Leitsatz (amtlich)

Erleidet ein Arbeitnehmer durch einen Unfall den Verlust seines Kraftwagens und kann dies bei der Ermittlung seiner Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit im Rahmen der Werbungskosten durch eine Absetzung für außergewöhnliche Abnutzung berücksichtigt werden, so ist die Absetzung in aller Regel für das Jahr vorzunehmen, in dem der Unfall eingetreten ist. Sind aber vernünftige Gründe für die Annahme gegeben, daß dem Arbeitnehmer der Schaden voll ersetzt wird, so kann die Absetzung für das Jahr vorgenommen werden, in dem sich herausstellt, daß der Arbeitnehmer den Schaden doch selbst tragen muß.

 

Normenkette

EStG §§ 9, 11-12

 

Tatbestand

Der Steuerpflichtige hat im Jahre 1962 mit seinem PKW einen Unfall erlitten. Er ist damals Angestellter (Leiter einer Filiale) gewesen. Als er am 4. Dezember 1962 die Kassiererin und das Lehrmädchen der Filiale abholen wollte, verlor er wegen Glatteis die Gewalt über seinen Wagen und stürzte mit diesem über die Straßenböschung. Nach dem Unfall waren nur noch der Motor und die Bereifung des Wagens verwendbar.

Beim Lohnsteuer-Jahresausgleich 1963 machte der Steuerpflichtige den mit 4 963,17 DM berechneten Sachschaden an dem Wagen als Werbungskosten geltend. Das FA lehnte die Berücksichtigung des Schadens ab, weil dieser, wenn überhaupt, beim Lohnsteuer-Jahresausgleich 1962 hätte geltend gemacht werden müssen. Der Einspruch des Steuerpflichtigen, der nach seiner Darstellung den Schaden erst im Herbst 1963 hat überblicken können, blieb ohne Erfolg.

Die Klage des Steuerpflichtigen wurde ebenfalls abgewiesen. Mit dem FA ist auch das FG, dessen Urteil in EFG 1967, 504 abgedruckt ist, der Auffassung, daß die Berücksichtigung des Sachschadens jedenfalls beim Lohnsteuer-Jahresausgleich 1963, um den es hier allein gehe, nicht möglich sei. Wegen der Begründung im einzelnen wird auf die Ausführungen des Urteils Bezug genommen.

Mit seiner Revision rügt der Steuerpflichtige unrichtige Anwendung der §§ 7 und 11 EStG. Er ist nach wie vor der Meinung, daß die sogenannte technische Abnutzung nicht lediglich im Jahr der Entstehung geltend gemacht werden könne. Aus dem System des EStG ergebe sich, daß die genannten Vorschriften nur auf solche unbeschränkt steuerpflichtige Personen zugeschnitten seien, die ihr Einkommen entweder aus selbständiger Tätigkeit oder aus Besitz aller Art bezögen. Für die unselbständig Tätigen sei die LStDV erstellt. Daß zwischen diesen und jenen unterschieden werde, ergebe sich auch aus § 9a EStG, der Ausgaben für die Bewirtung nur den Einkommensteuerpflichtigen, nicht aber den Lohnsteuerpflichtigen gestatte. Was insbesondere das Kraftfahrzeug angehe, so fielen zwar bei den Einkommensteuerpflichtigen Ausgaben an, während bei den Lohnsteuerpflichtigen nur die Kilometerpauschale absetzbar sei. Aus diesem Unterschied zwischen den Ausgaben des § 11 Abs. 2 EStG und den für Lohnsteuerpflichtige in Betracht kommenden Werbungskosten ergebe sich, daß der Totalverlust seines Wagens für den Lohnsteuerpflichtigen keine Ausgabe im Sinne des § 11 Abs. 2 EStG darstelle. Es widerspreche ohnehin dem gesunden Menschenverstand und auch jeglicher Logik, einen Schadensbetrag (Verlust) als Ausgabe zu bezeichnen; diese könne vielmehr nur entweder in den Zahlungen für die Anschaffung des Unfallwagens selbst oder die Anschaffung eines neuen liegen. Er habe nach den Gegebenheiten damit rechnen können, daß die Straßenbauverwaltung für den gesamten Schaden aufkommen müsse. Diese habe seine Ansprüche aber im Sommer 1963 abgelehnt. Eine Klage sei ihm wegen der hohen Kosten nicht möglich gewesen. Von seinem Arbeitgeber habe er auch nichts erhalten. Unter diesen Umständen habe er erst im Spätsommer 1963 gewußt, daß der Totalschaden von ihm allein getragen werden müsse. Erst in diesem Augenblick habe er den Verlust erlitten, der demnach auch nur bei dem Lohnsteuer-Jahresausgleich 1963 habe geltend gemacht werden können.

 

Entscheidungsgründe

Aus den Gründen:

Die vom FG wegen der grundsätzlichen Bedeutung des Falles ausdrücklich zugelassene Revision des Steuerpflichtigen führt zur Aufhebung der Vorentscheidung.

Wie der erkennende Senat bereits in dem Urteil VI 79/60 S vom 2. März 1962 (BFH 74, 513, BStBl III 1962, 192) ausgeführt hat, kann die Zerstörung oder Beschädigung des PKW eines Steuerpflichtigen auf der Fahrt zwischen Wohnung und Arbeitsstätte zu einer Berücksichtigung bei der Ermittlung der Einkünfte des Steuerpflichtigen aus nichtselbständiger Arbeit führen, sei es durch eine Absetzung für außergewöhnliche technische Abnutzung oder durch Ansatz der (tatsächlich aufgewendeten) Reparaturkosten. Wie der Senat in diesem Urteil und in dem Urteil VI 75/63 vom 28. August 1964 (HFR 1965, 21) ausführt, kommt allerdings eine Berücksichtigung dann nicht in Betracht, wenn den Steuerpflichtigen ein Verschulden - mindestens grobe Fahrlässigkeit - trifft. Was die Höhe der Absetzungen für außergewöhnliche technische Abnutzung und der Abzüge für Reparaturaufwendungen angeht, so ist der Ersatz von "dritter" Seite zu berücksichtigen (vgl. das Urteil des Senats VI 49/62 U vom 9. August 1963, BFH 77, 496, BStBl III 1963, 502).

Der Abzug von Reparaturkosten als Werbungskosten (§ 9 EStG) scheidet im Streitfall aus. Reparaturkosten sind nicht angefallen.

Wenn überhaupt, so kommt demnach nur eine Berücksichtigung des Verlustes des Wagens durch eine Absetzung für außergewöhnliche technische Abnutzung in Betracht. Eine solche Absetzung kann aber, wie das FG zutreffend ausgeführt hat, jedenfalls dann nur in dem Jahr der außergewöhnlichen technischen Abnutzung selbst vorgenommen werden, wenn der Wagen - wie hier - total zerstört worden ist.

Die Annahme des Steuerpflichtigen, er habe im Jahre 1962 noch keine Ausgabe gehabt, ist ebenso unzutreffend, wie es seine allgemeinen Ausführungen zur Systematik des EStG sind. Ausgaben können sowohl bei der Ermittlung der Einkünfte aus selbständiger Arbeit als auch bei der Ermittlung der Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit zu berücksichtigen sein: Im ersten Falle als Betriebsausgaben (§ 4 Abs. 4 EStG), im zweiten Falle als Werbungskosten (§ 9 EStG). Die Pauschalierung der Kosten für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte ist eine Vereinfachungsmaßnahme. Sie besagt nicht, daß nicht auch bei der Ermittlung der Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit ggf. - z. B. bei den beruflichen Fahrten eines angestellten Handelsvertreters - die tatsächlichen Aufwendungen für Benzin usw. als Werbungskosten berücksichtigt werden könnten. Ist der Totalverlust eines Wagens eingetreten, so wird dies, wie bereits dargelegt, im Wege der Absetzung für außergewöhnliche Abnutzung berücksichtigt (§ 9 Nr. 6 in Verbindung mit § 7 Abs. 1 letzter Satz EStG 1962). Das wirkt sich wie eine Ausgabe aus: Während der Steuerpflichtige die Anschaffungskosten seines Wagens bisher nur im Wege der "normalen" Absetzung für Abnutzung (AfA) - also auch nicht im Zeitpunkt der tatsächlichen Verausgabung, sondern nur laufend mit den entsprechenden Teilbeträgen (§ 9 Nr. 6 in Verbindung mit § 7 Abs. 1 Satz 1 EStG) - abziehen, d. h. als Ausgabe behandeln konnte, werden nunmehr die restlichen Anschaffungskosten, wie wenn sie jetzt verausgabt wären, bei der Ermittlung der Einkünfte des Jahres des Totalverlustes abgezogen. In der gleichen Weise würde übrigens auch bei der Ermittlung der Einkünfte eines selbständig Tätigen verfahren (vgl. §§ 4 und 5 in Verbindung mit § 7 Abs. 1 EStG). Mit der Frage des Verlustabzugs nach § 10d EStG hat das nicht das Geringste zu tun.

Dem Steuerpflichtigen ist allerdings zuzugeben, daß er - geht man von seinem Standpunkt aus - erst im Jahre 1963 den Verlust als endgültig ihn belastend ansehen mußte. Ob dieser Situation, wie er meint, von einem bilanzierenden Kaufmann hätte Rechnung getragen werden können und müssen, braucht hier nicht geprüft zu werden. Für die Ermittlung der Einkünfte des Steuerpflichtigen aus nichtselbständiger Arbeit nach § 2 Abs. 4 Nr. 2 EStG ist, wie bereits das FG zutreffend dargelegt hat, die Gegenüberstellung der Einnahmen und Werbungskosten ein und desselben Jahres und damit der in dieses Jahr fallende Zeitpunkt der Vereinnahmung bzw. Verausgabung (des Zufließens bzw. der Leistung im Sinne des § 11 EStG) maßgebend.

Es kann danach keinem Zweifel unterliegen, daß z. B. ein Arbeitnehmer, der in dem Jahre 1966 wegen eines Unfalls mit seinem Kraftwagen - als Werbungskosten anzuerkennende - Reparaturkosten noch in demselben Jahre gehabt hat, diese für das Jahr 1966 geltend machen muß, mag er mit ihrem Ersatz durch seinen Arbeitgeber oder einen Dritten (den Unfallverursacher) rechnen oder nicht. Auch ein offenbar begründeter Ersatzanspruch kann, wenngleich die Zahlung den Reparaturaufwand mindern würde (vgl. das bereits angeführte Urteil VI 49/62 U vom 9. August 1963), bei der Einkunftsermittlung nach § 2 Abs. 4 Nr. 2 EStG grundsätzlich ebensowenig berücksichtigt werden wie die Verpflichtung des Arbeitnehmers zur Bezahlung der Reparaturkosten, wenn er die Reparatur zwar im Jahre 1966 hätte durchführen müssen, die Kosten aber erst in dem nächsten Jahr bezahlt hätte. Würde der Arbeitnehmer die von ihm im Jahre 1966 verausgabten Reparaturaufwendungen in dem Jahr 1967 tatsächlich erstattet erhalten, so hätte er in diesem Jahr eine entsprechende Einnahme anzusetzen. Das Ergebnis mag - nämlich wenn man an ein Auseinanderfallen von Verausgabung und Vereinnahmung lediglich um die Jahreswende denkt - wenig befriedigend sein, beruht aber auf der Art der Einkunftsermittlung, die allein auf die Vereinnahmung bzw. Verausgabung abstellt. Ob man in diesen Fällen nicht doch mit einer gewissen "Zusammenschau" helfen kann (vgl. das Beispiel, das Becker in "Die Grundlagen der Einkommensteuer", Aufl. 1940, § 204, S. 247 anführt) und ob hier nicht vielleicht auch die Neuregelung des § 4 Abs. 3 Satz 2 EStG (Ausscheidung der durchlaufenden Posten) entsprechend angewandt werden kann, braucht an dieser Stelle nicht untersucht zu werden. Auf jeden Fall ist der Senat der Auffassung, daß die für die Berücksichtigung von Einnahmen und Ausgaben geltenden Regeln nicht auch ohne weiteres für die Berücksichtigung von AfA gelten.

Das der Einkunftsermittlung nach § 2 Abs. 4 Nr. 2 EStG zugrunde liegende Prinzip. daß grundsätzlich alle Einnahmen und alle Ausgaben ein und desselben Jahres einander gegenüberzustellen sind, ist für die AfA ohnehin durchbrochen. Angenommen, ein Arbeitnehmer (unselbständiger Handelsvertreter) habe die Kosten für die Anschaffung eines Kraftwagens in dem Jahr der Anschaffung voll bezahlt, so kann er nach § 9 Nr. 6 in Verbindung mit § 7 Abs. 1 EStG die Kosten nicht sofort als Werbungskosten ansetzen, sondern muß sie - in Form von AfA - auf die voraussichtliche Nutzungsdauer verteilen. Die einzelnen Absetzungsbeträge sind zwar - ähnlich wie entsprechende Ausgaben - den je in Betracht kommenden Jahren zugeordnet. Während aber eine Ausgabe, die versehentlich nicht geltend gemacht worden ist, nicht für ein späteres Jahr geltend gemacht werden kann, hat der erkennende Senat es bei AfA für zulässig gehalten, sie nachzuholen, sofern sie nicht bewußt unterlassen worden sind (vgl. das Urteil VI R 295/66 vom 21. Februar 1967, BFH 88, 316, BStBl III 1967, 386, und das Absetzungen für Substanzverringerung betreffende Urteil VI R 145/66 vom 21. Februar 1967, BFH 88, 448, BStBl III 1967, 460). Aus den gleichen Gründen wird man auch bei einer Absetzung für außergewöhnliche Abnutzung nicht starr auf den Verursachungszeitpunkt abzustellen brauchen, wenn vernünftige Gründe für eine spätere Berücksichtigung bestehen.

Wie das FG selbst ausführt, hätte das FA, wäre der Schaden von dem Revisionskläger bereits beim Lohnsteuer-Jahresausgleich 1962 geltend gemacht worden, die Frage des Ersatzes prüfen müssen und ggf. nur vorläufig entscheiden können. Damit geht auch das FG von einer - dem Prinzip der Einkunftsermittlung nach § 2 Abs. 4 Nr. 2 EStG widersprechenden - "Zusammenschau" aus, indem es die Frage des im Wege der Absetzung zu berücksichtigenden Verlustes mit dem Schadensersatz verknüpft, auch wenn dieser dem Revisionskläger erst nach Ablauf des Jahres 1962 zugeflossen sein sollte. Man mag darüber streiten, ob das FA, wäre der Verlust bereits im Jahre 1962 geltend gemacht worden, den Lohnsteuer-Jahresausgleich wirklich nur hätte vorläufig durchführen können. Jedenfalls stimmt der Senat dem FG insofern zu, als es um die Verknüpfung von Verlust und Schadensersatz geht. Ist die Verknüpfung aber berechtigt, dann ist nicht einzusehen, warum ein Verlust, der in aller Wahrscheinlichkeit in voller Höhe ersetzt wird, überhaupt für das "Entstehungsjahr" geltend gemacht werden soll, für das er doch auch nach Ansicht des FG zu keiner Absetzung führen kann, und nicht erst für das Jahr geltend gemacht zu werden braucht, in dem sich trotz aller gegenteiligen Annahmen des Steuerpflichtigen herausstellt, daß der Verlust von diesem selbst getragen werden muß. Wirtschaftlich gesehen läßt sich durchaus die Ansicht vertreten, daß der Verlust erst in diesem Zeitpunkt - ganz oder in entsprechender Höhe - eingetreten sei. Natürlich kann der Steuerpflichtige nicht willkürlich vorgehen. In aller Regel wird die Absetzung für außergewöhnliche Abnutzung, durch die der auf einem Unfall beruhende Verlust eines Kraftwagens berücksichtigt werden soll, für das Jahr vorzunehmen sein, in dem der Unfall eingetreten ist. Liegen aber vernünftige Gründe dafür vor, daß der Steuerpflichtige mit einem Ersatz des ihm entstandenen Schadens rechnen konnte, so kann die Absetzung für außergewöhnliche Abnutzung erst für das Jahr vorgenommen werden, in dem sich herausstellt, daß mit einem Schadensersatz nicht zu rechnen ist.

Das angefochtene Urteil war danach wegen Rechtsirrtums aufzuheben. Die nicht spruchreife Sache wird an das FG zurückverwiesen. Das FG wird nunmehr zu prüfen haben, ob der Revisionskläger vernünftige Gründe für die Annahme haben konnte, daß ihm der Schaden ersetzt würde, und - bejahendenfalls - ob der geltend gemachte Verlust auch der Höhe nach zutrifft.

 

Fundstellen

Haufe-Index 68397

BStBl II 1969, 160

BFHE 1969, 325

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