Entscheidungsstichwort (Thema)

Keine erhöhte InvZul für einen Betrieb, der Sand und Kies gewinnt, aufbereitet und vertreibt; Abgrenzung von Betrieben der Produktion zu Betrieben des verarbeitenden Gewerbes

 

Leitsatz (amtlich)

Der Begriff des verarbeitenden Gewerbes im Investitionszulagenrecht entspricht dem Begriff in dem vom Statistischen Bundesamt herausgegebenen Verzeichnis der Wirtschaftszweige.

Ein Betrieb, der Sand und Kies gewinnt, aufbereitet und vertreibt, gehört nach der Klassifikation der Wirtschaftszweige, Ausgabe 1993, nicht zum Wirtschaftszweig "Verarbeitendes Gewerbe, Verarbeitung von Steinen und Erden" (Abschn. D, Unterabschn. DI), sondern zum Wirtschaftszweig "Bergbau und Gewinnung von Steinen und Erden" (Abschn. C).

Anspruch auf erhöhte Investitionszulage wegen der Zugehörigkeit des Betriebs zum verarbeitenden Gewerbe besteht für die Anschaffung von Wirtschaftsgütern im Jahr 1995 nur, wenn der Betrieb nach der Klassifikation der Wirtschaftszweige, Ausgabe 1993, dem verarbeitenden Gewerbe zuzuordnen war. Die frühere Zuordnung in der Systematik der Wirtschaftszweige, Ausgabe 1979, zum verarbeitenden Gewerbe ist überholt.

 

Normenkette

InvZulG 1996 § 3 Nrn. 3-4, § 5 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3 Nr. 2

 

Verfahrensgang

FG Mecklenburg-Vorpommern (Entscheidung vom 29.02.2000; Aktenzeichen 2 K 468/97; EFG 2000, 580)

 

Tatbestand

I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist als GmbH & Co. KG mit Beschluss vom 29. August 1995 rückwirkend zum 1. Januar 1995 aus der Umwandlung der H-GmbH entstanden. Sämtliche Anteile dieser GmbH hatte nach Angaben der Klägerin seit Oktober 1994 die Firma OD gehalten. Die Klägerin gehörte zu den sechs Betrieben der Unternehmensgruppe OD.

Nach Darstellung der Klägerin besteht ihre Tätigkeit in der Produktion und dem Vertrieb von Sand, Kies und Beton. Der Kies werde im gesamten Bergwerksfeld im Wasser durch Saugbagger und Schrapper entnommen. 20 % des Fördergutes werde im Betonwerk der Klägerin verarbeitet, der Rest werde einem Wasch- und Siebvorgang unterzogen, dem sich Tätigkeiten des Klassifizierens, Mischens, der Kohleabscheidung und des Entschlämmens anschlössen. Ziel der Tätigkeiten seien verschiedene Waren, die den jeweiligen Anforderungen, z.B. der DIN 4226 für Betonzuschlagstoffe, der Alkali-Richtlinie bzw. den Technischen Lieferbedingungen für Mineralstoffe im Straßenbau entsprächen. So entständen neben Schlämmsanden Siebware (gesiebte Sande, Bettungssande, Frostschutzschichten, Filterkies, gesiebter Kies, Geröll), Mischware (Kiessandgemisch, Bankettmaterial, Kiestragschichten, Brechkorngemische, Schotter, Schottertragschichten) und Waschware (gewaschener Sand, werksgemischte Betonzuschlagstoffe, gewaschener Kies und Filterkies). Der Anteil der Rohware (Rohkies, Oberboden, Lehm, Abraum, Füllboden/Wand) mache nur 1 % der gesamten Ware aus. Wegen der Darstellung im Einzelnen wird Bezug genommen auf die Schriftsätze im Klageverfahren vom 25. Juni und 8. November 1999, jeweils mit Anlagen.

Im Jahr 1995 schaffte die Klägerin mehrere Wirtschaftsgüter, unter anderem eine Kieswaschanlage mit Kohleabscheider und zwei Radlader, an. Für die Anschaffung der beiden Radlader beantragte sie Investitionszulage in Höhe von 8 %, für die übrigen Wirtschaftsgüter in Höhe von 5 %. In dem Investitionszulagenbescheid für das Kalenderjahr 1995 setzte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt ―FA―) die Investitionszulage im Wesentlichen antragsgemäß fest, gewährte aber für die Radlader ebenfalls nur eine Investitionszulage von 5 %.

Nach erfolglosem Einspruchsverfahren begehrte die Klägerin mit ihrer Klage für die Anschaffung sämtlicher Wirtschaftsgüter eine erhöhte Investitionszulage von 10 %, da sie dem verarbeitenden Gewerbe zuzurechnen sei. Ihre überwiegende Tätigkeit, die Kies- und Sandveredelung, falle unter die Be- und Verarbeitung von Natursteinen und sei dem Abschn. D, Unterabschn. DI, Abt. 26, Gruppe 26.7 der Klassifikation der Wirtschaftszweige, Ausgabe 1993 (WZ 93), zuzurechnen. Hilfsweise beantragte sie eine Investitionszulage von 8 % für die beiden Radlader.

Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab. Zur Begründung führte es im Wesentlichen aus:

Für die Zuordnung des Betriebs der Klägerin zum verarbeitenden Gewerbe im Unterabschn. DI (Glasgewerbe, Keramik, Verarbeitung von Steinen und Erden) in der WZ 93 gebe es keine Anhaltspunkte. Auch die Gewinnung von Sieb-, Misch- und Waschware ändere nichts daran, dass es um die Gewinnung von Erden, Sanden, Kiesen und Steinen (Geröll) gehe, die entsprechend Unterabschn. CB 14.21.0 dem Bergbau zuzurechnen sei. Offensichtlich unzutreffend sei die Einordnung nach der WZ 93 nicht. Allein die Betonproduktion, die aber nicht den Schwerpunkt der wirtschaftlichen Tätigkeit der Klägerin ausmache, gehöre zum verarbeitenden Gewerbe. Eine Investitionszulage von 8 % für die Radlader scheitere daran, dass deren Bestellung vor dem Stichtag 30. Juni 1994 nicht der Klägerin zuzurechnen sei. Das Urteil des FG ist in Entscheidungen der Finanzgerichte 2000, 580 abgedruckt.

Mit der Revision macht die Klägerin geltend, für die Einordnung ihrer Tätigkeit dürfe nicht auf die WZ 93 zurückgegriffen werden, da die darin vorgenommene Einordnung der Gewinnung von Steinen und Kiesen nicht der Verkehrsauffassung entspreche. Nach der Systematik der Wirtschaftszweige, Ausgabe 1979 (WZ 79), habe diese Tätigkeit zum verarbeitenden Gewerbe gehört. Die WZ 79 habe der Verkehrsauffassung entsprochen. Die Veränderung der Eingruppierung des Bergbaus und der Gewinnung von Kies und Sand in der WZ 93 beruhe nicht auf einer Veränderung der Verkehrsauffassung, sondern auf Vorgaben der Verordnung (EWG) Nr. 3037/90 (VO Nr. 3037/90) des Rates vom 9. Oktober 1990 (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften ―ABlEG― Nr. L 293 vom 24. Oktober 1990). Diesen Tatbestand hätten auch das Statistische Bundesamt und der Bundesverband der Deutschen Kies- und Sandindustrie e.V. bestätigt. Mit einer Rückänderung dieses Bereiches in das verarbeitende Gewerbe sei zu rechnen, auch wenn dies auf Grund der langwierigen Entscheidungsprozesse noch einige Zeit dauern könne.

Die Klägerin beantragt, das finanzgerichtliche Urteil aufzuheben und unter Änderung des Investitionszulagenbescheides für 1995 i.d.F. der Einspruchsentscheidung die Investitionszulage in Höhe von 10 % festzusetzen.

Ihren zunächst hilfsweise gestellten Antrag auf Gewährung einer Investitionszulage von 8 % für die beiden Radlader hat die Klägerin in der mündlichen Verhandlung zurückgenommen.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Auf Anfrage des Senats hat das Statistische Landesamt Mecklenburg-Vorpommern mit Schreiben vom 18. September 2003 mitgeteilt, das Unternehmen der Klägerin werde entsprechend der Klassifikation der Wirtschaftszweige, Ausgabe 2003 (WZ 03), dem Wirtschaftszweig 14.21.0 des Abschn. C "Erzbergbau, Gewinnung von Steinen und Erden, sonstiger Bergbau" zugeordnet.

 

Entscheidungsgründe

II. Die Revision ist unbegründet. Sie ist deshalb zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung ―FGO―).

Zu Recht hat das FG die erhöhte Investitionszulage in Höhe von 10 % abgelehnt.

1. Nach § 5 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 i.V.m. § 3 Nr. 4 des Investitionszulagengesetzes (InvZulG) 1996, das auch für Investitionen im Jahr 1995 gilt (§ 11 InvZulG 1996), erhöht sich die Investitionszulage von 5 % auf 10 %, wenn ―neben anderen hier nicht streitigen Voraussetzungen― die Wirtschaftsgüter zum Anlagevermögen eines Betriebs des verarbeitenden Gewerbes gehören.

Der Begriff des verarbeitenden Gewerbes ist gesetzlich nicht definiert. Seine Auslegung obliegt ―ebenso wie die Subsumtion des jeweiligen Betriebs unter diesen Begriff― den Finanzämtern und den Gerichten.

Das verarbeitende Gewerbe ist im Wesentlichen gekennzeichnet durch die Herstellung eines anderen Produktes im Sinne einer substantiellen Veränderung von Materien oder durch die Veredelung von Erzeugnissen.

2. Seit der Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 14. Januar 1975 VIII R 148/71 (BFHE 115, 86, BStBl II 1975, 392) nimmt der BFH die Zuordnung eines Betriebs zum verarbeitenden Gewerbe im Interesse der Rechtssicherheit in engster Anlehnung an die WZ 79 bzw. den Folgeverzeichnissen vor. Hat das Statistische Landesamt einen Betrieb entsprechend der jeweils gültigen WZ nach dem Schwerpunkt seiner unternehmerischen Tätigkeit in einen bestimmten Wirtschaftszweig eingeordnet, so kommt dieser Einordnung erhebliche Bedeutung zu. Zwar hat sie nicht die Qualität eines Grundlagenbescheides i.S. des § 171 Abs. 10 der Abgabenordnung (AO 1977), sie ist nach ständiger Rechtsprechung des BFH jedoch von den Finanzämtern in aller Regel bei der Entscheidung über die Gewährung der Investitionszulage zu übernehmen, soweit sie nicht zu einem offensichtlich falschen Ergebnis führt (vgl. BFH-Urteil vom 23. Oktober 2002 III R 40/00, BFHE 201, 366, BStBl II 2003, 360, m.w.N.). Unerheblich ist, ob die Einordnung durch das Statistische Landesamt bereits zum Zeitpunkt des Antrags auf Investitionszulage vorliegt oder ―wie im Streitfall― erst im Revisionsverfahren vorgenommen wird, sofern sich in der Unternehmensstruktur nichts verändert hat (vgl. BFH-Urteil vom 7. März 2002 III R 44/97, BFHE 198, 169, BStBl II 2002, 545).

3. Die während des vorliegenden Revisionsverfahrens vorgenommene Zuordnung durch das Statistische Landesamt ist nicht offenkundig unzutreffend.

Das Statistische Landesamt hat das Unternehmen der Klägerin nach der ―insoweit der WZ 93 entsprechenden― Klassifikation der Wirtschaftszweige, Ausgabe 2003 (WZ 03), dem Wirtschaftszweig 14.21.0 des Abschn. C, Unterabschn. CB "Erzbergbau, Gewinnung von Steinen und Erden, sonstiger Bergbau" zugeordnet. Auch unter Berücksichtigung der Tätigkeitsbereiche der Klägerin, die über das reine Ausbaggern von Sand und Kies hinausgehen, entspricht diese Einordnung des Betriebs den dort aufgeführten Kriterien. Insbesondere fallen auch die von der Klägerin dargestellten verschiedenen Behandlungen des Rohmaterials Kies und Sand unter Abschn. C (Bergbau und Gewinnung von Steinen und Erden) der WZ 93. Dagegen enthält Abschn. D (Verarbeitendes Gewerbe), Unterabschn. DI (Glasgewerbe, Keramik, Verarbeitung von Steinen und Erden) keine Position, in der Sand und Kies bzw. Verarbeitungsformen dafür erwähnt sind.

Nach diesen Kriterien gehören die Gewinnung und Aufbereitung von mineralischen Rohstoffen und damit nicht nur das Ausbaggern von Sand und Kies, sondern auch die von der Klägerin beschriebene Weiterbehandlung des geschürften Materials ―mit Ausnahme der Betonherstellung, die mit ca. 20 % dem Betrieb nicht das Gepräge gibt― zur Urproduktion und nicht zur Verarbeitung. Einer Gewichtung der einzelnen übrigen Tätigkeiten zur Feststellung, wo das Schwergewicht der betrieblichen Wertschöpfung liegt, bedarf es deshalb nicht.

4. Die Entscheidung des FG, das die Zuordnung durch das Statistische Landesamt im Ergebnis vorweggenommen hat, steht nicht in Widerspruch zu dem Urteil des Senats in BFHE 201, 366, BStBl II 2003, 360. In jenem Fall hatte das Statistische Landesamt ein Steinbruchunternehmen, das in einer Aufbereitungsanlage durch mehrmaliges Brechen und Sieben der durch Sprengung gewonnenen Steine verschiedene Produkte für das Baugewerbe, die Betonindustrie und den Straßenbau hergestellt hatte, zunächst der Gruppe 26.70 der WZ 93 ―Be- und Verarbeitung von Natursteinen― zugeordnet, aber vor Ablauf des Verbleibenszeitraums in die Gruppe 14.21 ―Gewinnung von Kies und Sand― umgruppiert. Der Senat war der Auffassung, das FA sei aus Vertrauensschutzgründen für die Dauer des Verbleibenszeitraums an die ursprüngliche Einordnung durch das Statistische Landesamt gebunden, da diese Zuordnung jedenfalls nicht offensichtlich falsch gewesen sei. Daraus folgt aber nicht, dass es die Zuordnung zum verarbeitenden Gewerbe als richtig und die spätere Umgruppierung dementsprechend als offensichtlich falsch angesehen hat.

5. Die Zuordnung des klägerischen Unternehmens auf der Grundlage der WZ 93 zur Urproduktion und nicht zum verarbeitenden Gewerbe ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

a) Zur Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriffs "Verarbeitendes Gewerbe" hat der BFH mangels gesetzlicher Begriffsbestimmung in ständiger Rechtsprechung schon zu Investitionszulagen nach § 19 des Berlinförderungsgesetzes (BerlinFG) auf die vom Statistischen Bundesamt herausgegebenen Verzeichnisse der Wirtschaftszweige, zunächst die WZ 79 und später die an deren Stelle getretene WZ 93, abgestellt (vgl. BFH-Entscheidungen vom 24. Februar 1999 III B 194/96, BFH/NV 1999, 1123; in BFHE 198, 169, BStBl II 2002, 545, und vom 20. Februar 2003 III R 29/01, BFHE 201, 571, BStBl II 2003, 529). In diesen Verzeichnissen ist die ―an den sich verändernden Wirtschaftsstrukturen angelehnte― Einschätzung der Wirtschaft über die Zuordnung von Tätigkeiten zu Wirtschaftsbereichen und Wirtschaftszweigen dokumentiert. Auch wenn die Verzeichnisse überwiegend statistischen Zwecken dienen, stellen sie eine Grundsystematik aller Wirtschaftszweige dar, bei der die Erkenntnisse fachlich kompetenter Gremien über die Gruppierungen wirtschaftlicher Institutionen verwertet worden sind (z.B. BFH-Urteile in BFHE 115, 86, BStBl II 1975, 392; vom 8. April 1976 III R 161/73, BFHE 118, 516, BStBl II 1976, 410, und vom 30. Juni 1989 III R 85/87, BFHE 157, 291, BStBl II 1989, 809; für Investitionszulagen nach dem InvZulG vgl. Senatsbeschluss in BFH/NV 1999, 1123).

Angesichts dieser sachverständigen und feingliedrigen Dokumentation besteht keine Veranlassung, für das Investitionszulagenrecht den Begriff "Verarbeitendes Gewerbe" hiervon abweichend zu definieren. Insoweit sieht sich der Senat durch den Gesetzgeber bestätigt. Auch dieser ging davon aus, dass sich die Abgrenzung des verarbeitenden Gewerbes aus dem systematischen Verzeichnis der Wirtschaftszweige des Statistischen Bundesamts ergebe (vgl. Begründung des Dritten Gesetzes zur Änderung des Berlinhilfegesetzes vom 19. Juli 1968, BTDrucks V/3019, S. 9; Beschlussempfehlung und Bericht des Finanzausschusses zum Entwurf des Verbrauchsteuer-Binnenmarktgesetzes vom 21. Dezember 1992, BStBl I 1993, 96, 98, der Änderungen des InvZulG 1991 enthält, BTDrucks 12/3893, S. 154).

Bei Einführung des Stromsteuergesetzes (StromStG) vom 24. März 1999 (BGBl I 1999, 378), zuletzt geändert durch Gesetz vom 23. Dezember 2002 (BGBl I 2002, 4602, 4604), hat der Gesetzgeber ausdrücklich auf diese Grundsätze zurückgegriffen. Strom unterliegt danach u.a. bei Unternehmen des produzierenden Gewerbes gemäß § 9 Abs. 3 StromStG einem ermäßigten Steuersatz. Unternehmen des produzierenden Gewerbes sind nach § 2 Nr. 3 StromStG unter anderem Unternehmen, die nach der WZ 93 dem verarbeitenden Gewerbe zuzuordnen sind. Im Bericht des Finanzausschusses zum Gesetzentwurf wird darauf hingewiesen, dass bereits bei Investitionszulagen nach dem BerlinFG ohne wesentliche Probleme nach der Klassifikation des Statistischen Bundesamtes differenziert worden sei (BTDrucks 14/440, S. 11). Der BFH hat diese Regelung im StromStG als verfassungsgemäß beurteilt (Urteil vom 24. August 2004 VII R 23/03, BFHE 207, 88, BFH/NV 2005, 145). Da Tatbestandsmerkmale, die für eine Steuerermäßigung oder für eine Vergünstigung (erhöhte Zulage) erfüllt sein müssen, in der Regel ―auch wenn sie in unterschiedlichen Gesetzen verwendet werden― gleich auszulegen sind, spricht dies dafür, dass auch für die Gewährung der Investitionszulage die für diesen Zeitraum maßgebende WZ 93 anzuwenden ist.

b) Entgegen der Auffassung der Klägerin ist die Gewinnung von Steinen und Erden für die Investitionszulage 1995 nach den Kriterien der WZ 93 einzuordnen. Denn die gegenüber der WZ 79 geänderten Zuordnungsmerkmale der WZ 93 sind unter Beteiligung auch nationaler Experten der Bundesrepublik Deutschland (Bundesrepublik) entwickelt worden, die den welt- und damit auch europaweiten strukturellen Veränderungen und/oder Angleichungen in der Wirtschaft und einer darauf basierenden veränderten Verkehrsauffassung Rechnung trägt. Nur die Anwendung der jeweils aktuellen harmonisierten Kriterien zur Festlegung der zulageberechtigten Unternehmen gewährleistet eine ―ggf. einer europarechtlichen Kontrolle standhaltenden― zielgenaue nationale Wirtschaftsförderung.

Die WZ 79 ordnete die Gewinnung und Verarbeitung von Steinen und Erden dem Abschn. 221 2 und 221 20 (Gewinnung von Sand, Kies, zugleich Klasse Gewinnung von Bau-, Form-, Quarz-, Glas- und Klebesand, Kies) der Abteilung 2 Verarbeitendes Gewerbe zu. In der Vorbemerkung heißt es: "Zur Abteilung 'Verarbeitendes Gewerbe' gehören alle Institutionen, deren wirtschaftliche Tätigkeit überwiegend darin besteht, Erzeugnisse, gleich welcher Art, zu be- oder verarbeiten, und zwar in der Regel mit dem Ziel, dabei andere Produkte herzustellen. Die Tätigkeit kann jedoch auch darin bestehen, bestimmte Erzeugnisse lediglich zu veredeln, zu montieren oder zu reparieren. Das verarbeitende Gewerbe umfasst daneben auch die Institutionen, deren überwiegende Tätigkeit in der Gewinnung von Steinen und Erden besteht. Diese Zweige wurden einbezogen, weil vielfach Gewinnung und Verarbeitung nicht zu trennen sind und weil dann der Schwerpunkt meist bei der Verarbeitung liegt."

Zu der Neufassung der Klassifikation der Wirtschaftszweige durch die WZ 93 war die Bundesrepublik verpflichtet. Sie basiert auf der VO Nr. 3037/90, geändert durch die Verordnung (EWG) Nr. 761/93 der Kommission vom 24. März 1993 (ABlEG Nr. L 83 vom 3. April 1993). Mit dieser unmittelbar in allen Mitgliedstaaten der Europäischen Union geltenden Verordnung ist die statistische Systematik der Wirtschaftszweige in der Europäischen Gemeinschaft (Nomenclature statistique des Activités économiques dans la Communauté Européenne, Revision 1 ―NACE Rev. 1―) als gemeinsame Grundlage für statistische Systematiken der Wirtschaftszweige in der Europäischen Gemeinschaft eingeführt worden.

Ausgangspunkt für die Harmonisierung der Klassifikationen war die Internationale Systematik der Wirtschaftszweige (International Standard Classification of Economic Activities ―ISIC―), die im Interesse einer weltweiten Vergleichbarkeit und Harmonisierung statistischer Daten durch eine von den Vereinten Nationen eingesetzte Expertengruppe als ein integriertes System entwickelt und zur weltweiten Verwendung empfohlen wurde. Die 3. Überarbeitung (ISIC Rev. 3) wurde von einer gemeinsamen Arbeitsgruppe des Statistischen Amtes der Vereinten Nationen und Eurostat unter enger Beteiligung der Vertreter der Mitgliedstaaten erarbeitet und von der Statistikkommission der Vereinten Nationen im Februar 1989 gebilligt. Anschließend wurde eine überarbeitete Fassung der ―in der Europäischen Union noch nicht rechtsverbindlichen― NACE 1970 erstellt (NACE Rev. 1). Von der NACE Rev. 1 wurde die nationale WZ 93 mit bis auf die 4. Gliederungsebene gleichem Aufbau abgeleitet und teilweise nahezu wörtlich übernommen (WZ 93, I Vorbemerkungen).

c) Die in der WZ 93 gegenüber der WZ 79 vorgenommene Umqualifizierung von Betrieben, deren Tätigkeit in der Gewinnung und Aufbereitung von Steinen und Erden besteht, ist nicht lediglich Folge einer für die Gewährung von Investitionszulage unbeachtlichen, rein formalen Umgliederung der nationalen Wirtschaftsklassifikation zum Zwecke der Integration in die weltweit harmonisierten Systeme statistischer Klassifikationen. Die geänderte Klassifikation ist vielmehr auch Ausdruck einer generellen, weltweit harmonisierten Verkehrsauffassung über Zuordnungskriterien für Wirtschaftsunternehmen. Die möglicherweise divergierenden Verkehrsauffassungen der an dieser Harmonisierung Beteiligten ―ggf. auch des Statistischen Bundesamtes― sind in die Entwicklung einer vereinheitlichten Verkehrsauffassung eingeflossen.

Das Ziel der Vereinheitlichung der internationalen Klassifikationen, die weltweite Vergleichbarkeit von Unternehmensdaten, führte zu einem grundlegend neuen (harmonisierten) Gliederungssystem. Die "statistische Einheit", der Daten zugeordnet werden sollen, muss als wirtschaftliche Einheit tätigkeitsbezogen definiert sein, um die Vergleichbarkeit z.B. von Produktionswert, in den Produktionsprozess eingeflossenen Produktionsfaktoren, Kapitalbildung oder Finanztransaktionen dieser Einheiten sicherzustellen (vgl. WZ 93, I Vorbemerkungen, 1.1 Einleitung). Ist eine derartige Definition notwendig detailliert hierarchisch aufgebaut, so ist sie nicht nur für spezifisch statistische Zwecke verwertbar. Sie liefert vielmehr die geeigneten Kriterien für die ―insbesondere dem Gleichbehandlungsgebot gerecht werdende― Beurteilung der Zugehörigkeit eines Betriebs zu einem zulageberechtigten Wirtschaftszweig. Demgegenüber sind Anhaltspunkte dafür, dass die zur Beurteilung der Zugehörigkeit eines Unternehmens zu einer bestimmten "statistischen Einheit" entwickelten Kriterien Besonderheiten aufweisen, die sie für Zwecke der Wirtschaftsförderung unbrauchbar machen, weder vorgetragen noch ersichtlich.

d) Im Übrigen wäre die unterschiedliche Zuordnung in der WZ 79 einerseits des Bergbaus zu Abteilung 1, andererseits der Gewinnung und Verarbeitung von Steinen und Erden zu Abteilung 2 (Verarbeitendes Gewerbe) auch bei einer nationalen Überprüfung unter systematischen Gesichtspunkten nicht aufrecht zu erhalten gewesen.

aa) Die WZ 79 sollte die wirtschaftlich orientierten Gliederungsmerkmale der WZ 61 und WZ 70 weiterführen, wobei zunächst nach Produktion, Handel und Dienstleistung zu unterscheiden war. Als ein maßgebliches Kriterium in der Warenproduktion sollten außerdem die verschiedenen Stufen ―Urproduktion sowie Be- und Verarbeitung― berücksichtigt werden (WZ 79, Allgemeine Vorbemerkungen, 1.2 Gliederungsmerkmale c). Insoweit wich die ―nationale― WZ 79 in ihrer strukturellen Gliederung von der europäischen, noch nicht rechtsverbindlichen NACE 1970 ab, die eine Untergliederung nach Produktion (im Sinne von Rohstoffgewinnung) und Be- und Verarbeitung nicht vorsah.

bb) In der Zuordnung der Institutionen, deren überwiegende Tätigkeit in der Gewinnung von Steinen und Erden besteht, insgesamt zur Abteilung 2 Verarbeitendes Gewerbe, weicht die WZ 79 von ihrer eigenen Systematik ―der Trennung nach Urproduktion und Be- und Verarbeitung― ab, wenn sie nur den reinen Bergbau der Abteilung 1 zuweist.

Außerdem weicht sie mit der unspezifischen Zuordnung zu Nr. 221 2 "Gewinnung von Sand, Kies", Nr. 221 20 "Gewinnung von Bau-, Form-, Quarz-, Glas- und Klebsand, Kies" von ihrer eigenen Definition (s.o. unter II. 5. b) ab. Denn durch das Brechen, Sortieren, Waschen und Mischen von Sand und Kies wird weder ein anderes Produkt hergestellt noch ein Erzeugnis veredelt.

cc) Dagegen wird die Umklassifizierung in der WZ 93 den selbst formulierten Kriterien gerecht. Ein Vergleich der Beschreibungen des Umgangs mit Steinen und Erden in Abschn. C und Abschn. D zeigt, dass das Kriterium für die Zuordnung von Tätigkeiten zu dem jeweiligen Abschnitt das bearbeitete Produkt ist. Eine Bearbeitungsweise, die die abgebauten oder ausgebaggerten Steine und Erden, Sande und Kiese als solche belässt und im Wesentlichen dazu dient, ihren Transport und Absatz zu ermöglichen bzw. zu vereinfachen, wird als Produktion angesehen, während eine Behandlung im Sinne einer Veredelung bzw. einer substantiellen Veränderung der gewonnenen Materien der Bearbeitung zugeordnet wird.

dd) Dass die unter Abschn. C aufgelisteten Tätigkeiten unter den Oberbegriff der Urproduktion gefasst werden können, zeigt sich auch an den Gütern, die am Ende des Produktionsprozesses dem Wirtschaftskreislauf zur Verfügung stehen. Da sich alle Ebenen einer Wirtschaftszweigklassifikation durch den Output an für sie charakteristischen Waren (und Dienstleistungen) beschreiben lassen (vgl. Vorwort zu NACE Rev. 1), ist das Güterverzeichnis für Produktionsstatistiken des Statistischen Bundesamtes, Ausgabe 1995, (GP 95) ein geeignetes Hilfsmittel, um anhand der charakteristischen Produkte die einzelnen Tätigkeiten zu bestimmen. Gerade in den Bereichen Bergbau, Gewinnung von Steinen und Erden und verarbeitendes Gewerbe sind die einzelnen Produkte des GP 95 denjenigen Wirtschaftsklassen der WZ zugeordnet, in denen diese typischerweise erzeugt werden. Dies kommt in der übereinstimmenden Kodierung der ersten vier Stellen in der WZ 93 zum Ausdruck. Das GP 95 erlaubt wegen seiner konzeptionellen Verknüpfung mit der WZ 93 Aussagen darüber, welche Güter typischerweise von den Wirtschaftsklassen der WZ hergestellt werden (GP 95, Einführung Nr. 1 Vorbemerkung Abs. 3; vgl. auch online Publikationen - Klassifikationen, Verzeichnisse ―Güterverzeichnisse des Statistischen Bundesamtes― www.destatis.de).

Im Einzelnen ordnet das GP 95 Kies und Sand sowie deren Aufbereitungsarten ausschließlich den Meldenrn. 1421 11 500 bis 1421 12 950 und damit dem Wirtschaftszweig der Urproduktion nach WZ 93 zu.

e) Sind beim Statistischen Bundesamt Anträge auf Umgruppierung gestellt worden, kann nach der Rechtsprechung des Senats die erhöhte Zulage auch gewährt werden, wenn die Umgruppierung zum verarbeitenden Gewerbe erst nach der Investition, aber noch innerhalb der dreijährigen Verbleibensfrist vollzogen worden ist (BFH-Urteil in BFHE 157, 291, BStBl II 1989, 809). Entgegen der ―durch entsprechende Stellungnahmen einiger Wirtschaftsverbände untermauerten― Vorhersage der Klägerin wurde die Gewinnung von Steinen und Erden aber nicht wieder dem verarbeitenden Gewerbe zugeordnet; vielmehr wurde in der WZ 03 die veränderte Struktur der WZ 93 beibehalten. Es wurden lediglich redaktionelle Änderungen zur Anpassung an den in der Bundesrepublik üblichen Sprachgebrauch vorgenommen (WZ 03, Einführung 2.1 a.E.).

 

Fundstellen

Haufe-Index 1345180

BFH/NV 2005, 981

BStBl II 2005, 497

BFHE 2005, 186

BFHE 209, 186

BB 2005, 1150

DStRE 2005, 647

HFR 2005, 673

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