Leitsatz (amtlich)

  1. Ist der Antrag auf Gewährung eines doppelten Freibetrages für Ehegatten erstmals in der gerichtlichen Tatsacheninstanz gestellt worden und hat das FG dem Antrag stattgegeben, so muß den Urteilsgründen zu entnehmen sein, auf Grund welcher tatsächlichen Feststellungen und rechtlichen Erwägungen das Gericht zu dieser Entscheidung gelangt ist. Dies gilt auch dann, wenn das FA dem Antrag nicht widersprochen hat.
  2. Es ist nicht Aufgabe des Büros, sondern des Bevollmächtigten selbst, an Hand der einlaufenden amtlichen Schriftstücke Beginn und Ende von Rechtsmittelfristen festzustellen.

AO §§ 86, 243 Abs. 1, 247, 292, 293 in der bis zum 31. Dezember 1965 geltenden Fassung; FGO §§ 56 Abs. 1, 155, 184 Abs. 2 Nr. 2; ZPO § 232 Abs. 2; LAG §§ 29, 38, 55 c.

 

Normenkette

AO §§ 86, 243 Abs. 1, §§ 247, 292-293; FGO § 56 Abs. 1, §§ 76, 155, 184 Abs. 2/2; ZPO § 232 Abs. 2; LAG §§ 29, 38, 55c

 

Streitjahr(e)

1949

 

Tatbestand

Die Eheleute (Kläger und Revisionsbeklagte) sind vom Finanzamt (FA) mit Bescheid vom 14. August 1958 zur Vermögensabgabe herangezogen worden. Als gesamtes der Vermögensabgabe unterliegendes Aktivvermögen hat das FA das Betriebsvermögen mit dem Einheitswert von 16.700 DM und einen Aussteueranspruch der Ehefrau, den es mit 7.174 DM bewertet hat, angesetzt. Gegen den Einheitswertbescheid war ein Rechtsmittelverfahren anhängig. Einspruch und Berufung richteten sich gegen die Heranziehung des Aussteueranspruchs zur Vermögensabgabe sowie gegen die Bewertung dieses Anspruchs. Sowohl Einspruch als auch Berufung waren insoweit erfolglos.

Die Vorinstanz führte hierzu aus, der Aussteueranspruch falle - entgegen der von den Abgabepflichtigen vertretenen Ansicht - nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs - BFH - (Urteil III 332/57 U vom 10. Oktober 1958, BFH 67, 533; BStBl III 1958, 477) nicht unter die Ausnahmevorschrift des § 68 Ziff. 7 BewG, sondern gehöre zum sonstigen Vermögen. Auch die Befreiungsvorschrift des § 24 Nr. 1 Buchst. c LAG greife nicht Platz, weil der Aussteueranspruch nicht auf einen bestimmten oder unbestimmbaren RM-Nennbetrag gelautet habe; es habe sich bei dem Aussteueranspruch im Streitfall nicht um eine Geldsummenschuld, sondern um eine Geldwertschuld gehandelt. Aus der Tatsache, daß am 1. April 1949 weder ein bestimmter noch ein bestimmbarer RM-Betrag vorgelegen habe, folge weiter, daß die Aussteuerforderung mangels eines Nennwerts nur mit ihrem wahrscheinlichen Wert habe angesetzt werden können, der im Wege der griffweisen Schätzung habe ermittelt werden müssen. Diese Schätzung sei in Höhe des Betrages erfolgt, der für die Beschaffung einer angemessenen Aussteuer in der Zeit vom 1. April 1949 bis zur Abgabe der Vermögensabgabeerklärung tatsächlich aufgewendet worden sei; das sei der Betrag von 7.274 DM. Auch eine Abzinsung gemäß § 14 Abs. 3 BewG sei nicht in Betracht gekommen. Schließlich bestehe auch keine Bindung daran, wie die Aussteuerforderung bei der Vermögensteuerveranlagung der Abgabepflichtigen und des Aussteuerverpflichteten behandelt worden sei.

Die Vorinstanz hat die Berufung jedoch insoweit als begründet angesehen, als die Gewährung eines weiteren Freibetrages von 5.000 DM begehrt worden ist, und hat bei der Berechnung der Vermögensabgabe von dem unverändert gelassenen Gesamtbetrag des der Vermögensabgabe unterliegenden Vermögens von 23.300 DM zwei Freibeträge von je 5.000 DM = 10.000 DM abgezogen und die verbleibende Abgabeschuld auf 6.650 DM festgesetzt.

Der Vorsteher des FA rügt mit der Rb., das Verwaltungsgericht (VG) habe keine Feststellungen darüber getroffen, ob und inwieweit das der Vermögensabgabe unterliegende Vermögen im Eigentum beider Ehegatten gestanden habe. Aus den Entscheidungsgründen wie auch aus den Steuerakten selbst ergäben sich keine Anhaltspunkte, die dafür sprechen könnten, daß das der Vermögensabgabe unterliegende Vermögen am maßgeblichen Stichtag auch dem Ehemann gehört habe. Für Zuerkennung und Ausmaß der Vergünstigung bei der Vermögensabgabe zusammen veranlagter Ehegatten sei entscheidend, welche Teile des bei der Veranlagung als Einheit behandelten Gesamtvermögens der Ehegatten auf jeden Ehegatten entfielen. Maßgebend seien die am 1. April 1949 bestehenden Eigentumsverhältnisse, wie sie sich unter Berücksichtigung des an diesem Stichtag geltenden ehelichen Güterrechts - gegebenenfalls unter Anwendung der steuerlichen Zurechnungsvorschrift des § 11 StAnpG - darstellten. Ausgangspunkt für die Zuerkennung eines doppelten Freibetrages müsse daher in jedem Fall die Feststellung sein, daß das der Vermögensabgabe unterliegende Vermögen entweder Miteigentum beider Ehegatten gewesen sei oder daß die mehreren Wirtschaftsgüter im Alleineigentum eines jeden Ehegatten gestanden hätten. Die Entscheidungsgründe des angegriffenen Urteils ließen jedoch eine Begründung dafür, daß Miteigentum des Ehemannes an dem Vermögen der Ehefrau bestanden habe, nicht erkennen. Auch aus den Steuerakten ließe sich nichts entnehmen, was dafür sprechen könnte, daß der Ehemann am maßgeblichen Stichtag etwa an dem Betriebsvermögen der Ehefrau beteiligt gewesen sein könnte. Nach dem Akteninhalt stände vielmehr fest, daß das der Vermögensabgabe unterliegende Vermögen allein der Ehefrau gehört habe. Es sei daher nicht gerechtfertigt, den Ehegatten einen doppelten Freibetrag gemäß § 29 LAG zu gewähren, da der Ehemann am 1. April 1949 an dem der Vermögensabgabe unterliegenden Vermögen nicht beteiligt gewesen sei.

Am 23. November 1961 übersandte der Kammervorsitzende des VG die Rechtsbeschwerdebegründung dem Prozeßbevollmächtigten der Eheleute zur Kenntnis und Gegenerklärung innerhalb eines Monats.

Mit der am 26. März 1962 beim BFH eingegangenen Gegenerklärung des Prozeßbevollmächtigten der Eheleute wurde gleichzeitig "Anschlußbeschwerde gemäß § 247 AO" eingelegt. Der Prozeßbevollmächtigte führte hierzu aus, die Anschlußbeschwerde richte sich gegen die in der Vorentscheidung getroffene Bewertung des Aussteueranspruchs der Ehefrau mit insgesamt 7.174 DM und damit gegen die entsprechende Heranziehung zur Vermögensabgabe. Das VG sei bei der schätzungsweisen Bewertung des Aussteueranspruchs nicht den Bedingungen gefolgt, die den Stichtagsverhältnissen entsprächen und hinsichtlich der Dubiosität des Aussteueranspruchs keinen Zweifel gelassen hätten. Dies sei bereits im Schriftsatz vom 27. April 1961 an die Vorinstanz eingehend dargelegt worden. Danach habe die Ehefrau unter Berücksichtigung der gegebenen Verhältnisse des Aussteuerverpflichteten am 1. April 1949 und der seinerzeit gerade in Berlin nicht annähernd voraussehbaren Konsolidierung der wirtschaftlichen Verhältnisse nicht mit einer Verwirklichung des Aussteueranspruchs rechnen können. Entscheidend sei die Leistungsfähigkeit des Aussteuerverpflichteten. Dieser sei aber in Ansehung seiner eigenen wirtschaftlichen und finanziellen Lage weder verpflichtet noch imstande gewesen, den Aussteueranspruch zu realisieren. Aus dem Schuldanerkenntnis des Verpflichteten vom 29. Dezember "1949" gehe entgegen der Auffassung des VG lediglich hervor, daß sich der Erblasser weder im Zeitpunkt der Eheschließung im Jahre 1944 noch im Zeitpunkt des Schuldanerkenntnisses selbst in der Lage gesehen habe, den Aussteueranspruch zu erfüllen. Es werde daher beantragt, im Falle der erneuten Prüfung der Sach- und Rechtslage den Aussteueranspruch im Hinblick auf seine im maßgeblichen Zeitpunkt vorhandene Dubiosität bei der Vermögensabgabeveranlagung mit 0 DM anzusetzen und auf die Anschlußbeschwerde die vorinstanzliche Entscheidung insoweit aufzuheben.

In seiner Gegenerklärung zur Rb. des Vorstehers des FA führte der Prozeßbevollmächtigte der Eheleute aus, der Ehemann habe während des vorinstanzlichen Verfahrens über die Bewertung des Aussteueranspruchs nach Ergehen der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) 1 BvL 29/57, 1 BvL 20/60 vom 21. Februar 1961 (BStBl 1961 I S. 55) am 5. März 1961 beim FA die sofortige Berichtigung der Vermögensabgabeveranlagung hinsichtlich der Gewährung des doppelten Freibetrags beantragt. Am 29. April 1961 habe er zur weiteren Begründung vorgetragen, daß gemäß der am 28. Dezember 1955 eingereichten Erklärung über das dem freien Beruf seiner Ehefrau dienende Betriebsvermögen per 1. April 1949 er selbst und seine Ehefrau je zur Hälfte, also beide zu je 50 v. H., an diesem Vermögen beteiligt gewesen seien. Mit Schreiben vom 26. April 1961 habe das FA den Antrag auf Gewährung des doppelten Freibetrags dem VG überreicht und darin festgestellt, daß gegen die Gewährung der Freibeträge nach den gesetzlichen Bestimmungen entsprechend der Auslegung durch das BVerfG keine Bedenken beständen. Bei dieser Sachlage bleibe als Ergebnis festzuhalten, daß auf den diesbezüglichen Antrag des Ehemanns im vorinstanzlichen Verfahren eine antragsgemäße Stellungnahme des FA gegenüber dem VG abgegeben worden sei. Somit sei dieser Punkt nicht streitig gewesen. Die Zustimmung des FA sei so zu werten, daß es ebenfalls der Auffassung sei, das der Vermögensabgabe unterliegende Betriebsvermögen habe jedem Ehegatten zur Hälfte gehört. Die Vorinstanz habe somit zu Recht unterstellen können, daß die Beteiligung beider Ehegatten am Betriebsvermögen nachgewiesen sei. Das VG habe sich auf die diesbezüglichen Darlegungen der Beteiligten stützen dürfen und daher auf eine eingehende Begründung hinsichtlich der Beteiligung beider Ehegatten am Betriebsvermögen verzichten können. Abgesehen davon ergebe sich auch aus den Steuerakten Entscheidendes dafür, daß das hier in Rede stehende Vermögen beiden Ehegatten gehört habe. Die Rb. sei daher im Hinblick auf den vom FA behaupteten Verstoß der Vorinstanz gegen den klaren Inhalt der Akten unbegründet. Der Prozeßbevollmächtigte trägt des weiteren vor, daß und inwieweit der Ehemann am Währungsstichtag an dem Erwerbsgeschäft seiner Ehefrau finanziell beteiligt gewesen und daß auch die Gewerbegenehmigung auf den Namen beider Ehegatten ausgestellt worden sei; zumindest habe im Innenverhältnis ein Gesellschaftsverhältnis vorgelegen. Der Umstand, daß der Einheitswertbescheid lediglich auf den Namen der Ehefrau laute, sei dabei rechtlich unerheblich und außerdem, wie durch die Angaben in der Vermögenserklärung und zur Entstehungsgeschichte erwiesen, sachlich unzutreffend.

 

Entscheidungsgründe

  • I. -

Die nach dem Inkrafttreten der FGO als Revision zu behandelnde Rb. des Vorstehers des FA führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das Finanzgericht (FG).

Nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats und in Übereinstimmung mit den Rechtsausführungen der Prozeßbeteiligten kommt bei Ehegatten, die gemäß § 38 LAG zur Vermögensabgabe zusammen veranlagt werden, die Gewährung eines doppelten Freibetrags nach § 29 LAG (vgl. das Urteil des BVerfG 1 BvL 29/57, 1 BvL 20/60 vom 21. Februar 1961, a. a. O.) nur dann in Betracht, wenn jeder der Ehegatten eigenes der Vermögensabgabe unterliegendes Vermögen hat (vgl. Urteil des BFH III 216/61 vom 15. November 1963, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung - HFR - 1964 S. 183). Ob diese Voraussetzung gegeben ist, muß daher in jedem Fall geprüft werden. Zur Prüfung dieser Frage hatte das FA keine Veranlassung, da die maßgebliche Entscheidung des BVerfG vom 21. Februar 1961 im Zeitpunkt der Einspruchsentscheidung (19. Mai 1960) noch nicht ergangen war. Das Vorliegen der Voraussetzungen für die Gewährung des doppelten Freibetrags mußte daher vom VG geprüft werden, dem die diesbezüglichen Schreiben des Ehemanns vom 5. März und 29. April 1961 über das Landesfinanzamt (LFA) zugeleitet wurden. Wenn das LFA in seinem Übersendungsschreiben vom 26. April 1961 ausgeführt hat, gegen die Gewährung der Freibeträge nach den gesetzlichen Bestimmungen entsprechend der Auslegung durch das BVerfG beständen keine Bedenken, so hat diese Äußerung des LFA, selbst wenn sie, wie die Revisionsbeklagten meinen, als Zustimmung aufgepaßt werden kann, das VG nicht der Prüfung enthoben, ob die genannten Voraussetzungen am Stichtag wirklich vorgelegen haben. Das gleiche hat für den Gegenantrag des LFA in der mündlichen Verhandlung vor der Kammer des VG am 22. August 1961 zu gelten, wenn es nach dem Sitzungsprotokoll beantragt hat, die Berufungsführer nach Maßgabe des Urteils des BVerfG vom 21. Februar 1961 zusammen zur Vermögensabgabe zu veranlagen, im übrigen jedoch die Berufung zurückzuweisen. Herr des Rechtsmittelverfahrens und damit zuständig und verantwortlich für die Prüfung eines solchen Antrags war weder das FA noch das LFA, sondern allein das VG, das gemäß § 243 Abs. 1 AO in der bis zum 31. Dezember 1965 geltenden Fassung den Sachverhalt und die für die Entscheidung erheblichen Tatsachen entsprechend der Offizialmaxime (von Amts wegen) zu ermitteln hatte. Diese Pflicht bestand auch dann, wenn das LFA als Vertreter des FA das Vorliegen der Voraussetzungen für die Gewährung des doppelten Freibetrages nicht ausdrücklich bestritt, sondern für die Gewährung der Freibeträge "nach den gesetzlichen Bestimmungen" und "nach Maßgabe des Urteils des Bundesverfassungsgerichts" eintrat. Mit dieser Formulierung hatte das LFA die Prüfung der Frage, ob und inwieweit nach den gesetzlichen Bestimmungen und entsprechend der Auslegung des § 29 LAG durch das BVerfG Freibeträge wirklich zu gewähren waren, dem für die Entscheidung über die Berufung zuständigen Gericht überlassen; es mußte diese auch dem Gericht überlassen, denn FA und LFA waren nicht mehr befugt, eigene Ermittlungen von sich aus anzustellen und auf diese Weise in das schwebende gerichtliche Verfahren einzugreifen.

Ob die Vorinstanz dieser ihrer Prüfungspflicht nachgekommen ist, lassen die Urteilsgründe nicht erkennen. Den Urteilsgründen muß zu entnehmen sein, auf Grund welcher Unterlagen oder Erwägungen das Gericht zu den für die Entscheidung erforderlichen, von ihm selbst zu treffenden tatsächlichen Feststellungen und seinen rechtlichen Folgerungen gelangt ist; denn nur auf diese Weise wird sowohl den Prozeßbeteiligten als auch dem Revisionsgericht gegenüber der Sachverhalt, der der Entscheidung zugrunde gelegt ist, und die Rechtsauffassung der Vorinstanz authentisch und nachprüfbar bekanntgegeben. Im Streitfall hat das VG zur Gewährung des zweiten Freibetrags nur folgende Ausführungen gemacht:

"Dagegen ist sie" - die Berufung - "begründet, soweit die Bf. die Gewährung eines weiteren Freibetrages von 5.000,- DM begehren. Das Bundesverfassungsgericht hat durch Urteil vom 21. Februar 1961 (Neue Juristische Wochenschrift - NJW - 1961 S. 595) festgestellt, daß die §§ 38 und 29 Abs. 1 LAG mit dem Grundgesetz vereinbar sind, § 29 Abs. 1 LAG allerdings nur dann, wenn er dahin ausgelegt wird, daß der Freibetrag jedem Ehegatten gesondert nach der Höhe seines Vermögens zusteht. Jedem der Ehegatten war daher ein Freibetrag nach Maßgabe seines Vermögens zu gewähren.

Damit hat die Vorinstanz weder zu erkennen gegeben, welche Art von Vermögen ihrer Auffassung nach dem einen und dem anderen Ehegatten gehört habe, noch in welcher Höhe - betragsmäßig - sich ihrer Ansicht nach das zusammen veranlagte Vermögen auf die einzelnen Ehegatten verteilt habe. Ausführungen hierüber waren um so notwendiger, als außer dem Aussteueranspruch der Ehefrau nur das Betriebsvermögen zur Vermögensabgabe herangezogen worden ist und hinsichtlich der Zurechnung des Betriebsvermögens die Akten keine klare Auskunft geben konnten. So haben die Eheleute in der von ihnen beiden unterschriebenen Vermögensabgabeerklärung vom 28. Februar 1955 unter B III b des Vordrucks: "Für Steuerpflichtige, die einen freien Beruf ausüben:" als "Art des freien Berufes" den Beruf der Ehefrau angegeben, und daselbst unter c: "Für Gesellschafter an Offenen Handelsgesellschaften, Kommanditgesellschaften oder ähnlichen Gesellschaften:" nur ausgefüllt: "nicht betreffend". Diesen Angaben stehen die Äußerungen des Ehemanns in seinen oben erwähnten Schreiben vom 5. März und 29. April 1961 entgegen, wonach das freiberufliche Betriebsvermögen jedem der Ehegatten zur Hälfte gehört habe. Offenbar enthält der im Zeitpunkt der Vorentscheidung zwar angefochtene, aber noch nicht aufgehobene Bescheid über den Einheitswert des freiberuflichen Betriebsvermögens auf den 1. April 1949 auch nur die Zurechnung auf die Ehefrau in voller Höhe. Nach alledem ist für den BFH nicht nachprüfbar und ersichtlich, auf Grund welcher Erwägungen und Feststellungen die Vorinstanz zur Gewährung des doppelten Freibetrags gelangt ist. Die Vorentscheidung mußte daher wegen der Möglichkeit falscher Rechtsanwendung aufgehoben werden. Das FG wird bei der erneuten Prüfung auch die Gesichtspunkte zu beachten haben, die der erkennende Senat in dem Grundsatzurteil III 195/64 S vom 5. Februar 1965, BFH 82, 161; BStBl III 1965, 304 ff., herausgestellt hat, auch wenn dieses Urteil in erster Linie zur Anwendung des § 55 c LAG ergangen ist.

  • II. - Die Anschlußbeschwerde mußte kostenpflichtig als unzulässig verworfen werden.

Gemäß § 184 Abs. 2 Nr. 2 FGO richtet sich die Zulässigkeit eines Rechtsbehelfs gegen die vor dem Inkrafttreten der FGO ergangenen Entscheidungen nach den bisher geltenden Vorschriften. Nach § 293 Satz 1 AO in der bis zum 31. Dezember 1965 geltenden Fassung konnten sich einer Rb. die übrigen Beschwerdeberechtigten nur bis zum Ablauf der ihnen zur Erklärung gesetzten Frist anschließen. Als die zur Erklärung gesetzte Frist ist die in § 292 Satz 2 AO in der bis zum 31. Dezember 1965 geltenden Fassung vorgesehene Frist anzusehen (vgl. auch BFH-Urteil III 279/62 U vom 8. Oktober 1965, BFH 83, 618; BStBl III 1965, 723). Da ausweislich der dem Senat vorliegenden Akten die Frist gemäß § 292 Satz 2 AO a. F. vom Kammervorsitzenden des VG am 23. November 1961 - zur Post gegeben am 24. November 1961 - gesetzt worden ist, war die Erklärungsfrist und damit auch die Frist zur Einlegung der Anschlußbeschwerde am 27. Dezember 1961 abgelaufen. Die Fristverlängerungen - sowohl die stillschweigenden, als auch die auf die späteren Anträge des Prozeßbevollmächtigten - sind erst nach Ablauf der Frist erfolgt. Die am 26. März 1962 beim BFH eingegangene Anschlußbeschwerde war daher verspätet. Der Prozeßbevollmächtigte hat zwar zu erwägen gegeben, ob die Voraussetzungen für eine Nachsichtgewährung nach § 86 AO vorlägen, weil die Fristsetzung des Kammervorsitzenden versehentlich übersehen worden sei. Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand kann gemäß § 56 Abs. 1 FGO - entsprechend der Regelung der Nachsichtgewährung gemäß § 86 AO - nur gewährt werden, wenn jemand ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Frist einzuhalten. Gemäß § 155 FGO in Verbindung mit § 232 Abs. 2 der Zivilprozeßordnung steht ein Verschulden des Prozeßbevollmächtigten dem eigenen Verschulden der von ihm vertretenden Prozeßpartei gleich. Ein nach der Rechtsprechung etwa entschuldbares Büroversehen liegt nach dem eigenen Vorbringen des Prozeßbevollmächtigten insofern nicht vor, weil es nicht Aufgabe des Büros, sondern alleinige Aufgabe des Bevollmächtigten selbst ist, Beginn und Ablauf der Rechtsmittelfrist, mithin auch der Frist für die Einlegung der Anschlußbeschwerde, anhand der einlaufenden amtlichen Schriftstücke festzustellen (vgl. auch BFH-Urteil I 416/62 vom 26. Juni 1963, HFR 1964 S. 26). Wird die Feststellung eines Fristbeginns vom Prozeßbevollmächtigten - wie hier - versehentlich unterlassen, so rechtfertigt dies eine Wiedereinsetzung gemäß § 56 Abs. 1 FGO ebensowenig, wie eine Nachsichtgewährung nach § 86 AO a. F. veranlaßt gewesen wäre. Da die Anschlußbeschwerde hiernach als unzulässig verworfen werden mußte, war es dem Senat versagt, zu den in der Anschlußbeschwerdebegründung vorgetragenen Tatsachen und Rechtsausführungen Stellung zu nehmen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 425761

BFHE 1966, 219

BFHE 86, 219

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