Leitsatz (amtlich)

1. Für die Klage einer Molkerei gegen ein HZA auf Feststellung, sie sei zur Berechnung und Mitteilung der Anlieferungs-Referenzmengen (Milchquoten) der an sie abliefernden Milcherzeuger nicht verpflichtet, ist der Finanzrechtsweg gegeben. Die Klage ist unbegründet, da § 4 MGVO gültig ist.

2. Der Rat der EWG war befugt, die Erhebung einer Abgabe auf über eine bestimmte Garantieschwelle hinausgehende Milchlieferungen vorzusehen.

 

Orientierungssatz

1. Für Streitigkeiten über die Erhebung einer Abgabe im Rahmen von Produktionsregelungen i.S. des § 29 Abs. 1 Satz 1 MOG ist der Finanzrechtsweg gegeben (vgl. BFH-Entscheidung vom 26.3.1985 VII B 12/85). Eine solche Streitigkeit liegt stets vor, wenn es sich um eine Angelegenheit der Abgabe nach der MGVO (Milchabgabe) handelt, d.h. um eine mit der Verwaltung der Milchabgabe oder sonst mit der Anwendung der abgabenrechtlichen Vorschriften für die Erhebung dieser Abgabe durch die Finanzbehörden zusammenhängende Angelegenheit.

2. Statthaftigkeit einer Feststellungsklage: Ein Rechtsverhältnis i.S. des § 41 Abs. 1 FGO ist die sich aus einem konkreten Sachverhalt ergebende, aufgrund von Rechtsnormen geordnete rechtliche Beziehung zwischen Personen (Lit.). Im Interesse der Gewährung eines weitgehenden Rechtsschutzes bei normativem Unrecht sind an die Voraussetzungen für eine Feststellungsklage mit normenkontrollrechtlichem Hintergrund keine zu strengen Anforderungen zu stellen (BVerwG; Lit.).

3. Bedarf es für die Entscheidung über die Begründetheit einer Feststellungsklage keiner weiteren Feststellungen, so kann der BFH in der Sache selbst entscheiden. Er ist an der Abweisung der Klage als unbegründet nicht dadurch gehindert, daß das FG die Klage --mangels Zulässigkeit des Finanzrechtswegs-- für unzulässig gehalten hat (vgl. BGH-Urteil vom 25.11.1966 V ZR 30/64).

4. Zur Zulässigkeit der Indienstnahme Privater für öffentliche Aufgaben; Indienstnahme Privater durch formelles Gesetz sowie durch Gesetz im materiellen Sinne, z.B. Rechtsverordnungen; zur ausreichenden Ermächtigung des BML zum Erlaß der MGVO.

5. Zur Gültigkeit des Art. 5c der VO (EWG) Nr. 804/68; zur Auslegung des Art. 43 EWGV im Lichte der Art. 39 und 40 EWGV und zum Zweck der Milchabgabe.

 

Normenkette

MilchGarMV § 4; FGO § 41 Abs. 1, § 33 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 2; GG Art. 80 Abs. 1 S. 2; FGO § 34 Abs. 3 S. 1; MOG § 29 Abs. 1 S. 1; FGO § 126 Abs. 3 Nr. 1; EWGVtr Art. 39, 40 Abs. 3, Art. 43; EWGV 804/68 Art. 5c

 

Tatbestand

I. Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin), eine Molkerei, teilte mit Schreiben vom 15.Oktober 1984 dem Beklagten und Revisionskläger (Hauptzollamt --HZA--) nach § 4 Abs.5 Satz 1 der Milch-Garantiemengen-Verordnung (MGVO) die sog. Anlieferungs-Referenzmengen mit, die sie für jeden der Milcherzeuger, die Milch an sie lieferten, berechnet hatte. Mit Schreiben vom gleichen Tag legte sie "hiergegen" Einspruch mit der Begründung ein, die "Festlegung der Summe der Referenzmengen" sei "unberechtigt"; in ihrem Einzugsgebiet habe 1983 gegenüber 1981 keine Mehranlieferung stattgefunden, so daß die Kürzung unberechtigt sei und einen schwerwiegenden Eingriff in ihre Betriebsstruktur darstelle; das gefährde ihre Existenzfähigkeit. Das HZA verwarf den Einspruch als unzulässig mit der Begründung, die Klägerin sei von der Festsetzung der Referenzmengen selbst nicht betroffen und also auch nicht beschwert.

Mit ihrer Klage machte die Klägerin geltend, als unmittelbare Rechtsfolge der ihr durch die MGVO auferlegten Pflichten entstünden ihr Sachkosten und Haftungsrisiken. Es sei daher unzweifelhaft, daß sie selbst auch beschwert sei und Anspruch auf eine Sachentscheidung durch das HZA habe. Die Klägerin beantragte vor dem Finanzgericht (FG), von der Verpflichtung zur Abgabe der Meldung nach § 4 Abs.5 Satz 2 MGVO freigestellt zu werden, hilfsweise, den Rechtsstreit an das Verwaltungsgericht (VG) zu verweisen.

Das FG erklärte sich im Tenor seiner Entscheidung "für unzuständig" und verwies den Rechtsstreit an das VG. Zur Begründung führte es aus: Der Finanzrechtsweg sei nach § 33 Abs.1 Nr.1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) nur in öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten über Abgabenangelegenheiten gegeben. Mit ihrem Hauptantrag greife die Klägerin die MGVO als solche an, d.h. ihre rechtliche Wirksamkeit. Es liege daher kein Streit über Abgabenangelegenheiten vor. Das gleiche gelte sinngemäß auch für den Hilfsantrag, mit dem die Klägerin den Rechtsetzungsakt der Bundesrepublik Deutschland (Bundesrepublik) angreife, mit dem diese sich für die Formel A des Art.5 c der Verordnung (EWG) Nr.804/68 (VO Nr.804/68) i.d.F. der Verordnung (EWG) Nr.856/84 (VO Nr.856/84) des Rates vom 31.März 1984 (ABlEG L 90/10 vom 1.April 1984) bei der Referenzmengenberechnung entschieden habe. Auf den Hilfsantrag sei die Sache an das VG zu verweisen gewesen.

 

Entscheidungsgründe

II. Die Revision des HZA führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Abweisung der Klage.

1. Das FG hat den Finanzrechtsweg für unzulässig erklärt (vgl. § 34 Abs.3 Satz 1 FGO). Es hat damit zum Hauptantrag der Klägerin, dem Feststellungsantrag, entschieden, daß dieser, da bei ihm anhängig gemacht, grundsätzlich unzulässig sei. Der Senat folgt dieser Auffassung nicht.

a) Im Gegensatz zur Auffassung des FG ist der Finanzrechtsweg gegeben.

Nach gefestigter Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) ist bei der Prüfung der Frage, ob der Finanzrechtsweg eröffnet ist, auf die Rechtsnatur des Klagebegehrens abzustellen, wie sie sich aus dem dem Antrag zugrunde liegenden Sachverhalt ergibt. Nach ihrem Vortrag und dem Klageantrag geht es der Klägerin in erster Linie um die Frage, ob sie gegenüber dem HZA verpflichtet ist, die Aufgaben zu erfüllen, die nach § 4 MGVO jeden Käufer von Milch treffen. Dieser Hauptantrag der Klägerin ist dahin auszulegen, daß die Klägerin die Feststellung begehrt, das HZA sei nicht berechtigt, von ihr die Erfüllung dieser Pflichten zu verlangen. Im Interesse der Klägerin kann nicht davon ausgegangen werden, daß sie eine Klage auf Verpflichtung des HZA erheben wollte, sie von den genannten Pflichten freizustellen. Denn es fehlt offensichtlich an einer Rechtsnorm, die das HZA ermächtigte, bestimmte Milchkäufer von den durch § 4 MGVO vorgesehenen Mitwirkungspflichten freizustellen. Auch die Klägerin behauptet nicht das Bestehen einer solchen Norm; sie ist vielmehr der Meinung, daß § 4 MGVO nicht gültig sei.

Für eine solche Feststellungsklage ist der Finanzrechtsweg gegeben. Die Abgabe nach der MGVO (im folgenden: Milchabgabe) ist eine Abgabe im Rahmen von Produktionsregelungen i.S. des § 29 Abs.1 Satz 1 des Gesetzes zur Durchführung der gemeinsamen Marktorganisationen (MOG). Für Streitigkeiten über die Erhebung einer solchen Abgabe ist nach § 33 Abs.1 Nr.4 FGO i.V.m. § 29 Abs.1 Satz 1 MOG der Finanzrechtsweg gegeben (BFH-Entscheidung vom 26.März 1985 VII B 12/85, BFHE 142, 534, BStBl II 1985, 258). In Anwendung der Rechtsgrundsätze des § 33 Abs.2 Satz 1 FGO ist davon auszugehen, daß eine solche Streitigkeit stets vorliegt, wenn es sich um eine Angelegenheit der Milchabgabe handelt, d.h. um eine mit der Verwaltung der Milchabgabe oder sonst mit der Anwendung der abgabenrechtlichen Vorschriften für die Erhebung dieser Abgabe durch die Finanzbehörden zusammenhängende Angelegenheit. Zu einer solchen Angelegenheit gehört auch eine Streitigkeit über die Frage, ob das HZA von der Klägerin zu Recht fordert, daß diese die Anlieferungs-Referenzmenge der an sie abliefernden Milcherzeuger berechnet, und die Summe der Berechnung ihm mitteilt.

Die Milchabgabe wird von Milcherzeugern erhoben, die Milch über die für sie festgestellte Referenzmenge hinaus abliefern (§ 3 MGVO). Die Referenzmenge ist also maßgebliche Besteuerungsgrundlage. Die dem Käufer (Molkerei) durch § 4 MGVO auferlegte Pflicht, als "Beauftragter des Fiskus" bei der Feststellung dieser Referenzmenge Hilfe zu leisten, steht also in engem Zusammenhang mit der Erhebung der Milchabgabe selbst (vgl. BFH-Beschluß vom 16.Juli 1985 VII B 53/85, BFHE 143, 523, BStBl II 1985, 553). Sie gehören zur Verwaltung der Milchabgabe. Ein Streit um ihr Bestehen ist eine Angelegenheit dieser Milchabgabe.

Das FG meint, die Feststellung der Referenzmenge diene nicht der Erhebung der Milchabgabe, sondern der Vermeidung einer Überproduktion von Milch; sie solle die Erhebung dieser Abgabe gerade verhindern. Das FG hat damit zutreffend die Zielsetzung, das Motiv, der Milchquotenregelung beschrieben. Es hat aber die konkrete Regelung außer acht gelassen, wonach dieses Ziel durch die (etwaige) Erhebung einer Milchabgabe nach Maßgabe einer bestimmten Besteuerungsgrundlage, nämlich der Referenzmenge, erreicht werden soll. Die rein wirtschaftspolitische Zielsetzung der Erhebung dieser Produktionsabgabe und der Umstand, daß diese Zielsetzung gerade dann erreicht wird, wenn die Abgabe nicht erhoben werden muß, ändert nichts daran, daß die Referenzmengenfeststellung ihre rechtliche Bedeutung nur durch ihren Bezug zur Milchabgabe erlangt.

b) Die Feststellungsklage der Klägerin ist auch nicht aus anderen Gründen unzulässig (vgl. § 41 FGO).

Es geht um die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses (§ 41 Abs.1 FGO). Ein Rechtsverhältnis in diesem Sinn ist die sich aus einem konkreten Sachverhalt ergebende, aufgrund von Rechtsnormen geordnete rechtliche Beziehung zwischen Personen (vgl. Tipke/Kruse, Abgabenordnung- Finanzgerichtsordnung, 11.Aufl., § 41 FGO Anm.2 mit Hinweisen auf die Rechtsprechung). Die Frage, ob das HZA aufgrund § 4 MGVO von der Klägerin die Erfüllung bestimmter Mitwirkungspflichten bei der Festsetzung der Referenzmengen verlangen kann, ist eine Frage danach, ob ein bestimmtes Rechtsverhältnis zwischen der Klägerin und dem HZA besteht. Eine entsprechende Feststellungsklage ist daher statthaft.

Dies ist nicht deswegen zweifelhaft, weil die Klägerin im Grunde allein eine gerichtliche Normenkontrolle anstrebt, nicht aber eigentlich die Überprüfung der Rechtmäßigkeit eines bestimmten Verwaltungshandelns. Es handelt sich dennoch nicht um eine verschleierte Normenkontrollklage, da, wie ausgeführt, ein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis Gegenstand der Klage ist. Wie sich aus der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) in vergleichbaren Fällen ergibt, sind im Interesse der Gewährung eines weitgehenden Rechtsschutzes bei normativem Unrecht an die Voraussetzungen für eine Feststellungsklage mit normenkontrollrechtlichem Hintergrund keine zu strengen Anforderungen zu stellen (Urteile vom 1.März 1967 IV C 74.66, BVerwGE 26, 251; vom 29.Januar 1973 I C 38.68, BVerwGE 41, 334, und vom 26.Juni 1974 VII C 36.72, BVerwGE 45, 224; vgl. auch Schenke, Rechtsschutz bei normativem Unrecht, Berlin 1979, S.215 ff.).

Eine Feststellungsklage ist nur zulässig, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung hat (§ 41 Abs.1 FGO). Das ist nach gefestigter Rechtsprechung des BFH zu bejahen, wenn das Interesse der Klägerin aus rechtlicher, wirtschaftlicher oder ideeller Sicht gerechtfertigt ist (vgl. z.B. Senatsurteil vom 29.April 1980 VII K 5/77, BFHE 130, 568, BStBl II 1980, 593). Die Klägerin hat mindestens ein wirtschaftliches Interesse an der beantragten Feststellung, da sie die Pflichten aus § 4 MGVO wirtschaftlich belasten.

Die Zulässigkeit der Feststellungsklage setzt schließlich voraus, daß die Klägerin ihre Rechte nicht durch Anfechtungsklage verfolgen kann (§ 41 Abs.2 FGO). Das ist hier der Fall. Die Klägerin treffen die Pflichten aus § 4 MGVO, ohne daß es eines Vollzugsaktes durch das HZA zwangsläufig bedürfte. Der Klägerin steht also eine Anfechtungsklage grundsätzlich nicht zur Verfügung.

2. Das FG hat demnach zu Unrecht die bei ihm angebrachte Feststellungsklage als unzulässig behandelt und die Sache auf den Hilfsantrag der Klägerin an das zuständige VG verwiesen. Die Revision des HZA ist daher begründet und die Vorentscheidung insoweit aufzuheben. Die Sache ist spruchreif, da es für die Entscheidung über die Begründetheit der Feststellungsklage keiner weiteren Feststellungen bedarf. Der Senat ist daher befugt, in der Sache selbst zu entscheiden (§ 126 Abs.3 Nr.1 FGO). Er ist an der Abweisung der Klage als unbegründet nicht dadurch gehindert, daß das FG die Klage für unzulässig gehalten hat (vgl. Urteil des Bundesgerichtshofs --BGH-- vom 25.November 1966 V ZR 30/64, BGHZ 46, 281, zur entsprechenden Frage im Zivilprozeß, mit Hinweisen auf die Rechtsprechung).

Die Feststellungsklage ist nicht begründet. Die von der Klägerin in Abrede gestellten Pflichten ergeben sich aus § 4 MGVO. Diese Vorschrift ist gültig. Das HZA kann sich daher auf sie gegenüber der Klägerin berufen.

a) § 4 MGVO legt den Molkereien als privaten Unternehmern bestimmte Handlungspflichten auf, um die Erfüllung einer öffentlichen Aufgabe, die Erhebung der Milchabgabe, sicherzustellen. Ein allgemeiner Rechtssatz des Inhalts, daß die Heranziehung zur Mithilfe bei der Erfüllung einer öffentlichen Aufgabe schon an sich, ohne Rücksicht auf ihre Ausgestaltung im einzelnen, verfassungswidrig sei, ist dem Grundgesetz (GG) nicht zu entnehmen. Die Indienstnahme Privater für öffentliche Aufgaben kommt in mannigfachen Formen vor. Ihre Zulässigkeit gegenüber den in Anspruch Genommenen läßt sich nicht einheitlich beurteilen. Wesentlich ist hierfür die Art der übertragenen Aufgaben. Die Grenzen der Belastbarkeit der Unternehmer durch eine solche Indienstnahme ergeben sich in erster Linie aus den Grundrechten und aus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (vgl. BVerfG-Beschluß vom 16.März 1971 1 BvR 52, 665, 667, 754/66, BVerfGE 30, 292, 311).

Die Art der den Molkereien nach § 4 MGVO übertragenen Aufgaben ist vergleichbar mit der Mitwirkungspflicht, die die Arbeitgeber bei der Erhebung der Lohnsteuer oder der Sozialversicherungsbeiträge trifft. Wie der BFH mit Urteil vom 5.Juli 1963 VI 270/62 U (BFHE 77, 408, BStBl III 1963, 468) entschieden hat, ist die Berechnungs-, Einbehaltungs-, Anmeldungs- und Abführungspflicht des Arbeitgebers beim Lohnsteuerabzugsverfahren nach § 38 des Einkommensteuergesetzes (EStG) mit dem GG vereinbar. Das hat das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) bestätigt (Entscheidung vom 18.Dezember 1963 1 BvR 514/63, Der Betrieb --DB-- 1964, 204; vgl. auch BVerfG-Entscheidungen vom 14.Dezember 1965 1 BvL 31, 32/62, BVerfGE 19, 226, 240, und vom 17.Februar 1977 1 BvR 33/76, BVerfGE 44, 103, 104, sowie Beschluß des Senats in BFHE 143, 523, 525 ff., BStBl II 1985, 553). Auf die Gründe der zitierten Entscheidungen wird verwiesen. Daß die Grenzen der Belastbarkeit der Molkereien durch die ihnen nach § 4 MGVO auferlegten Pflichten überschritten wären, hat auch die Klägerin nicht vorgetragen. Die Pflicht zur Berechnung der Referenzmengen und zur Mitteilung der berechneten Summe an das HZA nach § 4 MGVO stellen eine Belastung der Molkereien dar, die in etwa der Belastung der Arbeitgeber im Lohnsteuerabzugsverfahren entspricht. Aus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ergibt sich nicht, daß diese Belastung den Molkereien nicht zumutbar ist.

b) Zu Unrecht beruft sich die Klägerin darauf, diese Pflichten hätten ihr nur durch formelles Gesetz auferlegt werden dürfen. Es gibt keine Rechtsnorm, die besagt, daß die Indienstnahme Privater für öffentliche Aufgaben ausnahmslos nur durch formelles Gesetz und nicht auch durch Gesetz im materiellen Sinne, d.h. z.B. durch Rechtsverordnung, vorgesehen werden darf. Auch der Gesetzesbegriff im grundrechtlichen Schrankensystem ist nicht stets in formellem Sinne zu verstehen (Maunz/Dürig/Herzog/Scholz, Grundgesetz, 22.Lieferung, Art.14 Anm.279 mit Hinweisen auf die Rechtsprechung des BVerfG). So sind Regelungen zur Beschränkung der allgemeinen Handlungsfreiheit (Art.2 Abs.1 GG), zur Berufsausübung (Art.12 Abs.1 Satz 2 GG) oder bei der Inhaltsbestimmung des Eigentumsbegriffs (Art.14 Abs.1 Satz 2 GG) nicht der formellen Gesetzgebung vorbehalten (Maunz/Dürig/Herzog/Scholz, a.a.O., mit Hinweisen auf die Rechtsprechung des BVerfG). Die Regelung über die Mitwirkungspflichten der Molkereien nach der MGVO ist auch nicht von solcher Bedeutung, daß sie unbedingt dem parlamentarischen Gesetzgeber vorzubehalten wäre. Vielmehr durfte der Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (BML), falls er dazu durch förmliches Gesetz gehörig ermächtigt war, diese Regelung treffen (vgl. auch Maunz/Dürig/Herzog/Scholz, a.a.O., 18.Lieferung, Art.20 Abschn.VI Anm.55 ff.).

c) Der BML war im Gegensatz zur Auffassung der Klägerin zum Erlaß der MGVO gehörig ermächtigt. Diese Verordnung beruht u.a. auf der Ermächtigung der §§ 9, 10 Abs.1 MOG, wonach in Rechtsverordnungen über Abgaben aufgrund von Gemeinschaftsrecht "Meldepflichten, Buchführungspflichten, Pflichten zu Auskünften, ... Unterstützungspflichten" vorgeschrieben werden können. Die Ermächtigungen des MOG, auf denen die hier streitbefangene Vorschrift der MGVO beruht, entsprechen den Anforderungen des Art.80 Abs.1 Satz 2 GG (vgl. Beschluß des Senats vom 17.Dezember 1985 VII B 116/85, BFHE 145, 289, Recht der internationalen Wirtschaft/Außenwirtschaftsdienst des Betriebs-Beraters --RIW/AWD-- 1986, 229).

Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der Entscheidung des BVerfG vom 13.Oktober 1970 2 BvR 618/68 (BVerfGE 29, 198), auf die sich die Klägerin beruft. Dort heißt es lediglich, daß auch mit Hilfe einer Verweisung auf Vorschriften des Gemeinschaftsrechts Inhalt, Zweck und Ausmaß einer gesetzlichen Ermächtigung bestimmt werden können. Damit hat das BVerfG nicht etwa zum Ausdruck gebracht, daß Verordnungen, die auf Gemeinschaftsrecht zurückgehen, nur auf solche Ermächtigungen gestützt werden dürfen, die den Bezug zum Gemeinschaftsrecht herstellen. Überdies enthält § 8 MOG --auf dessen Ermächtigung die MGVO u.a. beruht-- eine solche ausdrückliche Bezugnahme. Daß § 1 MGVO auf die einschlägigen Rechtsakte der Gemeinschaft nicht konkret Bezug nimmt, ist entgegen der Auffassung der Klägerin ohne rechtliche Bedeutung.

Die Regelung des § 4 MGVO ist schließlich auch durch die Ermächtigungen des MOG hinreichend gedeckt (vgl. BFHE 145, 289, RIW/AWD 1986, 229).

d) Zweifel an der Gültigkeit des § 4 MGVO ergeben sich auch nicht aus dem Gemeinschaftsrecht. Im Hinblick auf den Vorrang des Gemeinschaftsrechts wäre diese Bestimmung nur unanwendbar, wenn sie mit einer Vorschrift des Gemeinschaftsrechts kollidierte (vgl. z.B. Urteil des Senats vom 5.Februar 1980 VII R 101/77, BFHE 130, 90, 92). Das ist jedoch nicht der Fall. Auch die Klägerin hat keine entgegenstehende Vorschrift des Gemeinschaftsrechts aufgezeigt. Im Gegenteil: Die Regelung des § 4 MGVO ist bereits angelegt in Art.9 Abs.2 der Verordnung (EWG) Nr.857/84 (VO Nr.857/84) des Rates vom 31.März 1984 (ABlEG L 90/13 vom 1.April 1984), wonach bei Anwendung der Formel A "die Abgabe bei jedem Erzeuger vom Käufer erhoben" wird. Es bedarf keines Eingehens auf den Einwand der Klägerin, diese Gemeinschaftsvorschrift sei ein Eingriff in das Steuerverfahrensrecht der Mitgliedstaaten, wozu der Gemeinschaft die Kompetenz fehle. Denn auch eine etwaige Ungültigkeit des Art.9 Abs.2 der VO Nr.857/84 änderte nichts daran, daß der BML die Mitwirkungspflichten der Molkereien so regeln durfte, wie er das getan hat, da ihm eine ausreichende Ermächtigungsnorm zur Verfügung stand und das Gemeinschaftsrecht nicht entgegensteht.

e) Die Pflichten des § 4 MGVO hätten allerdings den Molkereien nicht auferlegt werden dürfen, wenn Art.5 c der VO Nr.804/68 deswegen ungültig wäre, weil der Gemeinschaft die Kompetenz zur Einführung der Milchabgabe fehlte. Das ist jedoch entgegen der Auffassung der Klägerin nicht der Fall.

Die VO Nr.856/84, durch die Art.5 c in die VO Nr.804/68 eingefügt wurde, ist u.a. auf Art.43 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWGV) gestützt. Diese Vorschrift ist, wie der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) mit Urteil vom 21.Februar 1979 Rs.138/78 (EuGHE 1979, 713, 720) entschieden hat, im Lichte der Art.39 und 40 EWGV auszulegen. Art.39 zählt die Ziele der gemeinsamen Agrarpolitik auf. Art.40 regelt die Verwirklichung dieser Politik, wobei er in Absatz 2 namentlich bestimmt, daß zur Erreichung der Ziele des Art.39 eine gemeinsame Organisation der Agrarmärkte geschaffen wird, die nach Absatz 3 alle zur Durchführung des Art.39 erforderlichen Maßnahmen einschließen kann. Als solche Maßnahmen nennt Art.40 Abs.3 EWGV namentlich "Preisregelungen, Beihilfen für die Erzeugung und die Verteilung der verschiedenen Erzeugnisse, Einlagerungs- und Ausgleichsmaßnahmen, gemeinsame Einrichtungen zur Stabilisierung der Ein- oder Ausfuhr".

Nach Art.5 c Abs.1 der VO Nr.804/68 dient die Milchabgabe "zur Regulierung des Wachstums der Milcherzeugung unter Berücksichtigung der Erfordernisse notwendiger struktureller Entwicklungen und Anpassungen und der unterschiedlichen Lage in den Mitgliedstaaten, Regionen oder Erzeugungsgebieten der Gemeinschaft". Die Milchabgabe gilt nach Art.5 c Abs.5 der VO Nr.804/68 "als Teil der Interventionen zur Regulierung der Agrarmärkte" und wird "zur Finanzierung der Ausgaben des Milchsektors eingesetzt". In Absatz 4 der Begründungserwägungen der VO Nr.856/84 heißt es, daß "nach eingehender Prüfung der verschiedenen Lösungsmöglichkeiten zur Wiederherstellung des Gleichgewichts im Milchsektor" sich ergeben habe, "daß die wirksamste und in ihrer Auswirkung auf die Erzeugereinkommen am wenigsten einschneidende Methode trotz möglicher verwaltungsmäßiger Schwierigkeiten bei ihrer Anwendung darin besteht, für zunächst 5 Jahre eine zusätzliche Abgabe auf die über eine Garantieschwelle hinausgehenden Milchlieferungen zu erheben".

Aus den zitierten Vorschriften und der Begründung dazu ergibt sich, daß es sich bei der Milchabgabe um ein Instrument handelt, das allein zur Stabilisierung des Milchmarktes beitragen will. Die Milchabgabe dient nicht der Einnahmeerzielung, sondern allein agrarmarktpolitischen Zwecken. Sie erfüllt diesen Zweck gerade dann am besten, wenn sie nicht erhoben werden muß. Die Regelung des Rates hält sich daher im Rahmen der Ermächtigungen des Art.43 EWGV. Die Problematik für die hier zu entscheidende Frage, ob dem Rat die Kompetenz zur Einführung der Milchabgabe zustand, ist die gleiche wie bei der sog. Mitverantwortungsabgabe der VO Nr.1079/77. Für deren Regelung hatte der Rat, wie der EuGH im zitierten Urteil in EuGHE 1979, 713, 720, 721 entschieden hat, die erforderliche Kompetenz.

f) Die Klägerin hat schließlich noch vorgetragen, es bestünden verfassungsrechtliche Bedenken "auch gegen die fehlende Regelung der MGVO bezüglich der Verletzung von Grundrechten bei den Käufern (Molkereien)". Der Senat braucht auf diese Frage nicht einzugehen. Selbst wenn die Klägerin mit ihrem Einwand Recht hätte, ergäbe sich daraus nicht, daß die Vorschrift des § 4 MGVO, aus der sich Mitwirkungspflichten der Klägerin ergeben, nicht gültig wäre. Der angebliche Mangel einer grundrechtskonformen Härteregelung zugunsten der Molkereien gibt der Klägerin auch kein Recht, die Erfüllung von Pflichten zu verweigern, die ihr durch gültige Rechtsnormen auferlegt worden sind. Rechtsgrundlage für eine solche Weigerung könnte allenfalls Art.20 Abs.4 GG sein. Der Klägerin steht das dort eingeräumte Widerstandsrecht jedoch nicht zu Gebote, da dieses nur zum Widerstand gegen Personen berechtigt, die es unternehmen, die verfassungsmäßige Ordnung zu beseitigen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 61206

BFHE 146, 302

BFHE 1986, 302

DB 1986, 1708-1708 (S)

HFR 1986, 471-472 (ST)

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