Entscheidungsstichwort (Thema)

Vorausabtretung von ESt-Erstattungsansprüchen bei Nettolohnvereinbarung

 

Leitsatz (NV)

1. Die bei einer Nettolohnvereinbarung vom Arbeitgeber übernommene Lohnsteuer stellt steuerpflichtigen Arbeitslohn dar.

2. Abflüsse auf Grund von ESt-Erstattungsansprüchen, die sich erst aus noch durchzuführenden ESt-Veranlagungen ergeben, können bei diesen Veranlagungen nicht als negative Einnahmen berücksichtigt werden.

 

Normenkette

EStG § 11

 

Verfahrensgang

FG Hamburg

 

Tatbestand

Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) ist (ausländischer) Staatsangehöriger. Er wurde von der (ausländischen) Konzerngesellschaft zu deren Tochtergesellschaft, einer GmbH, in die Bundesrepublik Deutschland (Bundesrepublik) entsandt. Er wohnte mit seiner Ehefrau und zwei Kindern in A; am 22. Juni 1983 zog er mit seiner Familie wieder ins Ausland.

Im Arbeitsvertrag mit der GmbH war ein Nettolohn in der Weise vereinbart, ,,daß von dem . . . Monatsgehalt die Einkommensteuer und die Sozialversicherungsbeiträge gemäß den in der BRD geltenden gesetzlichen Bestimmungen bereits abgezogen sind". Der Nettolohn (einschließlich Sozialversicherungsbeiträge) für die Zeit vom 1. Januar bis 22. Juni 1983 belief sich auf . . . DM. Die GmbH errechnete daraus gemäß Abschn. 89 der Lohnsteuer-Richtlinien 1981 (LStR) durch Abtasten nach den Monatstabellen unter Zugrundelegung der Lohnsteuerklasse des Klägers einen Bruttolohn von X DM und behielt Lohnsteuer von . . . DM ein. Außerdem führte sie . . . DM Investitionshilfeabgabe ab.

Der Kläger und seine Ehefrau traten die Einkommensteuererstattungsansprüche für 1982 und 1983 an die GmbH ab. Die Abtretung erfolgte auf einer Fotokopie des im BStBl I 1975, 1075 vorgesehenen Formblatts, die maschinenschriftlich ausgefüllt und handschriftlich unterzeichnet wurde. Ein Datum ist auf ihr nicht angegeben. Die Anzeige ging am 20. Juni 1983 beim Beklagten und Revisionskläger (Finanzamt - FA -) zusammen mit der Einkommensteuer 1983 ein. Nach der Einkommensteuererklärung sollte der Steuerbescheid der GmbH zugesandt werden; als Bankverbindung war ein Konto der GmbH angegeben.

Mit Bescheid vom 22. Juni 1983 setzte das FA die Einkommensteuer auf . . . DM fest, wodurch sich ein Erstattungsbetrag von . . . DM ergab. Das FA hatte dabei negative Einnahmen des Klägers von Y DM berücksichtigt; dieser Betrag ergab sich aufgrund einer fiktiven Veranlagung zur Einkommensteuer 1983 unter Ansatz des Bruttolohns von X DM. Ebenfalls mit Bescheid vom 22. Juni 1983 setzte das FA die Investitionshilfeabgabe 1983 auf . . . DM fest, so daß sich ein Erstattungsanspruch von . . . DM ergab. Schließlich führte es, ebenfalls am 22. Juni 1983, eine Einkommensteuerveranlagung 1982 durch, aus der eine Erstattung von . . . DM folgte.

Der Einspruch gegen den Einkommensteuerbescheid 1983 hatte nur insoweit Erfolg, als das FA neben dem bereits anerkannten Betrag von Y DM auch die Erstattung von Einkommensteuer 1982 und Investitionshilfeabgabe 1983 berücksichtigte. In der Einspruchsentscheidung setzte es die Einkommensteuer 1983 nach einem zu versteuernden Einkommen von . . . DM unter Anwendung der Splittingtabelle auf . . . DM fest und wies den Einspruch im übrigen als unbegründet zurück. Den sich danach ergebenden weiteren Erstattungsbetrag von . . . DM überwies das FA am . . . 1985 an die GmbH; zugleich erstattete es der GmbH die restliche Investitionshilfeabgabe von . . . DM.

Die Klage, mit der der Kläger begehrte, die vom FA berücksichtigten negativen Einnahmen auf ,,negative Bruttoeinnahmen" von . . . DM hochzurechnen und die Investitionshilfeabgabe in voller Höhe als negative Einnahme zu berücksichtigen, hilfsweise, die negativen Einkünfte im Wege des Verlustrücktrags auf den Veranlagungszeitraum 1981 zu berücksichtigen, hatte Erfolg (s. auch Entscheidungen der Finanzgerichte - EFG - 1987, 122).

Mit seiner Revision rügt das FA die Verletzung von § 2, § 11 und § 38 des Einkommensteuergesetzes (EStG) sowie § 2 der Lohnsteuer-Durchführungsverordnung (LStDV).

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und Abweisung der Klage.

Wie der Senat im Urteil vom 16. August 1979 VI R 13/77 (BFHE 128, 467, BStBl II 1979, 771) entschieden hat, stellt die bei einer Nettolohnvereinbarung vom Arbeitgeber übernommene Lohnsteuer Arbeitslohn dar; dies gilt auch, wenn die einbehaltene Lohnsteuer höher ist als die später festgesetzte Einkommensteuer. Es spricht auch vieles dafür, negative Einnahmen beim Arbeitnehmer anzunehmen, wenn Erstattungsansprüche wegen zuviel gezahlter Lohnsteuer an den Arbeitgeber abgetreten worden sind und entsprechende Rückzahlungen vom FA an den Arbeitgeber geleistet werden.

Im Streitfall lag aber ein entsprechender Abfluß beim Kläger im Zeitpunkt der Einkommensteuerveranlagung 1983 noch nicht vor. Ein etwaiger Abfluß konnte deshalb in diesem Zusammenhang noch nicht berücksichtigt werden.

Im Urteil in BFHE 128, 467, BStBl II 1979, 771 ist der Senat davon ausgegangen, daß auch bei Abtretungen der hier vorliegenden Art Erstattungen nicht als negative Einnahmen berücksichtigt werden können, bevor die Steuererstattung, um die es geht, erfolgt ist oder jedenfalls erfolgen kann. Der Senat hat es deshalb im vorbezeichneten Urteil abgelehnt, eine entsprechende, im Jahre 1976 erfolgte Steuererstattung bereits bei der Veranlagung für das damalige Streitjahr 1974 zu berücksichtigen. Die nach den weiteren Ausführungen in diesem Urteil auch bei Vorausabtretungen von Steuererstattungsansprüchen gebotene strenge Beachtung des § 11 Abs. 2 EStG führt aber darüber hinaus dazu, daß Abflüsse auf Grund von Einkommensteuererstattungsansprüchen, die sich erst aus noch durchzuführenden Einkommensteuerveranlagungen ergeben sollen, bei diesen Veranlagungen noch nicht als negative Einnahmen berücksichtigt werden können.

Den insoweit großzügigeren Auffassungen von Katterbe (Deutsche Steuer-Zeitung - DStZ - 1984, 431 ff.) und Svensson (DStZ 1985, 167 f.), von denen die Vorentscheidung beeinflußt ist, folgt der Senat nicht. Der Senat hält es nicht für gerechtfertigt, wegen des hier zur Entscheidung stehenden Sonderfalls anerkannte Grundsätze des § 11 EStG in Frage zu stellen.

Auch eine Berücksichtigung im Wege des Verlustrücktrags kommt im gegenwärtigen, gegen den Einkommensteuerbescheid 1983 gerichteten Klageverfahren - schon wegen des insoweit fehlenden Vorverfahrens - nicht in Betracht. Ob sich aus Verwaltungsanordnungen (z. B. Verfügungen der Oberfinanzdirektion Düsseldorf vom 22. Juli 1982, Der Betrieb - DB - 1982, 1746 und vom 28. Juni 1988, DB 1988, 1573), die für Fälle der hier vorliegenden Art eine Berücksichtigung der negativen Einnahmen im Wege des Verlustrücktrags vorsehen, Folgerungen für die weitere Bearbeitung der Sache ergeben, werden die Verwaltungsbehörden zu entscheiden haben.

 

Fundstellen

Haufe-Index 417183

BFH/NV 1991, 156

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