Entscheidungsstichwort (Thema)

Grunderwerbsteuer/Kfz-Steuer/sonstige Verkehrsteuern

 

Leitsatz (amtlich)

Der Anspruch einer Muttergesellschaft (Organträger), die mit ihrer Tochtergesellschaft (Organ) einen Ergebnisabführungsvertrag geschlossen hat, auf überlassung des jährlichen Gewinnanspruchs wird erst fällig, nachdem die Gesellschafterversammlung die Bilanzfeststellung beschlossen hat. Aus diesem Grunde kann die hierauf beruhende Forderung der Muttergesellschaft frühestens zum Zeitpunkt der Beschlußfassung über die Bilanzfeststellung gestundet werden. (Abweichung von dem Urteil des Bundesfinanzhofs II 114/56 U vom 25. Juli 1956, BStBl 1956 III S. 254, Slg. Bd. 63 S. 149.)

 

Normenkette

KVStG § 3 Abs. 1, 3

 

Tatbestand

Streitig ist, ob ein von der Muttergesellschaft der Tochtergesellschaft gewährter Kontokorrentkredit eine durch die Sachlage gebotene Kapitalzuführung ersetzt hat.

Die Bfin., deren Stammkapital 400.000 DM beträgt, ist die Tochtergesellschaft der X.-AG in A. (Muttergesellschaft), zu der sie in einem Organverhältnis steht. Auf Grund eines Ergebnisabführungsvertrages hat sie der Muttergesellschaft ihre Gewinne zu überlassen, während diese verpflichtet ist, etwaige Verluste zu tragen. Zur Abwicklung des Verrechnungsverkehrs zwischen der Bfin. und ihrer Muttergesellschaft wird zwischen beiden Firmen ein Kontokorrentkonto geführt, auf dem bis zum 31. Dezember 1954 auch die Gewinnabführungsverpflichtungen der Bfin. erschienen. Ab 1. Januar 1955 wurden diese Verpflichtungen auf einem Sonderkonto verbucht und im wesentlichen erst auf das Kontokorrentkonto übertragen, nachdem die Gesellschafterversammlung über die Gewinnverteilung beschlossen hatte. Diese Konten, die wechselnd stiegen und fielen, wiesen zusammengefaßt folgenden Schuldsaldo der Bfin. aus:

Zeitpunkt ------------ Kontenstand -- davon Gewinnabfüh- -------------------------- DM ------- rungsverpflichtung ------------------------------------------- DM 31. Dezember 1952 ---- 187.671,76 ---- 77.480,96 31. Dezember 1953 ---- 333.332,75 --- 207.512,29 31. Dezember 1954 ---- 411.584,16 --- 325.788,61 31. Dezember 1955 ---- 317.323,10 --- 197.255,74 31. Dezember 1956 ---- 165.533,15 --- 148.363,99.Der geringste Saldo zum Monatsende betrug nach den Feststellungen der Vorinstanzen:

zum 30. November 1953 --- 115.239,74 DM zum 30. November 1954 --- 114.198,97 DM zum 31. August 1955 ----- 221.653,79 DM zum 30. November 1956 ---- 31.652,46 DM.Der Schuldgrund, der diesen Krediten zugrunde lag, änderte sich im allgemeinen kurzfristig.

Die längste Zahlungsfrist für einen Debetsaldo betrug 15 Monate bis zur Bezahlung der letzten Rate.

Die Bilanzen der Steuerpflichtigen wiesen in den Jahren 1953 bis 1955 für das Anlagevermögen und das Eigenkapital folgende Werte aus:

Stichtag ------------ Anlagevermögen ---- Eigenkapital 31. Dezember 1953 --- 483.122,00 DM ----- 406.713,90 DM 31. Dezember 1954 --- 487.892,00 DM ----- 406.713,90 DM 31. Dezember 1955 --- 428.077,00 DM ----- 406.713,90 DM.Das Finanzamt ging unter diesen Umständen davon aus, daß die Muttergesellschaft der Bfin. vom 31. Dezember 1952 bis zum 31. Oktober 1956 einen mittelfristigen Kredit von mindestens 100.000 DM gewährt habe, der eine durch die Sachlage gebotene Kapitalzuführung ersetzt habe, weil das Anlagevermögen der Bfin. in keinem Jahr voll durch Eigenkapital gedeckt gewesen sei.

Gegen diese Auffassung des Finanzamts hat sich die Bfin. mit dem Einspruch gewandt. Sie hat geltend gemacht, der Gewinnabführungsbetrag sei jeweils frühestens am 1. Juli des darauffolgenden Jahres fällig gewesen. Scheide man diese Beträge aus den Verbindlichkeiten aus, so habe der geringste Saldo in dem zu beurteilenden Zeitraum 13.870,16 DM betragen. Im übrigen sei mit dem Kontokorrentverkehr weder ausdrücklich noch stillschweigend ein Kreditabkommen verbunden gewesen; die Muttergesellschaft habe daher jederzeit die Begleichung ihrer Forderung verlangen können. Der Kontokorrentkredit zeige somit die typischen Merkmale der Kurzfristigkeit.

Einspruch und Berufung blieben ohne Erfolg. Das Finanzgericht hat in seiner in den "Entscheidungen der Finanzgerichte" 1961 S. 120 veröffentlichten Entscheidung die Auffassung des Finanzamts bestätigt und im wesentlichen ausgeführt: Auf dem Kontokorrentkonto der Muttergesellschaft habe zu deren Gunsten vom 31. Dezember 1952 bis 31. Oktober 1956 stets ein Saldo von mindestens 114.198,97 DM bestanden. Infolgedessen liege eine Forderungsstundung über einen längeren Zeitraum hinweg vor. Diesen Kredit habe die Bfin. fortlaufend stillschweigend in Anspruch genommen und die Muttergesellschaft habe ihn ihr stillschweigend gewährt. Soweit sich die Bfin. auf die günstigeren Verhältnisse nach dem 31. Oktober 1956 berufe, komme es darauf nicht an, denn wenn ein Schuldner seine Schuld im wesentlichen tilge, müsse der Schuldsaldo von da an entsprechend absinken. Sei bis zu diesem Zeitpunkt eine Forderung zumindest mittelfristig gestundet worden, die eine nach der Sachlage gebotene Kapitalzuführung ersetzt habe, sei Steuerpflicht gegeben. Die Höhe des vom Finanzamt mit 100.000 DM angenommenen Kredits sei nicht zu beanstanden. Es könne der Bfin. nicht darin gefolgt werden, daß der jährliche Gewinnanspruch erst mit dem Gewinnverteilungsbeschluß der Gesellschafter und nach Aufstellung der Bilanz fällig werde, er werde dies vielmehr mit dem Jahresende. Im Gegensatz zur Verlustübernahme, bei der die Muttergesellschaft den Verlust tatsächlich übernehmen müsse, liege bei der Gewinnabführung schon dann eine Darlehnsgewährung vor, wenn die Muttergesellschaft der Tochtergesellschaft den abzuführenden Gewinn belasse.

 

Entscheidungsgründe

Die Rb. ist begründet.

Nach § 3 Abs. 1 KVStG vom 16. Oktober 1934 unterliegt die Gewährung von Darlehen an eine inländische Kapitalgesellschaft durch einen Gesellschafter der Gesellschaftsteuer, wenn die Darlehnsgewährung eine durch die Sachlage gebotene Kapitalzuführung ersetzt. Gemäß § 3 Abs. 3 KVStG steht es der Gewährung von Darlehen gleich, wenn ein Gesellschafter Forderungen, die ihm gegen die Gesellschaft zustehen, stundet.

Ein Kredit ersetzt nach der ständigen Rechtsprechung des erkennenden Senats eine durch die Sachlage gebotene Kapitalzuführung in der Regel dann, wenn der Kredit für Investitionszwecke verwendet wird, es sich bei dem Kredit um einen mittel- oder langfristigen Kredit handelt und die Deckung des Investitionsbedarfs der Gesellschaft aus eigenen Mitteln nicht möglich ist (vgl. insoweit die Gründe des Urteils des Bundesfinanzhofs II 156/57 U vom 1. August 1962, BStBl 1962 III S. 472, 474, rechte Spalte oben, Slg. Bd. 75 S. 560, und die dort zitierte weitere Rechtsprechung).

Im Streitfall hat der Schuldsaldo der Bfin. gegenüber ihrer Muttergesellschaft in der Zeit vom 31. Dezember 1952 bis 31. Oktober 1956 stets mehr als 100.000 DM betragen, wenn man mit den Vorinstanzen, die sich hierfür auf das Urteil des erkennenden Senats II 114/56 U vom 25. Juli 1956 (BStBl 1956 III S. 254, Slg. Bd. 63 S. 149) stützen können, davon ausgeht, daß der Anspruch auf den Jahresgewinn der Bfin. auch ohne einen Gewinnverteilungsbeschluß der Gesellschafterversammlung jeweils zum Jahresende nicht nur entstanden, sondern auch fällig geworden ist. Gegen diese Auffassung bestehen jedoch nach erneuter Prüfung der Rechtsfrage Bedenken (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs III 352/59 U vom 29. März 1963, BStBl 1963 III S. 324, 325, Slg. Bd. 77 S. 19, sowie auch Fließbach in Steuer und Wirtschaft - StuW -, 1956, Spalte 803, 808, und Egly, Gesellschaftsteuer-Kommentar S. 135 unten).

Nach § 29 Abs. 1 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbHG) haben die Gesellschafter Anspruch auf den nach der jährlichen Bilanz sich ergebenden Reingewinn, soweit nicht im Gesellschaftsvertrag ein anderes bestimmt ist; nach § 46 Nr. 1 GmbHG unterliegt der Bestimmung der Gesellschafter die Feststellung der Jahresbilanz und die Verteilung des aus derselben sich ergebenden Reingewinns. Aus der zuletzt genannten Bestimmung folgt, daß der Anspruch des Gesellschafters auf den anteiligen Reingewinn solange ein bloßer Ausfluß seines Gesellschaftsrechts, also ein unselbständiger Bestandteil seines Geschäftsanteils ist, als nicht die Gesellschafterversammlung die Bilanzfeststellung und die Gewinnverteilung beschlossen hat. Erst durch diese Beschlüsse wird der erwähnte Anspruch zu einem von dem Gesellschaftsrecht losgelösten Gläubigerrecht (vgl. Urteil des Reichsgerichts II 396/19 vom 16. April 1920, Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen - RGZ - Bd. 98 S. 318, 320). Diese Auffassung entspricht der herrschenden Meinung im Gesellschaftsrecht (vgl. Urteile des Reichsgerichts II 361/15 vom 17. November 1915, RGZ Bd. 87 S. 383, 386, und II 117/40 vom 24. April 1941, RGZ Bd. 167 S. 65, 68; Schmidt in Hachenburg, Kommentar zum Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung, 6. Aufl., 1956, § 29 Anm. 8; Scholz, Kommentar zum GmbH-Gesetz, 4. Aufl., 1960, § 29 Anm. 1 Abs. 2; Baumbach-Hueck, GmbH-Gesetz, 10. Aufl., 1962, § 29 Anm. 2 B). Dem Sinne nach stützt sich die Bfin. auf diese Ansicht, wenn sie gegenüber der Meinung der Vorinstanzen geltend macht, daß von einer Forderungsstundung erst von dem Zeitpunkt an die Rede sein könne, von dem an die Muttergesellschaft berechtigt sei, die Abführung des Jahresgewinnes zu fordern und damit über den Gewinn zu verfügen. Mit Recht geht die Bfin. davon aus, daß der Abschluß eines Ergebnisabführungsvertrages zwischen der Muttergesellschaft als Gesellschafterin und der Tochtergesellschaft an dieser Rechtslage nichts ändern kann. Ist in einem derartigen Vertrage, wie im Streitfall, vereinbart, daß die Tochtergesellschaft etwaige überschüsse aus der Jahresrechnung jeweils zum Ablauf des Geschäftsjahres an die Muttergesellschaft abzuführen hat, so setzt dies voraus, daß die Gesellschafter zunächst ihrer Verpflichtung nach § 46 Nr. 1 GmbHG zur Feststellung der Jahresbilanz nachgekommen sind. Da nicht davon ausgegangen werden kann, daß die Beteiligten abweichend von der gesetzlichen Regelung etwas anderes vereinbaren wollten, was zudem praktisch nicht zu verwirklichen wäre, können derartige Vereinbarungen über Ergebnisabführungen nach § 133 BGB nur in dem Sinne ausgelegt werden, daß der Gewinnanspruch der Muttergesellschaft erst mit der Feststellung der Jahresbilanz durch die Gesellschafterversammlung fällig wird. Erst von diesem Zeitpunkt ab kann die Muttergesellschaft eine ihr zustehende Forderung auch stunden (vgl. insoweit das Urteil des Bundesfinanzhofs II 60/59 U vom 18. Dezember 1963, BStBl 1964 III S. 78).

An die zivilrechtlichen Verhältnisse hat das Steuerrecht in aller Regel anzuknüpfen, wenn sich der Steuergegenstand prinzipiell nach den Rechtsformen des bürgerlichen Rechts bestimmt. Eine steuerrechtliche Abweichung von der zivilrechtlichen Gestaltung ist nur dann zulässig, wenn sie sachlich hinreichend gerechtfertigt, also von überzeugenden Gründen getragen ist, z. B. in Fällen, in denen die wirtschaftliche Bedeutung eines Steuergesetzes entscheidend zu berücksichtigen ist (vgl. den Beschluß des Bundesverfassungsgerichts 2 BvL 1/59 vom 10. Oktober 1961, Abschnitt B Absatz II Nr. 3 der Gründe, Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts - BVerfGE - Bd. 13 S. 153 ff., BStBl 1961 I S. 716, 717). In allen anderen Fällen ist nicht nur im Interesse der Klarheit und Einheit, sondern vor allem der inneren Autorität der Rechtsordnung die Entsprechung von Privat- und Steuerrecht durchgehend zu wahren (vgl. insoweit die Gründe des Urteils des Bundesverfassungsgerichts 1 BvR 845/58 vom 24. Januar 1962, Abschnitt III Nr. 3, BVerfGE Bd. 13 S. 331, 340, BStBl 1962 I S. 500, 502). Da die Steuertatbestände des Gesellschaftsteuerrechts grundsätzlich an Rechtsvorgänge des Privatrechts anknüpfen und überzeugende Gründe für eine steuerrechtlich abweichende Beurteilung des Zeitpunkts, in dem die Gewinnansprüche fällig werden, nicht ersichtlich sind, kann die Forderung auf den Reingewinn erst gestundet und damit der die Steuerpflicht begründende Tatbestand des § 3 Abs. 3 KVStG erst ausgelöst werden, nachdem die Gesellschafterversammlung die Bilanzfeststellung beschlossen hat. Soweit der Senat in dem Urteil II 114/56 U vom 25. Juni 1956, a. a. O., eine andere Meinung vertreten hat, wird sie nicht mehr aufrechterhalten. Die Entscheidung des Finanzgerichts, die diese änderung des rechtlichen Standpunkts noch nicht berücksichtigen konnte, war aufzuheben.

Die Sache ist auf Grund der dem Senat nunmehr zustehenden freien Beurteilung (ß 296 Abs. 3 AO) spruchreif.

Die Jahresabschlüsse der Bfin. sind in den einzelnen in Betracht kommenden Jahren zu folgenden Zeitpunkten festgestellt worden: 1. Juli 1953, 14. Dezember 1954, 19. Juli 1955, 7. September 1956 und 20. September 1957. Die Forderungen der Muttergesellschaft auf Abführung der Jahresgewinne konnten daher in den einzelnen Jahren frühestens an diesen Zeitpunkten fällig werden. Setzt man dementsprechend von der Kontenaufstellung im Prüfungsbericht vom 16. Januar 1958 die Gewinne der einzelnen Geschäftsjahre bis zu ihrer Feststellung an den oben genannten Tagen ab, so hat die Bfin. folgende Kontokorrentkredite in Anspruch genommen:

31. Dezember 1952 ---------- 110.190,80 DM 30. Juni 1953 --------------- 94.072,11 DM 31. Dezember 1953 ---------- 125.820,46 DM 30. Juni 1954 -------------- 104.095,78 DM 31. Oktober 1954 ----- minus 92.904,22 DM 30. November 1954 ---- minus 93.313,32 DM 31. Dezember 1954 ----------- 85.795,55 DM 30. Juni 1955 -------------- 13.870,16 DM 31. Dezember 1955 ---------- 120.067,36 DM 30. Juni 1956 -------------- 212.053,01 DM 31. Oktober 1956 ----------- 161.711,31 DM 31. Dezember 1956 ----------- 17.169,16 DM.Wie aus dieser Aufstellung hervorgeht, hat das Kontokorrentkonto großen Schwankungen unterlegen. Schon ein Jahr und zehn Monate nach dem 31. Dezember 1952 wies das Konto eine Schuld der Muttergesellschaft an die Tochtergesellschaft aus. Hieraus folgt, daß der Kontokorrentkredit der Bfin. nur kurzfristig gewährt worden ist. Da ein kurzfristig gewährter Kredit eine nach der Sachlage gebotene Kapitalzuführung nicht ersetzen kann, war die Bfin. von der Gesellschaftsteuer freizustellen, ohne daß auf das weitere Vorbringen der Beteiligten einzugehen ist.

 

Fundstellen

Haufe-Index 411229

BStBl III 1964, 334

BFHE 1964, 282

BFHE 79, 282

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