Entscheidungsstichwort (Thema)

Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Ein rechtskräftig abgeschlossener Lohnsteuer-Jahresausgleich kann nicht wieder aufgerollt werden, wenn eine amtsärztliche Bescheinigung beigebracht wird, in der eine höhere Erwerbsbeschränkung festgestellt wird, als bei den Lohnsteuer-Jahresausgleich auf Grund einer damals vorgelegten amtsärztlichen Bescheinigung angesetzt wurde.

 

Normenkette

EStG § 33a/6; EStDV § 65; StAnpG § 4 Abs. 3 Ziff. 2

 

Tatbestand

Der Bg. leidet an einer angeborenen Knochenerkrankung. Im September 1960 bescheinigte ihm der Amtsarzt eine Minderung der Erwerbsfähigkeit von 50 v. H.; auf Grund dieser Bescheinigung wurde ihm für das Streitjahr 1961 ein Freibetrag von 636 DM auf der Lohnsteuerkarte eingetragen. Einen Lohnsteuer-Jahresausgleich für 1961 beantragte der Bg. nicht.

Am 29. April 1963 ließ er sich nochmals amtsärztlich untersuchen. Auf Grund dieser Untersuchung bescheinigte der Amtsarzt dem Bg. rückwirkend ab der Kindheit eine Minderung der Erwerbsfähigkeit von 80 v. H.

Am 20. Juni 1963 beantragte der Bg., ihm auf Grund dieser neuen Bescheinigung die für das Jahr 1961 überzahlte Lohnsteuer von 102 DM gemäß § 131 AO zu erstatten. Das Finanzamt lehnte den Erstattungsantrag ab.

Hiergegen legte der Bg. Einspruch ein und beantragte unter Hinweis auf § 4 Abs. 3 Ziff. 2 StAnpG noch den Lohnsteuer-Jahresausgleich für 1961. Der Einspruch hatte keinen Erfolg.

Das Finanzgericht erkannte dagegen einen Erstattungsanspruch des Bg. von 102 DM an. Es führte aus: Nach § 4 Abs. 3 Ziff. 2 in Verbindung mit Abs. 2 StAnpG seien Steuern zu erstatten, wenn ein Merkmal für die Steuerschuld nachträglch mit Wirkung für die Vergangenheit wegfalle. Der Wortlaut des § 4 Abs. 3 Ziff. 2 StAnpG lasse nicht erkennen, daß die Anwendung der Vorschrift bei laufend veranlagten Steuern ausgeschlossen sein solle. Die Vorschrift gebe vielmehr der Richtigkeit der Besteuerung den Vorrang vor der Rechtskraft. Das ursprüngliche Besteuerungsmerkmal, daß der Bg. nur zu 50 v. H. erwerbsbeschränkt sei, sei rückwirkend weggefallen; statt dessen sei nunmehr die Feststellung maßgebend, daß eine Erwerbsminderung von 80 v. H. vorliege. Die Antragsfrist des § 4 Abs. 2 StAnpG sei noch nicht abgelaufen gewesen; denn der Bg. habe zwei Monate nach der Feststellung der höheren Erwerbsminderung den Erstattungsantrag gestellt.

 

Entscheidungsgründe

Die Rb. des Vorstehers des Finanzamts ist begründet.

Die Frist für den Antrag auf einen Lohnsteuer-Jahresausgleich für 1961 war verstrichen, als der Bg. am 20. Juni 1963 die Erstattung verlangte. Gemäß § 4 Abs. 5 Satz 1 der Verordnung über den Lohnsteuer-Jahresausgleich (JAV) war nämlich der Antrag spätestens am 30. April 1962 zu stellen. Zwar kann gemäß § 4 Abs. 5 Satz 3 JAV bei Versäumung der Frist gemäß §§ 86, 87 AO Nachsicht gewährt werden. Nach § 87 Abs. 5 AO kann aber die Nachsicht nicht bewilligt werden, wenn seit Ablauf der versäumten Frist ein Jahr verstrichen ist. Da hier der Antrag erst nach dem 30. April 1963 gestellt wurde, entfällt schon aus diesem Grunde die Möglichkeit der Nachsicht.

Wie der Senat in der Entscheidung VI 196/63 U vom 29. Oktober 1963 (BStBl 1964 III S. 34, Slg. Bd. 78 S. 92) ausgeführt hat, dient die Gewährung der Pauschbeträge nur der Vereinfachung. Der Steuerpflichtige kann statt des Pauschbetrages die nachgewiesenen höheren Aufwendungen als außergewöhnliche Belastung im Sinne des § 33 EStG geltend machen. Die spätere amtsärztliche Bescheinigung, daß die Erwerbsminderung höher anzusetzen sei, als in einem früheren amtsärztlichen Zeugnis angenommen war, hat steuerlich nur die Auswirkung, daß nachträglich eine andere Beweisurkunde beigebracht wird, aus der sich für rechtskräftig abgeschlossene Jahre eine höhere außergewöhnliche Belastung gemäß § 33 EStG ergibt, als sie tatsächlich anerkannt wurde.

Ein neues Beweismittel steht aber entgegen der Meinung des Finanzgerichts nicht dem Wegfall eines Merkmals im Sinne von § 4 Abs. 3 Ziff. 2 StAnpG gleich. Insbesondere ist die spätere andere Würdigung eines Sachverhalts auch kein neues Merkmal im Sinne des § 4 Abs. 3 Ziff. 2 StAnpG, das zu einer Steuererstattung berechtigen könnte. Bei dieser Beurteilung erübrigt sich eine Stellungnahme zu der vom Finanzgericht aufgeworfenen Frage, ob § 4 Abs. 3 Ziff. 2 StAnpG bei laufend veranlagten Steuern grundsätzlich überhaupt anwendbar ist.

Die Entscheidung des Senats VI 113/56 U vom 20. September 1957 (BStBl 1957 III S. 452, Slg. Bd. 65 S. 571) gilt nicht für Fälle der vorliegenden Art. Damals war bei der Eintragung des Pauschbetrags die Höhe der Erwerbsminderung streitig; der Steuerpflichtige gab sich mit dem von der Versorgungsbehörde anerkannten Grad der Erwerbsminderung nicht zufrieden. Nach der Rechtsprechung des Senats, die auch in Abschn. 40 Abs. 17 LStR 1960 ihren Niederschlag gefunden hat, ist in solchen Fällen zunächst der letzte Bescheid der Versorgungsbehörde zugrunde zu legen. Erreicht der Steuerpflichtige z. B. in einem Rechtsstreit vor dem Sozialgericht später, daß rückwirkend ein höherer Grad der Erwerbsminderung festgestellt wird, so sind die Steuerberechnungen der früheren Jahre, bei denen zunächst nur vorläufig der letzte Rentenbescheid zugrunde gelegt wurde, auf Antrag des Steuerpflichtigen zu berichtigen. Im Streitfall bestand aber z. Z. des Lohnsteuer-Jahresausgleichs für 1961 kein Streit oder keine Ungewißheit über den Grad der Erwerbsminderung. Der Steuerpflichtige hatte vielmehr beim Lohnsteuer-Jahresausgleich 1961 auf Grund der vorgelegten amtsärztlichen Bescheinigung selbst nur einen Pauschbetrag nach einer Erwerbsminderung von 50 v. H. beantragt.

 

Fundstellen

Haufe-Index 411620

BStBl III 1965, 391

BFHE 1965, 396

BFHE 82, 396

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