Entscheidungsstichwort (Thema)

Gewinnerzielungsabsicht; Kostenentscheidung im Fall teilweisen Obsiegens

 

Leitsatz (NV)

1. Der Beweis des ersten Anscheins, daß ein Einzelhandelsgeschäft mit Gewinnerzielungsabsicht betrieben wird, ist entkräftet, wenn feststeht, daß der Betrieb nach seiner Wesensart und der Art seiner Bewirtschaftung auf Dauer nicht nachhaltig mit Gewinn arbeiten kann. Die objektive Beweislast (Feststellungslast) für das Vorliegen der Gewinnerzielungsabsicht trägt dann der Steuerpflichtige. Die verfahrensrechtlich nicht zu beanstandende Sachverhaltswürdigung des FG, daß im konkreten Fall durchgeführte geringfügige strukturelle Änderungen in der Betriebsführung (Eröffnung einer weiteren Verkaufsstelle, teilweiser Austausch des Personals, Änderung des Sortiments) nicht auf eine entscheidende Verbesserung der Ertragslage hindeuten, ist für den BFH nach § 118 Abs. 2 FGO bindend, auch wenn sie nicht zwingend sein sollte.

2. Werden unter der gleichen Angebots- und Nachfragesituation unweit voneinander entfernt zwei Verkaufsstellen unterhalten, stellen diese hinsichtlich der Gewinnerzielungsabsicht eine Beurteilungseinheit dar.

3. Bei teilweisem Obsiegen eines durch einen Prozeßbevollmächtigten vertretenen Klägers sind die Kosten regelmäßig nicht gegeneinander aufzuheben, sondern nach Maßgabe des Unterliegens zu teilen.

 

Normenkette

EStG § 15 Abs. 2 S. 1; FGO § 118 Abs. 2, § 136 Abs. 1 S. 1

 

Tatbestand

Der in X wohnhafte Kläger und Revisionskläger (Kläger) ist -- ebenso wie seine Ehefrau -- freiberuflich tätig. Seine jährlichen Einkünfte aus dieser Tätigkeit betrugen in den Jahren 1983 bis 1987 ca. 200 000 DM bis 250 000 DM. Daneben betrieb er ein Einzelhandelsgeschäft.

Bereits in den Jahren 1976 bis 1981 unterhielt er in X ein Geschäft für Geschenkartikel unter der Bezeichnung " ... ". Hiermit erwirtschaftete er folgende Verluste:

1976:

rd. 50 000 DM

1977:

rd. 67 000 DM

1978:

rd. 30 000 DM

1979:

rd. 25 000 DM

1980:

rd. 29 000 DM

1981:

rd. 34 000 DM

Im Jahr 1981 gab der Kläger diesen Betrieb auf.

In 1981 eröffnete der Kläger in der A-Straße in Y unter derselben Bezeichnung ein Geschäft, in dem u. a. ... -Waren vertrieben wurden. Das Grundstück befindet sich -- seit 1983 -- im Eigentum der Ehefrau des Klägers.

In 1985 nahm der Kläger in der B-Straße in Y eine weitere Verkaufsstelle auf, in der zusätzlich ... -Artikel angeboten wurden.

In 1989 gab der Kläger das Geschäft in der A- Straße auf und führte den Betrieb lediglich in der B-Straße weiter.

Mit den Geschäften in Y erwirtschaftete der Kläger laut seinen Erklärungen durch Bestandsvergleich ermittelte Verluste in folgender Höhe:

1981:

rd. 92 000 DM

1982:

rd. 169 000 DM

1983:

rd. 186 000 DM

1984:

rd. 203 000 DM

1985:

rd. 306 000 DM

1986:

rd. 528 000 DM

1987:

rd. 337 000 DM

In den unter den Vorbehalt der Nachprüfung gestellten Gewinnfeststellungsbescheiden für die Jahre 1981 bis 1986 stellte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt -- FA --) die Verluste erklärungsgemäß fest.

Im Jahre 1988 führte das FA beim Kläger für die Jahre 1985 bis 1987 eine Betriebsprüfung hinsichtlich des Handelsgeschäfts durch. Der Prüfer vertrat die Auffassung, der Kläger habe keine gewerbliche Tätigkeit mit Gewinnerzielungsabsicht ausgeübt. Er sei nur durch seine hohen anderweitigen Einkünfte in der Lage gewesen, die jährlich anfallenden Verluste zu tragen.

Der Prüfer korrigierte die Gewinnermittlungen des Klägers wie folgt:

Er ließ die geltend gemachten Mietzahlungen an die Ehefrau für das Geschäft A-Straße in Höhe von jährlich 54 000 DM mangels Zahlung nicht zum Abzug zu und erhöhte die Warenbestände zum 31. Dezember 1985 um 100 000 DM und zum 31. Dezember 1986 und 1987 um jeweils 150 000 DM. Ferner nahm er Korrekturen vor durch Sicherheitszuschläge, Erhöhung des Eigenverbrauchs, Kürzung der Fahrzeug-, Spesen- und Reiseaufwendungen sowie durch Kürzung der sonstigen Betriebsausgaben und stellte für eine Gesamtbetrachtung die Verluste wie folgt zusammen:

1981:

rd. 92 000 DM (lt. Erklärung)

1982:

rd. 169 000 DM (lt. Erklärung)

1983:

rd. 132 000 DM (lt. Erklärung ./. 54 000 DM Miete)

1984:

rd. 149 000 DM (lt. Erklärung ./. 54 000 DM Miete)

1985:

rd. 117 000 DM

1986:

rd. 294 000 DM

1987:

rd. 103 000 DM

Der Auffassung des Prüfers folgend erließ das FA für die Jahre 1983 bis 1986 nach § 164 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO 1977) geänderte Feststellungsbescheide und für 1987 einen erstmaligen Bescheid, in denen es die Einkünfte aus Gewerbebetrieb auf 0 DM festsetzte.

Der hiergegen -- nach erfolglosem Einspruchsverfahren -- erhobenen Klage gab das Finanzgericht (FG) insoweit statt, als es die Einkünfte aus Gewerbebetrieb 1983 und 1984 auf die Verluste lt. Erklärung ./. 54 000 DM Miete feststellte und im übrigen die Klage abwies.

Das FG führte aus: Für die Jahre 1983 und 1984 seien die negativen Einkünfte unter dem Gesichtspunkt der Anlaufphase steuerlich zu berücksichtigen; für die Folgejahre sei die Anerkennung jedoch mangels Gewinnerzielungsabsicht zu versagen.

Nach der bisherigen geschäftlichen Entwicklung und den erwirtschafteten Verlusten erscheine es ausgeschlossen, daß der Kläger -- auch auf lange Sicht gesehen -- einen Totalgewinn erzielen könne. Es könne offenbleiben, ob bei dieser Prognose die in X angefallenen Verluste einzubeziehen seien. Denn die in Y in den Jahren 1981 bis 1989 erwirtschafteten Verluste betrügen 2 189 000 DM. Zwar ließen die ab 1990 erzielten Ergebnisse eine Trendwende erkennen. Die hiernach erzielten Gewinne erschienen jedoch weder derart nachhaltig noch so gesichert, daß der Kläger nunmehr in die Lage versetzt worden wäre, die Verluste der Vergangenheit in der Zukunft auszugleichen. Denn mit insgesamt 143 000 DM, verteilt auf 3 Jahre, stellten die Gewinne 1990 bis 1992 ca. 6,5 v. H. des gesamten, auf die Geschäfte in Y entfallenden Verluste 1981 bis 1989 dar. Es seien auch keine nennenswerten stillen Reserven erkennbar, die im Falle der Betriebsaufgabe oder -veräußerung zu einem Totalgewinn führen könnten.

Bei der Prüfung der Frage, ob langfristig ein Totalgewinn zu erzielen sei, könne nicht zwischen den beiden Geschäften in Y differenziert werden. Dabei sei nicht zu übersehen, daß das 1985 in der B-Straße eröffnete Geschäft bessere wirtschaftliche Ergebnisse erzielt habe als das Geschäft in der A-Straße. Dies ergebe sich aus der vom Kläger eingereichten Aufstellung und auch daraus, daß nach der Schließung des Geschäfts in der A-Straße (1989) ab dem Jahr 1990 eine wirtschaftliche Besserung eingetreten sei. Beide Geschäfte seien indessen als einheitlicher Gewerbebetrieb zu behandeln. Sie hätten nur etwa 100 Meter auseinander im Innenstadtbereich der Stadt Y gelegen. Sie hätten in etwa dasselbe Sortiment geführt. Ferner habe ein Personalaustausch zwischen beiden Geschäften stattgefunden. Schließlich werde die Einheitlichkeit beider Geschäfte auch dadurch dokumentiert, daß der Gewinn einheitlich ermittelt worden sei. Diese gleichgelagerten Sachumstände stünden der Annahme betriebswirtschaftlich unterschiedlicher Betriebszweige entgegen. Sie ließen eine sog. Segmentierung in Untereinheiten, die hinsichtlich der Frage eines möglichen Totalgewinns selbständig zu beurteilen wären, nicht zu.

Gegen die Möglichkeit, auf Dauer gesehen einen Totalgewinn zu erzielen, spreche neben den tatsächlich angefallenen Verlusten auch die Art der Betriebsführung. Der Kläger sei als ... selbständig tätig, er wohne nicht am Geschäftsort in Y, sondern in X, weshalb er sich nur in eingeschränkter Weise um den Betrieb und das Personal kümmern könne. Der Einsatz von Fremdpersonal verursache zwangsläufig hohe Aufwendungen. Hinzu komme die Belastung durch Raumkosten, auch wenn man die insoweit für die A-Straße ausgewiesenen Zahlungen an die Ehefrau außer acht lasse, sowie die Zinsbelastung durch Fremdverbindlichkeiten, die zum 31. Dezember 1984 und 1985 ca. 1 000 000 DM betragen hätten. Des weiteren seien Abschreibungen auf vorgenommene Umbauten zu beachten. Die so gelagerte Kostenstruktur habe unter betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten einschneidende Änderungen, wenn nicht eine Einstellung des Betriebs nahegelegt. Insoweit seien eine geringfügige Sortimentsänderung und personelle Maßnahmen nicht ausreichend gewesen. Auch habe der Kläger keine grundlegende Verbesserung dadurch erhoffen können, daß er -- unter Beibehaltung des Geschäfts in der A-Straße -- 1985 eine weitere Verkaufsstelle in der B-Straße eröffnet habe, was durch ein Ansteigen der Verluste in den Folgejahren bestätigt worden sei. Der Kläger habe bereits mit dem in X unterhaltenen Geschäft nicht die Gewinnzone erreicht, so daß im Streitfall eine angemessene und zeitnahe Reaktion auf die auftretenden Verluste hätte erwartet werden können.

Die Aufrechterhaltung der verlustbringenden Tätigkeit habe auf persönlichen Gründen beruht, da dem Kläger die Hinnahme der andauernden, nicht unerheblichen Verluste nur deshalb möglich gewesen sei, weil er sie mit positiven anderen Einkünften, insbesondere aus seiner freiberuflichen Tätigkeit und der seiner Ehefrau habe verrechnen können.

Die Verluste der Jahre 1983 und 1984 seien indes als Verluste der Anlaufzeit steuerlich anzuerkennen. Es sei nicht eindeutig feststellbar, daß der Betrieb von vornherein nicht in der Lage gewesen sei, nachhaltig Gewinne abzuwerfen, da zum einen ein Einzelhandelsgeschäft nicht als typische Liebhabereitätigkeit eingestuft werden könne, zum anderen die Möglichkeit nicht ausgeschlossen erscheine, daß der Betrieb durch geeignete Maßnahmen in die Gewinnzone hätte geführt werden können. Im Streitfall sei eine relativ kurze Anlaufzeit, beschränkt auf 4 Jahre, zuzubilligen. Der Kläger habe aufgrund des bereits in X mit Verlusten betriebenen Unternehmens damit rechnen müssen, daß er auch in Y Verluste erwirtschafte, die er nur bei einer straffen betriebswirtschaftlichen Führung hätte vermeiden können. Dem stehe nicht entgegen, daß in dem Geschäft in X ... -Artikel und in dem Geschäft in Y bereits ab 1982 neben ... -Artikeln auch ... -Waren angeboten worden seien. Denn in beiden Fällen seien wesentliche verlustträchtige Faktoren, nämlich die fehlende Branchenkenntnis sowie die unzureichende Mitarbeit und Kontrollmöglichkeit des Inhabers, gleichermaßen vorhanden gewesen. Aus diesem Grunde seien bei der Bemessung der Anlaufzeit die Jahre einzubeziehen, in denen das Geschäft in X unterhalten worden sei, wodurch sich eine Anlaufzeit von insgesamt neun Jahren ergebe, die nicht zuletzt deshalb angemessen sei, weil die sich fortlaufend erhöhenden Verluste aus dem Betrieb in Y wirksame betriebswirtschaftliche Maßnahmen erfordert hätten.

Mit der Revision rügt der Kläger die Verletzung materiellen Rechts. Er trägt im wesentlichen vor:

1. Entgegen der Betrachtung des FG sei im Rahmen der Totalgewinnprognose nicht auf einen in zwei Verkaufsstellen betriebenen einheitlichen Gewerbebetrieb, sondern auf die einzelne Verkaufsstelle als selbständige Beurteilungseinheit mit der Folge der Zubilligung einer jeweils eigenen Anlaufphase abzustellen. Diese Auffassung werde gestützt durch das zur Frage der Liebhaberei im Rahmen eines land- und forstwirtschaftlichen Guts ergangene Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 13. Dezember 1990 IV R 1/89 (BFHE 163, 418, BStBl II 1991, 452).

Werde -- wie im Streitfall -- eine einzelne Verkaufsstelle aufgrund einer unternehmerischen Entscheidung stillgelegt, so müßten die dieser Verlustquelle entspringenden negativen Einkünfte im Rahmen der Totalgewinnprognose hinsichtlich des nur noch aus der weiteren Verkaufsstelle bestehenden Geschäfts grundsätzlich außer Betracht bleiben. Daß wegen der räumlichen Nähe der Verkaufsstellen, des ähnlichen Warensortiments, eines gewissen Personalaustausches und der einheitlichen Gewinnermittlung gleichgelagerte Umstände vorlägen, sei nicht entscheidend. Aufgrund der dem FG vorgelegten und im FG-Urteil in Bezug genommenen Unterlagen seien eine isolierte wirtschaftliche Beurteilung und die Zuordnung und Verteilung der Verluste möglich. Das FG hätte im Rahmen der Totalgewinnprognose die aus der Verkaufsstelle A-Straße herrührenden Verluste eliminieren müssen. Hinsichtlich des dann noch verbleibenden aufholbaren Verlustbetrags betreffend die Verkaufsstelle B-Straße ab 1985 sei die Gewinnerzielungsabsicht gegeben, zumal in den Jahren 1990 bis 1992 Gewinne erwirtschaftet worden seien.

Dem FG-Urteil könne auch insoweit nicht gefolgt werden, als es eine Anlaufphase von lediglich vier Jahren anerkannt habe. Es gälten hier keine starren Grenzen. Die auf den konkreten Betrieb bezogene Beurteilung verbiete es, anderweitige zeitlich vorangegangene gewerbliche Aktivitäten des Steuerpflichtigen mit einzubeziehen (BFH-Urteil vom 7. August 1991 X R 10/88, BFH/NV 1992, 108). Die in X erzielten Verluste des Klägers dürften deshalb keine Berücksichtigung finden.

Es sei ferner inkonsequent, wenn das FG einerseits die Frage offenlasse, ob die in X erzielten Verluste in die Totalgewinnprognose einzubeziehen seien, andererseits aber mit diesen Verlusten eine verkürzte Anlaufphase für den Einzelhandel in Y rechtfertige.

Das FG-Urteil sei auch insofern widersprüchlich, als es für das in 1981 in Y eröffnete Geschäft von einer Anlaufphase von vier Jahren ausgehe, die Verluste aber nur bis einschließlich 1984 anerkannt habe. Die Verluste des Streitjahres 1985 seien zumindest bis zum ... Oktober 1985, somit in Höhe von rd. ./. 137 000 DM zu berücksichtigen.

Beginnend mit der Betriebsgründung im Oktober 1981 sei von einer Anlaufphase für die Geschäftstätigkeit in Y auszugehen, die über den Veranlagungszeitraum 1987 hinausreiche. Bei Fachgeschäften mit einem exklusiven Angebot sei generell von einer erheblich längeren Anlaufphase auszugehen.

Schließlich sei auch die vom FG getroffene Kostenentscheidung unzutreffend. Das FG habe die Kosten gemäß § 136 Abs. 1 Satz 1 1. Alternative der Finanzgerichtsordnung (FGO) gegeneinander aufgehoben. Das führe zu einer Benachteiligung der Steuerpflichtigen, die -- wie er -- durch einen Bevollmächtigten vertreten würden und dessen Kosten zu tragen hätten. Die Kosten hätten im Streitfall verhältnismäßig geteilt werden müssen (§ 136 Abs. 1 Satz 1 2. Alternative FGO).

Der Kläger beantragt, die Einkünfte aus Gewerbebetrieb wie folgt festzustellen:

1985:

rd. ./. 137 000 DM

1986:

rd. ./. 308 000 DM

1987:

rd. ./. 119 000 DM

Ferner beantragt er sinngemäß, die Kostenentscheidung des FG dahingehend abzuändern, daß die Kosten verhältnismäßig geteilt werden.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

I. Die Revision ist in der Sache nicht begründet.

1. Gewinne und Verluste aus einem Einzelhandelsbetrieb, wie er vom Kläger unterhalten wurde, sind gemäß § 180 Abs. 1 Nr. 2 b AO 1977 nur dann gesondert festzustellen, wenn es sich um gewerbliche Einkünfte handelt. Diese Voraussetzung hat das FG im Streitfall zu Recht verneint.

Nach § 15 Abs. 2 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) setzt ein Gewerbebetrieb voraus, daß eine Betätigung mit der Absicht, Gewinn zu erzielen, unternommen wird. Fehlt das Merkmal der Gewinnerzielungsabsicht, stellen Verluste aus einer solchen Tätigkeit steuerlich nicht relevante negative Einkünfte aus einer Liebhaberei dar (Beschluß des Großen Senats des BFH vom 25. Juni 1984 GrS 4/82, BFHE 141, 405, BStBl II 1984, 751; BFH-Urteil in BFHE 163, 418, BStBl II 1991, 452).

2. Ausgehend von den Sachverhaltsfeststellungen des FG, gegen die der Kläger keine Rügen erhoben hat, ist die Entscheidung des FG, der Kläger habe jedenfalls ab dem Jahre 1985 nicht die für die Anerkennung gewerblicher Verluste erforderliche Gewinnerzielungsabsicht gehabt, nicht zu beanstanden.

a) Bei einem Einzelhandelsunternehmen mit dem Hauptangebot ... -Artikel, wie es hier zu beurteilen ist, spricht der Beweis des ersten Anscheins zunächst dafür, daß es in der Absicht der Gewinnerzielung betrieben wird. Denn Unternehmen dieser Art sind nach der Lebenserfahrung nicht typischerweise dazu bestimmt und geeignet, der Befriedigung persönlicher Neigungen des Steuerpflichtigen oder der Erlangung wirtschaftlicher Vorteile außerhalb der Einkommenssphäre zu dienen (s. a. BFH-Urteil vom 19. November 1985 VIII R 4/83, BFHE 145, 375, BStBl II 1986, 289).

Dieser Anscheinsbeweis ist indes bereits dann entkräftet, wenn die ernsthafte Möglichkeit in Betracht kommt, daß im konkreten Fall nicht das Streben nach einem Totalgewinn, sondern persönliche Motive des Steuerpflichtigen für die Fortführung des Unternehmens bestimmend waren. Deuten dauernde Verluste auf das Fehlen einer Gewinnerzielungsabsicht hin, reicht dies allein für die Entkräftung des Anscheinsbeweises allerdings nicht aus. Hinzukommen müssen weitere Umstände, die es als ernsthaft möglich erscheinen lassen, daß der Steuerpflichtige die verlustbringende Tätigkeit aus im Bereich seiner Lebensführung liegenden Gründen oder Neigungen ausübt. Diese Möglichkeit ist jedenfalls dann gegeben, wenn feststeht, daß der Betrieb nach seiner Wesensart und der Art seiner Bewirtschaftung auf die Dauer gesehen nicht nachhaltig mit Gewinn arbeiten kann. Ist der Anscheinsbeweis widerlegt, hat das FG nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung zu entscheiden, ob der Steuerpflichtige das Unternehmen mit Gewinnerzielungsabsicht betrieben hat. Die objektive Beweislast (Feststellungslast) für das Vorliegen der Gewinnerzielungsabsicht trägt dann der Steuerpflichtige, der positive Einkünfte mit den geltend gemachten Verlusten ausgleichen will (BFH-Beschluß in BFHE 141, 405, BStBl II 1984, 751; BFH-Urteile in BFHE 145, 375, BStBl II 1986, 289, und vom 21. August 1990 VIII R 25/86, BFHE 163, 524, BStBl II 1991, 564).

b) Im Streitfall begegnet die Würdigung des FG, daß der Beweis des ersten Anscheins für ein mit Gewinnerzielungsabsicht betriebenes Unternehmen erschüttert ist, keinen rechtlichen Bedenken.

Der Kläger hat seit der Gründung seines Unternehmens in Y im Jahre 1981 bis zum Jahre 1989 erhebliche Verluste (rund 2,2 Mio. DM) erlitten und in den Folgejahren 1990 bis 1992 demgegenüber nur bescheidene Gewinne (143 000 DM) erklärt. Eine längere Verlustperiode, wie sie hier gegeben ist, läßt auf das Fehlen einer Gewinnerzielungsabsicht schließen (BFH-Urteil vom 21. Januar 1993 XI R 18/92, XI R 19/92, BFH/NV 1993, 475).

Auch gegen die Feststellung des FG, aufgrund der Art der Betriebsführung durch den Kläger -- auch unter Berücksichtigung der von ihm eingeleiteten geringfügigen Sortimentsänderung und personeller Maßnahmen sowie der Eröffnung der weiteren Verkaufsstelle -- habe das Unternehmen auf Dauer gesehen nicht nachhaltig mit Gewinn arbeiten können, bestehen keine Bedenken. Das FG hat dies aus den gegebenen Umständen -- fehlende Anwesenheit des Klägers im Betrieb, Einsatz von Fremdpersonal, hohe Belastungen durch Raumkosten, Verbindlichkeiten und Abschreibungen, weiteres Ansteigen der Verluste trotz geringfügiger struktureller Maßnahmen -- abgeleitet. Diese Folgerung ist möglich und, da insoweit keine Revisionsrügen erhoben worden sind, für den Senat bindend (Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 3. Aufl., § 118 Anm. 40).

c) Ausgehend von der Widerlegung des Anscheinsbeweises ist auch die weitere Entscheidung des FG, der Kläger habe sein Unternehmen nicht mit Gewinnerzielungsabsicht betrieben, nicht zu beanstanden. Der Kläger hat im wesentlichen vorgetragen, er habe durch die Änderung des Sortiments sowie durch personelle Maßnahmen und die Eröffnung der weiteren Verkaufsstelle in der B-Straße versucht, den Betrieb wirtschaftlicher zu gestalten, und er habe damit letztendlich auch Erfolg gehabt. Das FG geht demgegenüber davon aus, die Kostenstruktur des Unternehmens habe einschneidendere Änderungen, wenn nicht die Einstellung des Betriebs nahegelegt. Die geringfügige Sortimentsänderung sowie die personellen Maßnahmen hätten für die Erzielung eines Ertrags offensichtlich nicht ausgereicht. Auch habe sich der Kläger durch die Eröffnung der weiteren Verkaufsstelle keine grundlegende Verbesserung erhoffen können.

Das FG folgerte dies einmal aus den in den Jahren 1981 bis 1989 erwirtschafteten erheblichen Verlusten von rund 2,2 Mio. DM, denen nur geringe, nicht hinreichend gesicherte Gewinne von 143 000 DM in den Jahren 1990 bis 1992 gegenüberstanden. Zum anderen stellte das FG auf das Fehlen nennenswerter stiller Reserven ab, die im Falle der Beendigung des Betriebs zu einem Totalgewinn hätten führen können.

Die Würdigung des FG, aufgrund dieser Umstände ergebe sich auch aus den vom Kläger angeführten strukturellen Verbesserungen nicht, daß er den Betrieb mit Gewinnerzielungsabsicht geführt habe, erscheint ebenfalls möglich. Sie ist, auch wenn sie nicht zwingend sein sollte, für den Senat nach § 118 Abs. 2 FGO bindend. Bei weitgehend übereinstimmendem Sortiment und Einsatz des gleichen Personals in der nur wenige Meter entfernten weiteren Verkaufsstelle ist die Wertung des FG, der Kläger habe durch seine geringfügigen Veränderungen nicht mit einer entscheidenden Verbesserung der Ertragslage rechnen können, nicht zu beanstanden. Unerheblich ist, ob auch eine andere Folgerung möglich gewesen wäre (Gräber/Ruban, a.a.O., § 118 Anm. 40).

d) Dem vom Kläger besonders hervorgehobenen Gesichtspunkte der Segmentierung kommt im Streitfall keine entscheidende Bedeutung zu.

Bei der Gliederung eines Betriebs in verschiedene Untereinheiten, wie Teilbetriebe, Betriebszweige, Betriebsstätten u. ä. "Segmente", wird zwar im Schrifttum erörtert, ob und inwieweit für die Feststellung eines Totalgewinns auf den Betrieb im ganzen abzustellen ist oder ob Untereinheiten getrennt zu beurteilen sind, wobei im einzelnen Unklarheiten darüber bestehen, was als Beurteilungseinheit anzusehen ist (s. im einzelnen Raupach/Schenking in Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz mit Nebengesetzen, Kommentar, 20. Aufl., § 2 EStG Anm. 389 ff.).

Die vom Kläger unterhaltenen zwei Verkaufsstellen in der A-Straße (1981 bis 1989) und in der B-Straße (ab 1985) lagen indes -- nach den Feststellungen des FG -- nur etwa 100 Meter auseinander im Innenstadtbereich von Y und führten aufgrund des Personalaustausches durch dasselbe Personal im wesentlichen das gleiche Sortiment. Unter diesen Umständen ist es nicht gerechtfertigt, bei der Prüfung der Frage, ob ein Totalgewinn zu erwarten ist, die beiden Verkaufsstellen als gesonderte Beurteilungseinheiten heranzuziehen. Sie wurden im wesentlichen unter der gleichen Angebots- und Nachfragesituation betrieben. Änderungen in den Ergebnissen der einzelnen Verkaufsstellen, die auf eine Veränderung des Angebots unter den Verkaufsstellen zurückgehen, ergeben unter diesen Voraussetzungen keine aussagekräftigen Hinweise auf die mit der Tätigkeit verfolgte Gewinnerzielungsabsicht.

3. Entgegen der Auffassung des Klägers liegen im Streitfall auch nicht die Voraussetzungen dafür vor, die geltend gemachten Verluste unter dem Gesichtspunkt einer -- in den Streitzeitraum hineinreichenden -- Anlaufzeit zu berücksichtigen.

Nach der Rechtsprechung des BFH gilt zwar der Grundsatz, daß der Beweis für fehlendes Gewinnstreben dann erbracht sei, wenn feststehe, daß der Betrieb nicht nach betriebswirtschaftlichen Regeln geführt werde und nach seiner Wesensart und der Art seiner Bewirtschaftung auf Dauer gesehen nicht nachhaltig mit Gewinn arbeiten könne, in der Regel nicht für die Anlaufzeit eines Betriebs. Die Verluste der Anlaufzeit können steuerlich jedoch dann nicht anerkannt werden, wenn aufgrund der bekannten Entwicklung des Betriebs eindeutig feststeht, daß der Betrieb, so wie er vom Steuerpflichtigen betrieben wurde, von vornherein nicht in der Lage war, nachhaltig Gewinne abzuwerfen (BFH-Urteile vom 28. August 1987 III R 273/83, BFHE 151, 42, BStBl II 1988, 10, und vom 11. April 1990 I R 22/88, BFH/NV 1990, 768).

So liegen die Dinge im Streitfall. Nach den Feststellungen des FG war es nach der bisherigen geschäftlichen Entwicklung und den erwarteten Ergebnissen ausgeschlossen, daß der Kläger, auch auf lange Sicht betrachtet, einen Totalgewinn erzielen könne. Ausschlaggebend für diese Prognose war die Kostenbelastung des Betriebs und auch die Art der Betriebsführung, wobei die vom Kläger vorgenommenen geringfügigen Strukturverbesserungen vom FG als nicht ausreichend und von vornherein nicht aussichtsreich beurteilt worden sind. Unter diesen Gegebenheiten scheidet eine Berücksichtigung der geltend gemachten Verluste auch für eine Anlaufzeit aus.

Dem steht nicht entgegen, daß das FG die Verluste für die Vorjahre unter dem Gesichtspunkt der Anlaufphase anerkannt hat. Die Begründung des FG, es wäre grundsätzlich möglich gewesen, den Betrieb durch eine grundlegende Umstrukturierung, wie durch Verringerung der Fremdfinanzierung, Änderung des Sortiments und Warenkontrollen in die Gewinnzone zu führen, rechtfertigen eine Berücksichtigung als Anlaufverluste nicht. Unterläßt der Steuerpflichtige solche Maßnahmen und führt er -- wie im Streitfall der Kläger -- den Verlustbetrieb unter Vornahme lediglich geringfügiger und nicht aussichtsreicher Änderungen und somit ohne den ernsthaften Versuch, eine entscheidende Besserung herbeizuführen, fort, ändert dies nichts an der Feststellung, daß von vornherein ein Totalgewinn nicht zu erwarten ist.

II. Hinsichtlich der Kostenentscheidung des FG wendet der Kläger zutreffend ein, daß das FG die Kosten zu Unrecht gegeneinander aufgehoben hat. Durch diese Kostenentscheidung wird ein Steuerpflichtiger, der -- wie der Kläger -- durch einen Bevollmächtigten vertreten war und dessen Kosten zu tragen hat, bei einem teilweisen Obsiegen benachteiligt. In solchen Fällen ist deshalb eine Kostenteilung nach Maßgabe des Unterliegens geboten (Tipke/ Kruse, Abgabenordnung -- Finanzgerichtsordnung, 15. Aufl., § 136 FGO Tz. 2, m. w. N.). Als Grundlage für die Bemessung der Kostenteile ist grundsätzlich der Gebührenstreitwert heranzuziehen, der sich bei gesonderter Feststellung von Besteuerungsgrundlagen in einem Fall der hier vorliegenden Art nach der einkommensteuerlichen Auswirkung richtet (Tipke/Kruse, a.a.O., Vor § 135 FGO Tz. 103 "gesonderte Feststellung").

Der Kläger hat im finanzgerichtlichen Verfahren die Feststellung gewerblicher Verluste beantragt, die sich wie folgt auswirken:

beantragter Verlust/steuerliche Auswirkung

1983:

rd. 132 000 DM

74 328 DM

1984:

rd. 149 000 DM

84 430 DM

1985:

rd. 137 000 DM

76 990 DM

1986:

rd. 308 000 DM

172 490 DM

1987:

rd. 119 000 DM

66 890 DM

Dies ergibt ausgehend von einem Streitwert des Klageverfahrens von 475 128 DM bei einem Obsiegen für die Jahre 1983 und 1984 in Höhe von 158 758 DM eine Kostenteilung von 2/3 zu 1/3. Die Kostenentscheidung des FG war entsprechend zu ändern.

 

Fundstellen

Haufe-Index 421386

BFH/NV 1996, 812

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