Entscheidungsstichwort (Thema)

Körperschaftsteuer Einkommensteuer/Lohnsteuer/Kirchensteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Zur Frage der Zulässigkeit der änderung von Ansätzen in der DM-Eröffnungsbilanz durch den Kaufmann; der Grundsatz der Verwirkung im Steuerrecht.

 

Normenkette

DMBG § 74 Abs. 1; EStG § 4 Abs. 2 S. 2

 

Tatbestand

Die beschwerdeführende Gesellschaft hat in ihrer DM-Eröffnungsbilanz zum 1. April 1949 das Inventar mit 1.079 DM angesetzt. Sie ist für die Veranlagungszeiträume 1949 und 1950 auf dieser Grundlage rechtskräftig veranlagt worden. Mit Schreiben vom 31. März 1952 teilte sie dem Finanzamt mit, daß sie ihre DM-Eröffnungsbilanz berichtige und entsprechende Berichtigungsveranlagungen 1949 und 1950 beantrage. Hierbei erhöhte sie den Ansatz für das Inventar auf 3.054 DM. Die Vorbehörden lehnten den Antrag ab. Das Verwaltungsgericht begründete dies wie folgt:

In der von der Gesellschaft vorgenommenen Bewertung des Inventars mit 1.079 DM liege keine einem Schreibfehler oder Rechenfehler ähnliche Unrichtigkeit im Sinne des § 92 Abs. 3 der Reichsabgabenordnung (AO) vor. Auch auf Grund von § 94 Abs. 1 AO könne keine änderung der rechtskräftigen Feststellungsbescheide vorgenommen werden, weil diese änderungen der unanfechtbar gewordenen Bescheide nur zum Nachteil des Steuerpflichtigen erfolgen könnten, die Beschwerdeführerin (Bfin.) aber eine änderung zu ihrem Vorteil begehre. Es lägen auch keine der in § 222 Abs. 1 AO aufgeführten Voraussetzungen vor, unter denen eine Berichtigungsveranlagung oder eine Berichtigungsfeststellung erfolgen könne. Ob die von der Bfin. gewünschte änderung ihrer Bilanzen bei den noch nicht rechtskräftig gewordenen Steuerbescheiden späterer Veranlagungszeiträume zu berücksichtigen sei, habe das Gericht im Streitfalle nicht zu entscheiden.

 

Entscheidungsgründe

Die Rechtsbeschwerde (Rb.) muß ohne Erfolg bleiben.

Das Verwaltungsgericht hat mit zutreffender Begründung die Durchführung von Berichtigungsveranlagungen für 1949 und 1950 ablehnt. Bei dem Antrag der Bfin. handelt es sich um eine änderung der DM-Eröffnungsbilanz. Hierzu wird folgendes bemerkt:

Die Frage, ob änderungen der den Finanzämtern eingereichten DM-Eröffnungsbilanzen zulässig sind, ist strittig. Die steuerliche DM-Eröffnungsbilanz ist nach § 74 Abs. 1 des D-Markbilanzgesetzes (DMBG) an die handelsrechtliche DM-Eröffnungsbilanz gebunden. Nach der überwiegenden Auffassung ist im Rahmen der allgemeinen handelsrechtlichen Bestimmungen eine änderung der handelsrechtlichen DM-Eröffnungsbilanz zulässig. Auch die steuerlichen Richtlinien zum D-Markbilanzgesetz erkennen dies im Ergebnis in Abschnitt 61a an. Der erkennende Senat tritt dieser Auffassung bei und bejaht grundsätzlich die Frage der Möglichkeit einer änderung der handelsrechtlichen DM-Eröffnungsbilanz. Strittig ist aber weiter die Frage, ob zur änderung der DM-Eröffnungsbilanz die Genehmigung der Finanzbehörden nach § 4 Abs. 2 Satz 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) 1949 notwendig ist.

Auf Grund der Bindung der steuerlichen DM-Eröffnungsbilanz an die handelsrechtliche DM-Eröffnungsbilanz wird die Auffassung vertreten, daß eine zulässige änderung der handelsrechtlichen DM-Eröffnungsbilanz ohne weiteres die änderung der steuerlichen DM-Eröffnungsbilanz zur Folge habe. Würde man das verneinen, so würde nach dieser Ansicht die Verknüpfung der steuerlichen DM-Eröffnungsbilanz entgegen dem Grundsatz des § 74 Abs. 1 DMBG von der handelsrechtlichen DM-Eröffnungsbilanz gelöst. Die Vertreter dieser Rechtsauffassung sind also der Meinung, daß § 74 Abs. 1 DMBG der Vorschrift des § 4 Abs. 2 Satz 2 EStG vorgehe. Die gegenteilige Ansicht wird wohl in der Hauptsache von praktischen Erwägungen bestimmt.

Läßt man nämlich insbesondere bei natürlichen Personen die änderungsmöglichkeit uneingeschränkt zu, so würde dies zu einer erheblichen Rechtsunsicherheit in steuerlicher Beziehung führen, insbesondere wenn man bedenkt, daß derartige änderungen unter Umständen erst nach Jahren vorgenommen werden könnten. Um dem vorzubeugen, wird die Auffassung vertreten, die auch in den steuerlichen Richtlinien zum D-Markbilanzgesetz zum Ausdruck kommt, daß § 4 Abs. 2 Satz 2 EStG auch auf die DM-Eröffnungsbilanz anzuwenden sei, die gleichzeitig eine Steuerbilanz darstelle. Hierzu wird auch auf § 28 Abs. 2 Schlußsatz des Lastenausgleichsgesetzes (LAG) verwiesen.

Demgegenüber wird geltend gemacht, der Schlußsatz von § 28 Abs. 2 LAG diene lediglich der Klarstellung. § 4 Abs. 2 Satz 2 EStG schränke die Ausübung des vom Gesetzgeber gewährten Wahlrechtes und damit auch das Wahlrecht des § 28 LAG nicht ein. Er habe lediglich Bedeutung für eine bereits getroffene Wahl. § 27 LAG enthalte den Zusatz nicht. Ein Steuerpflichtiger sei auch ohne § 4 Abs. 2 Satz 2 EStG nicht uneingeschränkt berechtigt, die DM-Eröffnungsbilanz zu ändern. Der Grundsatz von Treu und Glauben würde den Steuerpflichtigen an seine Wahl binden, sofern keine wesentlichen Gesichtspunkte für eine änderung des Bilanzansatzes geltend gemacht werden könnten. Nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen trete unter bestimmten Voraussetzungen, insbesondere wenn ein Recht nicht innerhalb angemessener Zeit geltend gemacht werde, die Verwirkung des Rechtes ein. Siehe hierzu z. B. Beschluß des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 20. Mai 1949 10 W 145/49, Neue Juristische Wochenschrift 1949 S. 832; die Verwirkung von Grundrechten, Juristenzeitung 1952 S. 513; die Verwirkung im Arbeitsrecht, Monatsschrift für Deutsches Recht 1952 S. 472; Verwirkung und Kriegs- und Nachkriegsverhältnisse, Betriebs-Berater 1951 S. 405. Es könne insbesondere die Stellungnahme des Steuerpflichtigen bei der Einheitsbewertung (s. § 75 DMBG) beachtlich sein.

Der Senat tritt der Auffassung bei, daß die in die DM-Eröffnungsbilanz eingesetzten Werte nicht willkürlich, sondern nur dort, wo beachtliche Gründe geltend gemacht werden und die Grundsätze von Treu und Glauben nicht verletzt werden, abgeändert werden können. Ob hierbei allgemeine Rechtsgrundsätze oder die Bestimmung des § 4 Abs. 2 Satz 2 EStG Raum greifen, braucht im Streitfall noch nicht endgültig entschieden zu werden. Ausdrücklich sei jedoch bemerkt, daß auch § 47 DMBG keine Folgerungen für das Rechtsproblem gezogen werden können. Es werden hier Sonderfälle behandelt, bei denen über das geltende Einkommensteuerrecht hinaus teilweise Tatbestände aus der Zeit nach dem 21. Juni 1948 auf diesen Zeitpunkt zurückbezogen werden.

Dem Verwaltungsgericht wird darin beigetreten, daß auch bei einer zulässigen änderung der DM-Eröffnungsbilanz Berichtigungsveranlagungen für rechtskräftig durchgeführte Veranlagungen nicht möglich sind. Die änderung könnte lediglich für noch nicht endgültig veranlagte Jahre Bedeutung haben.

Die Rb. muß als unbegründet zurückgewiesen werden.

 

Fundstellen

Haufe-Index 407631

BStBl III 1953, 140

BFHE 1954, 354

BFHE 57, 354

BB 1953, 436

DB 1953, 457

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