Leitsatz (amtlich)

Zur Frage, ob Grundstücksgeschäfte, die Eheleute teils getrennt, teils gemeinschaftlich tätigen, einem einheitlichen stehenden Gewerbebetrieb zugerechnet werden können.

 

Normenkette

GewStG § 2 Abs. 1; EStG § 15 Nr. 2

 

Tatbestand

Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist eine aus Eheleuten bestehende Grundstücksgemeinschaft. Streitig ist für die Erhebungszeiträume 1965 bis 1968 der gewerbliche Charakter von Grundstücksgeschäften.

Der Ehemann ist Architekt, die Ehefrau betrieb in den Streitjahren in geringem Umfang die Ausstattung und Einrichtung von Räumen. Die Eheleute sind seit September 1958 verheiratet. Sie haben seither teils allein, teils gemeinsam eine Reihe von Grundstücksgeschäften getätigt.

1. Grundstücksgeschäfte des Ehemanns

Im März 1960 erwarb der Ehemann in S ein unbebautes Grundstück, teilte es in drei Parzellen, begann in demselben Jahr mit der Bebauung aller drei Grundstükke und verkaufte zwei Grundstücke im Zustand der Bebauung noch im Jahr 1960. Auf dem dritten Grundstück stellte er das Wohnhaus fertig und verkaufte es im Jahr 1967 für 209 600 DM. Ebenfalls im Jahr 1960 erwarb der Ehemann in S 15 000 qm Ackerland. Davon verkaufte er kurz darauf etwa die Hälfte an die Gemeinde. Der ihm verbliebene Teil befand sich im Zeitpunkt der finanzgerichtlichen Entscheidung noch in seinem Besitz. Im Jahr 1963 hat der Kläger in S Bauland erworben und darauf ein Mietwohnhaus errichtet, das er seither vermietet.

2. Grundstücksgeschäfte der Ehefrau

Gegen Ende 1959 erwarb die Ehefrau Bauland in S, errichtete darauf ein Miethaus und verkaufte es zum Jahresschluß 1960. Im April 1961 kaufte die Ehefrau in S weiteres Bauland, erstellte darauf ein Zweifamilienhaus und veräußerte dieses in demselben Jahr für 155 000 DM. Im August 1967 erwarb die Ehefrau in S erneut Bauland, errichtete darauf ein Gebäude mit acht Eigentumswohnungen und veräußerte diese in den Jahren 1967 und 1968 an verschiedene Erwerber.

3. Gemeinschaftliche Grundstücksgeschäfte der Eheleute

Die Eheleute kauften im Jahr 1959 gemeinsam Bauland in H, errichteten darauf ein Miethaus und veräußerten das Grundstück im Jahr 1964 für 188 628 DM. Weiteren Grundbesitz (10 500 qm) erwarben die Eheleute im August 1964 in H und verkauften diesen im Juli 1968 an die Stadt H. Im Jahr 1960 kauften die Eheleute in Sch Bauland und errichteten darauf ein Mietwohngrundstück, das sie teils selbst nutzen und teilweise vermieten. Schon im Jahr 1958 hatten die Eheleute in S Bauland erworben, darauf ein Doppelwohnhaus errichtet, dessen einen Teil sie seitdem vermieten und dessen anderen Teil sie zu eigenen Wohnzwecken nutzen.

Nach einer Betriebsprüfung für die Jahre 1964 bis 1968 vertrat der Beklagte und Revisionsbeklagte (FA), die Auffassung, die Grundstücksgeschäfte hätten gewerblichen Charakter. Das FA behandelte die Veräußerungsgewinne aus den von den Eheleuten teils getrennt, teils gemeinschaftlich getätigten Grundstücksgeschäften als Einkünfte aus Gewerbebetrieb. Soweit die Eheleute gemeinsam handelten, ging das FA vom Bestehen einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GdbR) aus und stellte den Gewinn einheitlich fest. Weiter erließ das FA gegen die Ehefrau, gegen den Ehemann und gegen die GdbR jeweils getrennte Gewerbesteuermeßbescheide.

Nach dem hinsichtlich der Streitjahre erfolglos gebliebenen Einspruchsverfahren erhoben die Eheleute und die "Gesellschaft des bürgerlichen Rechts" gegen den Bescheid über die einheitliche Gewinnfeststellung und die drei Gewerbesteuermeßbescheide Klagen. Diese blieben ohne Erfolg. Das FG behandelte die einzelnen Grundstücksgeschäfte als Teile einer einheitlichen Tätigkeit. Es führte aus, es sei unbeachtlich, daß die Geschäfte teils von jedem der Eheleute allein, teils von beiden im rechtlichen Zusammenwirken abgeschlossen worden seien. Dadurch ergäben sich keine unterschiedlichen Geschäftsbereiche. Die Eheleute hätten im bewußten Zusammenwirken die jeweils und nach ihrer Ansicht sinnvollste rechtliche Grundlage gewählt. Daraus folge, daß für die Frage nach der Nachhaltigkeit und Wiederholungsabsicht auf den Gesamtkomplex abzustellen sei. Jede andere Betrachtung würde zu einem lebensfremden Ergebnis führen.

Mit ihrer Revision wegen Gewerbesteuermeßbetrags rügt die Klägerin Verletzung von § 2 GewStG, § 1 Abs. 1 GewStDV und Art. 6 Abs. 1 GG. Sie wendet sich u. a. dagegen, daß das FG - obwohl drei Gewerbesteuerobjekte vorlägen - die Merkmale des Gewerbebetriebs unter Einbeziehung sämtlicher Grundstücksgeschäfte der Eheleute einheitlich behandelt habe.

Die Klägerin beantragt, die Vorentscheidung und die Einspruchsentscheidung des FA aufzuheben und den Gewinn aus Gewerbebetrieb auf 0 DM festzusetzen, hilfsweise, die Sache an das FG zurückzuverweisen und für den Fall, daß eine gewerbliche Tätigkeit der Klägerin angenommen werde, die Gewerbesteuernachzahlung in Höhe von 8 291 DM als Rückstellung bei der Gewinnermittlung des Jahres 1968 zu berücksichtigen.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet.

1. Das FA hat im Streitfall die Grundstücksgemeinschaft der Eheleute als GdbR (§§ 705 ff. BGB) und die Tätigkeit dieser GdbR als gesonderten stehenden Gewerbebetrieb (§ 2 Abs. 1 Satz 1 GewStG) neben den beiden anderen Gewerbebetrieben der Eheleute angesehen. Mit dieser Individualisierung des Gewerbesteuerobjektes hat das FA jeweils in sachlicher Hinsicht Inhalt und Grenzen seines Gewerbesteuermeßbescheids bestimmt. Das FG hat indessen bisher nicht geprüft, ob diese Beurteilung zutrifft, oder ob nicht etwa sämtliche Grundstücksgeschäfte der Eheleute einem einheitlichen Gewerbebetrieb einer GdbR zuzuordnen sind. Ein solcher Gewerbebetrieb wäre mit dem in den angefochtenen Bescheiden vom FA bezeichneten Gewerbebetrieb nicht identisch. Das FG hat hierzu bisher keine Feststellungen getroffen. Zur Prüfung dieser Frage besteht deshalb Anlaß, weil das FG selbst - allerdings erst im Zusammenhang mit der Frage, wie die Tätigkeit der Gemeinschaft zu qualifizieren sei - auf das Gesamtverhalten der Eheleute abgestellt und ausgeführt hat, daß die Geschäfte zwar teils von jedem Ehegatten allein, teils von beiden im rechtlichen Zusammenwirken abgeschlossen worden seien, die Kläger aber im bewußten Zusammenwirken die jeweils nach ihrer Ansicht sinnvollste rechtliche Grundlage gewählt hätten.

Der Annahme eines einheitlichen stehenden Gewerbebetriebs unter Einbeziehung sämtlicher Grundstücksgeschäfte der Eheleute stünde nicht entgegen, daß Grundstücke zum Teil im Alleineigentum je eines der beiden Ehegatten gestanden haben. Die Grundstücke könnten von den Eheleuten jeweils einer von ihnen gegründeten GdbR überlassen (vgl. § 15 Nr. 2 EStG) und dadurch notwendiges Sonderbetriebsvermögen der Gesellschafter geworden sein. Sollte sich ergeben, daß die gesamte Tätigkeit der Eheleute dem Gewerbebetrieb einer GdbR zuzurechnen wäre, so müßte der angefochtene Gewerbesteuermeßbescheid aufgehoben werden.

2. Sollte sich die Annahme eines umfassenden Gewerbebetriebs einer GdbR unter Einbeziehung sämtlicher Grundstücksgeschäfte der Eheleute nicht rechtfertigen lassen, so müßte die gemeinschaftliche Tätigkeit der Eheleute unter Ausschluß ihrer getrennt getätigten Grundstücksgeschäfte daraufhin geprüft werden, ob ein Gewerbebetrieb nach § 2 Abs. 2 Nr. 1 GewStG vorliegt. Unternehmer (Mitunternehmer) im Sinne dieser Vorschrift ist ein Gesellschafter dann, wenn die Gesellschaft eine Tätigkeit entfaltet, die die Merkmale eines Gewerbebetriebs erfüllt (Urteil des BFH vom 18. Februar 1976 I R 116/75, BFHE 118, 559, BStBl II 1976, 480). Dabei dürfte indessen nicht wiederum auf die getrennt getätigten Grundstücksgeschäfte der Eheleute zurückgegriffen und der gewerbliche Charakter der gemeinschaftlichen Betätigung der Eheleute nicht aus dem Gesamtkomplex sämtlicher Grundstücksgeschäfte abgeleitet werden. Bestimmte Lebensvorgänge dürfen bei der Subsumtion eines Sachverhalts unter eine Rechtsnorm nur insoweit berücksichtigt werden, als die Rechtsnorm selbst in ihrer Bedeutung reicht. Der Beurteilungsrahmen würde - die Annahme eines gesonderten Gewerbesteuerobjekts Grundstücksgemeinschaft unterstellt - durch das Merkmal des stehenden Gewerbebetriebs der Gesellschaft beschränkt.

Bei einer isolierten Beurteilung der von der Grundstücksgemeinschaft getätigten Geschäfte müßten außerdem diejenigen Grundstücke ausscheiden, die sich noch im gemeinschaftlichen Besitz der Eheleute befinden und für die eine Veräußerungsabsicht nicht besteht. Der Senat verweist insoweit auf seine Ausführungen im BFH-Urteil vom 29. März 1973 I R 153/71 (BFHE 109, 431, BStBl II 1973, 661). Diese Grundsätze könnten für die von den Eheleuten gemeinschaftlich erworbenen Grundstükke in S (Erwerb 1958) und in Sch (Erwerb 1960) von Bedeutung sein. Könnte für diese Grundstücke eine Veräußerungsabsicht nicht festgestellt werden, so könnten sie auch nicht in eine gewerbliche Gewinnermittlung mit einbezogen werden.

3. Die Vorentscheidung ist, da sie auf rechtsfehlerhaften Erwägungen beruht, aufzuheben. Die Sache ist nicht spruchreif. Sie geht daher an das FG zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurück. Dieses wird den Streitfall auf der Grundlage der vom erkennenden Senat dargelegten Rechtsausführungen erneut prüfen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 72338

BStBl II 1977, 552

BFHE 1978, 135

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