Leitsatz (amtlich)

Ein Verein, der mit seiner Tätigkeit die allgemeine Erholung arbeitender Personen bezweckt, ist nicht gemeinnützig.

 

Normenkette

KStG § 4 Abs. 1 Nr. 6; StAnpG § 17

 

Tatbestand

Der Kläger und Revisionskläger - ein eingetragener Verein - unterhält zahlreiche Kur- und Erholungsheime im Inland und im europäischen Ausland. Er bezweckt nach § 2 seiner zu Beginn des Veranlagungszeitraumes 1962 maßgebenden Satzung, "durch Errichtung und Betrieb von Kur- und Erholungsheimen ... kaufmännischen und technischen Angestellten aus Handel und Industrie und sonstigen Kaufleuten den Aufenthalt in einem solchen Heim" zu ermöglichen; die Heime sollen "in besonderem Maße Personen mit geringem Einkommen aufnehmen", wobei das Entgelt "den Selbstkosten angepaßt sein" soll. Nach einer am 25. Mai 1962 beschlossenen Neufassung des § 2 bezweckt der Kläger auch "die Förderung des Gedankens der Völkerverständigung mit dem Ziel, ein vereinigtes Europa zu schaffen." Mitglieder sind natürliche Personen, die die Voraussetzungen des § 2 erfüllen (Einzelmitglieder), Firmenmitglieder (Personen, die sich in Handel und Industrie betätigen) und fördernde Mitglieder (§ 4 der Satzung).

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das FA) versagte dem Kläger die Körperschaftsteuerfreiheit nach § 4 Abs. 1 Nr. 6 KStG, setzte die Körperschaftsteuer jedoch wegen eines Verlustes auf 0 DM fest. Einspruch und Klage blieben erfolglos. Das FG hat ausgeführt:

Die Tätigkeit des Klägers erschöpfe sich in dem wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb der Heimunterhaltung. Der Kläger sei deshalb gemäß § 4 Abs. 1 Nr. 6 Satz 2 KStG in vollem Umfang steuerpflichtig. Ein steuerlich unschädlicher wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb nach § 7 Gemeinnützigkeitsverordnung (GemV) liege nicht vor. Der Kläger trete in großem Umfang in Wettbewerb zu anderen Kur- und Erholungsheimen. Für ihn gelte die Einschränkung der §§ 3 Nr. 2 und 8 Abs. 3 GemV (vgl. auch § 9 Abs. 1 Nr. 1 GemV), nach der Alters- und Siechenheime, Waisenhäuser usw. nur dann steuerlich unschädliche Geschäftsbetriebe seien, wenn sie in besonderem Maße bedürftigen oder minderbemittelten Personen dienten. Der Kläger habe das Vorliegen dieser Voraussetzungen trotz entsprechender Aufforderung nicht nachgewiesen.

Der Kläger rügt mit der Revision die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Der Satzungszweck sei ohne den Betrieb der Heime nicht zu verwirklichen. Damit seien die Voraussetzungen des § 7 GemV erfüllt. Die Bestimmung werde nach ihrem Wortlaut nicht durch § 9 Abs. 1 Nr. 1 und § 8 Abs. 3 GemV eingeschränkt. Es gebe keinen Anhalt für die Annahme, daß nur Wohlfahrtseinrichtungen begünstigt seien. Die Finanzverwaltung gewähre Steuerfreiheit für Kindergärten, die nicht § 8 Abs. 3 GemV entsprächen, oder begünstige wirtschaftliche Geschäftsbetriebe von Vereinen, die so aufwendige Sportarten wie Golf oder Reiten betrieben. Der krankheitsvorbeugende Kur- und Erholungsbetrieb dürfe nicht anders behandelt werden als die Krankenanstalten, deren Steuerunschädlichkeit u. a. an der Zahl der sozialversicherten Patienten gemessen werde (§ 10 GemV). Er könne nachweisen, daß er überwiegend sozialversicherte Gäste aufgenommen habe. Das FG hätte insoweit den Sachverhalt nach § 76 FGO weiter aufklären müssen.

Der Kläger beantragt,

Vorentscheidung, Einspruchsentscheidung und Steuerbescheid aufzuheben.

Das FA beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet.

1. Das FG ist zutreffend davon ausgegangen, daß auch ein auf 0 DM lautender Körperschaftsteuerbescheid angefochten werden kann, wenn wie hier geltend gemacht wird, eine Steuerpflicht sei nicht gegeben (Beschluß des BFH I B 34/69 vom 20. November 1969, BFHE 97, 281, BStBl II 1970, 133).

2. a) Dem Kläger kann Steuerfreiheit nach § 4 Abs. 1 Nr. 6 KStG nicht gewährt werden. Nach dieser Vorschrift sind von der Körperschaftsteuer befreit Körperschaften, Personenvereinigungen - u. a. Vereine - und Vermögensmassen, die nach ihrer Satzung und ihrer tatsächlichen Geschäftsführung ausschließlich und unmittelbar kirchlichen, gemeinnützigen oder mildtätigen Zwecken dienen (Satz 1); unterhalten sie einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb, der über den Rahmen einer Vermögensverwaltung hinausgeht, so sind sie insoweit steuerpflichtig (Satz 2). Im Streitfall liegen schon die Voraussetzungen des Satzes 1 nicht vor, so daß sich die vom FG angestellte Prüfung zu Satz 2 erübrigt. Der Kläger dient nicht ausschließlich und unmittelbar gemeinnützigen Zwecken.

b) Nach § 17 Abs. 1 und 2 StAnpG sind gemeinnützig solche Zwecke, durch deren Erfüllung ausschließlich und unmittelbar die Allgemeinheit gefördert wird, was anzunehmen ist, wenn die der Zweckerfüllung gewidmete Tätigkeit dem allgemeinen Besten auf materiellem, geistigem oder sittlichem Gebiet nützt. Auch wenn zugunsten des Klägers unterstellt wird, daß der von ihm angesprochene Personenkreis (kaufmännische und technische Angestellte aus Industrie und Handel und selbständige Kaufleute) als Allgemeinheit anzuerkennen ist (§ 17 Abs. 4 und 5 StAnpG), ist er nicht gemeinnützig tätig.

Die Satzung sagt nicht genau, welchen Zweck der Kläger mit der Aufnahme der genannten Personen in seine Heime erreichen will. Aus der Bezeichnung der Heime als "Kur- und Erholungsheime" läßt sich aber entnehmen, daß der Kläger den begünstigten Personen allgemein Erholung ermöglichen will, damit sie danach den Belastungen des Arbeitsalltags wieder gewachsen sind. Dieser Zweck ist indes, für sich allein genommen, nicht gemeinnützig (vgl. auch BFH-Urteil I 67/54 U vom 22. November 1955, BFHE 62, 76, BStBl III 1956, 29); die seiner Verwirklichung gewidmete Tätigkeit dient nicht dem allgemeinen Besten auf materiellem Gebiet. Aus den in § 17 Abs. 3 Nr. 1 StAnpG angeführten Beispielsfällen (Gesundheitspflege, Jugendpflege, Ertüchtigung durch Leibesübungen) ergibt sich, daß das Gewähren von Erholung nur dann begünstigt sein kann, wenn es einem besonders schutzbedürftigen Personenkreis (wie z. B. Kranken oder der Jugend) zugute kommt oder in einer bestimmten Art und Weise (z. B. auf sportlicher Grundlage) vorgenommen wird. Die Erholung arbeitender Menschen ist in erster Linie Angelegenheit dieser Menschen selbst. Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat das Wesen eines Erholungsurlaubs dahin charakterisiert, daß die verbrauchte Arbeitskraft nach der Selbstbestimmung des Urlaubers wiederhergestellt werden soll. (BAG-Urteil 5 AZR 191/61 vom 1. März 1962, DB 1962 S. 705). Diese Freiheit in der Urlaubs- und Freizeitgestaltung ist auch im allgemeinen finanziell gesichert. Die gesetzlichen oder tariflichen Urlaubsvorschriften gewähren regelmäßig im Urlaubsfall einen Anspruch auf Fortzahlung des Arbeitslohnes. Nur wenn arbeitende Menschen besonders stark erholungsbedürftig sind oder eine Erholung mangels eigener Mittel nicht durchführen können oder eine besonders erfolgversprechende Erholungsart angeboten wird, handelt es sich um ein Anliegen der Allgemeinheit und kommt bei Förderung Gemeinnützigkeit in Betracht.

c) Der Kläger hat nach seiner Satzung seine Tätigkeit nicht auf derartige besondere Erholungszwecke beschränkt. Er will den Personen, die er in seine Heime aufnimmt, eine Allgemeinerholung ermöglichen. Als Folge davon mag allerdings bei einem Teil die Widerstandskraft gegen Krankheiten gestärkt werden. Dies ist indes nur mittelbar gewollt. Wäre dem Kläger generell an einer Vorbeugung gegen Krankheiten gelegen, müßte er - was nicht der Fall ist - die Auswahl der Erholungssuchenden unter medizinischen Gesichtspunkten vornehmen.

Eine Eingrenzung auf besondere Erholungszwecke tritt auch nicht dadurch ein, daß der Kläger nach § 2 der Satzung "in besonderem Maße Personen mit geringem Einkommen aufnehmen" soll, d. h. daneben auf das Merkmal der Mildtätigkeit (Bedürftigkeit) abstellt. Einmal ist dem Kläger durch die Worte "in besonderem Maße" auch die Aufnahme besser verdienender Angestellter und Kaufleute nicht versagt. Zum anderen ist der Begriff "geringes Einkommen" zu unbestimmt. Eine steuerrechtliche Nachprüfung ist ausgeschlossen. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob Gemeinnützigkeit nur angenommen werden kann, wenn sich die Verdienste der aufzunehmenden Personen im Rahmen des § 3 Nr. 2 GemV halten (so im Ergebnis das FG), oder ob diese Begrenzung - weil auf mildtätige Zwecke (§ 18 StAnpG) bezogen - für eine Prüfung nach § 17 StAnpG nicht maßgebend ist. Jedenfalls muß, wenn Gemeinnützigkeit wegen der Begünstigung einer gering verdienenden Personengruppe geltend gemacht wird, schon die Satzung ziffernmäßig genau oder wenigstens bestimmbar festlegen, was unter geringem Einkommen zu verstehen ist.

3. Nicht entschieden zu werden braucht, ob der im Jahre 1962 neu aufgenommene Satzungszweck - Förderung des Gedankens der Völkerverständigung mit dem Ziel, ein vereinigtes Europa zu schaffen - als gemeinnützig anzuerkennen ist. Eine Begünstigung wegen dieses Zwecks kommt schon deswegen nicht in Betracht, weil, wie dargelegt, der Hauptzweck des Klägers nicht begünstigt ist und sonach der neue Zweck nicht ausschließlich verfolgt wird.

Es besteht schließlich für den Senat auch kein Anlaß, darüber zu befinden, ob die Finanzverwaltung in anderen, dem vorliegenden nicht vergleichbaren Fällen (steuerrechtliche Anerkennung der Gemeinnützigkeit der Unterhaltung von Kindergärten, der Förderung des Golf- und Reitsports) das Gesetz zutreffend ausgelegt hat.

 

Fundstellen

Haufe-Index 70324

BStBl II 1973, 251

BFHE 1973, 96

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