. Januar 1964 festgesetzt.

Mit Schreiben vom 12. August 1964 beantragte die Klägerin beim FA die Erstattung eines Teilbetrages von 85 000 DM der einbehaltenen und abgeführten Steuer mit der Begründung, daß die 120 000 DM für know-how Deutschland und die 220 000 DM für Lizenz Skandinavien keine inländischen Einkünfte i. S. von § 49 Abs. 1 Nr. 2 EStG seien. Das FA lehnte den Antrag mit Bescheid vom 30. November 1965 ab; in Höhe der 120 000 DM lägen Einkünfte i. S. von § 49 Abs. 1 Nr. 3 EStG, in Höhe der 220 000 DM solche i. S. von § 49 Abs. 1 Nr. 6 EStG vor. Die nach erfolglosem Einspruch zum FG erhobene Klage hatte Erfolg. Das FG führte aus:

Für die Zuordnung inländischer Einkünfte zu den in § 49 Abs. 1 EStG genannten Einkunftsarten gelte die sogenannte isolierende Betrachtungsweise. Das FG folge der im Urteil des BFH vom 4. März 1970 I R 140/66 (BFHE 98, 420, BStBl II 1970, 428) vertretenen Auffassung.

Die 120 000 DM seien ihrem Wesen nach Einkünfte aus Gewerbebetrieb. Die Klägerin, die kraft ihrer Rechtsform als Gewerbebetrieb anzusehen sei, habe das der Firma S überlassene Erfahrungswissen ihrerseits zwar nicht von einem anderen gewerblichen Unternehmen, sondern von einem Erfinder erworben, der es (als Angestellter eines kleinen holländischen Unternehmens) mit Wissen seines Arbeitgebers der Klägerin überlassen habe. Das der Firma S überlassene Erfahrungswissen stamme somit nicht aus einer freiberuflichen, sondern allenfalls aus einer unselbständigen Tätigkeit, die indes mit der gewerblichen Tätigkeit des Arbeitgebers des Erfinders in engem Zusammenhang stehe. Es müsse deshalb auch hier gelten, was der BFH im Urteil I R 140/66 festgestellt habe, daß nämlich der Verkauf von Erfahrungswissen im Rahmen eines gewerblichen Betriebes ebenso wie der Verkauf eines jeden anderen Erzeugnisses nur zu gewerblichen Einkünften führe. Diesen seinen Standpunkt habe der BFH erneut im Urteil vom 16. Dezember 1970 I R 137/68 (BFHE 101, 73, BStBl II 1971, 200) vertreten, nach dem die Vorschrift des § 49 Abs. 1 Nr. 3 EStG nicht den Fall treffe, in dem ein Manuskript als Ergebnis einer selbständigen Arbeit nicht durch denjenigen verwertet werde, der dieses Ergebnis bewirkt habe.

Hinsichtlich der Besteuerung der 220 000 DM komme als Rechtsgrundlage allein die Vorschrift des § 49 Abs. 1 Nr. 6 EStG in Betracht, deren gesetzlicher Tatbestand indes insoweit nicht erfüllt sei, als es an einer Verwertung in einer inländischen Betriebstätte gefehlt habe. Die Firma S habe die ihr lizenzierten Vertragsschutzrechte für Dänemark und Norwegen nicht in einer inländischen Betriebstätte verwertet, weil im vorliegenden Streitfalle die negative Leistung der Klägerin (als der Lizenzgeberin) darin bestanden habe, für die Dauer des Vertragsverhältnisses den Verkauf der von der Firma S hergestellten Erzeugnisse in Dänemark und Norwegen zu dulden. Die Verwertung der Lizenz sei deshalb erst mit dem Export dieser Erzeugnisse in das Ausland erfolgt. Wenngleich die Lizenz indirekt (durch die begrenzte Erweiterung des Marktes) der inländischen Betriebstätte der Firma S zugute gekommen sei, so reiche dies zur Erfüllung des gesetzlichen Tatbestandes nicht aus, da hier - anders als im Falle des Urteils des RFH vom 8. November 1938 I 307/37 (RStBl 1939, 579) die für die Erlaubnis zur Herstellung von Katalysatoren zur Säuregewinnung gezahlten Fabrikations- als auch Verbraucherlizenzgebühren betreffend - der Schwerpunkt der Verwertung nicht in einer inländischen Betriebstätte gelegen habe, sondern im Ausland.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die form- und fristgerecht eingelegte Revision des FA mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen ("nach Maßgabe der Einspruchsentscheidung zu entscheiden"). Zur Begründung trägt das FA vor:

Bei dem der Firma S überlassenen Erfahrungswissen handele es sich um das Ergebnis einer erfinderischen Leistung, die ihrem Wesen nach zu Einkünften aus selbständiger Arbeit führe. Nur weil die Klägerin die zunächst in Lizenz vergebenen Schutzrechte für die BRD nicht bekommen habe, habe man sich mit der Überlassung von know-how begnügt und den Erfinder selbst zur Einrichtung der Produktion der Firma S nach Deutschland geschickt. Vom Inlandssachverhalt her seien die Einkünfte der Klägerin deshalb als Einkünfte aus selbständiger Arbeit einzuordnen. Demgegenüber beziehe sich das FG für seine Entscheidung auf das BFH-Urteil I R 140/66, das indes verwaltungsseitig nicht angewendet werde, soweit es die im Ausland bestehenden Verhältnisse in die Betrachtung mit einbeziehe. Es könne nicht sinnvoll sein, Einkünfte, die ihrem Wesen nach auf der Tätigkeit eines freien Erfinders beruhten, von der Besteuerung nur deshalb freizustellen, weil sie einer ausländischen Verwertungsgesellschaft zugeflossen seien. Das überlassene Erfahrungswissen habe der Erfinder selbst gesammelt, so daß im Grunde seine Erfindung zur Ausnutzung überlassen worden sei. Abgesehen davon, daß sich die Angaben über die Angestellteneigenschaft des Erfinders, auf die das FG seine Entscheidung gestützt habe, nicht nachprüfen ließen, könne ein Erfinder sehr wohl gleichzeitig in einem Arbeitsverhältnis stehen und daneben selbständig als Erfinder tätig sein. Allein der Umstand, daß die Weitergabe einer Erfindung an Dritte nur mit Erlaubnis des Arbeitgebers zulässig sei, könne nicht dazu führen, die Erfindung selbst als das Ergebnis einer unselbständigen Tätigkeit anzusehen oder dem gewerblichen Bereich zuzuordnen.

Hinsichtlich der 220 000 DM habe das FG den Begriff der Verwertung in § 49 Abs. 1 Nr. 6 EStG zu eng ausgelegt. Anders als der Begriff der Ausübung im Inland erfordere der Begriff der Verwertung im Inland lediglich, daß der wirtschaftliche Erfolg der Arbeit der inländischen Volkswirtschaft unmittelbar zugute komme.

Die Klägerin, die einen besonderen Antrag, die Revision zurückzuweisen, nicht gestellt hat, ist den Ausführungen des FA entgegengetreten. Sie hat sich insbesondere auf das Urteil des erkennenden Senats vom 7. Juli 1971 I R 41/70 (BFHE 103, 153, BStBl II 1971, 771) berufen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist zum Teil begründet.

1. Bezieherin der streitigen Einkünfte ist die Klägerin, eine Körperschaft ausländischen Rechts. Das bedeutet hinsichtlich der für die Überlassung von Erfahrungswissen gezahlten 120 000 DM, daß sie jedenfalls nicht als Einkünfte aus selbständiger Arbeit eingeordnet werden können, die im Inland ausgeübt oder verwertet worden ist (§ 49 Abs. 1 Nr. 3 EStG); denn wie der erkennende Senat bereits im Urteil I R 41/70 eingehend dargelegt hat, erzielt eine Körperschaft, auch im Falle ihrer beschränkten Steuerpflicht, keine Einkünfte aus freiberuflicher Tätigkeit, da die Erzielung solcher Einkünfte begriffsnotwendig natürlichen selbständig tätigen Personen vorbehalten ist. Der Senat nimmt zur Vermeidung von Wiederholungen auf die genannte Entscheidung Bezug.

Da auch die Voraussetzungen der Vorschrift des § 49 Abs. 1 Nr. 2 EStG nicht erfüllt sind, kommt es auf die vom FA angeschnittene Frage, ob die Überlassung von know-how im Streitfalle ein Erfahrungswissen betreffe, das in einem gewerblichen Unternehmen (des Arbeitgebers des Erfinders) erworben wurde (und deshalb notwendig zu Einkünften aus Gewerbebetrieb führe) oder aber - als vom Erfinder selbst gesammelt - sich als eine Verwertung selbständiger Arbeit im Inland durch den Erfinder selbst darstelle, und ob zur Beantwortung dieser Frage auf die im Ausland gegebenen Verhältnisse zurückgegriffen werden müsse oder dürfe (soweit die im Inland gegebenen Verhältnisse für sich allein eine abschließende Beurteilung des Sachverhalts in isolierender Betrachtungsweise nicht zuließen), nicht an.

Der Senat hat somit keine Veranlassung, auf diese im Urteil I R 140/66 eingehend behandelte Frage noch einmal einzugehen.

2. Was die Heranziehung der Klägerin mit den ihr zugeflossenen 220 000 DM nach § 49 Abs. 1 Nr. 6 EStG betrifft, so fehlt es weder an der Voraussetzung der zeitlich begrenzten Überlassung von Rechten noch an der der Verwertung der zur Nutzung überlassenen Rechte in einer inländischen Betriebstätte der Firma S.

Unter "Verwerten" von Rechten ist in aller Regel begrifflich ein Nutzen, Benutzen oder Gebrauchen von Rechten im Rahmen eigener Tätigkeit durch eigenes Tätigwerden zu verstehen, das die Steuerpflicht nach § 49 Abs. 1 Nr. 6 EStG auslöst, wenn es seitens des Berechtigten in einer inländischen Betriebstätte erfolgt. Wenn in der Begründung zum Einkommensteuergesetz 1934 (RStBl 1935, 59) zu § 49 Abs. 1 Nrn. 3 und 4 EStG eine Verwertung von selbständiger und nichtselbständiger Arbeit im Inland auch dann angenommen wird, wenn der wirtschaftliche Erfolg der Arbeit - ohne eigenes Tätigwerden des Steuerpflichtigen im Inland - der inländischen Volkswirtschaft unmittelbar zugute gekommen ist, so kann daraus für die Auslegung der Vorschrift des § 49 Abs. 1 Nr. 6 EStG nichts gewonnen werden. Denn hier genügt es nicht, daß der Erfolg der Nutzung von Rechten der inländischen Volkswirtschaft unmittelbar zugute gekommen ist; es muß die Nutzung der Rechte selbst in einer inländischen Betriebstätte erfolgt sein.

Der Umstand, daß die Verkaufstätigkeit der Firma S ihre Wirkung im Ausland entfaltete, hindert es nicht, sie als solche der Betriebstätte der Firma S im Inland zuzuordnen. Für die Firma S stellte sich das ihr eingeräumte Recht wie eine Vertriebslizenz dar; das ihr gegen Zahlung eingeräumte Recht, ihre Erzeugnisse in Dänemark und Norwegen vertreiben zu dürfen, verwertete sie in ihrer inländischen Betriebstätte nicht anders als ein inländischer Importeur die patentrechtlich geschützten Erzeugnisse eines ausländischen Herstellers, für deren Vertrieb im Inland er alleinberechtigt ist. Das Vertriebsrecht kann für sich allein (getrennt vom patentrechtlich geschützten Herstellungsrecht) vergeben werden und stellt sich in diesem Falle als eine Verwertung in derjenigen inländischen Betriebstätte des Berechtigten dar, von der aus dieser den Vertrieb der (eigenen oder fremden) Erzeugnisse in die Gebiete vornimmt, in denen der Vertrieb nur in "Verwertung" der ihm eingeräumten Rechte möglich ist. Wäre der Vertrieb (ggfs. auch die Herstellung) einer ausländischen Betriebstätte der Firma S zuzuordnen gewesen, würde eine Steuerpflicht der Lizenzgebühren nicht gegeben sein (vgl. RFH-Urteil vom 13. Juli 1937 I A 309/46, RStBl 1937, 1020).

Daß der Vertrieb ihrer Erzeugnisse in Dänemark und Norwegen eine Steigerung der Produktion bei der Firma S zur Folge hatte, soweit ihre in jenen Ländern angebotenen Erzeugnisse den erhofften Absatz fanden, ist dabei ohne Bedeutung. Es kann, was die Zuordnung ihrer Tätigkeit auf ihre (inländische) Betriebstätte betrifft, keinen Unterschied machen, ob diese Verkaufstätigkeit nach einer von vornherein "erkauften" Duldung oder unter echter Verletzung von Schutzrechten der Klägerin erfolgte (was diese zur Klage auf Unterlassung und Herausgabe des im Zweifel allein im Inland angefallenen "Verletzergewinns" berechtigt haben würde; vgl. BFH-Urteil vom 24. Juni 1970 I R 6/68, BFHE 100, 20, BStBl II 1970, 802).

 

Fundstellen

Haufe-Index 70803

BStBl II 1974, 287

BFHE 1974, 29

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