Leitsatz (amtlich)

Die von der Rechtsprechung bei Freiberuflern zugelassene Absetzung für Abnutzung auf einen derivativ erworbenen Praxiswert kommt nicht in Betracht, wenn der Praxiswert bei Gründung einer Sozietät aufgedeckt wird.

 

Normenkette

EStG § 4 Abs. 3, § 6 Abs. 1 Nrn. 1-2, § 7 Abs. 1

 

Tatbestand

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist eine Praxisgemeinschaft (Gesellschaft des bürgerlichen Rechts - GdbR -), zu der sich die Brüder AV und BV zusammengeschlossen haben. AV betrieb seit 1962 eine Steuerbevollmächtigtenpraxis. In diese nahm er im Streitjahr 1966 seinen Bruder BV auf. Durch eine "vorläufige Vereinbarung" vom 27. Mai 1966 wurde festgelegt, daß die Praxis ab 1. Juni 1966 "in Form einer Sozietät" weitergeführt werde, und es wurde vereinbart, daß der Wert der in die Sozietät eingebrachten Einrichtung, die bei der Einzelpraxis mit 11 900 DM zu Buche stand, 15 000 DM betrage (Teilwerterhöhung um 3 100 DM), und daß der Praxiswert der bisherigen Kanzlei mit 25 000 DM, deren Gesamtwert daher mit 40 000 DM anzusetzen sei. Nach einem Aktenvermerk des Beklagten und Revisionsbeklagten (FA) gab AV auf Rückfrage an, daß BV für seinen Eintritt in die Praxis die Hälfte dieses Wertes (= 20 000 DM) zu bezahlen habe.

Die Klägerin ermittelte den Gewinn, an dem AV und BV je zur Hälfte beteiligt waren, nach § 4 Abs. 3 EStG wie dies schon in der früheren Einzelpraxis des AB geschehen war. Bei dieser Gewinnermittlung für das Rumpfwirtschaftsjahr 1966 (Streitjahr) wurden folgende Beträge als gewinnmindernd behandelt:

1. zeitanteilige Absetzung für Abnutzung (AfA) für sieben Monate hinsichtlich des auf drei Jahre abzuschreibenden Praxiswertes von 25 000 DM = 4 900 DM;

2. zeitanteilige AfA hinsichtlich der auf drei Jahre abzuschreibenden Teilwerterhöhung der übernommenen Einrichtung (einschließlich geringwertiger Anlagegüter) von 3 100 DM = 1 100 DM.

Bei der Durchführung der einheitlichen Gewinnfeststellung erkannte das FA die Abschreibung zu 1) nicht an mit der Begründung, der Wert der in die Sozietät eingebrachten Praxis verflüchtige sich nicht, solange derjenige, der diesen Wert geschaffen habe, an der Sozietät beteiligt sei. Hinsichtlich der Abschreibung zu 2) ließ das FA anstelle der von den Klägern bei einer Verteilung der Gesamterhöhung von 3 100 DM auf drei Jahre begehrten 1 100 DM die auf den neueintretenden Kläger zu 2) entfallende Hälfte von 1 550 DM zum Abzug zu.

Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg. Das FG führte aus, eine Abschreibung auf den Praxiswert komme nicht in Betracht, gleichgültig, ob man - entgegen den tatsächlichen Verhältnissen - annehme, BV habe den halben Praxiswert von 20 000 DM zu bezahlen, oder ob man, was zutreffend sei, davon ausgehe, daß die Gesellschafter nach § 706 Abs. 1 BGB jeweils gleiche Beiträge zu leisten gehabt hätten. Entscheidend für die Versagung der Abschreibung des Praxiswertes sei, daß der bisherige Praxisinhaber AV nicht aus der Praxis ausgeschieden sei und deshalb der an seine Person gebundene Praxiswert sich auch im Rahmen der Sozietät nicht mindere. - Wenn die Klägerin hilfsweise für den Fall, daß der Praxiswert als nicht der Abnutzung unterliegend qualifiziert werde, geltend mache, dann müßten bei der Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG die Aufwendungen von BV in voller Höhe als sofort abzugsfähige Betriebsausgaben behandelt werden, so könne dem ebenfalls nicht gefolgt werden, weil BV die Praxis von AV weder ganz noch teilweise gegen Entgelt erworben, sondern lediglich eine Einlage geleistet habe, die aber nicht als Betriebsausgabe behandelt werden könne. - Mangels entgeltlichen Erwerbs durch BV hätte das FA im Hinblick auf die Teilwerterhöhung der geringwertigen Wirtschaftsgüter überhaupt keine AfA gewähren dürfen. Eine Berichtigung zum Nachteil der Klägerin komme aber jetzt nicht mehr in Betracht.

Mit der Revision wiederholt die Klägerin ihre bereits in der Vorinstanz gestellten Anträge auf Anerkennung der Abschreibungen in Höhe von 4 900 DM auf den Praxiswert und in Höhe von 1 100 DM auf die Einrichtung. Sie rügt Verletzung des materiellen Rechts und macht im wesentlichen geltend, die Anteile an der Sozietät seien von den Gesellschaftern, wie sich aus der ständigen Rechtsprechung des BFH zur Einbringung eines Einzelunternehmens in eine Personengesellschaft ergebe (Hinweis auf das Urteil vom 4. April 1968 IV R 122/66, BFHE 92, 330, BStBl II 1968, 580), entgeltlich erworben worden. Der Praxiswert sei daher als ein der Abnutzung unterliegendes Wirtschaftsgut planmäßig abzuschreiben. Da diese Abschreibung nach § 7 i. V. m. § 6 Abs. 1 Nr. 1 EStG vorgeschrieben sei, könne sie nicht ausgesetzt werden. Selbst wenn man aber den Standpunkt teile, daß der Praxiswert kein abnutzbares Wirtschaftsgut sei, müsse man die Anschaffungskosten hierfür im Rahmen der Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG als Betriebsausgaben im Jahre der Zahlung berücksichtigen, wie sich auch aus Abschn. 17 Abs. 1 EStR ergebe. Die geringwertigen Wirtschaftsgüter endlich seien nach § 6 Abs. 2 EStG im Jahre der Anschaffung voll abzugsfähig. Anschaffungsjahr sei hier aber das Streitjahr.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist nicht begründet.

1. Bei der Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG wird der Gewinn durch den Überschuß der Einnahmen über die Ausgaben ermittelt. Dabei sind die Vorschriften über die AfA oder Substanzverringerung (§ 7 EStG) zu befolgen (§ 4 Abs. 3 EStG 1965); das bedeutet, daß Aufwendungen für abnutzbare Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens auch bei dieser Art der Gewinnermittlung nicht sofort, sondern auf die Nutzungsdauer der Wirtschaftsgüter verteilt abzugsfähig sind.

2. Unterstellt man zugunsten der Klägerin den derivativen Erwerb eines Praxiswerts in der von der Klägerin angenommenen Höhe und geht man weiter mit der Rechtsprechung davon aus, daß im Gegensatz zum erworbenen Geschäftswert eines Gewerbetreibenden der erworbene Praxiswert eines Freiberuflers einer laufenden AfA unterliegen kann (vgl. schon das die einschlägige Rechtsprechung des RFH wiedergebende Urteil des BFH vom 15. April 1958 I 61/57 U, BFHE 67, 151, BStBl III 1958, 330; ferner das BFH-Urteil vom 2. Februar 1972 I R 96/70, BFHE 104, 442, BStBl II 1972, 381), so kommt hier dennoch eine Abschreibung nicht in Betracht, wie das FG im Ergebnis zu Recht im Hinblick auf die Gründe entschieden hat, derentwegen die Rechtsprechung den Praxiswert beim Freiberufler anders behandelt hat als den Geschäftswert beim Gewerbetreibenden. Im Urteil I 61/57 U wurde hierzu ausgeführt, im Unterschied zu dem Geschäftswert, der auf einer durch sachliche Maßnahmen und Aufwendungen besonders geförderten Leistungsfähigkeit des Betriebes beruhe, sei der Wert einer freiberuflichen Praxis ausschließlich personenbezogen. Er beruhe auf einem persönlichen Vertrauensverhältnis zum Praxisinhaber, das zwangsläufig mit dessen Ausscheiden ende mit der Folge, daß sich der Praxiswert verhältnismäßig rasch verflüchtige. Hält man sich diese Begründung für die als Ausnahme gedachte Zulassung einer Praxiswertabschreibung vor Augen, so wird klar, daß bei einem Zusammenschluß zu einer Sozietät mit demjenigen, der den Praxiswert geschaffen hat, die für die ausnahmsweise Zulassung einer Praxiswertabschreibung maßgeblichen Gründe gerade nicht bestehen. Denn das den Praxiswert bestimmende persönliche Vertrauensverhältnis zum Praxisinhaber besteht weiter fort, und der Umstand, daß der Mandatsträger einen Sozius erhalten hat, wirkt sich in der Regel eher förderlich als nachteilig aus, so daß keine Veranlassung für die Annahme besteht, der Praxiswert verflüchtige sich wegen der Bildung einer Sozietät nunmehr schneller. Hier eine Praxiswertabschreibung zuzulassen, würde den Sinn der einschlägigen Rechtsprechung verkennen, was besonders deutlich wird, wenn man sich den Fall vor Augen hält, daß beide sich zu einer Sozietät zusammenschließenden Freiberufler bereits eine Praxis mit Praxiswert hatten und nun wechselseitig eine Praxiswertabschreibung vornehmen wollten. Auf solche Fälle kann die - wie betont ohnehin nur als Ausnahme gedachte - Qualifizierung des immateriellen Wirtschaftsgutes "Praxiswert" als ein abnutzbares und damit der AfA unterliegendes Anlagegut nicht zutreffen.

3. Aus dieser rechtlichen Beurteilung folgt zugleich, daß im Streitfall der in Frage kommende Praxiswert ein nicht abnutzbares Wirtschaftsgut des Anlagevermögens ist, da es, wie die Klägerin zu Recht betont, etwas Drittes, etwa ein nicht der AfA unterliegendes abnutzbares Anlagegut, nicht gibt. Gleichwohl kann hieraus, auch wenn man entgegen der Vorinstanz einen entgeltlichen Erwerb eines Sozietätsanteils durch BV anerkennt, eine der Klägerin günstige Folgerung nicht gezogen werden. Denn die Klägerin irrt, wenn sie glaubt, daß Aufwendungen für nicht abnutzbare Anlagegüter bei der Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG im Zeitpunkt der Verausgabung voll abgesetzt werden könnten. Der Senat hat dies in seiner Entscheidung vom 6. Dezember 1972 IV R 4-5/72 (BFHE 108, 162, BStBl II 1973, 293) mit eingehender Begründung, auf die zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen wird, verneint.

4. Was die Abschreibung bezüglich der aufgestockten Werte für die Praxiseinrichtung anlangt, so kann die Revision auch insoweit jedenfalls schon deshalb keinen Erfolg haben, weil die Klägerin selbst nur eine Absetzung von 1 100 DM begehrt, das FA aber bereits eine solche von 1 550 DM gewährt hat. Daß Klägerin und FA hinsichtlich der Gründe für die begehrte bzw. gewährte Abschreibung unterschiedliche Vorstellungen haben, kann keine Rolle spielen und allenfalls bei der einheitlichen Gewinnfeststellung künftiger Jahre Bedeutung erlangen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 71321

BStBl II 1975, 381

BFHE 1975, 102

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