Entscheidungsstichwort (Thema)

Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Der Nießbraucher ist regelmäßig nicht wirtschaftlicher Eigentümer des belasteten Grundstückes. Deshalb stehen ihm in der Regel die AfA nicht zu.

Wer ein Grundstück unter Vorbehalt des Nießbrauchs unentgeltlich übereignet, kann auf das Nießbrauchsrecht keine Absetzungen für Abnutzung machen.

 

Normenkette

EStG §§ 7, 7b, 9/6; EStDV § 27; StAnpG § 11 Ziff. 4

 

Tatbestand

In zwei notariellen Verträgen vom Jahre 1958 und 1959 übereignete der Steuerpflichtige (Stpfl.) einem Sohn und einer Tochter unentgeltlich je ein Miethaus. Die Erwerber erklärten sich mit dieser übertragung am Elternvermögen für abgefunden und verzichteten auf künftige Erb- und Pflichtteilansprüche. Zugleich bestellten sie Vater und Mutter an den Grundstücken unentgeltlich den lebenslangen Nießbrauch gemäß §§ 1030 ff. BGB mit dem Recht, die Grundstücke zu verwalten und zu nutzen. Besitz, Nutzungen und Lasten sollten erst mit der Beendigung des Nießbrauchs auf die beiden Kinder übergehen. Der Nießbrauch wurde im Grundbuch eingetragen. Auf dem Grundstück des Sohnes hat der Vater im Jahre 1953 ein Haus gebaut, für das die erhöhten Absetzungen für Abnutzung (AfA) nach § 7b EStG in Betracht kommen.

Bei der Einkommensteuerveranlagung für das Jahr 1962 nimmt der steuerpflichtige Vater die AfA nach §§ 7 und 7 b EStG 1961 in Anspruch, weil er auf Grund seines Nießbrauchsrechts wirtschaftlicher Eigentümer der Grundstücke sei. Auch der BFH habe in seiner Entscheidung VI 105/62 vom 18. März 1963 (HFR 1963, 229) einen Nießbraucher, der ein zerstörtes Haus wiederaufgebaut und finanziert hatte, als wirtschaftlichen Eigentümer anerkannt und ihm die AfA zugebilligt. Sohn und Tochter seien mit der AfA durch ihn einverstanden. Das Finanzamt (FA) habe sie ihm auch in den Vorjahren gewährt.

Die Berufung hatte Erfolg. Das Finanzgericht (FG) dessen Urteil in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1965 S. 481 veröffentlicht ist, führte unter Hinweis auf Conze in "Steuer und Wirtschaft" (StuW) 1963 Spalte 221 (224 unter Ziff. 6) und in "Deutsches Steuerrecht" (DStR) 1962/63 S. 698 (S. 700 unter Ziff. 5) aus: Beim Verkauf eines Hauses unter Nießbrauchbestellung an den Veräußerer kalkulierte der Verkäufer bei der Kaufpreisbemessung den Ertragsausfall und den Substanzverzehr während der Nießbrauchszeit ein und mindere den Kaufpreis entsprechend. Honoriere aber der Käufer den Wertverzehr in der Zwischenzeit dem Verkäufer nicht, dann habe er wirtschaftlich eine AfA-Berechtigung erst, wenn der Nießbrauch des Verkäufers ende bzw. wenn bei lebenslangem Nießbrauch die nach der Lebenserwartung einkalkulierte Nießbrauchdauer abgelaufen sei. Bis dahin verbleibe die AfA beim Verkäufer, da er einen um die AfA niedrigeren Kaufpreis erhalte. Gerade für Fälle, in denen Eltern in vorweggenommener Erbregelung ein Wohngrundstück unter Vorbehalt des lebenslänglichen Nießbrauchs auf ein Kind übertragen, müsse die wirtschaftliche Betrachtungsweise ausschlaggebend sein. Denn wirtschaftlich erhalte das Kind das Haus in dem Zustand, in dem es sich wertmäßig bei Beendigung des Nießbrauchs befinde, also gemindert um die zwischenzeitliche Abnutzung. So verbrauche auch hier der Stpfl. den Wert des Hauses trotz der übereignung insoweit noch selbst, als der abschreibungsfähige Anfangswert der Gebäude anteilmäßig auf die Nießbrauchszeit entfalle. Darum habe er auch das Recht der AfA nach § 7 und der erhöhten AfA nach § 7 b EStG.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision, mit der das FA unrichtige Rechtsanwendung rügt, hat Erfolg.

Nach § 1030 BGB ist der Nießbrauch ein dingliches Recht, kraft dessen dem Berechtigten die Nutzungen der Sache zustehen. Bei Nießbrauch an einem Grundstück sind die Einkünfte aus Vermietung oder aus Eigennutzung (§ 21 Abs. 1 und 2 EStG) dem Nießbraucher unmittelbar zuzurechnen (Entscheidungen des Senats VI 216/62 U vom 30. August 1963 BFH 78, 147, BStBl III 1964, 59; VI 165/63 U vom 7. August 1964, BFH 80, 282, BStBl III 1964, 576). Im Streitfall ist der Nießbrauch unbestritten bürgerlich-rechtlich einwandfrei bestellt und durchgeführt worden.

Die AfA steht dem wirtschaftlichen Eigentümer zu. Da im allgemeinen das bürgerlich-rechtliche und das wirtschaftliche Eigentum zusammentreffen, müssen besondere Tatsachen dafür dargelegt werden, daß sie ausnahmsweise nicht zusammenfallen (Entscheidungen des Senats VI 255/62 vom 4. Dezember 1962, HFR 1964 S. 2 und VI 52/63 vom 31. Januar 1964, HFR 1964 S. 204). Das ist beim Nießbrauch gewöhnlich nicht der Fall. Wirtschaftliches Eigentum bedeutet die Befugnis, unter Ausschluß des bürgerlich- rechtlichen Eigentümers über den Sachwert zum eigenen Vorteil verfügen zu dürfen. Es muß im Sinne des § 11 Ziff 4 StAnpG Eigenbesitz bestehen. Davon kann beim Nießbrauch keine Rede sein. Der Nießbraucher hat den belasteten Gegenstand nicht als Eigentum, sondern er gehört einem anderen. Der Nießbraucher übt nur einen abgeleiteten Besitz aus. Er kann zwar nach § 1030 BGB die Nutzungen ziehen; aber er darf das Wirtschaftsgut z. B. nicht verkaufen und den Erlös in sein Vermögen überführen; er darf auch die Sache nicht belasten. Der Nießbraucher ist Fremdbesitzer, nicht Eigenbesitzer. Darum gewährt die Rechtsprechung des BFH regelmäßig dem Nießbraucher nicht das Recht zur AfA (Entscheidungen des Senats VI 74/55 U vom 5. Juli 1957, BFH 65, 419, BStBl III 1957, 393; VI 284/62 vom 8. April 1964, HFR 1964 S. 343; VI 124/65 vom 6. Juli 1966, BFH 86, 578, BStBl III 1966, 584). Die AfA stehen vielmehr dem bürgerlich-rechtlichen Eigentümer zu, der auch den durch die Nutzung des Nießbrauchers bedingten Wertverzehr wirtschaftlich trägt.

Die vom Stpfl. angeführte Entscheidung des Senats VI 105/62 (a. a. O.) bedarf einen Sonderfall. Damals hatte der Nießbraucher selbst den Wiederaufbau des Grundstücks wesentlich dadurch finanziert, daß er auf Teile seiner Einkünfte verzichtet hatte. Im Streitfall war das Gebäude schon lange vor der Bestellung des Nießbrauchsrechts fertiggestellt. Ebenso greift nicht durch, daß der Stpfl. sich wegen der AfA mit seinem Sohn geeinigt hat. Allerdings hat der Senat z. B. im Urteil VI 180/60 U vom 25. August 1961 (BFH 73, 593, BStBl III 1961, 482) zugelassen, daß mehrere an einem Wohnungsbau beteiligte Steuerpflichtige mit einkommensteuerlicher Wirkung die erhöhte AfA des § 7b EStG unter sich nach dem Anteil an den Baukosten - statt nach dem Verhältnis des Miteigentums - verteilen können. Daraus ergibt sich aber nicht, daß Erwerber und Veräußerer eines Hauses über die steuerliche Verrechnung der AfA Vereinbarungen treffen können. öffentliches Recht kann nicht durch bürgerlich-rechtliche Vereinbarungen geändert werden. Wenn auch das FA dem Stpfl. in den Vorjahren die AfA zu Unrecht gewährt hat, so begründet das kein Recht für den Stpfl., daß ihm auch in Zukunft die AfA zusteht. Jedes Kalenderjahr ist ein selbständiger Veranlagungszeitraum (§ 2 Abs. 1 EStG). Bei der tatsächlichen und rechtlichen Beurteilung ist das FA an die Behandlung in früheren Veranlagungszeiträumen in der Regel nicht gebunden (Entscheidung des Senats VI 221/57 U vom 19. September 1958, BFH 67, 396, BStBl III 1958, 425).

Es sei noch darauf hingewiesen, daß nach den Entscheidungen des Senats VI 206/59 U vom 19. Dezember 1960, BFH 72, 97, BStBl III 1961, 37, und VI 81/62 U vom 23. August 1963, BFH 77, 450, BStBl III 1963, 484, bei unentgeltlicher Einzelrechtsnachfolge, wie hier bei einer vorweggenommenen Erbschaft, dem bürgerlichen Recht entsprechend auch das Recht auf die erhöhte AfA nach § 7b EStG auf den Erwerber übergeht. Der unentgeltliche Einzelrechtsnachfolger gilt nicht als Fremderwerber. Im übrigen treten für die AfA durch den Erwerber an die Stelle der Anschaffungs- oder Herstellungskosten (§§ 9 Ziff. 6, 7 Abs. 1 EStG) die Werte, die sich aus § 27 Ziff. 1 b und c EStDV 1961 ergeben.

Die Ausführungen des FG veranlassen den Senat nicht, seine Rechtsauffassung zu ändern. Die Erwägungen des FG, wie bei einem Hausverkauf mit Nießbraucheinräumung für den Verkäufer der Käufer den Kaufpreis (richtiger: den Barpreis) bemessen würde, greifen schon deshalb nicht durch, weil nach § 7 EStG die AfA aus den tatsächlichen "Anschaffungskosten" zu berechnen ist. Dazu zählen nicht nur der Barpreis, sondern auch übernommene oder neu entstehende Belastungen. Die Rechtslage im Falle der Bestellung eines Nießbrauchs ist nicht anders, als wenn eine Restkaufpreishypothek eingeräumt wird. Dann können aus den Erwägungen des FG auch keine zwingenden Schlüsse für den Fall gezogen werden, daß das Grundstück unentgeltlich erworben wird und der Schenker sich ein unentgeltliches Nießbrauchsrecht vorbehält.

Das FG meint, wenn man dem Stpfl. die AfA auf das Haus nicht gewähre, müsse er auf das Nießbrauchsrecht selbst Abschreibungen vornehmen können. Diese Abschreibungen seien nach § 27 Ziff. 2 EStDV 1961 zu berechnen. Auch darin ist dem FG nicht zu folgen. Der Stpfl. hat den Nießbrauch weder entgeltlich noch unentgeltlich "erworben". Er hat sich vielmehr das Recht zur Nutzung bei der Schenkung des Grundstücks zurückbehalten. Das Nießbrauchsrecht, das die vorbehaltene Nutzung in die Rechtsform eines dinglichen Rechts kleidet, unterliegt als solches keiner "Abnutzung". Es erleidet durch seine "Benutzung" in Form der Erzielung von Mietüberschüssen keine Minderung, wie dies § 7 EStG und § 27 EStDV 1961 voraussetzen. Das Recht zur Nutzung auf Lebenszeit haben der Stpfl. und seine Ehefrau uneingeschränkt. Bei Erlöschen des Nießbrauchs wächst als letzte Auswirkung der Schenkung den Kindern das Nutzungsrecht zu, an dessen Ausübung als Eigentümer sie bisher gehindert waren.

Nach allem war die angefochtene Entscheidung, der eine andere Rechtsauffassung zugrunde liegt, aufzuheben. Die Sache ist spruchreif. Der Senat entscheidet dahin, daß die Klage gegen die Einspruchsentscheidung des Steuerausschusses als unbegründet zurückgewiesen wird.

 

Fundstellen

Haufe-Index 412479

BStBl III 1967, 311

BFHE 1967, 168

BFHE 88, 168

BB 1967, 744

DB 1968, 155

DStR 1967, 391

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