Entscheidungsstichwort (Thema)

Verfahrensrecht, Abgabenordnung

 

Leitsatz (amtlich)

Gegen Entscheidungen des Finanzgerichts Hamburg in Kirchensteuersachen sind die nach der AO vorgesehenen Rechtsmittel einschließlich der Rb. beim Bundesfinanzhof gegeben.

Die Kirchensteuerbehörde Hamburg hat kein Recht, gemäß § 241 AO einem Berufungs- oder Rechtsbeschwerdeverfahren in Kirchensteuersachen vor den Steuergerichten beizutreten.

 

Normenkette

AO § 52 Abs. 4; BFHG § 1; AO § 241

 

Tatbestand

Die Bfin., die Evangelisch-lutherische Kirche im Hamburgischen Staat, beantragte in einem vor dem Finanzgericht anhängig gewesenen Berufungsverfahren, als Beteiligte beigeladen zu werden, um in dem Rechtsstreit, der die Kirchensteuer eines ihrer Mitglieder betraf, ihre Auffassung zu der Streitfrage geltend machen zu können. Ihr Antrag wurde abgelehnt.

Mit der Rb. greift die Bfin. die Ablehnung als ungerechtfertigt an. Nachdem der Rechtsstreit vor dem Finanzgericht inzwischen durch Urteil beendet worden ist, geht es nur noch um die Kosten, die nach Auffassung der Bfin. dem Staat aufzuerlegen sind, weil ihr Antrag auf Beiladung zu Unrecht abgelehnt worden sei.

Die Finanzbehörde der Freien und Hansestadt Hamburg ist dem Verfahren beigetreten. Sie meint, der Antrag der Bfin. auf Beiladung sei zu Unrecht abgelehnt worden.

 

Entscheidungsgründe

Die Rb. ist unzulässig.

Der Bfin. und der Finanzbehörde Hamburg ist zuzugeben, daß die in der AO vorgesehenen Rechtsmittel gegen finanzgerichtliche Entscheidungen auch gegen die hier streitigen Entscheidungen des Finanzgerichts Hamburg gegeben sind. Nach § 1 des hamburgischen Gesetzes über die Ausdehnung des Geltungsbereichs der Reichsabgabenordnung und anderer Abgabengesetze vom 13. Juni 1955 (Hamburgisches GVBl 1955 S. 210) findet die AO in der jeweiligen bundesrechtlichen Fassung in Hamburg auf alle öffentlich-rechtlichen Abgaben Anwendung, die der Landesgesetzgebung unterliegen und von Landesfinanzbehörden verwaltet werden. Diese Voraussetzungen sind bei der Kirchensteuer, um deren Festsetzung der Hauptstreit geführt wurde, gegeben. Nach der Rechtsmittelbelehrung, die das Finanzgericht dem in der Hauptsache ergangenen Urteil beigefügt hat, ist dieses unanfechtbar, weil es für Hamburg an der in § 52 Abs. 4 AO vorgesehenen Bestellung des Bundesfinanzhofs als obersten Gerichtshofs für Steuern der Religionsgesellschaften des öffentlichen Rechts fehle. Das Finanzgericht beruft sich für seine Auffassung auf die Entscheidung des Bundesfinanzhofs IV 323/53 U vom 6. Mai 1954 (BStBl 1954 III S. 203, Slg. Bd. 58 S. 764), die zwar das Land Nordrhein-Westfalen betrifft, aber für die Kirchensteuer zu dem Ergebnis kommt, daß das Urteil des Finanzgerichts endgültig sei. Aus dieser Entscheidung kann aber für den vorliegenden Fall nichts gefolgert werden; denn ihr liegt eine für das Land Nordrhein-Westfalen geltende Sonderregelung zugrunde; denn nach § 3 Abs. 5 des Gesetzes über die Erhebung von Kirchensteuern im Lande Nordrhein-Westfalen vom 15. Februar 1950 (GVBl für das Land Nordrhein-Westfalen 1950 S. 32) finden zwar die verfahrensrechtlichen Vorschriften der AO auf die Kirchensteuer entsprechende Anwendung; in § 6 ist aber bestimmt, daß außer dem Einspruch und der Beschwerde nur die Berufung an das Finanzgericht zulässig ist. Für Hamburg ist aber neben den AO auch das Gesetz über den Bundesfinanzhof (BFHG) für entsprechend anwendbar erklärt worden. Die Erwähnung dieses Gesetzes läßt erkennen, daß das Rechtsmittelverfahren der AO in vollem Umfange, also nicht bloß für das Berufungsverfahren beim Finanzgericht, sondern auch für das Rechtsbeschwerdeverfahren beim Bundesfinanzhof zur Anwendung kommen soll. Nach Art. 99 des Grundgesetzes (GG) kann durch Landesgesetz einem oberen Bundesgericht - somit auch dem Bundesfinanzhof (vgl. Art. 96 GG) - für den letzten Rechtszug die Entscheidung in solchen Sachen zugewiesen werden, bei denen es sich um die Anwendung von Landesrecht handelt. Um die Anwendung von Landesrecht geht es aber im Streitfall. Ob die vom Finanzgericht erwähnte Regelung des § 52 Abs. 4 AO durch Art. 99 GG gegenstandslos geworden ist, braucht nicht geprüft zu werden; denn jedenfalls steht § 52 Abs. 4 AO, wie auch die Finanzbehörde mit Recht ausführt, einem dem Art. 99 GG entsprechenden Gesetz nicht entgegen.

Das Finanzgericht hat aber in der dem angefochtenen Beschluß beigefügten Rechtsmittelbelehrung zutreffend festgestellt, daß in der AO ein Rechtsmittel gegen Beschlüsse der streitigen Art nicht vorgesehen ist. Der Bfin. und der Finanzbehörde kann nicht darin beigepflichtet werden, daß das Finanzgericht statt durch Beschluß durch Urteil hätte entscheiden müssen. Unter welchen Voraussetzungen der Beitritt oder die Zuziehung zu einem Rechtsmittelverfahren möglich ist, ist, wenn man von besonderen Vorschriften wie § 239 Abs. 3 und § 240 Abs. 2 AO absieht, in § 241 Abs. 1 AO geregelt. In welcher Form ein Beitritt abgelehnt oder eine Zuziehung ausgesprochen wird, ist in der AO nicht gesagt. Die Frage kann, was die Finanzbehörde bei ihrem Hinweis auf den das Berufungsverfahren betreffenden § 284 AO außer acht läßt, auch für das Einspruchsverfahren und das Rechtsbeschwerdeverfahren von Bedeutung sein. Der Hinweis auf § 284 AO versagt aber auch deswegen, weil es hier nicht um einen durch Zwischenentscheidung zu erledigenden "selbständigen Streitpunkt" geht. Wenn dort die Rede ist von "Vorentscheidungen über den Grund des Anspruchs, Teilentscheidungen über Einzelansprüche oder selbständige Teile eines Anspruchs und Zwischenentscheidungen über selbständige Streitpunkte", die nur mit "Zustimmung des Steuerpflichtigen zulässig sind", so ergibt sich aus dem Sinnzusammenhang, daß Punkte gemeint sind, die, wenn nicht die hier besonders zugelassene Möglichkeit der gesonderten Erledigung durch Vorentscheidung, Teilentscheidung oder Zwischenentscheidung bestünde, durch das das Rechtsmittelverfahren abschließende Urteil selbst entschieden werden müßten. Für Fragen der vorliegenden Art trifft das aber nicht zu. Hier geht es um eine Frage der Prozeßleitung. über solche Fragen wird nicht durch Urteil, sondern, wie es das Finanzgericht getan hat, durch Beschluß entschieden. Aus den Vorschriften der Zivilprozeßordnung (ZPO), besonders aus § 71 ZPO, auf den die Bfin. verweist, kann für die Streitfrage nichts hergeleitet werden. Eher wäre an § 65 Abs. 3 der Verwaltungsgerichtsordnung zu denken, der für Fälle der vorliegenden Art auch einen Beschluß vorsieht.

In § 4 Ziff. 2 Buchst. a BFHG ist die Beschwerde vorgesehen gegen Beschlüsse der Finanzgerichte, durch die ein ehrenamtlicher Beisitzer seines Amtes enthoben wird, und gegen die Verhängung von Ordnungsstrafen durch die Finanzgerichte oder deren Vorsitzende. Für einen Beschluß der vorliegenden Art ist indessen ein Rechtsmittel nicht besonders vorgesehen. Es besteht auch kein Bedürfnis, weil der Antragsteller, d. h. derjenige, der beitreten will, entweder die Rechtsmittelentscheidung nicht gegen sich gelten zu lassen braucht oder, wenn er sie gegen sich gelten lassen muß, sie selbständig anfechten kann.

Im Streitfall muß die Bfin. die in der Hauptsache ergangene Rechtsmittelentscheidung zwar insofern gegen sich gelten lassen, als die der Entscheidung zugrunde liegende Kirchensteuer ihr zusteht und für sie von dem Finanzamt verwaltet wird. Für solche Fälle gilt aber § 241 AO nicht. Diese Vorschrift betrifft entweder den Steuerpflichtigen selbst oder solche Personen, deren "Interessen nach den Steuergesetzen durch die Entscheidung berührt werden". Wie die Erläuterung in § 241 Abs. 2 AO ergibt, ist vor allem an denjenigen gedacht, der "auf Grund dieser Gesetze neben dem Steuerpflichtigen haftet oder haftbar gemacht werden kann". Welche Fälle sonst noch in Betracht kommen können, braucht hier nicht untersucht zu werden; denn keinesfalls betrifft diese Vorschrift einen Steuergläubiger, der, weil die ihm zustehende Steuer durch das Finanzamt verwaltet wird, nicht etwa deswegen am Verfahren beteiligt ist (vgl. hierzu auch die Entscheidungen des Bundesfinanzhofs I B 43/55 U vom 22. November 1955, BStBl 1956 III S. 44, Slg. Bd. 62 S. 115; III 149/56 S vom 7. Juni 1957, BStBl 1957 III S. 276, Slg. Bd. 65 S. 114; III 279/58 S vom 10. November 1961, BStBl 1962 III S. 145, betreffend die Rechtsmittelbefugnis der Gemeindebehörden bei der ihnen zustehenden, aber von den Finanzämtern verwalteten Gewerbesteuer und Grundsteuer).

 

Fundstellen

Haufe-Index 410394

BStBl III 1962, 248

BFHE 1962, 672

BFHE 74, 672

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