Leitsatz (amtlich)

1. Die Finanzbehörden überschreiten das ihnen in § 3 ZRFG eingeräumte Ermessen nicht dadurch, daß sie Sonderabschreibungen für im Zonenrandgebiet belegene Gebäude nur dann gewähren, wenn diese Gebäude vom Steuerpflichtigen zum ausschließlichen oder fast ausschließlichen eigenbetrieblichen Gebrauch errichtet oder erworben wurden.

2. Wird ein zum Betriebsvermögen gehörendes Gebäude nach seiner Fertigstellung an Dritte vermietet, so liegt hierin in der Regel kein eigenbetrieblicher Gebrauch.

 

Normenkette

ZRFG § 3

 

Verfahrensgang

Hessisches FG

 

Tatbestand

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist eine KG, die in ... ein Speditionsgeschäft betreibt. Im Jahre 1972 errichtete sie auf einem Grundstück, das einem ihrer Gesellschafter (A) gehörte, eine Lagerhalle. Die Herstellungskosten betrugen 188 844,71 DM. Die Halle vermietete sie ab 1. Januar 1973 an ein anderes Unternehmen für dessen betriebliche Zwecke.

Mit Schreiben vom 17. August 1973 beantragte die Klägerin, ihr für die Lagerhalle eine Sonderabschreibung nach § 3 des Zonenrandförderungsgesetzes (ZRFG) vom 5. August 1971 (BGBl I, 1237, BStBl I, 370) in Höhe von 54 375 DM zu gewähren.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt -- FA --) lehnte den Antrag mit Bescheid vom 10. Juni 1975 ab, da die Lagerhalle nicht überwiegend eigenbetrieblichen Zwecken diene.

Beschwerde und Klage hatten keinen Erfolg.

Mit der Revision rügt die Klägerin die Verletzung materiellen Rechts.

Sie beantragt u.a., das Urteil des Finanzgerichts (FG) aufzuheben, das FA zu verpflichten, ihr eine Sonderabschreibung nach dem ZRFG in Höhe von 54 375,80 DM zu gewähren und die Gewinnfeststellungsbescheide für die Jahre 1972 und 1973 vom 12. August 1975 aufzuheben.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet. Das FG hat zu Recht entschieden, daß es keinen Ermessensverstoß bedeutet, der Klägerin die von ihr beantragte Sonderabschreibung nach § 3 ZRFG zu versagen.

1. Der Senat geht davon aus, daß die Halle, für die die Klägerin die Sonderabschreibung begehrt, in ihrem wirtschaftlichen Eigentum (§ 11 des Steueranpassungsgesetzes -- StAnpG --; nunmehr § 39 Abs. 2 Nr. 1 der Abgabenordnung -- AO 1977 --) stand. Die Halle wurde zwar auf einem der Klägerin nicht gehörenden Grund und Boden errichtet; dies steht indessen ihrer Zurechnung zum Betriebsvermögen der Klägerin nicht entgegen (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs -- BFH -- vom 31. Oktober 1978 VIII R 182/75, BFHE 127, 163, BStBl II 1979, 399). Die Klägerin war deshalb berechtigt, etwaige auf die Halle bezogene Steuervergünstigungen in eigener Person geltend zu machen. Dies wird auch von keiner Seite in Frage gestellt.

2. Dem FG ist darin beizupflichten, daß die Versagung der Sonderabschreibung einer pflichtgemäßen Ermessensausübung entspricht.

a) Nach § 3 Abs. 1 ZRFG kann bei Steuerpflichtigen, die in einer gewerblichen Betriebsstätte im Zonenrandgebiet Investitionen vornehmen, im Hinblick auf die wirtschaftlichen Nachteile, die sich aus den besonderen Verhältnissen dieses Gebiets ergeben, auf Antrag zugelassen werden, daß bei den Steuern vom Einkommen einzelne Besteuerungsgrundlagen, soweit sie die Steuern mindern, schon zu einem früheren Zeitpunkt berücksichtigt werden; insbesondere dürfen unter bestimmten Voraussetzungen bei Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens Sonderabschreibungen gewährt werden (§ 3 Abs. 2 ZRFG).

Die Vorschrift des § 3 ZRFG enthält die rechtliche Grundlage für Ermessensentscheidungen der Verwaltung. Der durch § 3 ZRFG gezogene Ermessensrahmen ermächtigt die Finanzverwaltung, die Gewährung von Sonderabschreibungen von Voraussetzungen abhängig zu machen, die im Gesetz selbst nicht genannt sind, sofern diese zusätzlichen Voraussetzungen einer sachgerechten Ermessensausübung entsprechen (BFH-Urteile vom 28. April 1977 IV R 163/75, BFHE 122, 121, BStBl II 1977, 553, und vom 27. Juli 1977 I R 169/74, BFHE 123, 327, BStBl II 1978, 10).

b) Soweit die Behörden ermächtigt sind, nach ihrem Ermessen zu entscheiden, ist im finanzgerichtlichen Verfahren zu prüfen, ob der Verwaltungsakt oder die Ablehnung des Verwaltungsakts rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist (§ 102 der Finanzgerichtsordnung -- FGO --). Hierbei sind auch die Verwaltungsrichtlinien, die die obersten Finanzbehörden zur einheitlichen Handhabung des Ermessens erlassen haben, auf das Vorliegen eines etwaigen Ermessensfehlgebrauchs zu überprüfen.

c) Die zur Anwendung des § 3 ZRFG ergangenen Verwaltungsvorschriften (Schreiben des Bundesministers für Wirtschaft und Finanzen -- BMWF -- vom 18. August 1971 F/IV B 2 -- S 1915 -- 73/71, BStBl I 1971, 386) sehen in Abschn. I Nr. 2 Abs. 1 Nr. 2 folgendes vor:

"Sonderabschreibungen kommen in Betracht

1. ...

2. für im Zonenrandgebiet belegene abnutzbare unbewegliche Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens, die vom Steuerpflichtigen zum ausschließlichen oder fast ausschließlichen eigenbetrieblichen Gebrauch errichtet oder erworben worden sind. ..."

Diese richtlinienmäßige Begrenzung der Sonderabschreibungen entspricht einer sachgemäßen Ermessensausübung.

Die Gewährung von Steuervergünstigungen nach dem ZRFG verfolgt den Zweck, die Wirtschaftskraft des Zonenrandförderungsgebiets dauerhaft zu stärken. Die Vergünstigungen sollen zu einer Verbesserung der Wirtschaftslage der im Zonenrandgebiet belegenen Betriebsstätten und damit der gesamten Wirtschaftsstruktur des Gebiets beitragen (Schreiben des BMWF vom 18. August 1971). An dieser Zweckbestimmung gemessen ist es nicht sachwidrig, die Vergünstigungen für abnutzbare unbewegliche Wirtschaftsgüter auf solche Investitionen im Zonenrandgebiet zu beschränken, die zum ausschließlichen oder fast ausschließlichen eigenbetrieblichen Gebrauch errichtet oder erworben werden.

Der eigenbetriebliche Gebrauch eines abnutzbaren unbeweglichen Wirtschaftsguts -- also eines Gebäudes oder Gebäudeteils -- steht im Gegensatz zum Gebrauch für eigene oder fremde Wohnzwecke oder zum Gebrauch für fremde gewerbliche Zwecke. Es liegt auf der Hand, daß durch die unmittelbare eigenbetriebliche Nutzung eines Gebäudes die wirtschaftliche Lage der im Zonenrandgebiet belegenen Betriebsstätten am ehesten gefördert werden kann. Dieser Überlegung wird auch bei der Anwendung anderer Rechtsvorschriften, die die Förderung von Investitionen zum Gegenstand haben, Rechnung getragen. So wird z. B. bei der Anwendung des Investitionszulagengesetzes (InvZulG) 1969 die Gewährung von Steuervergünstigungen auf eigenbetrieblich genutzte Gebäude (bzw. Gebäudeteile) beschränkt (vgl. BFH-Urteil vom 20. Mai 1977 III R 135/74, BFHE 122, 382, BStBl II 1977, 734).

d) Das Vermieten oder Verpachten von Gebäuden oder Gebäudeteilen dient in aller Regel nicht den eigengewerblichen Zwecken eines Unternehmens (vgl. Söffing in Eberstein, Handbuch der regionalen Wirtschaftsförderung, Förderung des Zonenrandgebiets, B IV 2 3. 4332). Hiervon gibt es zwar Ausnahmen wie z. B. das gewerbliche Vermieten von Ferienwohnungen (vgl. hierzu BFH-Urteil vom 25. Juni 1976 III R 167/73, BFHE 119, 336, BStBl II 1976, 728). Bei Spediteuren oder Frachtführern gehört jedoch das Vermieten oder Verpachten von Gebäuden nicht zum Unternehmenszweck.

Ein Spediteur (§§ 407 ff. des Handelsgesetzbuches -- HGB --) oder Frachtführer (§§ 425 ff. HGB) wird allerdings häufig die gewerbsmäßige Lagerung und Aufbewahrung von Gütern übernehmen. In einem solchen Fall ist der Unternehmenszweck auch auf das Lagergeschäft (§ 416 HGB) gerichtet. Die Benutzung von eigenen Lagerhallen wäre dann als "eigenbetrieblicher Gebrauch" anzusehen; die Errichtung solcher Lagerhallen würde die Gewährung der Sonderabschreibung nach § 3 ZRFG rechtfertigen. -- Dagegen liegt es nicht mehr im Rahmen einer gewerblichen Lagerhaltung, wenn ein zum Betriebsvermögen gehörendes Gebäude an ein anderes Unternehmen vermietet wird. Lagerhaltung und Vermietung von Gebäuden sind ihrem wirtschaftlichen Gehalt nach deutlich voneinander unterschieden. Der Lagerhalter hat Güter zu lagern und aufzubewahren. Dazu genügt die bloße Bereitstellung von Lagerraum nicht; der Lagerhalter muß vielmehr Obhutspflichten übernehmen. Diese Obhutspflichten bilden den Schwerpunkt seiner Verpflichtung (Koller in Großkommentar zum HGB, 3. Aufl., § 416 Anm. 6). Im Rahmen eines Mietverhältnisses hat dagegen der Vermieter in erster Linie lediglich die zur Lagerung erforderlichen Räume zur Verfügung zu stellen, während der Einlagerer selbst für die Obhut über das eingelagerte Gut zu sorgen hat (Koller, a. a. O., § 416 Anm. 8).

e) Im Streitfall hat das FG zu Recht angenommen, daß ein "eigenbetrieblicher Gebrauch" der Lagerhalle nicht vorlag.

Es mag zutreffen, daß die Klägerin die Halle ursprünglich als Lagerhalterin im Sinne des § 416 HGB verwenden wollte. Hierzu ist es jedoch nicht gekommen. Die mit der B-GmbH am 17. Februar 1972 über die Benutzung der Lagerhalle getroffene Vereinbarung hatte kein Lagergeschäft zum Gegenstand. Die Vereinbarung ist vielmehr als "Mietvertrag" bezeichnet und enthält auch alle wesentlichen Merkmale eines Mietvertrags. Bei dieser Sachlage fehlte es an einem "eigenbetrieblichen Gebrauch" der Lagerhalle. Wie das FG zutreffend ausgeführt hat, wurde die Halle vielmehr zu fremdgewerblichen Zwecken genutzt.

3. Auf ihr Vertrauen in den Fortbestand einer früher gehandhabten Verwaltungspraxis, nach der eine Steuervergünstigung in Fällen der hier vorliegenden Art gewährt worden sein soll, kann sich die Klägerin nicht berufen.

Der Senat läßt dabei dahinstehen, ob nach der vor Inkrafttreten des ZRFG bestehenden Verwaltungspraxis (vgl. hierzu Söffing, Förderung des Zonenrandgebiets, a. a. O., B IV 2. 1) unter den hier vorliegenden tatsächlichen Voraussetzungen eine Sonderabschreibung hätte gewährt werden können. Fest steht jedenfalls, daß die von der Klägerin gemachte Investition bereits in den zeitlichen Anwendungsbereich des ZRFG fällt (vgl. BFHE 122, 121, BStBl II 1977, 553). Nach § 3 Abs. 7 ZRFG sind die Vorschriften des § 3 Abs. 1 bis 6 ZRFG erstmals auf nach dem 31. Dezember 1970 gestellte Anträge anzuwenden, es sei denn, daß die Anträge Wirtschaftsgüter betreffen, die vor dem 1. Januar 1971 angeschafft oder hergestellt worden sind.

Im Streitfall ist die Lagerhalle erst im Jahre 1972 errichtet worden. Zu dieser Zeit waren sowohl das ZRFG vom 5. August 1971 als auch die hierzu ergangenen Verwaltungsrichtlinien im Schreiben des BMWF vom 18. August 1971 bereits bekannt. Auf ein Fortbestehen der früheren, nur auf § 131 Abs. 2 der Reichsabgabenordnung gestützten Verwaltungspraxis des Zonenrandförderungsprogramms der Bundesregierung konnte die Klägerin schon deshalb nicht vertrauen, weil der BFH bereits mit Urteil vom 9. Juli 1970 IV R 34/69 (BFHE 99, 448, BStBl II 1970, 696) dieser früheren Verwaltungspraxis die rechtliche Anerkennung versagt hatte.

4. Mit ihrer Revision hat die Klägerin außer ihrem bisher schon verfolgten Prozeßziel, die Sonderabschreibung nach dem ZRFG für die von ihr erstellte Halle zu erlangen, auch noch beantragt, die Gewinnfeststellungsbescheide für die Jahre 1972 und 1973 vom 12. August 1975 aufzuheben. Da die genannten Bescheide bisher nicht Gegenstand des Verfahrens waren, stellt der Antrag der Klägerin eine Erweiterung des Beschwerde- und Klagebegehrens dar. Eine solche Erweiterung kann im Revisionsverfahren nicht berücksichtigt werden (§ 123 FGO).

Das Wesen des Revisionsverfahrens besteht darin, die Rechtmäßigkeit einer gerichtlichen Entscheidung zu überprüfen. Eine solche Entscheidung liegt aber nur insoweit vor, als sie durch den Klageantrag begehrt worden war. Über ein Begehren, das erstmals in der Revisionsinstanz durch Erweiterung des Klageantrags anhängig gemacht wird, ist gerichtlich noch nicht entschieden, so daß es insoweit an einem Gegenstand der revisionsgerichtlichen Nachprüfung fehlt (BFH-Urteil vom 4. April 1974 IV R 7/71, BFHE 112, 331, BStBl II 1974, 522).

 

Fundstellen

Haufe-Index 74662

BStBl II 1983, 532

BFHE 1983, 292

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