Entscheidungsstichwort (Thema)

Verzugszinsen aus dem Verkauf eines Hauses alsEinnahmen aus Vermietung und Verpachtung -- Verrechnung mit Kreditzinsen für ein anderes Haus

 

Leitsatz (NV)

1. Verfügt der Verkäufer eines Hauses schon im Kaufvertrag, daß der Kaufpreis unmittelbar zur Ablösung von Krediten für ein selbstgenutztes weiteres Haus verwendet wird, so gehören Verzugszinsen für die verspätete Zahlung des Kaufpreises zu den Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung.

2. In Höhe dieser Einnahmen können Schuldzinsen als Werbungskosten abgezogen werden; die pauschalierte Ermittlung des Nutzungswerts steht dem nicht entgegen.

 

Normenkette

EStG 1983 § 20 Abs. 1 Nr. 8, Abs. 3, §§ 21, 21a

 

Verfahrensgang

FG Baden-Württemberg

 

Tatbestand

Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) werden als Eheleute zur Einkommensteuer zusammenveranlagt. Im September 1982 bezogen sie ein Einfamilienhaus, das der Kläger erworben und für dessen Kauf und Umbau er Kredite von insgesamt rund 543 000 DM, davon 526 000 DM bei der Sparkasse X, aufgenommen hatte. Im Dezember 1982 verkauften die Kläger ein ihnen gehörendes und bisher vermietetes Zweifamilienhaus, um aus dem Kaufpreis (380 000 DM) die Kredite für das Einfamilienhaus zurückzuführen. Nach dem notariell beurkundeten Kaufvertrag war der Kaufpreis auf ein Konto der Sparkasse X im Treuhandauftrag zu überweisen. Er war am 15. Februar 1983 fällig und bei späterer Zahlung mit 10 v. H. zu verzinsen. Die Käuferin geriet mit der Zahlung des Kaufpreises in Verzug. Sie überwies ihn vom 4. März bis zum 17. August 1983 in fünf Teilbeträgen unmittelbar auf Baufinanzierungs- und Darlehenskonten sowie ein Girokonto des Klägers bei der Sparkasse X. Durch die Überweisungen wurden die Darlehensverbindlichkeiten des Klägers zum Teil unmittelbar getilgt; die auf dem Girokonto gutgeschriebene letzte Rate verwendete die Sparkasse am selben Tag ebenfalls zum Ausgleich der Darlehensverbindlichkeiten. Der restliche Darlehensbetrag wurde dem Girokonto belastet. Zum 31. März und 30. Juni 1983 forderte der Kläger von der Käuferin die bis dahin aufgelaufenen Verzugszinsen an, weil er selbst jeweils zum Quartalsende zinspflichtig sei. Die entsprechenden Zahlungen der Käuferin wurden ebenfalls unmittelbar dem Darlehenskonto des Klägers gutgeschrieben. Den letzten Zinsbetrag (1 462,80 DM) für die Zeit bis zum 17. August 1983 überwies die Käuferin am 27. September 1983 auf das Girokonto des Klägers. Insgesamt betrugen die Verzugszinsen 10 017 DM.

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt -- FA --) beurteilte für das Streitjahr 1983 anteilige Schuldzinsen für den vom Kläger beruflich genutzten Teil des Einfamilienhauses als Betriebsausgaben (4 735,21 DM). Im übrigen zog das FA die Schuldzinsen nur in Höhe des Grundbetrags (613 DM) nach § 21 a Abs. 3 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) ab; der überwiegende Teil (21 002,31 DM) blieb aufgrund der Pauschalierung nach § 21 a EStG unberücksichtigt.

Das FA erfaßte im Anschluß an eine Außenprüfung die vereinnahmten Verzugszinsen von 10 017 DM als Einnahmen aus Kapitalvermögen des Klägers.

Die dagegen von den Klägern nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobene Klage hatte Erfolg. Das Finanzgericht (FG) führte aus: Verzugszinsen seien im allgemeinen Einkünfte aus Kapitalvermögen. Nach § 20 Abs. 3 EStG seien sie aber vorrangig den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung zuzurechnen, wenn das Kapital zur Tilgung von Darlehen bestimmt sei, die im Rahmen dieser Einkunftsart aufgenommen worden seien. In diesem Fall seien den Verzugszinsen die weiterhin entstehenden Schuldzinsen als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung gegenüberzustellen. Die Beschränkung des Schuldzinsenabzugs nach § 21 a Abs. 3 EStG gelte nicht, soweit neben dem Nutzungswert Einnahmen anfielen, die nicht durch den Nutzungswert erfaßt seien.

Mit der Revision rügt das FA die Verletzung der §§ 9, 20, 21 a EStG.

Zu Unrecht habe das FG die Verzugszinsen den Einkünften des Klägers aus Vermietung und Verpachtung zugeordnet. Die Verwendung des Veräußerungserlöses aus dem Verkauf des Zweifamilienhauses habe im freien Ermessen der Kläger gestanden. Der bloße zeitliche Zusammenhang ersetze nicht den fehlenden wirtschaftlichen Zusammenhang.

Während des Revisionsverfahrens hat das FA den Steuerbescheid mehrfach nach § 175 Abs. 1 Nr. 1 und § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 der Abgabenordnung (AO 1977) geändert und dabei die Steuerfestsetzung des FG unterschritten. Diese Änderungen berühren den Streitstoff nicht. Ferner hat das FA den gemäß § 54 EStG i. d. F. des Art. 1 Nr. 18 des Steueränderungsgesetzes 1991 erhöhten Kinderfreibetrag berücksichtigt und die Steuerfestsetzung insoweit und in weiteren Punkten für vorläufig erklärt.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet. Sie ist mit der Maßgabe zurückzuweisen, daß die Einkommensteuer nach einem um die streitigen Verzugszinsen verringerten zu versteuernden Einkommen festgesetzt wird (§ 126 Abs. 2, §§ 68, 123 Satz 2, § 100 Abs. 2 Satz 1 FGO).

1. Das FG hat zu Recht die vom Kläger vereinnahmten Verzugszinsen den Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung zugeordnet und von ihnen in gleicher Höhe Schuldzinsen als Werbungkosten nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 EStG abgezogen.

a) Zutreffend ist das FG davon ausgegangen, daß Verzugszinsen im allgemeinen als Zinsen aus sonstigen Kapitalforderungen jeder Art zu den Einnahmen aus Kapitalvermögen gehören (§ 20 Abs. 1 Nr. 8 EStG 1983 in der für das Streitjahr maßgebenden Fassung). Auch im Falle des Schuldnerverzugs überläßt der Gläubiger Kapital zur Nutzung, weil er sich für die Zeit des Verzugs mit der Nichtzahlung abfinden muß (Urteile des Bundesfinanzhofs -- BFH -- vom 29. September 1981 VIII R 39/79, BFHE 134, 281, 284 f., BStBl II 1982, 113, und vom 9. Mai 1989 VIII R 184/82, BFH/NV 1990, 283, 284). Verzugszinsen sind daher, auch wenn sie zivilrechtlich betrachtet Schadensersatzleistungen darstellen, steuerrechtlich als Entgelt für die erzwungene Kapitalüberlassung zu beurteilen (BFH in BFHE 134, 281, 286, BStBl II 1982, 113).

b) Im Streitfall hat das FG die strittigen Verzugszinsen jedoch zu Recht nach § 20 Abs. 3 EStG als Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung eingeordnet.

Nach dieser Vorschrift sind Einkünfte der in § 20 Abs. 1 und 2 EStG bezeichneten Art u. a. den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung zuzurechnen, soweit sie zu diesen gehören. Der Vorrang der Einkunftsart Vermietung und Verpachtung vor der Einkunftsart Kapitalvermögen bewirkt, daß Einnahmen und Werbungskosten statt den Einkünften aus Kapitalvermögen denjenigen aus Vermietung und Verpachtung zuzurechnen sind. Die Verdrängung der Einkunftsart Kapitalvermögen durch die Einkunftsart Vermietung und Verpachtung tritt ein, wenn ein Sachverhalt den Tatbestand der Erzielung von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung verwirklicht; sie tritt auch ein, wenn Einnahmen oder Werbungskosten mit einer Verwirklichung des Tatbestandes der Erzielung von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung in wirtschaftlichem Zusammenhang stehen (BFH-Urteile vom 9. November 1982 VIII R 188/79, BFHE 137, 300, 301 f., BStBl II 1983, 172, und vom 8. April 1986 VIII R 260/82, BFHE 146, 408, 410 f., BStBl II 1986, 557). Ein wirtschaftlicher Zusammenhang von Verzugszinsen mit den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung besteht von dem Zeitpunkt an, zu dem sich anhand objektiver Umstände feststellen läßt, daß der Entschluß, mit dem zinsbringenden Geldbetrag Einkünfte aus dieser Einkunftsart zu erzielen, endgültig gefaßt worden ist. Der Wille, mit dem Geldbetrag Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung zu erzielen, muß aus äußeren Umständen erkennbar sein und in ein konkretes Stadium getreten sein (vgl. Urteil des Senats vom 4. Juni 1991 IX R 30/89, BFHE 164, 364, 366 f., BStBl II 1991, 761).

Einen solchen wirtschaftlichen Zusammenhang hat die BFH-Rechtsprechung für Guthabenzinsen aus Bausparverträgen bejaht, wenn mit den Einzahlungen auf die Bausparverträge die Gewährung eines Bauspardarlehens zur Hausfinanzierung bezweckt und zeitlich absehbar war und wenn aus dem so finanzierten Haus Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung erzielt wurden (BFH in BFHE 137, 300, 302, BStBl II 1983, 172; BFH-Urteile vom 9. November 1982 VIII R 198/81, BFHE 137, 304, 307, BStBl II 1983, 297; vom 8. Februar 1983 VIII R 163/81, BFHE 138, 202, 206, BStBl II 1983, 355; vom 18. Februar 1992 VIII R 94/90, BFHE 168, 512, 516, BStBl II 1992, 1005; vom 8. Dezember 1992 VIII R 78/89, BFHE 169, 442, 444, BStBl II 1993, 301; a. A. Blümich/Stuhrmann, § 20 EStG Rz. 348; Schmidt/Heinicke, Einkommensteuergesetz, 13. Aufl. 1994, § 20 Anm. 50 b cc m. w. N.).

Ein entsprechender wirtschaftlicher Zusammenhang zwischen vereinnahmten Zinsen und Einkünften aus Vermietung und Verpachtung kann auch dann bestehen, wenn Verzugszinsen für den Kaufpreis aus der Veräußerung eines Hauses anfallen, der zur Finanzierung eines anderen Hauses bestimmt ist, aus dem Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung erzielt werden. Allerdings ist der Revision darin zuzustimmen, daß der Kaufpreis im allgemeinen dem Verkäufer zur freien Verfügung zufließt und es in dessen Belieben steht, wie die Mittel verwendet werden. Allein der Entschluß des Verkäufers, den Kaufpreis sodann zur Ablösung von auf einem anderen Haus lastenden Krediten zu verwenden, vermag einen wirtschaftlichen Zusammenhang mit den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung noch nicht zu begründen. Ein bloßer Willensakt reicht dafür nicht aus (vgl. Urteil des Senats vom 21. November 1989 IX R 10/84, BFHE 159, 68, BStBl II 1990, 213). Etwas anderes gilt aber jedenfalls dann, wenn der Verkäufer in Vollzug seiner Absicht, den Kaufpreis zur Hausfinanzierung und damit zur Erzielung von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung einzusetzen, schon beim Verkauf im vorhinein über den Kaufpreis so verfügt, daß er ihn von Anfang an in seiner Verwendung zur Erzielung von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung festlegt. Unter diesen Voraussetzungen ist der Kaufpreis wirtschaftlich ebenso zu beurteilen wie ein zur Hausfinanzierung bestimmtes Bausparguthaben. Die darauf entfallenden Verzugszinsen sind dann -- wie die Guthabenzinsen aus einem Bausparvertrag -- nicht den Einkünften aus Kapitalvermögen, sondern nach § 20 Abs. 3 EStG den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung zuzurechnen.

Diese Voraussetzungen sind im Streitfall erfüllt. Der Kläger hatte den Kaufpreis nicht zunächst zur freien Verfügung erhalten und sodann über dessen Verwendung entschieden, sondern er hatte schon im Kaufvertrag die Käuferin angewiesen, den Kaufpreis auf ein Konto der Sparkasse X, die ihm die Kredite für das Einfamilienhaus gewährt hatte, im Treuhandauftrag zu überweisen. Die einzelnen verspätet eingegangenen Kaufpreisraten sind jeweils unmittelbar an die Sparkasse geflossen und dort zur Tilgung der Kredite des Klägers verwandt worden. Dies gilt nach den Feststellungen des FG auch für die letzte Kaufpreisrate, die auf ein Girokonto des Klägers bei der Sparkasse überwiesen worden ist. Damit stand von Anfang an fest, daß der Kaufpreis allein zur Finanzierung des Einfamilienhauses eingesetzt werden würde. Dies begründet nach den oben dargelegten Grundsätzen einen wirtschaftlichen Zusammenhang mit den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung.

c) Zutreffend hat das FG von den vom Kläger in Form der Verzugszinsen erzielten Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung in gleicher Höhe Schuldzinsen für das selbstgenutzte Einfamilienhaus als Werbungskosten (§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 EStG) abgezogen. § 21 a Abs. 3 EStG steht dem Abzug der Werbungskosten nicht entgegen. Die Beschränkung des Schuldzinsenabzugs nach dieser Vorschrift gilt insoweit nicht, als neben dem Nutzungswert Einnahmen anfallen, die -- wie die strittigen Verzugszinsen -- nicht durch den Nutzungswert erfaßt sind (BFH in BFHE 137, 300, 303, BStBl II 1983, 172 und in BFHE 137, 304, 307, BStBl II 1983, 297). Der Teil der Schuldzinsen, der im Streitfall nicht schon als Betriebsausgaben und in Höhe des Grundbetrages nach § 21 a Abs. 3 EStG als Werbungskosten berücksichtigt worden ist, ist danach bis zur Höhe der vereinnahmten Verzugszinsen als Werbungskosten abziehbar.

2. Da die Vorentscheidung rechtsfehlerfrei ergangen ist, ist die Revision des FA als unbegründet zurückzuweisen. Darüber hinaus hat der Senat nach §§ 100, 121 FGO über die Klage zu entscheiden, die die Kläger nach §§ 68, 123 Satz 2 FGO gegen den während des Revisionsverfahrens ergangenen Änderungsbescheid vom 8. April 1994 gerichtet haben. Die Steuerfestsetzung dieses Änderungsbescheids unterschreitet die des FG, berührt den Streitstoff dieses Verfahrens jedoch nicht. Die in dem Antrag nach § 68 FGO und dem unveränderten Rechtsschutzbegehren in der Sache liegende Klageerweiterung ist zulässig (BFH-Urteil vom 27. Oktober 1992 IX R 152/89, BFHE 170, 57, 61, BStBl II 1993, 589). Die Steuerfestsetzung durch den Senat hält sich, obwohl sie die des FG unterschreitet, im Rahmen des Antrags des FA, die Klage abzuweisen, weil sich die Klage nunmehr gegen den Änderungsbescheid richtet (BFH, a.a.O.).

 

Fundstellen

Haufe-Index 65055

BFH/NV 1995, 106

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