Entscheidungsstichwort (Thema)

Grundsätzlich keine erhöhte Absetzung nach § 7 b EStG bei Erwerb eines Mehrfamilienhauses und seiner späteren Aufteilung in Eigentumswohnungen

 

Leitsatz (NV)

1. Mehrere Steuerpflichtige, die ein Mehrfamilienhaus zu Miteigentum erwerben und es erst später unter sich in Eigentumswohnungen aufteilen, erhalten keine erhöhten Absetzungen nach § 7 b EStG.

2. Eine Anschaffung von Eigentumswohnungen kann jedoch bei wirtschaftlicher Betrachtung dann zu bejahen sein, wenn der Veräußerer und die Erwerber von vornherein einen Kauf von Eigentumswohnungen wollten, dies jedoch infolge besonderer Umstände nicht möglich war und sich bei einer Zusammenschau des Kaufvertrages mit dem Aufteilungsvertrag unter den Erwerbern der wirtschaftliche Gehalt beider Verträge nicht auf ein Mehrfamilienhaus, sondern auf Eigentumswohnungen bezog.

 

Normenkette

EStG § 7b; BerlinFG § 15

 

Verfahrensgang

FG Berlin

 

Tatbestand

Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) wurden als Eheleute zusammen zur Einkommensteuer veranlagt.

Der Kläger und seine Bekannten A und B kauften mit notariellem Vertrag vom 4. März 1977 ein im Jahre 1907 mit einer Villa bebautes und später zu einem Mietwohngrundstück mit vier Wohnungen umgestaltetes Grundstück in Berlin. Untereinander vereinbarten die drei Käufer am selben Tage schriftlich, daß das Haus unter ihnen aufgeteilt werden sollte. Der Kläger erhielt das Obergeschoß mit zwei Wohnungen, A die Wohnung im Erdgeschoß und B die Wohnung im Dachgeschoß. Dementsprechend teilten sie auch die Verpflichtung zur Zahlung des Kaufpreises untereinander auf.

Die Käufer nahmen das Grundstück, wie im notariellen Vertrag vereinbart, unter Nutzungs- und Lastenwechsel am 1. April 1977 in Besitz und traten von da an gegenüber den Mietern ,,ihres" Geschosses als neue Eigentümer und Vermieter auf. Demgemäß vereinnahmte der Kläger ab April 1977 die Mieten für die Obergeschoßwohnungen.

Die Käufer schlossen unter Mitwirkung des Verkäufers am 10. September 1977 einen notariellen Teilungsvertrag ab. In diesem heißt es: Verkäufer und Käufer seien sich von Anfang an einig gewesen, auf dem Grundstück begründetes Wohnungseigentum zu übertragen. Da die hierfür erforderliche Abgeschlossenheitsbescheinigung inzwischen erteilt worden sei, sollten die Erklärungen vom 4. März 1977 vervollständigt werden; die Willenserklärungen vom 4. März und vom 10. September 1977 bildeten einen einheitlichen Vertrag.

Die Käufer wurden daraufhin entsprechend der privatschriftlich vereinbarten Aufteilung des Gebäudes als Wohnungseigentümer im Grundbuch eingetragen.

Grundbuchlich ist das Obergeschoß als eine Wohnungseigentumseinheit des Klägers behandelt worden; bei der Nachfeststellung des Einheitswerts auf den 1. Januar 1978 wurde es als Zweifamilienhaus bewertet.

Die Kläger machten für die Streitjahre 1977 und 1978 erhöhte Absetzungen von je 10 v. H. des Gebäudewertanteils des Klägers von 130 400 DM bei Ermittlung der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung geltend.

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) ließ in den angefochtenen Einkommensteuerbescheiden für beide Streitjahre dagegen nur die Absetzungen für Abnutzung (AfA) gemäß § 7 Abs. 4 Nr. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) in Höhe von 2,5 v. H. des Gebäudewerts zu.

Der Einspruch der Kläger blieb erfolglos.

Das Finanzgericht (FG) gab der Klage statt.

Mit der Revision rügt das FA Verletzung materiellen Rechts. Das FA ist der Auffassung, der Kläger habe einen Miteigentumsanteil an dem Mietwohngrundstück, nicht aber eine im Erwerbszeitpunkt bestehende Eigentumswohnung erworben. Das FG habe zu Unrecht die erhöhten Absetzungen zugelassen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

Soweit das FG seine Entscheidung auf die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) zur Grunderwerbsteuer gestützt hat, ist seine Entscheidung rechtsfehlerhaft. Der vom FG angeführten Rechtsprechung des II. Senats liegen die Vorschriften über die Grunderwerbsteuerbegünstigung in § 1 Abs. 1 des Gesetzes zur Grunderwerbsteuerbefreiung beim Erwerb von Einfamilienhäusern, Zweifamilienhäusern und Eigentumswohnungen (GrEStEigWoG) vom 11. Juli 1977 (BGBl I, 1218, BStBl I 1977, 365) zugrunde. Diese Vorschriften enthalten jedoch nicht die gleichen Tatbestandsvoraussetzungen wie die für den Streitfall maßgebenden Rechtsvorschriften des § 7 b EStG 1977. Denn für die Grunderwerbsteuerbegünstigung sind Fünfjahresfristen nach Erwerb oder nach Bezugsfertigkeit bei im Erwerbszeitpunkt noch nicht fertiggestellten Gebäuden eingeräumt, um den Befreiungstatbestand verwirklichen zu können (vgl. § 1 Abs. 1 letzter Satz GrEStEigWoG). Es kommt danach dort nicht auf den baulichen Zustand des begünstigten Objekts im Zeitpunkt des Grundstückserwerbs an, sondern auf dessen spätere Gestaltung.

Demgegenüber ist für die hier streitigen erhöhten Absetzungen nach § 7 b EStG in Verbindung mit § 15 Abs. 1 Nr. 1 des Berlinförderungsgesetzes (BerlinFG) der Zustand des erworbenen Objekts im Zeitpunkt der Anschaffung maßgebend. Aus diesem Grund hat der Senat im Urteil vom 30. April 1985 IX R 49/84 (BFHE 144, 36, BStBl II 1985, 513) die Übertragung der Rechtsprechung zur Grunderwerbsteuerbefreiung nach dem GrEStEigWoG auf den Anwendungsbereich des § 7 b EStG 1979 abgelehnt, weil der Erwerber das Objekt als gemischtgenutztes Grundstück angeschafft und erst später in ein Zweifamilienhaus umgebaut hatte.

Eine nach § 7 b EStG 1977 begünstigte Anschaffung ist mithin grundsätzlich nur dann gegeben, wenn das erworbene Immobilienobjekt im Zeitpunkt der Anschaffung bereits ein Ein- oder Zweifamilienhaus oder eine Eigentumswohnung ist. Dabei wird die Anschaffung im Einkommensteuerrecht mit dem Erwerb der wirtschaftlichen Verfügungsmacht über das Wirtschaftsgut gleichgesetzt und ist zeitlich mit dem Übergang der Verfügungsmacht auf den Erwerber vollendet (Urteil des BFH vom 28. April 1977 IV R 163/75, BFHE 122, 121, BStBl II 1977, 553; Schmidt/Seeger, Einkommensteuergesetz, 4. Aufl., § 6 Anm. 9 und 10). Grundstücke sind daher regelmäßig zu dem Zeitpunkt angeschafft, an dem Besitz, Gefahr, Nutzungen und Lasten des Objekts auf den Erwerber übergegangen sind. Die Anschaffung eines Mehrfamilienhauses, das später in Eigentumswohnungen aufgeteilt wird, ist kein nach § 7 b EStG begünstigter Erwerb.

Dem FG kann auch insoweit nicht gefolgt werden, als es in seiner Hilfsbegründung eine nach § 7 b EStG, § 15 BerlinFG begünstigte Anschaffung einer Eigentumswohnung darin sieht, daß im vorliegenden Fall das Miteigentum an dem Grundstück - einer Realteilung vergleichbar - durch Vertrag der Miteigentümer beschränkt und jedem der Miteigentümer Sondereigentum an einer bestimmten Wohnung eingeräumt worden wäre. Eine derartige vertragliche Einräumung von Sondereigentum nach § 3 des Wohnungseigentumsgesetzes (WEG) stellt indessen keine Anschaffung im Sinne von § 7 b EStG dar (vgl. auch Schmidt/Drenseck, a.a.O., 4. Aufl., § 7 b Anm. 5 d), weil die Eigentümer die wirtschaftliche Verfügungsmacht in Form von Miteigentum am Grundstück in einem solchen Fall schon zuvor erworben gehabt hätten.

Das FA hat zutreffend darauf hingewiesen, daß ein solcher Vorgang nach dem Gesetzeszweck des § 7 b EStG nicht begünstigt ist (vgl. zum Gesetzeszweck des § 7 b EStG, BFH-Urteil vom 8. November 1977 VIII R 110/76, BFHE 123, 560, BStBl II 1978, 82), weil hierdurch weder neuer Wohnraum geschaffen noch die Vermögensbildung gefördert wird.

Eine nach den § 7 b EStG, § 15 BerlinFG begünstigte Anschaffung könnte im hier zu entscheidenden Fall bei wirtschaftlicher Betrachtung allerdings dann zu bejahen sein, wenn sich dem notariellen Kaufvertrag vom 4. März 1977 im Zusammenhang mit der Vereinbarung vom 10. September 1977 entnehmen ließe, daß zwischen den Vertragsparteien Veräußerung und Erwerb von Eigentumswohnungen vereinbart werden sollten, wegen besonderer Umstände dies zunächst nicht möglich war, bei einer Zusammenschau beider Verträge jedoch sich deren wirtschaftlicher Gehalt nicht auf ein Mehrfamilienhaus, sondern auf Eigentumswohnungen bezog. Die hierfür gegebene Begründung, daß das einseitige Verhalten der Kläger und der anderen Erwerber, die sich von diesem Tage an wie Wohnungseigentümer verhalten hätten, genüge, vermag der Senat nicht zu teilen.

Der Senat kann nicht abschließend entscheiden. Die Vorentscheidung enthält für die Annahme des FG, der Kläger habe Eigentum nach dem Kaufvertrag nicht als Miteigentümer, sondern aufgrund der Vereinbarungen sogleich in der Art des Sondereigentums erworben, keine ausreichenden tatsächlichen Feststellungen, insbesondere ist der Kaufvertrag nur bruchstückhaft im FG-Urteil wiedergegeben und er befindet sich auch nicht bei den Akten. Die Sache geht an das FG zurück, damit es in erneuter Verhandlung und Entscheidung alle erheblichen tatsächlichen Feststellungen trifft.

 

Fundstellen

Haufe-Index 414201

BFH/NV 1986, 450

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