Leitsatz (amtlich)

Setzt das Betriebsfinanzamt bei der einheitlichen und gesonderten Gewinnfeststellung nach § 215 AO den Veräußerungsgewinn für einen Kommanditanteil niedriger fest, weil es der Meinung ist, daß dieser Teil des Veräußerungsgewinnes der Versorgung des Veräußerers diene, der erst im Zeitpunkt des Zuflusses zu erfassen sei, so bindet dies das Wohnsitzfinanzamt nicht. Dieses hat selbst zu prüfen, ob die Zahlungen als nachträgliche gewerbliche Einkünfte oder als Darlehnsrückzahlungen zugeflossen sind.

 

Normenkette

AO § 215 Abs. 2

 

Tatbestand

Streitig ist, ob eine Zahlung von 30 000 DM als nachträgliche Einkünfte aus Gewerbebetrieb zu behandeln sind.

Der Erblasser (Steuerpflichtiger) war ursprünglich Alleininhaber einer ... fabrik. 1954 wandelte er sein Unternehmen unter Aufnahme seines Schwiegersohnes in eine OHG und mit Wirkung zum 31. Dezember 1958 unter Umwandlung seiner Kapitaleinlage in eine Kommanditeinlage in eine KG um. Die Gesellschafter hoben den Kommanditgesellschaftsvertrag mit Wirkung vom 31. März 1960 auf und vereinbarten, daß der Gewinn des Steuerpflichtigen für das erste Vierteljahr unabhängig von dem tatsächlichen Betriebsergebnis 50 000 DM und das Auseinandersetzungsguthaben des Steuerpflichtigen 728 000 DM betragen sollten. In Höhe von 428 000 DM wurde das Auseinandersetzungsguthaben durch Übertragung von Erbbaurechten bzw. Erbbaurechtsanteilen, Tilgung von Hypotheken und durch eine Barzahlung in Höhe von 150 000 DM ausgeglichen. Hinsichtlich der restlichen Auseinandersetzungsforderung schlossen die Vertragsparteien einen sogenannten Gesellschafts- und Darlehnsvertrag, der vorsah, daß der Steuerpflichtige im Außenverhältnis Kommanditist bleibe, im Innenverhältnis jedoch Darlehnsgeber sei. Es wurde weiter vereinbart, daß der Steuerpflichtige am Geschäftsergebnis nicht teilnahm, für die Überlassung des Darlehens zur Abgeltung aller Ansprüche vierteljährliche Zahlungen bis zum 31. Dezember 1974 erhalten sollte. Der Vertrag enthielt eine Wertsicherungsklausel, wonach diese Zahlungen den jeweiligen Lebensverhältnissen angeglichen werden sollten, da sie dem Lebensunterhalt dienten.

Hinsichtlich der Tilgung des Darlehnsbetrages von 300 000 DM sah der Vertrag jährliche Zahlungen vom 1. Januar 1967 bis 31. Dezember 1974 vor. Ein Restbetrag von 170 000 DM sollte dann in zwei gleichen Teilbeträgen in den Folgejahren zurückgezahlt werden. Außerdem war ein besonderes Kündigungsrecht vereinbart worden, das es den Vertragsparteien gestattete, ab 1. Januar 1964 hinsichtlich des Darlehnsrestes von 170 000 DM besondere Leistungen (mindestens 30 000 DM, höchstens 50 000 DM) zu fordern bzw. zu erbringen. Von dieser Möglichkeit machte der Steuerpflichtige Gebrauch. Er erhielt 1965 neben einem Betrag von 40 000 DM, der vom Beklagten und Revisionsbeklagten (FA) bei den Einkünften aus Kapitalvermögen erfaßt wurde, noch einen weiteren Betrag von 30 000 DM als Darlehnsrückzahlung. Um die einkommensteuerrechtliche Einordnung dieses Betrages geht es in diesem Rechtsstreit. Das FA hat ihn bei der Einkommensteuerveranlagung für 1965 als nachträgliche Einkünfte aus Gewerbebetrieb nach § 24 Nr. 2 EStG erfaßt.

Das FA stützte sich dabei auf die bisherige Behandlung des Auseinandersetzungsguthabens bei der einheitlichen und gesonderten Gewinnfeststellung der KG für das Jahr 1960. Unter Ablehnung einer vom Steuerpflichtigen beantragten Wertberichtigung seiner Auseinandersetzungsforderung in Höhe von 300 000 DM setzte das FA im endgültigen Feststellungsbescheid den Veräußerungsgewinn fest.

Entsprechend den Ausführungen des Betriebsprüfungsberichtes hatte das FA den Darlehnsbetrag von 300 000 DM bei der Ermittlung des Veräußerungsgewinns unberücksichtigt gelassen, weil es sich hierbei nach seiner Meinung nicht um gestundete Kaufpreisraten, sondern um laufende Bezüge mit rentenähnlichem Charakter handele, die erst im Jahre des tatsächlichen Zuflusses zur Versteuerung heranzuziehen seien.

Der gegen den Einkommensteuerbescheid für 1965 gerichtete Einspruch hatte - wie auch die gegen die Einspruchsentscheidung des FA gerichtete Klage - keinen Erfolg. Das FG ist der Ansicht, daß über die Frage, wie die Tilgungsbeträge zu beurteilen sind, bereits im einheitlichen Gewinnfeststellungsverfahren 1960 bei der KG rechtskräftig und verbindlich entschieden worden sei. Das FA habe im Rahmen dieses Verfahrens über den durch die Veräußerung des Kommanditanteils erzielten Veräußerungsgewinn und damit auch über die Einordnung der jährlichen Tilgungszahlungen unter Hinweis auf den Betriebsprüfungsbericht entschieden. Die dort getroffenen Feststellungen seien in ihrer Gesamtheit für die angefochtene Einkommensteuerveranlagung bindend, und zwar nicht nur hinsichtlich des im Ergebnis festgestellten Gewinnes oder Verlustes. Die positive Feststellung, daß der Veräußerungsgewinn 428 000 DM betrage, beinhalte zugleich auch die negative Feststellung, daß es sich bei der weiteren Zahlung nicht um Kaufpreisraten, sondern um Bezüge i. S. des § 24 Nr. 2 EStG handele. Dies gelte um so mehr, weil diese Frage in der Schlußbesprechung nach der Betriebsprüfung eingehend erörtert worden sei. Diese Bindung gelte nicht nur für das Jahr der Feststellung, sondern auch für die Folgejahre (Hinweis auf das Urteil des BFH vom 17. März 1961 VI 67/60 U, BFHE 73, 441, BStBl III 1961, 427).

 

Entscheidungsgründe

Auf die Revision wird die Vorentscheidung aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückverwiesen (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 FGO).

Der Senat teilt nicht die Auffassung des FG, daß bereits in dem Verfahren der einheitlichen und gesonderten Gewinnfeststellung der KG für das (Rumpf-) Wirtschaftsjahr 1960 rechtskräftig und verbindlich über die einkommensteuerrechtliche Beurteflung der aufgrund der Kündigung des Darlehnsrestes geleistete Zahlung in Hone von 30 000 DM entschieden worden ist. Das FG hat hierbei die Bedeutung des § 215 AO verkannt. Nach dieser Vorschrift ist der Gewinn aus Gewerbebetrieb einheitlich und gesondert festzustellen, wenn an den Einkünften mehrere beteiligt sind. Das trifft auch dann zu, wenn aus einer zweigliedrigen Personengesellschaft ein Gesellschafter ausscheidet (vgl. Urteil des BFH vom 13. Dezember 1962 IV 458/60, Steuerrechtsprechung in Karteiform, Reichsabgabenordnung, § 215, Rechtsspruch 45, unter Ablehnung der entgegengesetzten Meinung des RFH). In einem solchen Fall hat das FA nicht nur den Gewinn der Gesellschaft und die auf die Gesellschafter entfallenden Gewinnanteile festzustellen, sondern auch darüber zu befinden, welcher Teil des Gewinns als laufender und welcher Teil als Veräußerungsgewinn anzusehen ist. In jedem Fall beziehen sich aber die Feststellungen nur auf denjenigen Gewinn, der im Feststellungszeitraum erzielt worden ist. Gelangt das FA bei seiner Entscheidung zu dem Ergebnis, daß Vorgänge nicht den Gewinn des Feststellungsjahres beeinflussen, sondern ihre Auswirkungen in anderen Wirtschaftsjahren liegen, so bedeutet das Herausnehmen dieser Vorgänge keine rechtsverbindliche Entscheidung, wann und bei welcher Einkunftsart sie dereinst zu erfassen sind. Die Entscheidung besagt nur, daß diese Vorgänge weder dem laufenden noch dem Veräußerungsgewinn des Feststellungszeitraumes zuzurechnen sind. Aus diesem Grunde hat die Rechtsprechung es auch zugelassen, sich gegen eine zu niedrige Steuerfestsetzung zu wehren, wenn mit einer gewissen Sicherheit hierdurch Nachteile bei späteren Veranlagungen zu befürchten sind (vgl. Urteil des BFH vom 12. Dezember 1972 VIII R 39/67, BFHE 108, 278, BStBl II 1973, 323). Keinesfalls ist bei der einheitlichen und gesonderten Feststellung über das steuerrechtliche Schicksal der aus dem Gewinn ausgeschiedenen Beträge abschließend und rechtsverbindlich für spätere Veranlagungszeiträume entschieden. Mit dieser Entscheidung wird nur gesagt, daß bestimmte Beträge in diesen Feststellungszeitraum gehören oder nicht gehören.

Diesem Ergebnis steht nicht entgegen, daß in dem Verfahren der einheitlichen und gesonderten Gewinnfeststellung verbindlich auch andere als die Höhe des Gewinns und deren Verteilung betreffende Entscheidungen getroffen werden, wie z. B. die Frage der ordnungsmäßigen Buchführung, des Sanierungsgewinns oder des Vorliegens von Sonderbetriebsausgaben (vgl. hierzu im einzelnen die Rechtsprechungshinweise bei Paulick in Hübschmann-Hepp-Spitaler, Kommentar zur Reichsabgabenordnung, § 215 Anm. 25-36, und Tipke-Kruse, Reichsabgabenordnung, Kommentar, § 215 Tz. 6). Denn hierbei handelt es sich um Entscheidungen, die sich nur innerhalb des Feststellungszeitraumes auswirken, zu dem sie gehören und durch die eine Verlagerung in andere Veranlagungszeiträume nicht ausgelöst wird. Auch aus dem Urteil des BFH VI 67/60 U, auf das sich das FG zur Stützung seiner Ansicht bezogen hat, läßt sich eine gegenteilige Auffassung nicht herleiten. In dieser Entscheidung ist zwar ausgesprochen, daß der vom Betriebsfinanzamt einheitlich und gesondert festgestellte Verlust aus Gewerbebetrieb das Wohnsitzfinanzamt nicht nur für das Jahr der Entstehung des Verlustes, sondern auch für die folgenden Jahre hinsichtlich des Verlustabzugs binde. Die Bindungswirkung in diesem Fall für spätere Veranlagungszeiträume ergibt sich aber nicht aus dem in einem Feststellungszeitraum nach § 215 AO festgestellten Verlust, sondern folgt vielmehr aus § 10 d EStG der es gestattet, erlittene Verluste in späteren Veranlagungszeiträumen zu berücksichtigen.

Hiernach ist davon auszugehen, daß das Betriebsfinanzamt bei der einheitlichen und gesonderten Gewinnfeststellung für 1960 nur entschieden nat, daß ein Betrag von 300 000 DM dem Gewinn weder als Veräußerungsge winn noch als laufender Gewinn zuzurechnen ist. Von dieser verbindlichen Feststellung ist auszugehen, da sie von dem Steuerpflichtigen nach den unangefochtenen Feststellungen des FG nicht angefochten worden ist.

Wenn nach dem oben Gesagten die Forderung des Steuerpflichtigen in Höhe von 300 000 DM den Gewinn des Rumpfwirtschaftsjahres 1960 nicht beeinflußt hat, so könnten jedoch durch den Zufluß dieses Betrages oder Teile hiervon einkommensteuerrechtliche Auswirkungen ausgelöst werden. Der Umstand indessen, daß dieser Betrag von 300 000 DM bei der Gewinnfeststellung für 1960 ausgeschieden worden ist, macht ihn damit nicht notwendig zu einkommensteuerpflichtigen Einkünften, sobald er oder Teile hiervon dem Steuerpflichtigen zufließen. Wie ganz allgemein geprüft werden muß, ob es sich bei Einnahmen der Steuerpflichtigen um solche handelt, die unter eine Einkunftsart des Einkommensteuergesetzes fallen, so muß diese Prüfung auch hier angestellt werden. Ergibt diese Prüfung, daß die Zahlungen an den Steuerpflichtigen Rückzahlungen eines Darlehens sind, so ist deren Erfassung bei der Einkommensteuer nicht möglich. Etwas anderes würde gelten, wenn es sich bei dem Zufluß an den Steuerpflichtigen um nachträgliche Einnahmen aus Gewerbebetrieb gehandelt hat, wie das FA und auch das FG meinen. Das FG hat sich jedoch für seine einkommensteuerrechtliche Einordnung dieser Einnahmen nur auf die Bindungswirkung des Feststellungsbescheides gestützt, aus dem sich - nach den obigen Ausführungen des Senats allerdings rechtsfehlerhaft - bereits das Vorliegen von nachträglichen Einnahmen aus Gewerbebetrieb ergebe. Eine eigene Würdigung hat es jedoch nicht vorgenommen. Da die Frage, ob ein Veräußerer die Ratenzahlung zu seiner Versorgung vereinbart hat oder ob es sich um echte Kaufpreisraten handelt, weitgehend auf tatsächlichem Gebiet liegt (Urteile des BFH vom 20. Januar 1959 I 200/58 U, BFHE 68, 500, BStBl III 1959, 192, und vom 23. Januar 1964 IV 85/62 U, BFHE 79, 16, BStBl III 1964, 239) und dem BFH als Revisionsgericht diese auf tatsächlichem Gebiet liegende Würdigung nicht gestattet ist, mußte die Sache an das FG zurückverwiesen werden, damit es diese noch nachholt.

 

Fundstellen

Haufe-Index 71561

BStBl II 1975, 866

BFHE 1976, 455

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