Leitsatz (amtlich)

Bei einer Betriebsaufspaltung ist der Wert der Anteile an der Betriebsgesellschaft in den ersten Jahren nach der Gründung nicht auf 100 v.H. des eingezahlten Stammkapitals zu begrenzen, wenn sich nach dem Stuttgarter Verfahren ein höherer Wert ergibt (entschieden für den Fall der echten Betriebsaufspaltung).

 

Orientierungssatz

Bewertung von Anteilen an einer neu gegründeten Betriebsgesellschaft bei einer Betriebsaufspaltung nach dem Stuttgarter Verfahren: Zurückgriff auf die Gewinne des Einzelunternehmens unter Vornahme von erforderlichen Korrekturen (z.B. Geschäftsführergehalt) bei der Schätzung der Ertragsaussichten; keine Korrektur der angenommenen Gewinnaussichten mit Rücksicht auf die bestehende Betriebsaufspaltung; kein besonderer Abschlag wegen besonderer Fähigkeiten des Gesellschafter-Geschäftsführers, wenn dessen persönliche Leistungen bei der Bemessung des Jahresgehalts angemessen berücksichtigt worden sind.

 

Normenkette

BewG 1974 § 11 Abs. 2; VStR 1977 Abschn. 78 Abs. 2, Abschn. 89 Abs. 1

 

Tatbestand

Die Klägerin, eine GmbH, ist im Wege der Betriebsaufspaltung zum 1.Januar 1978 gegründet worden. An ihrem Stammkapital von 250 000 DM sind B.A., der Inhaber des Besitzunternehmens, und L.A. mit 60 000 DM beteiligt. Die Klägerin hat von dem bisherigen Einzelunternehmen das gesamte bewegliche und unbewegliche Anlagevermögen einschließlich der Patente und der sonstigen gewerblichen Schutzrechte gepachtet.

Den gemeinen Wert der Anteile an der Klägerin stellte das beklagte Finanzamt (FA) für den 31.Dezember 1978 auf ....DM je 100 DM Stammkapital fest. Mit Einspruchsentscheidung vom 30.November 1981 ermäßigte es die Feststellung des gemeinen Wertes auf ....DM je 100 DM Stammkapital.

Das FA lehnte es ab, die Anteile an der Klägerin nur mit 100 v.H. des eingezahlten Stammkapitals gemäß Abschn.89 der Vermögensteuer-Richtlinien (VStR) 1977 anzusetzen. Bei einer Betriebsaufspaltung könne nicht von einer Gesellschaft im Aufbau gesprochen werden. Auch ein besonderer Abschlag gemäß Abschn.78 Abs.2 VStR 1977 wegen der persönlichen Tätigkeit des Gesellschafter-Geschäftsführers komme nicht in Betracht. Der Ertrag der Klägerin sei nicht ausschließlich von der Tätigkeit des Gesellschafter-Geschäftsführers abhängig. Im übrigen erhalte der Gesellschafter-Geschäftsführer ein Jahresgehalt, das als Betriebsausgabe berücksichtigt werde. Darüber hinaus sei eine Lizenzgebühr an das Besitzunternehmen für die Überlassung der Patente des Gesellschafter-Geschäftsführers gezahlt worden, die ebenfalls den Jahresertrag beeinflußt habe.

Die Klägerin hat Klage erhoben und beantragt, den gemeinen Wert der Anteile auf 100 DM je 100 DM Stammkapital festzustellen. Auch bei einer durch Betriebsaufspaltung entstandenen Betriebsgesellschaft sei in den ersten drei Jahren entsprechend Abschn. 89 Abs.1 VStR 1977 zu verfahren. Hilfsweise werde weiterhin geltend gemacht, daß der Ertrag um einen besonderen Abschlag gemäß Abschn.78 Abs.2 VStR 1977 zu kürzen sei.

Das Finanzgericht (FG) hat den gemeinen Wert der GmbH-Anteile auf ...DM je 100 DM Stammkapital festgestellt und die Klage im übrigen abgewiesen. Dabei hat es vor allem abgelehnt, die Anteile mit 100 DM je 100 DM Stammkapital zu bewerten.

Der Klage teilweise stattgegeben hat das FG deshalb, weil es für erforderlich gehalten hat, die Gewinne 1976 und 1977 wegen der Verpflichtung der Klägerin, das pachtweise überlassene Anlagevermögen laufend instandzuhalten und Ersatzanschaffungen und Modernisierungsinvestitionen vorzunehmen, um 75 v.H. der von dem Einzelunternehmen vorgenommenen Absetzung für Abnutzung (AfA) zu kürzen.

Die Klägerin hat Revision eingelegt und ihren Klageantrag weiterverfolgt.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision der Klägerin ist unbegründet und deshalb zurückzuweisen.

1. Der gemeine Wert der Anteile an der Klägerin war mangels Verkäufen unter Berücksichtigung des Vermögens und der Ertragsaussichten zu schätzen (§ 11 Abs.2 Satz 2 des Bewertungsgesetzes --BewG--). Die Klägerin hat keinen Erfolg mit ihrem Begehren, den gemeinen Wert der Anteile in den ersten drei Jahren nach der Gründung nur mit 100 v.H. des eingezahlten Stammkapitals anzusetzen. Sie verkennt die Bedeutung der Rechtsprechung, die dazu geführt hat, bei neu gegründeten Unternehmen in den ersten Jahren regelmäßig keinen niedrigeren gemeinen Wert festzustellen als 100 v.H. des eingezahlten Stammkapitals, es sei denn, es könne das Vorliegen einer Fehlmaßnahme nachgewiesen werden (vgl. die Urteile des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 23.Oktober 1964 III 365/61, BFHE 81, 178, BStBl III 1965, 64, und vom 6.August 1971 III R 88/68, BFHE 104, 1, BStBl II 1972, 109). Denn der BFH hat nicht angenommen, daß die Anteile neu gegründeter Gesellschaften, auch bei günstiger Geschäftsentwicklung immer nur mit einem Wert von 100 v.H. des eingezahlten Stammkapitals angesetzt werden dürften. Im übrigen kann diese Rechtsprechung dann keine Anwendung finden, wenn es sich nur formal um eine Neugründung, wirtschaftlich aber um eine Umstrukturierung eines bereits seit längerem bestehenden Unternehmens handelt. Hierzu gehören jedenfalls auch die Fälle der echten Betriebsaufspaltung, wobei es gleichgültig ist, ob die Betriebsaufspaltung im Wege der Bargründung oder der Sachgründung der neuen Betriebskapitalgesellschaft erfolgt.

2. Auch den übrigen Revisionsrügen bleibt der Erfolg versagt.

a) Soweit das FG (wie das FA) bei der Schätzung der Ertragsaussichten auf die Gewinne des Einzelunternehmens in den Jahren 1976/77 zurückgegriffen hat, sind die erforderlichen Korrekturen zur Berücksichtigung der Verhältnisse der Klägerin vorgenommen worden. Das FG hat ein Geschäftsführergehalt und Lizenzzahlungen in der Höhe abgesetzt, wie sie von der Klägerin später zu leisten waren. Die vom Einzelunternehmen gewinnmindernd berücksichtigte AfA hat es durch eine Rückstellung für Ersatz- und Neuinvestitionen (Substanzerhaltung) in Höhe von 75 v.H. der jeweiligen AfA angenommen. Durch diese Korrekturen hat es die Gewinne des Einzelunternehmens auf voraussichtliche Gewinne der Klägerin als Betriebsgesellschaft umgerechnet. Hiergegen hat auch die Klägerin im Grundsatz keine Einwendungen erhoben.

Soweit die Klägerin die Höhe der Rückstellung für die Substanzerhaltung rügt, vermag der Senat dieser Rüge nicht zu folgen. Er ist mangels Vorliegens eines Rechtsfehlers an die Schätzung des FG gebunden (vgl. Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, § 162 AO 1977 Tz.10 mit Hinweisen auf die Rechtsprechung).

Die Prüfung des angefochtenen Urteils ergibt, daß die Gewinne 1976 und 1977 wegen der Verpflichtung zur Substanzerhaltung jeweils gekürzt worden sind und daß sich der Gewinn der Klägerin für 1978 wegen der gleichen Verpflichtung ermäßigt hat. Ein Schätzungsfehler ist nicht ersichtlich, zumal die Klägerin die Berücksichtigung einer Rückstellung für Substanzerhaltung im Klageverfahren nicht geltend gemacht hatte.

b) Daß das FG seine Ermittlungspflichten verletzte, als es die Ertragsaussichten nach den Erträgen der Jahre 1976, 1977 und 1978 schätzte, ist nicht ersichtlich. Die Klägerin hat auch nicht vorgetragen, was das FG im einzelnen noch hätte ermitteln sollen. Im übrigen scheitert die Rüge der Klägerin auch daran, daß während des Klageverfahrens von ihren Prozeßbevollmächtigten keine Beweisanträge gestellt worden sind, sondern nur allgemein darauf hingewiesen worden ist, daß ihre Ertragslage allein von dem Erfindungsreichtum des Gesellschafter-Geschäftsführers und Inhabers des Einzelunternehmens abhängig sei. Konkrete (nachprüfbare) Tatsachen, daß am Bewertungsstichtag eine Verschlechterung der Ertragslage abzusehen gewesen sei, sind während des Klageverfahrens nicht vorgetragen worden.

Der nunmehr geltend gemachte rasche Wandel in der elektrotechnischen Industrie ist bekannt. Es muß aber angenommen werden, daß jedes Unternehmen dieser Branche alle denkbaren Maßnahmen treffen wird, um mit dem Wandel Schritt zu halten. Konkrete Tatsachen, daß dies hinsichtlich der Klägerin bzw. hinsichtlich des verpachtenden Einzelunternehmens nicht mehr der Fall gewesen sei, sind im Klageverfahren nicht vorgetragen worden.

c) Eine Korrektur der angenommenen Gewinnaussichten mit Rücksicht auf die bestehende Betriebsaufspaltung war entgegen der Auffassung der Revision nicht erforderlich. Der Senat verweist insofern auf sein Urteil vom 12.März 1980 II R 28/77 (BFHE 130, 198, BStBl II 1980, 405), auf das sich bereits das FG bezogen hat.

d) Auch die Rüge, es hätte wegen der besonderen Fähigkeiten des Gesellschafter-Geschäftsführers eines besonderen Abschlages bedurft, ist unbegründet. Angesichts des Umstandes, daß der Gesellschafter-Geschäftsführer ein Jahresgehalt von ....DM bezog und an das Besitzunternehmen Lizenzgebühren zu zahlen waren, konnte das FG zu Recht davon ausgehen, daß dadurch die persönlichen Leistungen des Gesellschafter-Geschäftsführers und Inhabers des Einzelunternehmens angemessen berücksichtigt worden sind, so daß es sich bei dem verbleibenden Ertrag um den objektiven Ertrag der Kapitalgesellschaft handelt. Es ist im übrigen auch nicht substantiiert vorgetragen worden, daß die genannten Entgelte in unzureichender Höhe vereinbart worden sind. Im übrigen trifft auch die dem Abschn.78 Abs.2 VStR 1977 zugrunde liegende Überlegung im vorliegenden Fall nicht zu. Berücksichtigt werden sollen durch einen besonderen Abschlag die Fälle, in denen ohne Einsatz eines größeren Betriebskapitals der Ertrag ausschließlich und unmittelbar von der persönlichen Tätigkeit des Gesellschafter-Geschäftsführers abhängig ist, ohne daß dies bereits durch ein entsprechendes Entgelt abgegolten wäre. Auf eine industriell tätige Betriebsgesellschaft wie die Klägerin treffen diese Überlegungen nicht zu.

e) Nicht gerechtfertigt ist auch das Begehren der Klägerin, einen besonderen Abschlag deshalb zuzulassen, weil besonders günstige Ertragsaussichten vorliegen. Es ist nicht ersichtlich, daß der für die Ermittlung des Ertragshundertsatzes zugrunde gelegte Jahresertrag zu einem unangemessen hohen gemeinen Wert führt. Es gibt insbesondere keine Anhaltspunkte, daß dieser angenommene Jahresertrag den zu erwartenden objektiven Ertrag der Klägerin als Betriebsgesellschaft unter den Bedingungen der Betriebsverpachtung übersteigt. Eine allgemeine Korrektur besonders hoher (objektiver) Ertragsaussichten entspricht schließlich nicht dem System des Stuttgarter Verfahrens. Der Jahresertrag mag, verglichen mit dem Einheitswert des Betriebsvermögens, erheblich sein. Es muß aber berücksichtigt werden, daß die Klägerin aufgrund der Betriebsaufspaltung in der Lage war, ihren Gewinn durch den Einsatz gepachteter Anlagen zu erzielen, auch wenn hierfür Pachtzahlungen zu entrichten waren. Dadurch konnte sie sich im Vergleich zu dem für die Produktion tatsächlich eingesetzten Vermögen eine gewisse Unterkapitalisierung erlauben, die zu verhältnismäßig hohen Anteilswerten führt.

 

Fundstellen

Haufe-Index 61430

BStBl II 1986, 594

BFHE 146, 467

BFHE 1986, 467

DStR 1986, 579-579 (ST)

HFR 1986, 511-512 (ST)

GmbH-Rdsch 1986, 402-403 (ST)

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