Leitsatz (amtlich)

Auch anläßlich der Änderung eines Steuerbescheides nach § 218 Abs. 4 AO können steuerpflichtige Eheleute geltend machen, sie hätten auf eine andere Art veranlagt werden müssen. Dabei darf jedoch der ursprünglich festgesetzte Steuerbetrag nicht unterschritten werden.

 

Normenkette

AO § 218 Abs. 4 a. und n. F, § 234 a. F, § 232 Abs. 1 n. F

 

Tatbestand

Die Revisionskläger (Steuerpflichtigen) sind Eheleute. Der Ehemann war im Streitjahr 1956 als Gesellschafter mit Kapitalmehrheit und einem Gewinnanteil von 50 % an einer OHG beteiligt. Die Ehefrau hatte in dem Betrieb mitgearbeitet und dafür ein Gehalt bezogen.

In dem den Gewinn der OHG für 1956 feststellenden, endgültigen Bescheid vom 19. Mai 1960 war das Gehalt der Ehefrau dem gewerblichen Gewinn des Ehemannes zugerechnet worden.

Im Einkommensteuer-Verfahren hatten die Steuerpflichtigen getrennte Einkommensteuer-Erklärungen eingereicht, wobei der Ehemann seine gewerblichen Einkünfte vermindert um das Gehalt der Ehefrau und die Ehefrau das Gehalt als Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit angaben und beide Ehegatten die eingeschränkte Zusammenveranlagung (§ 26d EStG 1957) beantragten.

Das FA veranlagte die Eheleute jedoch in dem endgültigen Einkommensteuer-Bescheid vom 28. September 1960 uneingeschränkt zusammen, weil in dem die einheitliche Feststellung des Gewinns der OHG betreffenden Verfahren eigene Einkünfte der Ehefrau verneint worden waren.

Inzwischen hatte der Steuerpflichtige gegen den endgültigen Feststellungs bescheid vom 19. Mai 1960 Einspruch eingelegt, zu dessen Begründung er auf das beim BVerfG „hinsichtlich der Zurechnung der Löhne und Gehälter der Ehegatten zum Gewerbegewinn” schwebende Verfahren verwies. Der Einkommen steuer-Bescheid vom 28. September 1960 wurde nicht angefochten.

Im Verlauf des die einheitliche Gewinnfeststellung der OHG betreffenden Einspruchsverfahrens änderte das FA den Feststellungsbescheid nach § 94 AO durch Änderungsbescheid vom 23. Oktober 1962 ab. Es erkannte das Arbeitsverhältnis an und verminderte dementsprechend den gewerblichen Gewinn des Steuerpflichtigen um das Gehalt der Ehefrau (Betriebsausgabe). Durch einen auf § 218 Abs. 4 AO gestützten und gegen beide Ehegatten gerichteten Bescheid vom 28. November 1962 änderte das FA den Einkommen steuer-Bescheid vom 28. September 1960. Es veranlagte die Steuerpflichtigen nach wie vor zusammen, zerlegte jedoch die bisher allein dem Ehemann als gewerbliche Einkünfte zugerechneten Einkünfte in gewerbliche Einkünfte des Mannes und Arbeitslohn der Frau, wobei es bei dieser die Werbungskostenpauschale von 312 DM berücksichtigte.

Dieser Änderungsbescheid ist Gegenstand des gegenwärtigen Verfahrens. Die Steuerpflichtigen legten gegen ihn Einspruch ein und beantragten, getrennt veranlagt zu werden. Sie trugen vor, dieser Antrag sei ursprünglich bereits im Einkommensteuer-Veranlagungsverfahren als Hauptantrag gestellt gewesen und später in den Antrag auf Vornahme einer eingeschränkten Zusammenveranlagung umgewandelt worden. Da der Einkommensteuer-Bescheid auf Grund der Berichtigung des Gewinnfeststellungsbescheids geändert werden müsse, sei jetzt der Antrag auf getrennte Veranlagung zu beachten. Diese sei ohne Rücksicht auf die Höhe der im ursprünglichen Einkommensteuer-Bescheid festgesetzten Einkommensteuer durchzuführen.

Das FA wies den Einspruch zurück mit der Begründung, es sei zwar dem Antrag des Steuerpflichtigen auf getrennte Veranlagung zu entsprechen, jedoch dürfe dies nicht zu einer Unterschreitung des ursprünglich festgesetzten Steuerbetrages führen. Nur soweit, als der Berichtigungstatbestand des § 218 Abs. 4 AO reiche, d. h. soweit der Einkommensteuer-Bescheid im Hinblick auf die Änderung des Gewinnfeststellungsbeschelds berichtigt werden müsse, könne sich der Antrag auf getrennte Veranlagung auswirken. Das FA führte deshalb in der Einspruchsentscheidung getrennte Veranlagung für die Ehegatten durch, beließ es aber im Ergebnis (bei Zusammenfassung der nunmehr getrennt für die Steuerpflichtigen angesetzten Steuerbeträge) bei der Steuer des angefochtenen berichtigten Einkommensteuer-Bescheids.

Mit ihrer Berufung gegen diese Einspruchsentscheidung beantragten die Steuerpflichtigen in erster Linie die beschränkte Zusammenveranlagung, hilfsweise getrennte Veranlagung.

Das FG wies die Berufung zurück und führte zur Begründung aus, mit der Rechtskraft des endgültigen Einkommensteuer-Bescheids vom 28. September 1960 hätten die Steuerpflichtigen das Recht verloren, zwischen verschiedenen Veranlagungsarten zu wählen. Sie hätten es auch nicht durch die auf § 218 Abs. 4 AO zurückgehende Berichtigung des Einkommensteuer-Bescheids wiedergewonnen. Vielmehr bleibe die dem Einkommensteuer-Bescheid vom 28. September 1960 zugrunde liegende Art der Veranlagung maßgebend. Das sei die uneingeschränkte Zusammenveranlagung. Die Änderungsmöglichkeit des § 218 Abs. 4 AO reiche nur so weit, als die einheitliche Gewinnfeststellung geändert worden sei; sie erfasse nicht die Art der Veranlagung. Diese sei nicht Gegenstand des Feststellungsverfahrens, sondern des Veranlagungsverfahrens. Das nach § 26 Abs. 1 EStG 1957 gewährte Wahlrecht hinsichtlich der Veranlagung ende mit Rechtskraft des Veranlagungsbescheids. Eine Ausnahme könne hier nur nach § 26 Abs. 2 EStG 1957 in Frage kommen, falls nämlich die Berichtigung des Feststellungs-bescheids auf § 222 AO beruhe. Hier sei die Änderung aber nach § 94 AO erfolgt. Eine unterschiedliche Behandlung in den Fällen der Änderung des Feststellungsbescheids auf Grund des § 222 AO oder auf Grund des § 94 AO sei gerechtfertigt. Werde nämlich ein Rechtsmittel gegen den Gewinnfeststellungsbescheid betrieben, so hätten Ehegatten die Möglichkeit, in ihrer Einkommensteuersache Rechtsmittel einzulegen, wenn der Ausgang des Gewinnfeststellungsverfahrens für die Wahl der Veranlagungsart bedeutsam sein könnte. Zur Wahrung dieser Rechte müßten sie ggf. diesen Weg beschreiten. Anders liege es bei Berichtigung der Gewinnfeststellung, die auf neue Tatsachen zurückgehe. In diesem Fall seien die Steuerpflichtigen nicht in der Lage, vorher etwas zu unternehmen. Wegen der für sie neuen Rechtslage müsse ihnen der Weg eröffnet werden, noch nachträglich auch die Veranlagungsart zu wechseln. Diesem Zweck diene § 26 Abs. 2 Nr. 2 EStG 1957. Allenfalls könne man eine Berichtigung des Feststellungsbescheids nach § 94 AO einer solchen nach § 222 AO gleichsetzen, wenn im Laufe des Rechtsmittelverfahrens gegen den Feststellungsbescheid neue Tatsachen hervorträten, die zu einer Änderung nach § 94 AO führten. Das sei aber hier nicht der Fall. Die eingeschränkte Zusammenveranlagung scheitere auch aus sachlichen Erwägungen. Nach § 26d Abs. 1 EStG 1957 schieden Einkünfte von Ehegatten nur dann aus der Zusammenveranlagung aus, wenn sie in einem dem anderen Ehegatten fremden Betrieb erzielt worden seien. Das sei hier nicht der Fall, weil der Ehemann die Kapitalmehrheit und einen 50 %igen Gewinnanteil bei der OHG gehabt habe, und weil die OHG – auch ohne Anwendung der sogenannten Bilanzbündeltheorie – auch sein Betrieb gewesen sei.

Die Steuerpflichtigen legten Revision ein. Sie machten geltend, die Änderung der einheitlichen Gewinnfeststellung beseitige die Rechtskraft der Veranlagung. Der alte Antrag auf getrennte Veranlagung lebe wieder auf. § 234 AO a. F. gelte nur für Anträge, die bei der Veranlagung noch nicht gestellt gewesen seien. Durch § 218 Abs. 4 AO solle der Bürger nicht schlechtergestellt werden, als wenn die einheitliche Gewinnfeststellung von Anfang an richtig gewesen wäre.

 

Entscheidungsgründe

Aus den Gründen:

Die Revision ist im Ergebnis unbegründet. Es muß bei dem durch das FG und das FA festgesetzten Steuerbetrag verbleiben. Jedoch war keine Zusammenveranlagung – so das FG – sondern eine getrennte Veranlagung – so das FA in der Einspruchsentscheidung – durchzuführen. Unter Aufhebung des angefochtenen Urteils war daher die Klage der Steuerpflichtigen gegen die Einspruchsentscheidung abzuweisen.

Die Steuerpflichtigen können entgegen der Ansicht des FG an sich im Rahmen einer Änderung nach § 218 Abs. 4 AO auch den Antrag stellen, sie auf eine andere Art, als bisher geschehen, zu veranlagen.

a) Es ist zwar ständige Rechtsprechung, daß die Änderung eines Einkommensteuer-Bescheids nach § 218 Abs. 4 AO im Gegensatz zu einer Berichtigung nach § 222 AO nicht die Aufrollung des gesamten Steuerfalles bedeutet, daß also nicht alle etwa bei einer früheren Veranlagung geschehenen Fehler berichtigt sowie Gesetzesänderungen und Urteile des BVerfG und neu gestellte Anträge des Steuerpflichtigen berücksichtigt werden können (vgl. die BFH-Urteile VI 78/63 S vom 3. Juli 1964, BFH 80, 257, BStBl III 1964, 566; I 258/62 vom 9. März 1965, HFR 1965, 490, mit weiteren Nachweisen; VI 128/65 U vom 24. November 1965, BFH 84, 365, BStBl III 1966, 131). Ebenso ist anerkannt, daß über die Frage der Veranlagungsart grundsätzlich nicht im Verfahren der einheitlichen Gewinnfeststellung, sondern im Veranlagungsverfahren zu entscheiden ist (BFH-Urteile I 44/59 U vom 19. Dezember 1959, BFH 70, 247, BStBl III 1960, 91; IV 284/59 U vom 3. August 1961, BFH 73, 674, BStBl III 1961, 511). Die Steuerpflichtigen hätten auch die Möglichkeit gehabt, den endgültigen Steuerbescheid, durch den sie uneingeschränkt zusammen veranlagt waren, anzufechten. Für die steuerpflichtige Ehefrau bestand nur die Möglichkeit der Anfechtung im Veranlagungsverfahren, da sie an der OHG und mithin auch am Verfahren der einheitlichen Gewinnfeststellung nicht beteiligt war und daher über die Frage, ob sie Lohneinkünfte hatte, nur im Veranlagungsverfahren entschieden werden konnte. Der steuerpflichtige Ehemann konnte – wie geschehen – die Frage, ob sein gewerblicher Gewinn durch Lohneinkünfte der Ehefrau (als Betriebsausgaben) gemindert wurde, nur im Verfahren der einheitlichen Gewinnfeststellung zur Nachprüfung stellen. Er konnte aber gleichzeitig auch den Veranlagungsbescheid anfechten mit der Begründung, seine Ehefrau habe eigene Einkünfte, auf Grund deren sie nur eingeschränkt mit ihm zusammen veranlagt werden könne; denn hierüber konnte im Verfahren der einheitlichen Gewinnfeststellung nicht entschieden werden.

b) Nach der Rechtsprechung des RFH und des BFH (vgl. das BFH-Urteil IV 286/58 U vom 15. Dezember 1961, BFH 74, 375, BStBl III 1962, 142) kann ein Steuerpflichtiger jedoch auch gegen einen nach § 218 Abs. 4 AO ergangenen Änderungsbescheid alle Einwendungen erheben, die er gegen den ursprünglichen Bescheid hätte geltend machen können. Das ist hier auch der Einwand, die Steuerpflichtigen hätten nicht – wie geschehen – zusammen veranlagt, sondern eingeschränkt zusammen veranlagt oder – hilfsweise – getrennt veranlagt werden müssen.

Dem stehen die vom FG herangezogenen BFH-Urteile I 44/59 U und VI 23/62 U vom 12. Juli 1963 (BFH 77, 416, BStBl III 1963, 471) und auch die weiteren Urteile IV 284/59 U, IV 440/60 S vom 21. September 1961 (BFH 73, 847, BStBl III 1961, 574) und VI R 206/66 vom 12. Januar 1968 (BFH 91, 406, BStBl II 1968, 396) nicht entgegen. Alle diese Urteile befassen sich mit den Sonderfällen der §§ 26 und 27 EStG a. F. Es ging dort um die Frage, ob eine bereits vor dem gesetzlich vorgesehenen Stichtag rechtskräftig gewordene Zusammenveranlagung von Ehegatten oder von Eltern mit Kindern, die nunmehr als verfassungswidrig erklärt worden war, noch im Rahmen einer Berichtigungsveranlagung abgeändert werden könnte. Diese Entscheidungen kamen zu dem Schluß, daß das nach den gesetzlichen Bestimmungen (z. B. § 26 Abs. 2 Nr. 2 EStG 1957) nur der Fall sein dürfe, wenn eine Gesamtwiederaufrollung der Veranlagung (§ 222 AO) oder – im Falle der Änderung nach § 218 Abs. 4 AO – wenigstens eine Gesamtwiederaufrollung des Gewinnfeststellungsverfahrens erfolgt war. Ein derartiger Fall liegt hier nicht vor. Die endgültige Einkommensteuer-Veranlagung fand nach dem 30. Juni 1967 statt. Für sie waren also schon von Anfang an nach § 26 Abs. 2 Nr. 1 EStG 1957 die neuen gesetzlichen Vorschriften über die Ehegattenbesteuerung anzuwenden, so daß – was das FG verkannte – § 26 Abs. 2 Nr. 2 EStG hier keine Rolle spielt, es vielmehr allein um die Frage geht, wie weit eine Änderung nach § 218 Abs. 4 AO ganz allgemein reichen kann.

Können somit die Steuerpflichtigen auch eine andere Veranlagungsart erreichen, so können sie aber, da sie die Anfechtung des ursprünglichen Steuerbescheids versäumten, nicht mehr erreichen, daß der ursprünglich festgesetzte Steuerbetrag herabgesetzt wird. Das ergibt sich aus § 234 AO a. F., der auch bei Folgeänderungen nach § 218 Abs. 4 AO zu beachten ist (vgl. die BFH-Urteile VI 97/56 U vom 21. Februar 1958, BFH 66, 427, BStBl III 1958, 167; IV 286/58 U; I 259/64 vom 1. März 1966, BFH 85, 340, BStBl III 1966, 331).

Das FG hätte also prüfen müssen, ob die Steuerpflichtigen eingeschränkt zusammen veranlagt oder hilfsweise getrennt veranlagt werden mußten. Trotz der Unmöglichkeit, den ursprünglichen Gesamtsteuerbetrag zu unterschreiten, hat diese Frage wegen der Steuerschuldnerschaft oder der den einzelnen Ehegatten zuzurechnenden Steuerbeträge noch Bedeutung (§ 7 Abs. 2 und Abs. 3 Sätze 3 und 4 StAnpG).

Das FG hat – hilfsweise – aus sachlichen Gründen die Möglichkeit einer eingeschränkten Zusammenveranlagung (§ 26d EStG 1957) verneint, weil die steuerpflichtige Ehefrau ihre Einkünfte nicht in einem dem Ehemann fremden Betrieb erzielt habe. Insoweit ist ein Rechtsfehler nicht zu erkennen.

Da bei den Steuerpflichtigen die Voraussetzungen einer eingeschränkten Zusammenveranlagung nicht vorliegen, bleibt also nur die Möglichkeit einer getrennten Veranlagung, wie sie das FA in seiner Einspruchsentscheidung durchführte, die deshalb wiederherzustellen war.

 

Fundstellen

Haufe-Index 557429

BStBl II 1970, 538

BFHE 1970, 90

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