Entscheidungsstichwort (Thema)

Verfahrensrecht/Abgabenordnung Handelsrecht Gesellschaftsrecht

 

Leitsatz (amtlich)

Der Haftungsanspruch nach § 109 AO verjährt nicht vor dem Steueranspruch.

 

Normenkette

AO § 109 Abs. 1, §§ 143-144, 149

 

Gründe

Auch der vom Bf. wiederholt vorgetragene Einwand der Verjährung der Haftungsschuld vermag nicht durchzugreifen. Die Verjährung der im Jahre 1954 entstandenen Abgabenansprüche, für die die einjährige Verjährungsfrist des § 144 AO gilt, ist gegenüber der Gewerkschaft X. als Steuerschuldnerin ausweislich der Akten in den Jahren 1955 und 1956 unterbrochen worden, und demnach ist der Steueranspruch ihr gegenüber zur Zeit des Erlasses des Haftungsbescheids vom 21. August 1957 noch nicht verjährt gewesen (ß 147 AO). Wie die Vorinstanz zutreffend ausgeführt hat, läuft die Verjährungsfrist zwar gegen den Steuerschuldner und den Haftungsschuldner grundsätzlich gesondert (vgl. Hübschmann-Hepp-Spitaler, Kommentar zur Reichsabgabenordnung, Anmerkung 1 zu § 149). Es ist der Vorinstanz aber darin beizupflichten, daß dieser Grundsatz auf den Fall der Haftung nach § 109 AO keine Anwendung finden kann. Denn es würde dem Sinn und Zweck dieser Bestimmung, bei der die Haftung des Vertreters für die durch sein Verschulden entstandenen Steuerausfälle oder zu Unrecht gewährten Steuervorteile eben auf diese Verschulden gegründet ist, widersprechen, wenn der Haftungsanspruch vor dem Steueranspruch verjähren könnte (vgl. hierzu auch das Urteil des Reichsfinanzhofs I 345/38 vom 17. Januar 1939, RStBl 1939 S. 325 = Steuer und Wirtschaft 1939 Nr. 192). Die Haftung aus § 109 AO sichert die Geltendmachung des durch Verschulden des Vertreters verkürzten Steueranspruchs dadurch, daß sie in seiner Person eine zweite Verbindlichkeit begründet, die inhaltlich mit der ursprünglichen Steuerforderung, soweit diese verkürzt ist, übereinstimmt. Diese beiden Ansprüche stehen mit dem Verhalten und der Verantwortlichkeit des Vertreters und daher auch miteinander in einem so engen Zusammenhang, daß, solange der verkürzte Steueranspruch verfolgbar ist (weil nicht verjährt), derjenige, auf dessen Verschulden die Verkürzung beruht, auch selbst mit einer Inanspruchnahme als Haftender rechnen muß (im Ergebnis ohne Begründung zustimmend Hübschmann-Hepp-Spitaler, Kommentar zur Reichsabgabenordnung, Randziffer 3 zu § 109 und § 143). Er kann sich nicht mit Recht darauf berufen, ihm gegenüber sei die Geltendmachung des Haftungsanspruchs nicht mehr möglich, weil dieser Anspruch verjährt sei. Es muß demnach nach Auffassung des Senats genügen, daß im Streitfalle der Haftungsanspruch geltend gemacht wurde, solange der Steueranspruch noch nicht verjährt war.

 

Fundstellen

Haufe-Index 424075

BStBl III 1960, 23

BFHE 1960, 60

BFHE 70, 60

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